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Aufhören, wenn es am schönsten ist?
Sie standen mitten in der Nacht zu zweit kurz vor dem Abgrund auf dem höchsten Büroturm der Stadt.
Er würde springen und sie würde mit ihm kommen. Sein Motiv bestand aber nicht etwa darin, dass er vom Leben enttäuscht war. Nein, das wäre viel zu einfach. Sein Problem war, dass er sich am Zenit seines künstlerischen Schaffens wähnte. Genau. Marco hatte die bittere Gewissheit, dass er nie wieder so gut sein würde wie im Augenblick. Keinen Song, den sie jetzt noch schreiben würden, könnte ihren Aktuellen jemals übertreffen.
Hör auf, wenn es am schönsten ist.
Sie mussten handeln. Andernfalls, so dachte er, würde in ein paar Jahren niemand mehr über sie sprechen. Sie würden komplett in Vergessenheit geraten. Das galt es zu verhindern. Zumindest wenn es nach Marco ging.
"Bist du sicher das wir das Richtige tun?", wollte Sonja mit zitternder Stimme wissen.
"Ich weiß es nicht." ,blaffte er sie unwirsch an. "Ich weiß nur, dass wir etwas tun müssen gegen das Vergessen. Ein Zeichen setzen, das man nicht so schnell vergisst."
"Ich häng am Leben."
"Ach Sonja, hör mit dem sentimentalen Schwachsinn auf!" Er schrie jetzt. Sie fing an zu weinen.
"Wir können ja mit was anderem anfangen."
Er lachte hysterisch auf "Mit was anderem. Hör zu, ich kann mir nichts anderes vorstellen. Die Musik ist mein Leben.", sagte er während er auf die Dachkante zuging. "Ich dachte, das wäre auch deine Überzeugung."
"Bleib stehen, ich mach da nicht mehr mit!", schrie Sonja ihn an. Er drehte sich um und ballte die Fäuste.
"Oh doch, das wirst du!" Ein irrer Ausduck lag jetzt in seinem Blick. "Ich lass nicht zu, dass du mir das versaust." Er kam jetzt langsam und bebrohlich auf Sonja zu. Sie blieb wo sie war. Weglaufen hatte keinen Sinn - hatte er doch die Schlüssel für den Ausgang zum Treppenhaus. Er packte sie. Sie schloss die Augen.
Der Aufprall war ungewöhnlich leise. Ihre Körper lagen unnatürlich verdreht auf der Straße. Blut sickerte in einem dünnen Rinnsal in den Abfluss. Stille legte sich wie ein Tuch über die Szene. Sonst passierte nichts. Ob Marco sich geirrt hat?