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Auf zu neuen Grenzen!
Es war eines schönen Tages als Herrn P. aus heiterem Himmel ein Apfel auf die lichte Schädelplatte fiel. Er brach in zwei Hälften und Herr P. zusammen. Glücklicherweise fanden Passanten den komatösen P. und einige Tatü-Tatas später lag er auf der Intensivstation des örtlichen Zentralkrankenhauses. Die Ärzte suchten, fanden nichts, steckten ihn in einen violetten Schnürkittel und dann in ein Zweibettzimmer. Herr P. merkte von all dem Tamtam nichts, und das war gut so, denn P. mochte keine Kittel, sie erinnerten ihn zu sehr an Frauenkleider.
Emma trug gerne Kleider, stieg auf eine breite Kiste, dann auf den Korbstuhl, erklomm den umgedrehten Eimer und kam so ganz gut an die Lampenfassung heran. Die Glühbirne war noch heiß, lies sich aber schnell wechseln. Emma konnte nicht ahnen, dass der Draht am Gestell anlag und so nicht nur die Lampe mit Strom versorgte. Emma ahnte auch nichts von Herrn P. und seiner Abneigung zu Schnürkitteln, aber das können wir ihr an dieser Stelle auch nicht verübeln. Emma hatte Glück, dass sie nicht mit den leitenden Metallverstrebungen in Berührung kam und Pech, dass der alte Korbstuhl nicht kräftiger gebaut war, oder Emma zu kräftig. Das ist Ansichtssache. Emma verlor die Balance, das Bewusstsein und etwas später ihr Leben.
Weit ab in einer fernen Galaxie implodierte ein Planet.
Herr P. schwamm mit kräftigen Zügen durch grüne Gelantine, vor ihm eine dickliche Frau, hinter ihm folgten eine unüberschaubare Anzahl seltsamer Wesen mit bleicher Haut und großen dunklen Facettenaugen. P. fühlte sich an ein Radrennen während der Tour de France erinnert, bei dem zwei Ausreißer kurz vor dem Ziel noch vom Feld eingeholt wurden und musste kichern.
Emma glitt weniger elegant durch den Schleim und so dauerte es nicht lange und P. war mit ihr gleichauf. Er passte sein Tempo an und schwamm schweigsam nebenher. Derart ausgebremst dauerte es nicht lange bis das Feld der Aliens an ihnen vorbeizog. Keiner würdigte sie eines Blickes. Schnurstracks zogen sie ihre Bahn, unbeirrt, als wüssten sie genau wohin die Reise geht. Eines dieser seltsamen Wesen, das auf den Namen Klong hörte, schwamm abseits, abgesondert und gesellte sich schließlich zu unserem Pärchen. Klong war es auch, der als erstes das Wort ergriff.
Klong: „Das haben wir nicht gewollt!“
Emma: „Sie sind nicht von der Erde, hmm?“
Klong: „Blob – so heißt Ort, von dem ich stamme. Ähm, so hieß er zumindest bis gerade eben“
P: „Ich hatte mal einen Wachhund, der Blob hieß.“
Klong: „Wir lebten in einer Kugel. Eine überall wachsende lila Pflanzenart sorgte für eine innere Atmosphäre, für einen akzeptablen Innendruck und für den Anfang einer Nahrungskette. So wuchs unsere Zivilisation zu dem heran, was sie heute ist. Ähm .. war.“
Emma: „Mein Kleid ist auch lila“
P: „Ich mag keine Kleider“
Klong: „Wir fühlten uns unglaublich fortschrittlich, dachten es gäbe keine Grenzen, forschen in allen Bereichen der Wissenschaften. Es gab keine Kriege mehr, keinen Hunger, keine Krankheiten.“
Emma: „Kleider sind bequem und schön anzusehen“
P: „Ich mag sie trotzdem nicht.“
Klong: „Unsere Neugier trieb uns voran. Es gab kein Hindernis, das wir nicht aus dem Weg räumen konnten. Schließlich planten unsere führenden Köpfe auch den Raum hinter der letzten Barriere zu erkunden. Man baute einen gewaltigen Bohrer und …“
Emma: „Na und? Sie brauchen ja auch keine Kleider tragen. Keiner zwingt sie dazu!“
P: „Zum Glück! Moment mal!? Merkt ihr das auch?“
Klong: „Als wir die Wand durchbrachen, bildeten sich unkontrolliert Risse und Spalten, die Atmosphäre entwich zu schnell. Noch bevor wir ersticken konnten, implodierte unsere Heimat mit einem ohrenbetäubenden Knall.“
Emma: „Sie werden ja ganz durchsichtig! Stimmt etwas nicht?“
P: „Ich fühle … ich …“
Und während P. aus dem Komma erwachte und verwundert auf seinen violetten Kittel starrte, schwammen Emma und Klong auf eine neue Barriere zu, eine neue Grenze, deren Übergang selbst dem fortschrittlichen Außerirdischen völlig neue Erkenntnisse bringen sollte.
Die Ärzte indessen waren hocherfreut über die schnelle Genesung ihres Patienten und auch wenn dieser anfangs noch unverständliches Zeugs über fremde Wesen, Gelantine und Schnürkittel von sich gab, stellte sich bald eine Besserung ein. P. konnte nach Hause entlassen werden und trat schon kurze Zeit später wieder seinen Job als Pförtner im Nuklearforschungsinstitut an. Auch zog es P. künftig vor, von weißen Lichtern und Engelsgesängen zu berichten, wenn man ihn auf seine Komaerfahrung ansprach. Er mochte dieses neugierige Hinterfragen nicht und außerdem – wer hätte ihm geglaubt?