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Auf Wunsch meines Gatten

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29.01.2010
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Auf Wunsch meines Gatten

Die Hausangestellte, die in der Nähe der Eingangstüre bereitstand, öffnete Paul Florin auf sein Klingeln hin. Mit einer Handbewegung deutete sie zur offenen Tür an der rechten Seitenwand. Die Geste bezog diskret das Kondolenzbuch mit ein, das auf einem freistehenden Glastisch lag. «Frau Caminada empfängt Sie gern im Salon.» In ihrer sonoren Stimme lag etwas Andächtiges.

Im Kondolenzbuch waren bereits etliche Seiten umgeschlagen. Florin blätterte in den Vorgehenden, sich überlegend, welche Abschiedsworte für Andrin angemessen wären. Als Freund der Familie und deren Anwalt hatte er ein zweigeteiltes Verhältnis zu ihm gehabt, Beruf und Privates streng getrennt.
Nebst Texten hatten Kunstmaler vereinzelt auch stilvolle Zeichnungen angebracht. Eine Reverenz an den Verstorbenen. Er musste lächeln, als sein Blick auf eine Skizze von Felix Tête fiel. Mit knappen Strichen hatte dieser filigran einen Strauss Callas gezeichnet. Eine Schleife hielt diese zusammen, mit «In ewiger Dankbarkeit» geziert.
Andrin Caminada hatte als Mäzen den jungen Maler gefördert. Dabei war er sehr streng, wollte Leistungen und Entwicklung erkennen, ansonsten gab er sich zurückhaltend. Tête hatte es trotz anfänglicher Mühe geschafft, seinen eigenen Stil und Anerkennung zu finden, auch wenn er noch keineswegs zur Elite zählte.
Die Hand zitterte erst leicht, als Florin einen eigenen Füllfederhalter hervornahm, um eine Widmung anzubringen. Die extra breite Federspitze ermöglichte ein kalligraphisches Schriftbild. «Deine Lebensfreude und Dein besonderer Humor, die durch nichts aus der Fassung zu bringen waren, bleiben mir unvergesslich.» Mit einem andern Füllfederhalter setzte er seine Unterschrift darunter. Die bescheidenen Worte dekorativ geschrieben sind Andrin gerecht, sie würden ihn freuen. Mehr muss es nicht sein!

Als Florin in den Salon trat, standen knapp ein Dutzend Personen im Raum herum. Einige Kondolenzbesucher waren wohl bereits wieder weg. Paolo Lucchini, der langjährige Sekretär von Andrin, kam auf ihn zu und begrüsste ihn. Claire Caminada stand in ein Gespräch vertieft, mit jemandem, der ihm den Rücken zuwandte, an einem Fenster. Sie sah gefasst aus. Andrin war immerhin einundachtzig gewesen, zweiunddreissig Jahre älter als sie, und sein Ableben war nicht gänzlich überraschend gekommen. Das schwarze Kleid, das sie mit einem kurzen, zitronengelben Jackett darüber trug, verlieh ihrer Erscheinung einen dezent fröhlich wirkenden Anstrich. Ganz im Sinne des Verstorbenen. Als ihr Gesprächspartner sich kurz leicht umwandte, erkannte ihn Florin. Es war H. R. Giger, der Skulpteur. Als Einziger der Anwesenden ganz in Schwarz gekleidet, doch dies gehörte bei ihm zum Standard. Wahrscheinlich eine Marotte, da sein weisses Haar dadurch voll zur Geltung kam. Florin konnte dessen Werk nicht besonders viel abgewinnen, technisch-surrealistische Figuren aus Metall, biomechanische Kunst, wie Giger sie nannte, oder auch Androide. Da war sein ästhetisches Empfinden völlig anders als das von Andrin, der zu allen Richtungen der Kunst offen war und ihn wegen seiner Begrenztheit im Kunstverständnis auch mal scherzhaft einen Kleinbürger genannt hatte.

Claire entdeckte Florin und gab ihm ein Zeichen, zu ihnen zu treten.
«Mein herzliches Beileid, Claire», sagte er, um sie dann auf beide Wangen zu küssen.
«Danke Paul. Es ist schön, Dich in diesem Moment hier zu haben. – Du bist mit Hansruedi bekannt oder?», sprach sie ohne Umschweife weiter.
Florin und Giger gaben einander die Hand.
«Andrin hatte uns einander mal vorgestellt», bemerkte Giger mit einer tiefen Stimme, die zu seiner stattlichen Erscheinung passte. Das charmante Lächeln, das er dazu aufsetzte, liessen ihn in seinem Auftritt weich wirken.
Er ist ein Typ, auf den die Frauen fliegen, ging Florin durch den Kopf. Gleich ärgerte er sich für diese unpassenden Gedanken. Es war wohl eine leichte Spur von Eifersucht. Claire kam ihm, diesem Mann gegenüber, auf undurchsichtige Weise verbunden vor. Nichts Sichtbares gab Anlass dazu, nicht in den Gesten oder den Worten, nur ein Gefühl, das Florin plötzlich unbehaglich beherrschte.

«Möchtest Du Andrin sehen?», unterbrach Claire seine Gedanken. «Er ist nebenan aufgebahrt.» Sie führte ihn in einen Nebenraum, dessen Tür offen stand und in dem gedämpftes Licht brannte. Der Sarg stand erhöht in der Mitte, daneben war auf einer Staffelei ein farbenfrohes Bild von Chagall platziert.
Eine Inszenierung, ganz im Sinne von Andrin. Er hatte den Tod nie als düstere Erscheinung verstanden. «In allen Lebenssituationen, und seien sie noch so trist, steckt ein Splitter zur Heiterkeit. Man muss nur den Sinn darin erkennen», bemerkte er einst. Diese Erinnerung erweckte Florin beinah den Eindruck, Andrin, der bleich auf dem weissen Laken lag, könnte ihm mit einem der geschlossenen Augenlider zuzwinkern. Dabei war sein Gesicht ernst, eine starre Totenmaske, kein verschmitztes Lächeln, wie er es wohl für diesen Akt gern zur Schau getragen hätte.
«Wann wird das Begräbnis sein?», wandte er sich an Claire.
Claire zögerte, als überlege sie sich sorgfältig ihre Worte. «Morgen in drei Wochen, an seinem Geburtstag.»
Florin war überrascht. Dieses Hinauszögern der Beisetzung kam ihm ungewöhnlich vor, normalerweise fand eine solche innert Wochenfrist statt. Eine Aufschiebung wurde nur veranlasst, wenn eine unnatürliche Todesursache vorlag. «Gibt es Missverständnisse über die Todesursache? Machen die Behörden Schwierigkeiten?» Er fühlte sich als Anwalt auf den Plan gerufen.
Claire lachte beherzt auf. «Nein überhaupt nicht. Sein Hausarzt hat den Todesschein ausgestellt, der Tod ist zweifellos durch Herzversagen eingetreten. Seitens der Behörden gibt es keine Einwände.»
«Aber?» Florin konnte sich keinen Reim auf ihre Antwort machen.
«Andrin hat sich für seine letzte Ruhestätte etwas ganz Besonderes gewünscht. Du kennst ihn ja, in manchen Dingen konnte er richtiggehend exzentrisch sein.» Einen Moment schwieg sie, den Blick auf das Gesicht von Andrin gewandt, doch dann hoben sich ihre Mundwinkel zu einem milden Lächeln. «Er war ein besonderer Mensch, dies wusste ich, als ich ihn damals heiratete. Es war auch das, was ihn ausmachte. Als er mir vor zwei Jahren von seiner Absicht erzählte, wie er sich seine letzte Ruhestätte vorstellt, hielt ich es für einen vorübergehenden Spleen. Doch er fing immer wieder mal davon an. Anfänglich vorsichtig einfädelnd, es auf eine theoretische Ebene hebend, um dann sanft, jedoch bestimmt durchblicken zu lassen, dass es ihm damit Ernst sei. Wir hatten heftige Diskussionen, rangen um gegenseitiges Verständnis, wogen den Sinn ab. Es blieb in der Schwebe, über ein Jahr. Sein Verlangen hätte er bestimmt zurückgezogen, wenn es ihm nicht gelungen wäre, mich von seiner Idee letztlich zu überzeugen. Allmählich verstand ich seinen Wunsch, es vollendet sein Dasein für die Kunst und gibt diesem Esprit, den er ein Leben lang verkörperte, Ausdruck. Es wird kein ewiger Wert sein, vergänglich, wie alles Irdische, aber mit Faszinosum erfüllt.»
Florin hatte ihr gespannt zugehört, ihre tiefe Zuneigung, welche sie für ihren Mann in den Worten ausdrückte, wahrgenommen. Sie liebte ihn über den Tod hinaus. Doch er verstand nicht, auf was es hinauslaufen könnte. Eine prunkvolle Grabesstätte würde der Lebensanschauung von Andrin zuwiderlaufen, auch wäre die Bauzeit dafür zu kurz.
«Entschuldige bitte Claire, aber ich verstehe nicht.»
Claire seufzte. «Es tut mir leid, aber Andrin hatte mich gebeten, mit niemandem, auch seinen engsten Freunden gegenüber nicht, darüber zu sprechen, bis es soweit ist.»
Ihr sanfter Blick, mit dem sie ihn anschaute, besänftigte seinen Unwillen. Einen Moment hatte er befürchtet, es als Ausgrenzung verstehen zu müssen. Doch es war wohl eher ein Überraschungscoup eines exzentrischen, alten Mannes, der gegenüber seinen Freunden und der Welt noch ein letztes Mal aufzutrumpfen beabsichtigte.
«Du bist mir nicht böse, Paul?»
Florin erschrak, er wurde sich bewusst, dass seine Mimik ihn verraten haben musste. «Gewiss nicht, Claire. Es ist klar, dass Du seinem Willen entsprechen musst. … Ach Blödsinn, was schwafle ich da. Ich war einen Moment verunsichert. Meine Beziehung zu Andrin und Dir habe ich immer als eine tiefgreifende Freundschaft wahrgenommen, in der wir weitgehend über alles sprechen konnten. Und nun dieses Ausklammernde, es hat mich brüskiert. Den Bruchteil einer Sekunde, den Gedanken aufkommen lassen, diese Gefühle seien nur meinerseits aufgetreten. Ich sei nur einer, na ja, unter vielen Freunden.»
«Ach, Paul!» Claire umarmte ihn herzlich, sich wieder lösend, blieb ihre Hand auf seinem Oberarm ruhen. «Du bist mein bester Freund und ich fühle mich gut bei diesem Gedanken.»
«Tut mir leid, wenn ich kurz zweifelte. Andrins Tod hat mich wohl etwas empfindsam gemacht, er hatte sicher Gründe dafür, dass er Dich um Stillschweigen bat.»
«Die Gespräche mit mir hatten ihn sensibilisiert und bewogen, es nicht noch mit weiteren Personen zu erörtern. Es ist sein Wunsch und heute bin ich froh, dass er sich von mir nicht abbringen liess. Mein Arrangement wäre vermutlich einem Grabmal wie jenem von Jean Marais in Vallauris nahegekommen, dessen künstlerische Gestaltung mich einst verblüffte und zugleich faszinierte. Jean Marais hatte es sich zu Lebzeiten noch selbst geschaffen. Kennst Du es?»
«Ja doch, vor ein paar Jahren, als ich in Cannes weilte, hatte es mir ein Bekannter gezeigt. Es war mir allerdings zu mysteriös, diese Fabeltiere, die es bewachen, ich meinte Marais Gesicht in ihnen zu erkennen und über allem ruhend das Wesen eines Menschen mit Geweih. Ehrlich gesagt, es war nicht so mein Geschmack, bei allem Respekt vor dem vielseitigen Künstler, der er war. Für Andrin hätte ich mir eher einen Grabschmuck von Henry Moore vorgestellt, etwa seine „Reclining Figure“ oder seine „Oval with Points“, die Schlichtheit und Moderne verbinden. Ich denke, sie würden das Wesen von Andrin, sein intuitives Gespür für das Besondere, das er weit über die Kunst hinaus besass, vorzüglich versinnbildlichen.»
Claire blickte nachdenklich auf Andrin, der wie ein stiller Zuhörer gegenwärtig war.
«Du hast die Wesensart von Andrin, seine Liebe zur Kunst und zu den Menschen, mit Moore sehr schön ausgedrückt. Ja, ein Teil seiner Werke hätte ihm diesbezüglich wirklich entsprochen. Warum ich selbst nicht daran dachte? Aber er war so auf seine eigene Idee fixiert, und letztlich hatte er recht. Die letzte Ruhestätte sollte ihn widerspiegeln, wie er sich selbst verstand, um den Hinterbliebenen die Möglichkeit zu geben, ihm nahe zu sein. Ich bin sehr froh, mich in der kommenden Zeit auf Dich stützen zu dürfen.»

Als sie in den Salon zurückkamen, waren erheblich mehr Leute da. Claire nahm von diesen die Beileidsbezeugungen entgegen, sprach mit allen ein paar Worte. Es musste für sie anstrengend sein. Da erklang der feine Ton eines Glases, das mit einem metallischen Gegenstand angetippt wurde. Alle Anwesenden sahen in die Richtung des Verursachers, es war Theophil Koch, der ein Glas in die Höhe hielt. Die meisten kannten ihn, wenn nicht persönlich, hatten sie ihn zumindest abgebildet gesehen. In Zeitungen veröffentlichte Interviews mit ihm, zu zeitgemässer Moraltheologie, sorgten ab und zu für Aufsehen.

«Liebe Claire, werte Trauergäste! Es ist mir ein Anliegen, ein paar Worte zum Heimgang von Andrin sprechen zu dürfen. Der Anlass unseres heutigen Zusammentreffens erfüllt uns mit Trauer, Andrin Caminada weilt nicht mehr unter uns. Gönnen wir uns die Zeit wehmütigen Abschiednehmens. Doch lassen wir auch die Freude zu. Die Freude, dass wir Andrin in seinem Leben begegnen durften! Ich will mich hier nicht darüber auslassen, was er in seinem Leben vollbrachte und Gutes bewirkte. Ich will auch nicht über den Kunstsammler und Mäzen sprechen, der er mit Herz und Seele war. Ihr alle kanntet ihn diesbezüglich vielleicht noch besser als ich. Es ist der Mensch, dem ich begegnete und dessen Persönlichkeit mich tief beeindruckte. Er ist mir sehr gegenwärtig, wenn ich mich an das erste Gespräch mit ihm erinnere. Es war ein fröhlicher Anlass, eine Geburtstagsfeier im Badrutts’s Palace in St. Moritz, bei der wir beide geladene Gäste waren. Er hatte sich gelangweilt und war auf eine Terrasse geflüchtet. Kurzum, wir kamen ins Gespräch. Eine leichte Ironie konnte er nicht verbergen, als er erfuhr, dass ich Theologe bin.» Koch liess die Worte verklingen, bis er weiterfuhr.
«So, so, Sie glauben also, der Mensch sei dazu bestimmt, ein ewiges Dasein zu führen. Welchen Sinn sollte dies denn haben?» Er blickte mich dabei herausfordernd lächelnd an.
Ich gestehe, ich war überrumpelt von seiner Fragestellung. Gegen Angriffe auf den Glauben an sich war ich gerüstet, hatte zu allen Diffamierungen eine treffende Antwort bereit. Er aber hinterfragte entwaffnend schlicht den Sinn eines ewigen Daseins der menschlichen Seele. Mein Versuch, ein Konstrukt von theologisch- rhetorischer Deutung aufzubauen, unterbrach er kurzerhand.
«Ich frage nicht den Gelehrten, sondern den Menschen: was versprechen Sie sich davon?»
Einen Schreckensmoment lang dachte ich, er kenne meine Zweifel, die mich wie jeden andern meiner geistlichen Mitbrüder gleichsam schon überkamen. Mit einem Schauer durchfuhr mich die Erkenntnis, dass sich mein Gottesbild längst gewandelt hatte, meine Sichtweise sich längst dem Transzendentalen im Sinne von Kant angenähert hatte. Das Liebliche und Fromme, das Transzendente hingegen, das mich einst anzog, nur noch verblasste Erinnerung ist. Nicht, dass ich es missen möchte, doch es musste der reifer werdenden Weiterentwicklung weichen, die Wegfindung führte mich mehr und mehr zu mir selbst, meinem Sein im Jetzt. Es war mir, als ob in ihm dies erfüllt sei, wonach ich noch suchte, dabei war er weit davon entfernt, sich auf irgendwelchen Glauben einzulassen. Er stand nur da und lächelte.
Dies war vor zwanzig Jahren gewesen. In dieser Zeit hatte ich mehrfach Gelegenheit, Gespräche mit ihm zu führen. Oft waren es Themen, die weitab von meiner Berufung standen, doch immer waren sie erfüllt mit Leben. Mit seinem Enthusiasmus, mit dem er die Kunst liebte, konnte er sich ebenso auf alle möglichen Fragen des Lebens und der Gesellschaft einlassen. Es waren Gespräche auf gleicher Ebene, keiner, der sich dem andern über- oder unterlegen fühlte, und auch wenn Differenzen blieben, wir verstanden und respektierten uns. Von dem her verkörperte er mir eine der eindrücklichsten Begegnungen in meinem Leben.»
Theophil Koch machte eine angedeutete Verbeugung zu Claire hin, die ihm für seine herzlichen Worte dankte.

Claire benutzte den Augenblick, um die Anwesenden über die Beisetzung zu orientieren und vielleicht auch weitere pathetische Reden abzublocken.
«Liebe Freunde und Anteilnehmende. Ihr habt Euch sicher schon Gedanken gemacht, wann und wo die Beisetzung von Andrin stattfinden wird.» Sie machte eine Sprechpause, als sollten sich diese Worte setzen. «Auf Wunsch meines Gatten wird die letzte Ruhestätte in Gruyères sein. Es mag eigen klingen, dass er sich diesen Ort wählte, obwohl er nie dort lebte. Es entspricht aber durchaus ihm. Er liebte es, ungewöhnliche Wege zu gehen, öfters etwas Neues auszuprobieren und für alles offen zu sein. So darf es nicht überraschen, wenn er für diesen letzten Akt, wie er es mir gegenüber einmal nannte, sich etwas auswählte, das seinem Dasein etwas kunstvoll Besiegelndes gibt. In drei Wochen, an seinem Geburtstag wird er dort seinen Platz finden.»

Florin schaute Claire überrascht und erheitert an. Er hatte dieses historische Städtchen besucht, als er einmal in dieser Gegend war. Die steilen Gassen, erinnerte er sich, waren ihm beschwerlich gewesen. Einen krasseren Gegensatz zu moderner Kunst, wie Andrin sie besonders liebte, konnte er sich nicht vorstellen. Er war immer für eine Überraschung gut. «Hm, da erfüllt er sich ja einen unerwartet romantischen Traum, dass er diesen Ort wählte», sprach er leise zu Claire.
Sie schwieg.


*​

Auf der Karte war nur eine Adresse mit Plan angeführt: Château St. Germain, Gruyeres und die Uhrzeit. Florin machte sich keine weiteren Gedanken. Immerhin hatte sich Andrin ein Schlösschen ausgesucht, einen würdigen Ort, um seine Gebeine niederzulegen. Der Gedanke versöhnte ihn etwas mit der Geheimnistuerei, die Andrin sich da um sein Begräbnis geleistet hatte. Nun, er wollte sich vielleicht noch einmal besonders exzentrisch geben, eine versteckte Huldigung an Dali oder dergleichen damit einbringen. Lächelnd stieg Florin die steile Strasse im Ort empor, sein Freund war wirklich facettenreich gewesen, bis in den Tod.

Dem Plan folgend stand er in wenigen Minuten vor dem Château, das Haus überrascht musternd. Natürlich, er hätte es ahnen können. Château bedeutete nicht immer gleich ein Schloss im klassischen Sinn. Wohl von kleinen Lustschlösschen inspiriert, waren manche weniger dekorative Häuser auch so benannt. Doch diesen Anblick hatte er nicht erwartet, skurrile Skulpturen zierten neben und über dem Eingang die Hauswand. Einen Moment stand er mit halboffenem Mund da. Na gut, das ist nur der Treffpunkt.

In der Eingangshalle hatten sich schon einige Gäste versammelt, es war nur der engste Kreis der Freunde von Andrin. Pünktlich forderte Paolo Lucchini die Anwesenden auf, ihm zu folgen. Claire schritt neben ihm her, sie hatte noch keine Angaben gemacht, wo dann letztlich die Beerdigung stattfinden sollte. Die Räume waren alle mit Skulpturen und Bildern von Giger ausgestattet, eine faszinierende, aber auch skurrile Kunstwelt.
Im Untergeschoss gelangten sie in einen separierten Raum, der anscheinend neu geschaffen worden war. In einer Vitrine aus entspiegeltem Sicherheitsglas stand eine mannshohe Skulptur. Das silbern verchromte Skelett glänzte im Scheinwerferlicht, Raum und Betrachter spiegelten sich an der Figur. Claire hatte sich seitlich davon aufgestellt, und die Gäste reihten sich im Halbkreis auf.
«Andrin, auf ewig, wie lange dies auch sein möge.» Die Worte von Claire klangen wie ein Ritual.
Florin wusste nicht recht, was er davon halten sollte, weder Andrin noch Claire hatten jemals irgendwelche religiöse Neigungen, und diese Szene wirkte beinah etwas okkult. Da machte Claire einen Schritt nach links, ein Schildchen, das an der Wand angebracht war, dem Blick freigebend. «Andrin Caminada, Kunstsammler» war darauf zu lesen.
Es dauerte eine Weile, bis Florin den tieferen Sinn begriff. Diese Schildchen waren in den Museen üblich, um den Stifter des Werkes auszuweisen. – Hier hatte es einen doppelten Sinn erhalten, der Stifter stand vor ihm, in einem gläsernen Sarkophag.

 

Visualisierung

Spoiler erst nach dem Lesen der Geschichte öffnen!

Zur Visualisierung der letzten Ruhestätte – Figur und Sachverhalt dieser Geschichte sind reine Fiktion des Autors! – hier ein Link zur Künstler-Website mit den realen Skulpturen des Châteaus, die Andrin Caminada dort umgeben hätten: http://www.hrgiger.com/frame_d.htm

 

Lieber Anakreon,

oh ja, das wäre eine, im doppelten Sinne des Wortes, glanzvolle Heimstätte: Als von Giger verchromtes Skelett zu überdauern! Und auch noch als Spender der eigenen Skulptur verewigt zu werden. Als H.R Giger auftauchte und der Ort der Beerdigung genannt wurde, dachte ich: Hoppla, das geht nicht gut aus. Gruyère ist ja nicht nur der Käseort. :D Davon brachten mich aber die von dir eingebauten, hintergründigen Irreleitungen wieder ab. Florins Eintrag im Kondolenzbuch:

«Deine Lebensfreude und Dein besonderer Humor, die durch nichts aus der Fassung zu bringen waren, bleiben mir unvergesslich.»
und später Andrins:
«So, so, Sie glauben also der Mensch sei dazu bestimmt, ein ewiges Dasein zu führen. Welchen Sinn sollte dies denn haben?»
Das braucht ja schon wirklich einiges an Fantasie, Anakreon. Himmel, wie makaber. Aber ich meine, alles passt. Gar zu gern wüsste ich jetzt nur noch: Welches Bild von Chagall stand denn neben dem Sarg???
Zu mäkeln habe ich einzig an dem Gespräch zwischen Claire und Florin. Da ist mir Claire zu monologisch und informativ. Die Beiden schilderst du als Vertraute, da könnte diese Passage doch lockerer, flockiger, einfach charmanter daherkommen. – Zum Theologen Koch passt dann wieder die pathetische Form der Erinnerung. Insgesamt konnte ich deine Geschichte von Form und Inhalt gut und zügig lesen.

Kleinliches:
«Ich frage nicht den Gelehrten, sondern Sie als Mensch, was Sie für sich davon versprechen?»
Da stimmt was nicht. Vielleicht so: «Ich frage nicht den Gelehrten, sondern den Menschen: was versprechen Sie sich davon?»
Sein Enthusiasmus, mit dem er die Kunst liebte, konnte er sich auch auf alle möglichen Fragen des Lebens und der Gesellschaft einlassen.
Mit seinem Enthusiasmus … konnte er … Oder: Sein Enthusiasmus, mit dem er die Kunst liebte, konnte sich …
etwas kunstvoll besiegelndes gibt.
etwas kunstvoll Besiegelndes gibt.

Mehr ist mir im Moment nicht aufgefallen. Ich hab hier dies gern gelesen und kommentiert. Zu Sonstiges habe ich einfach den leichteren Zugang, als zu Horror ;)

Lieben Gruss zu dir,
Gisanne

 
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Lieber Anakreon,
ach da habe ich mich gefreut, als deine Name mal wieder auftauchte.
Und dann legst du einen so rein, du Schlawiner, ich denk noch am Käse rum, da hast du mich schon am Wickel, also klar, man rechnet schon mit einem eigenartigen Begräbnis, das bereitest du ja auch entsprechend vor, aber man will dann schon wissen, was Andrin sich nun für seine Beerdigung ausgedacht hat. Und wenn man nicht weiß, dass der Urheber der Alienfigur ein Museum in Gruyere hat, dann denkt man halt nur an den Käse.
Ja, eine schöne, makabre Idee.

Also ich fand das spannend und hab deine Geschichte gerne gelesen. Ein bisschen nachdenklich hat mich natürlich gemacht, wie und ob das nun der Sinn eines ewigen Lebens wäre, silbern glänzende Kunstgestalt zu werden. Auch ein bisschen eitel. Oder? Spielt da sowas rein, dass Andrin als Mäzen ja immer die Kunst der anderen unterstützt und gefördert hat und nun wenigstens in seinem Tod mit seinem Körper am Schaffensprozess teilnimmt? Wenn auch in sehr passiver Form? Ja das ganze ist schon recht makaber.

Ein paar Sachen sind mir auch aufgefallen, die mich ein wenig aus dem Lesetritt geworfen haben.
Das eine hat Gisanne schon gesagt, das Gespräch zwischen Claire und Florin. Da möchte ich Gisannes Argumente unterstützen. Ich finde außerdem, dass Claire hier schon zu viel andeutet. Sie sollte ein bisschen runterschrauben, denn in der Kurzrede an die Trauernden macht sie ja noch einmal ihre Andeutung. Also vielleicht wäre es gut, das Gespräch ein wenig zu kürzen, lockerer zu machen und sie nicht schon zu viele Andeutungen machen zu lassen. Vielleicht fügst du noch einmal so eine falsche Fährte ein wie die Vertrautheit zwischen ihr und Giger, die ja im Nachhinein keine falsche Fährte ist. Das fabd ich eine schöne Idee, weil es auch noch mal die Spannung steigert.

Und dann gab es eine Stelle, wo ich blöd ins Stolpern kam. Und ein paar Hinweise, wie immer nur als Anregung gemeint.

Nebst Texten hatten Kunstmaler vereinzelt auch stilvolle Zeichnungen angebracht. Eine Reverenz an den Verstorbenen. Er musste lächeln, als sein Blick auf eine Skizze von Felix Kopf fiel. Mit knappen Strichen hatte dieser filigran einen Strauss Callas gezeichnet. Die Schleife, welche diesen zusammenhielt, mit «In ewiger Dankbarkeit» geziert.

Also vielleicht bin ich ja völlig dusselig, aber ich habe ewig an der Stelle rumüberlegt, wie diese Zeichnung aussehen soll. Ein Kopf, daneben Callasblüten? Und wer dankt da jetzt wem? Und wer zum Teufel ist Felix? Das alles dachte ich, bis ich dann endlich raffte, dass Kopf ein Name ist und nicht ein Körperteil. Jetzt hab ich mich einfach gefragt, warum der Kunstmaler ausgerechnet Kopf heißen muss, stünde da Schneider oder Verkelbrand, würde keine so einen Dusselfehler machen wie ich.
Ich mein, die Geschichte funktioniert ja auch trotzdem.

Claire Caminada stand in ein Gespräch vertieft, mit jemandem KOMMA der ihm den Rücken zuwandte, an einem Fenster.
Weitere Komma- ider Rechtschreibfehler habe ich jetzt nicht mehr angegeben, es gibt aber noch welche.

Er ist ein Typ, auf den die Frauen wahrscheinlich fliegen, ging Florin durch den Kopf.
Ich würde das wahrscheinlich hier streichen. Ist nur eine Kleinigkeit, aber ich finde es beeindruckender, wenn er seine Beobachtung nicht relativiert.

Claire kam ihm derzeit, diesem Mann gegenüber, auf undurchsichtige Weise verbunden vor. Nichts Sichtbares gab Anlass dazu, nicht in den Gesten oder den Worten, nur ein Gefühl, das Florin plötzlich unbehaglich beherrschte.
Gleiches gilt für derzeit. Das relativiert auch Andris Beobachtung, fände ich schade.

Bitte nenne das Bild von Chagall oder beschreibe was, ich finde das macht die Szene noch deutlicher.

Diese erinnernden Gedanken erweckten Florin beinah den Eindruck, Andrin der bleich auf dem weissen Laken lag, könnte ihm mit einem der geschlossenen Augenlider zuzwinkern.
Das finde ich zu umständlich ausgedrückt. Nimmt auch den schönen Gegensatz zwischen Florins Gefühl, Andrin könnte zwinkern, und Wirklichkeit, also der starren Totenmaske, zurück.

Einen Moment schwieg sie, den Blick auf das Gesicht von Andrin gewandt, doch dann hoben sich ihre Mundwinkel zu einem lieblichen Lächeln.
Nee, liebliches Lächeln würde ich nicht schreiben, das ist einfach zu bekannt, zu oft benutzt. Mir kräuseln sich da immer die Nackenhaare. Also ich würde das Lächeln irgendwie beschreiben oder einfach weglassen.

Ihr sanfter Blick, mit dem sie ihn treuherzig anschaute, besänftigte seinen Unwillen.
Auch hier, das würde ich wirklich nicht machen, das klingt ja wie eine Dackeldame, die nach Fleschwurst bettelt. Also Frau Camaneda braucht unbedingt ein bisschen mehr Profil finde ich.

«Ich frage nicht den Gelehrten, sondern Sie als Mensch, was Sie für sich davon versprechen?»
Das müsste eigentlich heißen was sie sich für sich .... das klingt nicht gut, deshalb hast du vermutlich das eine sich weggelassen und deine Version gewählt, trotzdem, es klingt für mich nicht ganz richtig. Das könnte man umgehen, wenn man es ein bisschen anders aufbaut.

Florin machte sich da keine weiteren Gedanken. Immerhin hatte sich Andrin ein Schlösschen ausgesucht, einen würdigen Ort, um seine Gebeine niederzulegen. Der Gedanke versöhnte ihn etwas mit der Geheimnistuerei, die Andrin sich da um sein Begräbnis geleistet hatte.
Du benutzt sehr gerne "da". Find ich auch okay, auch wenn es ein Füllwort ist, aber hier hat es mir zuwenig Funktion und taucht auch gleich doppelt auf. Eines würde ich streichen.


Wirklich schön Anakreon, hab die Geschichte sehr gerne gelesen und mich gefreut. Und doppelt, weil ich mal wieder was von dir lesen konnte.
Ganz ganz liebe Grüße in die Schweiz und ich hoffe sehr, es geht dir ganz ganz gut.
Novak

 

Lieber Anakreon!

Ich hatte recht früh Gunter von Hagens Körperwelten im Sinn. Nur kam mir kein optischer Brückenschlag von Hagens natürlichen Objekten zu Gigers metallischen Skulpturen in den Sinn. So blieb die Geschichte interessant.
Dann am Ende deine geniale Lösung: Verchromung!

Eine Geschichte, die mir viele schöne Bilder in Erinnerung rief. Und Dali, ja, der durfte da nicht fehlen, wollte er sich doch ursprünglich einfrieren lassen.
Andrins Weise seiner Bestattung noch gedanklich mit Kants Transzendentalphilosophie zu verbinden, rückt Andrins Beisetzungsverfügung vom simplen Skurrilen hinein ins rechte Licht.


Hat mir sehr gefallen!

Liebe Grüße!

 
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Ich will‘s mal so sagen, Anakreon, sofern es mir gelingt, mich auf deine Sprache einzulassen, empfinde ich deine Geschichten dann eigentlich immer als lesenswert, na ja, und manchmal fällt mir das halt schwerer und dann wieder leichter. Diesmal hatte ich mit deinem unspektakulären und dabei gewählten und unverkennbar anakreonischen Stil von Anfang an kein Problem, und je weiter ich im Text kam, umso angemessener schien er mir dem Sujet zu sein. Ja, irgendwie passt das alles hier schon recht gut zusammen, das Personal und die Handlung und dein Sprachstil. Unspektakulär und trotzdem originell ist die Handlung, die Figuren sind erlebbar und nachvollziehbar, kein tolles Drama, das nicht, aber eine gut durchdachte und schön erzählte Geschichte ist das für mich allemal.
Aber (eh nur ein kleines aber):
Je gewählter und souveräner deine Sprache klingt, umso mehr fallen mir selbst kleine Unsauberkeiten auf und deren gibt es für meinen Geschmack doch eine ganze Menge im Text. (Drei meiner Anmerkungen deckten sich mit denen von Gisanne, die hab ich wieder rausgestrichen, eventuell gibt es aber Überschneidungen mit Novaks Kommentar, das hab ich jetzt nicht so genau überprüft, aber egal, wenn zwei dasselbe beanstanden, wiegt es wohl doppelt.)

Novak schrieb:
Und dann gab es eine Stelle, wo ich blöd ins Stolpern kam. (…) Also vielleicht bin ich ja völlig dusselig, aber ich habe ewig an der Stelle rumüberlegt, wie diese Zeichnung aussehen soll. Ein Kopf, daneben Callasblüten? Und wer dankt da jetzt wem? Und wer zum Teufel ist Felix? Das alles dachte ich, bis ich dann endlich raffte, dass Kopf ein Name ist und nicht ein Körperteil … usw

Also für dusselig halte ich mich nicht gerade, aber mir ging es haargenau wie Novak, die Stelle habe ich dreimal gelesen und dann markiert, who the fuck is Felix? Statt ausgerechnet Kopf solltest du wirklich einen anderen Namen wählen.

Claire Caminada stand in ein Gespräch vertieft, mit jemandem [Komma] der ihm den Rücken zuwandte, an einem Fenster.

Andrin war immerhin Einundachtzig gewesen, zweiunddreissig Jahre älter als sie, und sein Ableben kam nicht gänzlich überraschend.
einundachtzig, war nicht … gekommen

Florin konnte an dessen Werk nicht besonders viel abgewinnen,
entweder: an weg
oder: an dessen Werk nicht besonders viel finden

Diese erinnernden Gedanken erweckten Florin beinah den Eindruck, Andrin [Komma] der bleich auf dem weissen Laken lag

Florin schaute sie überrascht und erheitert an. Er hatte dieses historische Städtchen besucht, als er einmal in dieser Gegend war. Die steilen Gassen, erinnerte er sich, waren ihm beschwerlich [gewesen]

«So, so, Sie glauben also der Mensch sei dazu bestimmt, ein ewiges Dasein zu führen. Welchen Sinn sollte dies denn haben?» Er blickte mich dabei herausfordernd lächelnd an.
Ich gestehe, ich war überrumpelt von seiner Fragestellung.
Bei Kopfs Rede hätte mir besser gefallen, wenn Andrins Zitate kursiv gesetzt wären und nicht in Anführungszeichen. Oder noch besser als indirekte Rede geschrieben.

Auf Angriffe gegen den Glauben an sich war ich gerüstet,
entweder: gegen Angriffe gerüstet,
oder: auf Angriffe vorbereitet.

Einen Schreckensmoment lang dachte ich, er kenne meine Zweifel, die mich wie jeden andern meiner geistlichen Mitbrüder gleichsam schon überkamen.
Die beiden Begriffe gefallen mir hier überhaupt nicht.
Vielleicht besser: bisweilen, hin und wieder,

keiner der sich dem andern Über- oder Unterlegen fühlte,
über- oder unterlegen

Von dem her, [lein Komma] verkörperte er mir

öfters etwas Neues auszuprobieren und für Alles offen zu sein.
Da hab ich jetzt nicht im Duden nachgeschaut, ich glaube, dass sowohl Klein- und Großschreibung erlaubt sind, mir persönlich allerdings gefällt die Kleinschreibung besser, schaut irgendwie richtiger aus.

Dem Plan folgend stand er vor dem Château,
Das stimmt vom zeitlichen Ablauf her nicht. Wenn er dem Plan noch folgt, bewegt er sich auf das Château zu, kann also nicht gleichzeitig schon davor stehen.
dem Plan gefolgt habend, stand er ..., jessas, das klingt ja furchtbar.
Vielleicht so: Dem Plan folgend stand er bald vor dem Château,

Da machte Claire einen Schritt nach links, ein Schildchen [Komma] das an der Wand angebracht war [Komma] dem Blick freigebend.

Ist eine feine Geschichte, Anakreon, hat mir gefallen.

offshore

 
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Hallo Anakreon,

vielen Dank für die wunderbare Geschichte. Sie hat mich gut unterhalten!

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen

Die Hausangestellte, welche in der Nähe der Eingangstüre bereitstand, öffnete Paul Florin auf sein Klingeln hin.
Diesen Satz empfinde ich als irritierend, der Erzähler (Paul Florin) erwähnt das "Bereitstehen" der Haushälterin (hinter der Tür) quasi bevor er klingelte (vor der Tür) und sie ihm öffnete.
Perspektivisch verwirrend, und mir persönlich zu passiv.

Über Felix Kopf bin ich, wie andere, auch gestolpert.

Was mich ein wenig irritiert hat, war der Abschnitt über Theophil Koch bei der Beerdigung. Theophil verstehe ich als Wortspiel von Theologie und -philie, was ja scheinbar zu der Person passt.
Nur blieb mir unverständlich, warum er in seiner Rede eingesteht, Angst davor gehabt zu haben, dass Andrin seine Ängste kannte, die er sich kaum selbst einzugestehen wagte.
In seiner Rede gibt er sie ja frei und offen zu, zumindest scheint er heute offen darüber reden zu können, allerdings wirkt mir das (ohne weitere Erklärungen) zu sehr als konstruierter Hinweis auf die Schärfe des Verstands von Andrin.

Das Ende hat mich nicht überrascht, das Erwähnen von "H. R. Giger, der Skulpteur", mit der ausführlichen Erläuterung seines Schaffens, sowie der Hinweis im letzten Satz von Claires Rede "seinem Dasein etwas kunstvoll besiegelndes..." haben mich das Ende erahnen lassen.
Vielleicht würde an den Stellen ein wenig mehr Geheimniskrämerei guttun.

Viele Grüße,
Ian

 

Salü Gisanne

Schön, dass Du den Reigen der Meinungen zu dieser Geschichte eröffnest.

Als H.R Giger auftauchte und der Ort der Beerdigung genannt wurde, dachte ich: Hoppla, das geht nicht gut aus.

Ich ging davon aus, dass Giger den wenigsten Lesern ein Begriff ist, weshalb ich ihm eine unverdeckte Rolle zugestand. Und selbst wenn, Andrins Auftritt konnte damit niemand erahnen, höchstens ein unbestimmbares Gefühl wecken. – Bei Deinem Heimvorteil, den Künstler und den Ort zu kennen, konnte das Unbehagen sich natürlich frühzeitig breitmachen. ;)

Davon brachten mich aber die von dir eingebauten, hintergründigen Irreleitungen wieder ab.

Das beruhigt mich, dass meine verschlungenen Fantasien doch kaschierend einzuwirken vermochten. Die intakte Welt, in der es spielt, sollte das seine dazu beitragen, einen besonderen, aber unaufgeregten Ausgang zu erwarten.

Anakreon. Himmel, wie makaber. Aber ich meine, alles passt.

Ich bemühte mich es durch und durch human und ethisch ausgewogen darzulegen, in den Teilen hinführend, aber einzig der letzte Satz manifestiert das Ungewöhnliche.

Gar zu gern wüsste ich jetzt nur noch: Welches Bild von Chagall stand denn neben dem Sarg???

Wenn ich an Chagall denke, habe ich dieses farbenfrohe Bild vor Augen. Eine schwebende Frau am Himmel, darunter ein quirliger Ort mit Menschen. Es könnte entweder in Witebsk oder Paris sein, die Merkmale dafür sind unbestimmt. An den Namen erinnere ich mich beim besten Willen nicht und habe jetzt Hunderte Bilder erfolglos durchgesehen, bis ich das Suchen aufgab. Das Motiv des Schwebens hat er oft, doch genau dieses war nicht dabei, obwohl es kein unbekanntes Werk ist.

Zu mäkeln habe ich einzig an dem Gespräch zwischen Claire und Florin. Da ist mir Claire zu monologisch und informativ. Die Beiden schilderst du als Vertraute, da könnte diese Passage doch lockerer, flockiger, einfach charmanter daherkommen.

Stimmt schon, dass es kurz angebunden daherkommt. Ich werde mir noch Gedanken machen, inwiefern der Situation angepasst, sich hier die Vertraulichkeit mehr einbinden lässt. Eine Idee habe ich, aber das muss mir erst stimmig werden.

Zum Theologen Koch passt dann wieder die pathetische Form der Erinnerung.

Hier hatte ich Stephan Pfürtner vor Augen - ohne aber dessen Wesensart nachzuzeichnen -, der in den 60/70er Jahren in Fribourg dozierte. Ich weiss nicht, ob man den Namen heute noch kennt, damals war er ein Begriff in der Öffentlichkeit.

Insgesamt konnte ich deine Geschichte von Form und Inhalt gut und zügig lesen.

Das freut mich sehr, dass es dahingehend gelungen ist.

Insbesondere auch da: Während der Arbeit an der Geschichte, dem Schreiben, Ändern, Kürzen, verschieben usw., umgarnte mich der Gedanke, ihr finaler Charakter sei eine Gelegenheit, die Letzte zu sein, die ich hier einbrachte. *aufschnauf im chor* Das Lesen, Kommentieren und Moderieren sind mir noch ausreichend Fülle, hier mitzuwirken.

Deine textlich korrigierenden Anregungen habe ich umgesetzt.

Herzlichen Dank für das Lesen und Kommentieren, die Anregungen und die positive Bewertung, über die ich mich sehr freue. :)

Schöne Grüsse

Anakreon


Die Zeit, die Zeit … ist der Grund, dass ich die Beantwortung der weiteren Kommentare leider verschieben muss. Fortsetzung folgt.

 

Hallo Novak

ach da habe ich mich gefreut, als deine Name mal wieder auftauchte.

Und ich dachte, dieser sei immer wieder aufdrängend auf der Seite mit den Aktivitäten rumgetollt. :D

Ja, eine schöne, makabre Idee.

Also ehrlich gesagt, ich finde sie recht harmlos.

Also ich fand das spannend und hab deine Geschichte gerne gelesen.

Das freut mich sehr. Es lag in meiner Absicht, eine schon etwas ungewöhnliche, aber unterhaltsame Geschichte vorzulegen.

Ein bisschen nachdenklich hat mich natürlich gemacht, wie und ob das nun der Sinn eines ewigen Lebens wäre, silbern glänzende Kunstgestalt zu werden.

Auf einen solchen Sinn könnte nur ein sehr ausgefallener Exzentriker kommen. Aber Andrin Caminada hatte exakt die Frage gestellt, welchen Sinn ein ewiges Dasein hätte. Er spottet also dieser Theorie und stellt sich zugleich in deren Dienste – doch als Kunstwerk.

Das eine hat Gisanne schon gesagt, das Gespräch zwischen Claire und Florin. Da möchte ich Gisannes Argumente unterstützen.

Da werde ich mir noch Gedanken machen, eine Idee wie es sich lockern lässt habe ich. Allzu viel werde ich im Ablauf jedoch nicht verändern, da es die gegebene Stimmung aufrechterhalten soll, immerhin ist es ein Kondolenzempfang.

Ich finde außerdem, dass Claire hier schon zu viel andeutet. Sie sollte ein bisschen runterschrauben, denn in der Kurzrede an die Trauernden macht sie ja noch einmal ihre Andeutung.

Zwischen ihrem Gespräch mit Florin und ihrer Information an die andern Anwesenden liegt die Differenz der Vertraulichkeit. Es bliebe einzig die Ortangabe an einer der beiden Stellen, doch ohne diese würden andere Informationen untergehen und wäre psychologisch für die Beeinflussung des Lesers ungeschickt.

Also vielleicht bin ich ja völlig dusselig, aber ich habe ewig an der Stelle rumüberlegt, wie diese Zeichnung aussehen soll. Ein Kopf, daneben Callasblüten?

:lol: Das muss (m)einer unterschwelligen Boshaftigkeit zuzuschreiben sein, ich wählte gewollt den Namen Felix Kopf. Ein symbolbehaftetes Bild: Felix (=der Glückliche) Kopf (lässt verschiedene Synonyme zu) der Callas zeichnet. Eine wunderbare Blume, die seit jeher durch ihre Eleganz als Schmuck für Bestattungen herhalten musste. Für die einen symbolisiert sie Unsterblichkeit, für andere jedoch die Vergänglichkeit, den Tod. Namen in Geschichten sind nicht prinzipiell gleichgültig, sie können verdeckt symbolisch einwirken. Irritierend sollten sie jedoch auch nicht sein.
Im Prinzip mag ich den Namen nicht fallen lassen, als Kompromiss werde ich ihn jedoch in Französisch setzen. - Jetzt kommt hoffentlich keiner der sagt, dieser Name desavouiere phonetisch den höchsten vietnamesischen Feiertag, das Tết-Fest. Der Beginn des neuen Jahres nach dem Mondkalender. Dieses Jahr am 31. Januar, zum Jahr des Metall-Pferdes.

Ich würde das wahrscheinlich hier streichen. Ist nur eine Kleinigkeit, aber ich finde es beeindruckender, wenn er seine Beobachtung nicht relativiert.

Gleiches gilt für derzeit.

Das Relativierende steht einem Juristen eigentlich an, doch kann ich auch ohne dieses Charakteristikum auskommen.

Bitte nenne das Bild von Chagall oder beschreibe was, ich finde das macht die Szene noch deutlicher.

Den Namen des Bildes konnte ich derzeit nicht finden, vielleicht stolpere ich später mal wieder darüber und setze ihn dann ein. Eine weitergehende Beschreibung eines Chagall Bildes in dieser Szene finde ich jedoch überflüssig. Dass es farbenfroh ist, steht bereits. Ein Klick ins Internet bietet jedem Leser, der mit Chagall nicht vertraut ist, einen eindeutigen Eindruck. Es würde auch von der Szene unnötig ablenken.

Diese erinnernden Gedanken erweckten Florin beinah den Eindruck, Andrin der bleich auf dem weissen Laken lag, könnte ihm mit einem der geschlossenen Augenlider zuzwinkern.

Das finde ich zu umständlich ausgedrückt. Nimmt auch den schönen Gegensatz zwischen Florins Gefühl, Andrin könnte zwinkern, und Wirklichkeit, also der starren Totenmaske, zurück.

Für mich wirkt dieses Bild nicht derart, habe es aber dezent ein wenig eingeschränkt.

Nee, liebliches Lächeln würde ich nicht schreiben, das ist einfach zu bekannt, zu oft benutzt. Mir kräuseln sich da immer die Nackenhaare. Also ich würde das Lächeln irgendwie beschreiben oder einfach weglassen.

Mir ist dieses Lächeln für die Szene bedeutsam, ebenso wie anschliessend der sanfte und treuherzige Blick.
Ich zähle es zu den klassischen Kritiker-Fehlern, völlig normale Erscheinungen in Frage zu stellen, da sie (Wörter, Sätze oder Themen) oft benutzt wurden. Wenn das Bild dadurch insgesamt aus dem Rahmen fällt, dann ist es klar. Ansonsten ist es jedoch am Autor, den Figuren ihre Merkmale zu schenken. Wenn Literatur dies nicht zuliesse, wäre ihre Vielfalt längst verarmt, so aber höchstens ein Autor.

Du benutzt sehr gerne "da". Find ich auch okay, auch wenn es ein Füllwort ist, aber hier hat es mir zuwenig Funktion und taucht auch gleich doppelt auf. Eines würde ich streichen

Da hast Du mich ertappt. Das Erste fiel der Delete-Taste zum Opfer.

Wirklich schön Anakreon, hab die Geschichte sehr gerne gelesen und mich gefreut.

Das freut mich, das sie Dich insgesamt angesprochen hat. Zu Unterhalten war denn auch der einzige Anspruch, den ich damit verband.

Ich danke Dir herzlich für das Lesen, die ausführliche Kritik, die Anregungen – auch wenn ich nicht alle teilte – und das Gefallen daran finden.


+

Hallo Asterix

Ich hatte recht früh Gunter von Hagens Körperwelten im Sinn.

:eek: Igitt, igitt. So etwas hast Du mir zugemutet?

Nur kam mir kein optischer Brückenschlag von Hagens natürlichen Objekten zu Gigers metallischen Skulpturen in den Sinn.

Ah, Dir war der Name Giger nicht unbekannt, natürlich, für seine Androide erhielt er einmal einen Oscar. Wie konnte ich Deine Sympathie für diese Wesen nur ausser Acht lassen.

Dann am Ende deine geniale Lösung: Verchromung!

Ursprünglich war es eine andere Geschichte, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielte. Ein Galvaniseur, der in Verehrung des Arztes Luigi Galvani, dem Entdecker des Galvanismus, sich derart bestatten liess und erst im 21. Jahrhundert von Archäologen wiederentdeckt wurde. Sie war schon ziemlich fertig geschrieben, als ich sie verwarf und vernichtete. Die Figur drängte jedoch nach Erfüllung und nach Längerem hatte ich dessen Auftritt samt dem Rahmen plötzlich klar vor Augen.

Eine Geschichte, die mir viele schöne Bilder in Erinnerung rief. Und Dali, ja, der durfte da nicht fehlen, wollte er sich doch ursprünglich einfrieren lassen.

Da hatte ich ja Glück, solche Erinnerungen auslösen zu können. In dieser Kunstwelt musste Dali natürlich zumindest einen Nischenplatz finden, auch wenn das Einfrieren widersinnig gewesen wäre. So doch, da am 23. Januar seinen 25. Todestag war.

Andrins Weise seiner Bestattung noch gedanklich mit Kants Transzendentalphilosophie zu verbinden, rückt Andrins Beisetzungsverfügung vom simplen Skurrilen hinein ins rechte Licht.

Wenn die Philosophen mir dies nur verdanken, und nicht Ratzinger inquisitorisch und ketzerisch darauf hinweisen, ich hätte einen Geistlichen vom rechten Weg der Transzendenz abgebracht.

Hat mir sehr gefallen!

Das freut mich sehr.

Ich danke dir herzlich für Deinen Kommentar und freue mich, dass es Dich erinnernd in eine fantastische Welt eintauchen liess.


+


Hallo offshore

… sofern es mir gelingt, mich auf deine Sprache einzulassen, empfinde ich deine Geschichten dann eigentlich immer als lesenswert, ... Diesmal hatte ich mit deinem unspektakulären und dabei gewählten und unverkennbar anakreonischen Stil von Anfang an kein Problem, und je weiter ich im Text kam, umso angemessener schien er mir dem Sujet zu sein.

Puh, da hatte ich Glück, mich nicht mit Max Frisch messen zu müssen, dessen Stiller es Dir ja einst besonders angetan hatte.

Ja, irgendwie passt das alles hier schon recht gut zusammen, das Personal und die Handlung und dein Sprachstil. Unspektakulär und trotzdem originell ist die Handlung, die Figuren sind erlebbar und nachvollziehbar, kein tolles Drama, das nicht, aber eine gut durchdachte und schön erzählte Geschichte ist das für mich allemal.

Das aus Deiner Schreibfeder zu vernehmen, lässt mich nach dem vorsichtigen Antasten im ersten Zitat, den unziemlichen Gedanken an Wiener Schmäh wieder schamhaft verwerfen. :shy:

Je gewählter und souveräner deine Sprache klingt, umso mehr fallen mir selbst kleine Unsauberkeiten auf und deren gibt es für meinen Geschmack doch eine ganze Menge im Text.

Das hab ich davon, wenn ich mit Worten um mich werfe. Sie fallen zu umgeformten und geballten Sätzen mit voller Wucht auf mich zurück.

who the fuck is Felix?

Er hat seinen Kopf gegen einen Tête eingetauscht. Und denke daran, am 31. Januar ist das Tết-Fest.

Bei Kopfs Rede hätte mir besser gefallen, wenn Andrins Zitate kursiv gesetzt wären und nicht in Anführungszeichen. Oder noch besser als indirekte Rede geschrieben.

Der „Kopf“ schaffte wirklich Verwirrung, na ja jetzt ist er weg und nur noch Koch, ähnlich klingend, zugegen.
Ich verstehe Deinen Einwand und will Dir mein Beharren auf die gesetzten Zitate kurz begründen. Einheitlich kursiv sind nur die Gedanken von Florin, Weiteres würde verwirren. Die indirekte Rede wäre eine Möglichkeit, nähme der Szene von Koch aber das Bühnenreife, wie er den Verstorbenen mit dessen Worten mimt.

Einen Schreckensmoment lang dachte ich, er kenne meine Zweifel, die mich wie jeden andern meiner geistlichen Mitbrüder gleichsam schon überkamen.

Die beiden Begriffe gefallen mir hier überhaupt nicht.
Vielleicht besser: bisweilen, hin und wieder,

Hmm, natürlich sprechen nicht alle vergeistigten Diener derart salbungsvoll. Aber in dieser Rede legte sich Koch dafür ins Zeug. Gestatte ihm diesen rührseligen Moment, der ihn abhebt, aus der Geschichte.

Deine andern korrigierenden Anregungen habe ich alle umgesetzt. Bei Einzelnen ungläubig, dass ich sie durch alle Korrekturlesungen übersah. Beim Alter von Andrin habe ich es nun kleingeschrieben, obwohl ich diese Regel bis dahin trotzig missachtete, da sie mich unschön dünkt.

Ist eine feine Geschichte, Anakreon, hat mir gefallen.

Das freut mich sehr, diese Worte nach Deinem Plagen mit meinen kleinen Unsauberkeiten.

Ich danke Dir herzlich für das Lesen, die akribischen Korrekturvorschläge und natürlich die anerkennenden Worte zur Geschichte.


+


Hallo Ian

Hallo Anakreon,

vielen Dank für die wunderbare Geschichte. Sie hat mich gut unterhalten!

Solche Worte als Einleitung zu erhalten, schmeicheln meiner Eitelkeit als einfacher Poet. Danke. :)

Die Hausangestellte, welche in der Nähe der Eingangstüre bereitstand, öffnete Paul Florin auf sein Klingeln hin.

Diesen Satz empfinde ich als irritierend, der Erzähler (Paul Florin) erwähnt das "Bereitstehen" der Haushälterin (hinter der Tür) quasi bevor er klingelte (vor der Tür) und sie ihm öffnete.
Perspektivisch verwirrend, und mir persönlich zu passiv.

Im zitierten Satz handelt es sich um eine Erzählstimme, welche in der Geschichte aus der Perspektive von Florin auftritt, jedoch nicht ihm selbst. Die Erzählstimme teilt übergeordnet die Zusammenhänge mit, würde Florin alles selbst aus seiner Sicht berichten, wäre es weitgehend monologisch.

Über Felix Kopf bin ich, wie andere, auch gestolpert.

Nun, seine Rübe ist jetzt zumindest sprachlich ab und ersetzt durch dessen französische Entsprechung.

Was mich ein wenig irritiert hat, war der Abschnitt über Theophil Koch bei der Beerdigung. Theophil verstehe ich als Wortspiel von Theologie und -philie, was ja scheinbar zu der Person passt.

Beim Kondolenzbesuch nicht Beerdigung. Hierbei wird in gewissen Gesellschaftskreisen mit einem Besuch das Beileid ausgedrückt und ein Eintrag ins Kondolenzbuch vorgenommen.
Das Theophil war wirklich eine Wortspielerei, ist aber durchaus ein gültiger wenn auch veralteter Name. Manch einer der so getauft war, mag sich vielleicht berufen gefühlt haben, das Theologiestudium zu ergreifen.

Nur blieb mir unverständlich, warum er in seiner Rede eingesteht, Angst davor gehabt zu haben, dass Andrin seine Ängste kannte, die er sich kaum selbst einzugestehen wagte.

Berufsarten prägen zuweilen die Menschen auch mit. Bei einem Theologen, der dies anspricht, kann es Eitelkeit oder Demut sein. Die Erzählstimme schwieg sich zu Recht darüber aus, da sie ihn quasi auch nur Reden hörte, und eine Bewertung ihr nicht zustand. Wenn hätte Florin sich Gedanken machen können, was er jedoch höflichst unterliess.

In seiner Rede gibt er sie ja frei und offen zu, zumindest scheint er heute offen darüber reden zu können, allerdings wirkt mir das (ohne weitere Erklärungen) zu sehr als konstruierter Hinweis auf die Schärfe des Verstands von Andrin.

Dies wollte eben Koch zum Ausdruck bringen, eine Reverenz an den Verstorbenen.

Das Ende hat mich nicht überrascht, das Erwähnen von "H. R. Giger, der Skulpteur", mit der ausführlichen Erläuterung seines Schaffens, sowie der Hinweis im letzten Satz von Claires Rede "seinem Dasein etwas kunstvoll besiegelndes..." haben mich das Ende erahnen lassen.
Vielleicht würde an den Stellen ein wenig mehr Geheimniskrämerei guttun.

Wie schon anderswo erwähnt, durfte ich davon ausgehen, dass Giger den Lesern nicht allgemein bekannt ist. Auch in den Worten von Claire erkenne ich nichts Aufdeckendes. Für ihre zitierten Worte müsste jemand schon seherische Fähigkeiten besitzen, sie entsprechend deuten zu können. Hinzu kommt die Realität, dass es in dem Museum kein solch natürliches Skelett gibt, auch nicht chromüberzogen.

Ich danke Dir herzlich für das Lesen, die Auseinandersetzung mit dem Stoff sowie das kritische Hinterfragen, und natürlich die schönen einleitenden Worte.

Schöne Grüsse euch allen

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

eine sehr interessante Geschichte. Ein bisschen makaber, aber eben auch mal etwas ganz anderes. Ich habe mit Spannung gelesen.
Ich habe mich gefragt, ob der Tote wohl gerne ein Diamant werden wollte - ich habe mal irgendwo gelesen, dass das geht. Aber das hätte wohl nicht zu ihm gepasst.

Letztendlich fand ich alles stimmig. Es ist schlüssig, dass Andrin sich dazu entschieden hat.

Obwohl ich persönlich so etwas ja immer ein bisschen traurig finde. Ich denke, dass erscheint den Menschen als eine Möglichkeit, sich doch so etwas wie das "ewige Leben" zu holen. Er wird schließlich nicht verfallen, ist nicht dem Verfall preisgegeben (bzw. ungleich langsamer).
Ich denke, ein Problem in der heutigen Zeit ist es, dass wir den Tod nicht mehr als Teil unseres Lebens begreifen. Viele Menschen haben ein Problem, mit der Vorstellung, dass sie begraben werden. Die Idee als Asche über dem Meer verstreut zu werden, erscheint da natürlich viel poetischer.
Und so frage ich mich immer, ob Menschen, die sich z. B. in Körperwelten ausstellen lassen wirklich so etwas wie ein wissenschafltiches Interesse daran haben, oder ob es nicht eher die Flucht vor dem Gedanken des "endgültigen Todes" ist.
Und irgendwie habe ich es bei Andrin auch so empfunden. Vordergründig ist es die Kunst, die ihn zu diesem Schritt bewogen hat. Aber ich denke, dass letztendlich mehr dahinter steckt - dass er den Gedanken, nicht mehr zu sein, nicht ertragen kann. Gerade auch weil er nicht gläubig ist (so habe ich das jedenfalls herausgelesen) und ihm so ein religiöser Trost fehlt.

Noch zwei kleine Anmerkungen:

Die Hausangestellte, welche in der Nähe der Eingangstüre bereitstand, öffnete Paul Florin auf sein Klingeln hin.

Das ist natürlich Geschmackssache, aber ich finde diesen Satz zum Einstieg ein bisschen sperrig.

Es war wohl eine leichte Spur von Eifersucht. Claire kam ihm, diesem Mann gegenüber, auf undurchsichtige Weise verbunden vor. Nichts Sichtbares gab Anlass dazu, nicht in den Gesten oder den Worten, nur ein Gefühl, das Florin plötzlich unbehaglich beherrschte.

Ich kann diese Passage jetzt nicht so richtig einordnen. Während des Lesens habe ich ständig darauf gewartet, dass sie noch eine Rolle spielt. Das dein Protagonist an Claire interessiert ist etc. - aber da kommt dann nichts.

Liebe Grüße
Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Anakreon,

ich mach es mal kurz, weil ich würde viel zur Sprache sagen und es ist aber die Deine, und somit würde es sich falsch anfühlen. Es würde sich nicht nur falsch anfühlen, es wäre falsch. Aber eines muss ich dann doch sagen, ich habe die Geschichte recht übermüdet irgendwann mitten in der Nacht gelesen und fand es dann doch anstrengend, mich darein zu finden, was jetzt mein Ding ist und nicht Deins. Aber bei so manchen Satz dachte ich wirklich: jetzt komm doch mal auf den Punkt Satz und winde dich da nicht so.
Geschichte an sich fand ich aber schön. Sie ist, entsprechend ihres Anlasses, ruhig und auch sehr langsam, wie ich finde. Der einzige Punkt der Spannung ist ja, ja wie will er denn nu, und es ist aber auch klar, die Auflösung wird erst ganz am Ende preisgegeben, also liest man sich durch die Zeilen und guckt immer noch mal, wieviel man noch lesen muss, bis man "endlich " erfährt. Der Weg dahin ist aber nett verbrachte Zeit. Also, will sagen, ich finde es vom Aufbau her jetzt nicht ganz optimal gewählt, auch finde ich, erst das Gespräch mit dem Anwalt und dann noch mal die Ansprache, wurde ja schon öfter angesprochen, ich finde es doppelt, und auch wenn Du sagst, einmal wäre es vertraulich gehalten und einmal offiziell, wirklich neue Infos bringt es mir nicht und von daher ist es eben doppelt, mir egal, in welchem Rahmen mir die Infos zugespielt werden. Außerdem ist ab dem Punkt, wo sie mit dem Anwalt redet die Spannungskurve extrem gedehnt. Vielleicht macht sie erst nur eine Anspielung, dann die Rede, dann ihre offizielle Bekanntmachung, dann wäre zumindestens zwischen den beiden Punkten noch ein wenig mehr Spannung offen. Aber ist natürlich deine Geschichte und soll es auch bleiben!
Mich hat das Ende jetzt nicht geschockt, ich bin sowie dafür, dass Menschen auch über ihren Tod und die Art ihrer "Entsorgung" viel selbstbestimmter sein dürfen müssten. Da ist man sein ganzes Leben selbstbestimmt und die Freiheit des Einzelnen und haste nicht gesehen, aber die Art der Beisetzung ist dann streng gesetzlich geregelt. Also ich denke nicht, dass man gestatten sollte, Särge in seinem Garten einzubudeln, aber wenn Klaus Meyer gern als Aschedünger für sein geliebtes Rosenbett herhalten will, ja mein Gott, warum darf er denn nicht ... Also, ich habe weder was gegen Körperwelten, noch finde ich die Verchromung von Skeletten abstoßend. Wenn Menschen es so wollen ... wollen müssen sie es.
Und das er sich nach seinem Lebensende der Kunst zur Verfügung stellt, finde ich hübsch konsequent. Auch den Künstler kannte ich nicht und danke dafür, ich fand den Link sehr spannend. Bin ich gleich mal wieder etwas schlauer.

Also, ich fand es eine hübsche Geschichte. Danke dafür.
Beste Grüße, Fliege

 

Hallo Bella

eine sehr interessante Geschichte. Ein bisschen makaber, aber eben auch mal etwas ganz anderes. Ich habe mit Spannung gelesen.

Wenn es diesen Anspruch an Spannung erreichte, bin ich voll zufrieden.

Ich habe mich gefragt, ob der Tote wohl gerne ein Diamant werden wollte

Dies finde ich eine interessante Idee, aber es lag wohl nicht in seiner Erwartung. Sein Motiv habe ich gewollt vage gehalten, viel mehr als das er von der Kunst völlig eingenommen war und seine Gebeine letztlich dafür einsetzte, deckt es nicht offensichtlich auf.

Letztendlich fand ich alles stimmig. Es ist schlüssig, dass Andrin sich dazu entschieden hat.

Beim Schreiben hatte ich das Gefühl einen Idealisten zu beobachten, der mit aller Konsequenz seinen Weg geht.

Obwohl ich persönlich so etwas ja immer ein bisschen traurig finde. Ich denke, dass erscheint den Menschen als eine Möglichkeit, sich doch so etwas wie das "ewige Leben" zu holen.

Er stand wohl eher ironisch-abgebrüht einer solchen Vorstellung gegenüber, wie der Theologe ihn zu dem Thema zitierte. Ich sah darin eine Art von Humor, wenn der Körper schon „begraben“ wird, dann zumindest als Kunstwerk.

Ich denke, ein Problem in der heutigen Zeit ist es, dass wir den Tod nicht mehr als Teil unseres Lebens begreifen. Viele Menschen haben ein Problem, mit der Vorstellung, dass sie begraben werden.

Die Gründe hierfür sind m. E. sehr vielschichtig. Auf der einen Seite steht ein Unverständnis in die Gesetzmässigkeiten der Natur, die egal was passiert, sich immer selbst regulieren wird. Anderseits ein überhöhter Glaube an die Möglichkeiten eines wissenschaftlichen Fortschritts. Dass Menschen hierbei desorientiert und einer Vergänglichkeit gegenüber angstbesetzt reagieren, wirkt mir nicht verwunderlich. Der Einzelne wird in einem solchen Weltbild auf sich selbst zurückgeworfen, seinen Lebenssinn zu entdecken und seine Endlichkeit zu akzeptieren.

Die Idee als Asche über dem Meer verstreut zu werden, erscheint da natürlich viel poetischer.

Am Mittelmeer gibt es nicht wenige Unternehmen, die dies professionell anbieten. Ich frage mich allerdings wie viele Menschen, die dies wählen, dabei nicht an eine Rückkehr an den Ursprung allen Lebens, dem Wasser, denken und damit letztlich verkappte Reinkarnationsgedanken hegen. ;)

Und so frage ich mich immer, ob Menschen, die sich z. B. in Körperwelten ausstellen lassen wirklich so etwas wie ein wissenschafltiches Interesse daran haben, oder ob es nicht eher die Flucht vor dem Gedanken des "endgültigen Todes" ist.

Ängste mögen da sehr gut im Spiel sein, wahrscheinlich vermischt mit Exzentrik und Exhibitionismus. Was bleibt ist jedoch nur ein unbelebter Körper, dessen Lebenshauch sich längst atomisiert hat.

Und irgendwie habe ich es bei Andrin auch so empfunden. Vordergründig ist es die Kunst, die ihn zu diesem Schritt bewogen hat. Aber ich denke, dass letztendlich mehr dahinter steckt - dass er den Gedanken, nicht mehr zu sein, nicht ertragen kann. Gerade auch weil er nicht gläubig ist (so habe ich das jedenfalls herausgelesen) und ihm so ein religiöser Trost fehlt.

Im Prinzip bleibt es offen, der Leser kann sich seine eigenen Rückschlüsse bilden. Ich selbst meinte hinter diesem gelebten Leben einen Menschen wahrzunehmen, der einerseits eine kunstvolle Grabstätte wählte und anderseits dem Glauben an Ewigkeit eins auswischte. Dass ihm religiöser Trost fehlt, dachte ich keinen Moment. Religionen bilden insofern einzig eine auf das Verständnis des Volkes abgestimmte Orientierung, wie es Philosophien in Teilen auf einer anderen Ebene tun. Andrin wirkte mir, soweit es aus dem Text hervorgeht, eigentlich nicht desorientiert, aber durchaus ein wenig exzentrisch.

Die Hausangestellte, welche in der Nähe der Eingangstüre bereitstand, öffnete Paul Florin auf sein Klingeln hin.

Das ist natürlich Geschmackssache, aber ich finde diesen Satz zum Einstieg ein bisschen sperrig.

Es stimmt schon, dass der Satz eigenwillig daherkommt. Ich hatte die Einleitung gut drei Dutzend mal in verschiedensten Variationen ausprobiert, bis ich entschied, das ist der Satz, zwar sperrig, aber bei einer ungewöhnlichen Geschichte, gestand ich ihm diese Charakteristika zu.

Es war wohl eine leichte Spur von Eifersucht. Claire kam ihm, diesem Mann gegenüber, auf undurchsichtige Weise verbunden vor. Nichts Sichtbares gab Anlass dazu, nicht in den Gesten oder den Worten, nur ein Gefühl, das Florin plötzlich unbehaglich beherrschte.

Ich kann diese Passage jetzt nicht so richtig einordnen. Während des Lesens habe ich ständig darauf gewartet, dass sie noch eine Rolle spielt. Das dein Protagonist an Claire interessiert ist etc. - aber da kommt dann nichts.

Nahezu ein Regelverstoss, da hier etwas angeführt wird, dem im Weiteren die sichtbare Entsprechung fehlt. Dennoch war es mir nicht bedeutungslos, da es von der Figur Florin diesbezüglich nochmals eine Facette freilegte. – Vielleicht kommt es dann etwas mehr zum tragen, wenn ich die Szene des Gesprächs von Claire und Florin noch etwas vertiefe. Wann dies sein wird, ist jedoch noch offen, es muss sich mir erst stimmig erschliessen.

Herzlichen Dank für das Lesen, die hinterfragende Kommentierung und die Anregungen sowie die schöne Bewertung der Geschichte.


+


Hallo Fliege

Ich schmunzelte, als ich Deine einleitenden Worte las. Dein Sprachgefühl, das Du in Deinen eigenen Geschichten immer gut zum Ausdruck kommt, nimmt Anstoss und sucht zugleich Verständnis. Dass diese Klippe bei meiner Geschichte nicht einfach zu umschiffen ist, verstehe ich, und schätze es umso mehr, dass Du sie gelesen und grosso modo schön gefunden hast.

Der einzige Punkt der Spannung ist ja, ja wie will er denn nu, und es ist aber auch klar, die Auflösung wird erst ganz am Ende preisgegeben, also liest man sich durch die Zeilen und guckt immer noch mal, wieviel man noch lesen muss, bis man "endlich " erfährt. Der Weg dahin ist aber nett verbrachte Zeit.

Es ist durchaus nur ein kleiner Einblick in eine gesellschaftliche Szene, deren beleuchteter Anlass ein wenig merkwürdig und zugleich unaufgeregt erscheinen muss. Dass es dabei auch Ungeduld erzeugen kann, da kein Eklat oder etwas Aufsehenerregendes dazwischen passiert, ist mir nachvollziehbar. Mit diesem Stück beabsichtigte ich denn auch, mit einem ruhigen Verlauf, ein doch höchst ungewöhnliches Moment heraufzubeschwören.

ich finde es vom Aufbau her jetzt nicht ganz optimistisch gewählt, auch finde ich, erst das Gespräch mit dem Anwalt und dann noch mal die Ansprache, wurde ja schon öfter angesprochen,

Ich kann das Unbehagen von Lesern schon nachvollziehen, wenn sie es in einer Kurzgeschichte als deplatziert wahrnehmen, da eine Information sich doppelt. Vielleicht werde ich die zweite Stelle noch kürzen, die Dopplung vermeiden. Mit dem Gespräch zwischen Claire und Andrin, das ich noch vertiefen will, kommen dann möglicherweise noch Elemente ins Spiel, die den Verlauf noch entsprechend beeinflussen, der Passage einen etwas anderen Ausgang geben. Mal sehen.

Außerdem ist ab dem Punkt, wo sie mit dem Anwalt redet die Spannungskurve extrem gedehnt.

Ja, das ist noch der spezielle Teil meiner Überlegungen.

Mich hat das Ende jetzt nicht geschockt, ich bin sowie dafür, dass Menschen auch über ihren Tod und die Art ihrer "Entsorgung" viel selbstbestimmter sein dürfen müssten.

Das freut mich zu hören, da ich es nicht als Schocker verstanden wissen wollte, einzig als ein fiktives und ungewöhnliches Ereignis. Es gibt ja schon kuriose Begräbnisarten, so hörte ich schon aus den USA, dass sich eine Person in ihrem geliebten Auto in der Erde versenken liess.
Von verchromten Skeletten habe ich übrigens noch nie gehört, aber in diesem Zusammenhang nachgeprüft, ob es technisch möglich wäre. Ich hoffe es setzt nun nicht jemand in die Wirklichkeit um. :D

Und das er sich nach seinem Lebensende der Kunst zur Verfügung stellt, finde ich hübsch konsequent.

Als Gedankenspiel erschien es mir für einen eingefleischten Kunstsammler nicht ausschliessbar.

Auch den Künstler kannte ich nicht und danke dafür, ich fand den Link sehr spannend. Bin ich gleich mal wieder etwas schlauer.

Die skurrilen Figuren von Giger üben schon eine Faszination aus. Und wenn ich kirchliche Bauten in Betracht ziehe, die zuweilen auch mit monsterartigen Figuren verziert wurden, haben solche Artungen von Kunstwerken wohl eine längere Tradition, als man allgemein denkt.

Also, ich fand es eine hübsche Geschichte. Danke dafür.

Ich danke Dir herzlich für das Lesen, die differenzierte Kommentierung, die Anregungen und natürlich den doch positiven Gesamteindruck.

Schöne Grüsse euch beiden

Anakreon

 

Nachbearbeitung

So, die Nachbearbeitung ist vollzogen. Ein Wort habe ich gelöscht und eines geändert, im Wesentlichen aber den Dialog zwischen Paul Florin und Claire Caminada erweitert, ihrer Beziehung mehr Transparenz gegeben. Dem Anlass entsprechend bleibt es ernst, doch sollte es nun in Dialog und Handlung durchscheinen. Florins Gedanken zum Ort finden sich nun im Anschluss der öffentlichen Bekanntgabe von Claire, wo die Bestattung stattfindet.

 

Es war H. R. Giger, der Skulpteur,

und wieder eine originelle, und doch fast von mir übersehene Geschichte aus der Kunstwelt, die gern von Dir,

lieber Anakreon,

aufgesucht (oder eher "heimgesucht") wird, nun bereichert um Biomechanoide – nahen Verwandten der uns bevorstehenden Umwandlung des armseligen, eigentlich ja doch lebensunfähigen Menschengeschlechtes in Cyborgs (nicht nur, um endlich die langandauernde Invasion der Aliens abzuwehren, sondern mittels eigener Alienation den Aliens zu zeigen, wo der Hammer hängt), und find dann überraschend eine Aussage, die wie geschaffen ist zu Deinen Geschichten

«In allen Lebenssituationen, und seien sie noch so trist, steckt ein Splitter zur Heiterkeit. Man muss nur den Sinn darin erkennen»,

Gleichwohl findet sich eine stattliche Anzahl von Flusen auf dem Teppich, aber zunächst fiel mir der häufige Gebrauch von „welch…“ auf
Die Hausangestellte, welche in der Nähe … / Die Geste bezog diskret das Kondolenzbuch mit ein, welches auf … / …, ihre tiefe Zuneigung, welche sie für ihren Mann in den Worten … / Florin blätterte in den vorgehenden Seiten, sich überlegend, welche Abschiedsworte für Andrin ihm angemessen erschienen.
Zudem erscheint mir beim letztgenannten das Personalpronomen entbehrlich, denn wem sollten die Abschiedsworte vor allen andern angemessen erscheinen, wenn nicht dem Sprecher (Florin) selbst – im anderen Fall käme es gar nicht zu den Abschiedsworten, wenn der Sprecher sie für unangemessen hielte.

Zeichensetzung:

Tête hatte es trotz anfänglicher Mühe geschafft[,] seinen eigenen Stil und Anerkennung zu finden, auch wenn er noch keineswegs zur Elite zählte.
«So, so, Sie glauben also[,] der Mensch sei dazu bestimmt, …
Es waren Gespräche auf gleicher Ebene, keiner[,] der sich dem andern über- oder unterlegen fühlte, und auch
Es tut mir leid, aber Andrin hatte mich gebeten[,] mit niemandem, auch seinen engsten Freunden gegenüber nicht, darüber zu sprechen, …
Claire benutzte den Augenblick[,] um die Anwesenden über die Beisetzung zu orientieren und vielleicht auch, um weitere pathetische Reden abzublocken.
(Hier ließe sich sogar das zwote „um“ und somit das zwote Komma einsparen, das – natürlich, so wie’s da steht, korrekt ist.)
Er liebte es[,] ungewöhnliche Wege zu gehen, öfters etwas Neues auszuprobieren und für alles offen zu sein.
Das schwarze Kleid, das sie mit einem kurzen[,] zitronengelben Jackett darüber trug, …
Überraschungscoup eines exzentrischen[,] alten Mannes,…
Claire umarmte ihn herzlich, sich wieder lösend[,] blieb ihre Hand auf seinem Oberarm ruhen.

Hier wäre m. E. Ein- statt Mehrzahl bei Verb zu lassen:
Das charmante Lächeln, das er dazu aufsetzte, liess[…] ihn in seinem Auftritt weicher wirken.
Flüchtigkeit:
«Du ist mir nicht böse, Paul?

Fluch(t) der abschl. Gänsefüßchen:

«Ja doch, vor ein paar Jahren, […], bei allem Respekt vor dem vielseitigen Künstler, der er war.
Sie schwieg.[…]Auf der Karte …

Wie (auch) immer, gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Friedel

Dieses einmal mehr mit Augenzwinkern verfasste Stück wähnte ich bereits im Archiv, dem sich absetzenden Staub als Unterlage dienend. Es freut mich sehr, dass es noch Deine kritische Aufmerksamkeit fand, die die Flusen dingfest machen. So wird es dann, sollte ein Besucher sich in diese Etage verirren, das Chrom im Scheinwerferlicht makellos aufleuchten lassen.

zunächst fiel mir der häufige Gebrauch von „welch…“ auf

Welche nun arg dezimiert sind. Nicht, dass noch jemand fälschlich auf den Gedanken kommt, hier habe es sich, dem Autor unbewusst, anstelle des phonetisch nahestehendem welk… eingenistet.

Zudem erscheint mir beim letztgenannten das Personalpronomen entbehrlich, denn wem sollten die Abschiedsworte vor allen andern angemessen erscheinen, wenn nicht dem Sprecher (Florin) selbst – im anderen Fall käme es gar nicht zu den Abschiedsworten, wenn der Sprecher sie für unangemessen hielte.

Natürlich! Einem Rechtskundigen solche Gedanken zu unterstellen, das käme ja Verleumdung gleich. Seine Überlegung zieht nun in geordneter Bahn.

(Hier ließe sich sogar das zwote „um“ und somit das zwote Komma einsparen, das – natürlich, so wie’s da steht, korrekt ist.)

Doch diese Aussage gewinnt so sprachlich an Raffinesse.

Fluch(t) der abschl. Gänsefüßchen:

«Ja doch, vor ein paar Jahren, […], bei allem Respekt vor dem vielseitigen Künstler, der er war.


Hm, es lässt sich anscheinend auch als Unterbruch in der direkten Rede lesen, soll es aber nicht sein. Das Schlusszeichen steht korrekt am Ende des Absatzes.

Sie schwieg.[…]Auf der Karte …

:confused: Perplex stehe ich vor dieser Zusammenfügung, sind es doch Worte, die durch Sternzeichen als separate Teile (Kapitel) getrennt sind.

Herzlichen Dank für das Lesen, die kritischen Einwände und Korrigenda sowie Gefallen finden an dem obskuren Kunststück.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon

Die letzte Ruhestätte sollte ihn widerspiegeln, wie er sich selbst verstand, um den Hinterbliebenen die Möglichkeit zu geben, ihm Nahe zu sein.

(nahe)

Interessant an deiner Geschichte finde ich, dass man die Figur Andrin nur vom Hörensagen kennenlernt, hauptsächlich durch die Berichte seiner Frau, des Theologen und des Erzählers. So ist das gleich aus zwei Gründen kein objektiver Eindruck: Zum einen natürlich, weil er aus dritter Hand kommt, zum anderen aber auch wegen des Ereignisses, innerhalb dessen er vermittelt wird: einer Aufbahrung.

Da liegt es in der Natur der Sache, dass man viel über den Toten spricht und dann auch nur Gutes. Ich habe mich beim Lesen gefragt, wie nah das an dem Bild ist, wie Andrin wirklich war, und ob du die Perspektive absichtlich so gewählt hast, dass man Andrin eben nur durch diesen Filter zu Gesicht bekommt.

Daher habe ich oben auch diesen Satz zitiert - es mag selbstlos klingen, dass Andrin die ungewöhnliche Ruhestätte nur deshalb wählte, um anderen etwas Gutes zu tun - aber kann es nicht sein, dass er in Wahrheit nicht doch egoistischere Motive gehabt hat? Dieser Gedanke drängt sich nicht unbedingt auf, aber er ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen, finde ich. Der Text ist da sehr geradlinig, er zeichnet ein sehr homogenes Bild von Andrin, was er aber eben auch muss, weil fast der komplette Text während der Aufbahrung spielt. Du setzt dir da selbst enge Grenzen, weil du in diesem Kontext naturgemäß kein vollständiges Bild der Figur vermitteln kannst. Aber das wäre sicher interessant gewesen.

Du konzentrierst dich sehr auf die Grabstätte an sich. Das ist sicher auch nicht verkehrt, bringt es doch einen Spannungsbogen in die Geschichte und bietet zum Ende hin eine Überraschung. Ich mag so etwas, und so habe ich deinen Text auch gerne gelesen, aber gleichzeitig wäre es sicher auch interessant gewesen, näher am "wirklichen" Andrin zu sein und seine Motive zu kennen. Seine Frau beschreibt zwar ein wenig was in die Richtung, aber das sind schon sehr zentrale Überlegungen - was bleibt von mir, wie will ich der Nachwelt in Erinnerung bleiben - da hättest du für mein Empfinden auch näher an die Figur rangehen können. Ich hab schon gelesen, dass du das Motiv absichtlich zurückgehalten hast - ist nur so mein Eindruck, was man aus diesem Grundmotiv machen könnte.

Dann, was ich noch loswerden möchte: Ich weiß, du bleibst deinem Stil treu, und der ist auch unverkennbar und du sollst dich auch nicht verbiegen oder so. Aber gerade in diesem Text ist mir extrem aufgefallen, wie gleich alle Stimmen klingen. Ob es der Erzähler ist, die Frau, der Theologe. Die klingen alle gleich. Ein wenig mehr Abwechslung wäre nicht schlecht, es würde den Text stilistisch auflockern, finde ich. Gerade die Rede des Theologen habe ich als anstrengend empfunden, stilistisch wie inhaltlich, als er da angefangen hat von Kant und dem Transzendenten zu reden ... puh. Fand ich mühsam. Schön war dann, dass auch der Erzähler die Rede als - sicher diplomatisch - "pathetisch" bezeichnet hat, sie würde aber sicher mehr herausstechen und als völlig überspitzt für ein Schmunzeln sorgen, wenn der Stil nicht derselbe wäre wie der restliche Text. So ist man sich als Leser eben nicht sicher - meint es der Autor hier noch ernst, oder will er übertreiben? Also schon allein deshalb wäre eine Variation in der Stimme angebracht.

Hin und wieder finde ich den Text auch sehr stark zum Leser gesprochen, schau mal hier:

Auf Wunsch meines Gatten wird die letzte Ruhestätte in Gruyères sein. Es mag eigen klingen, dass er sich diesen historischen Ort in den Fribourger Voralpen wählte,

Diese Erklärung wirkt so zwingend eingeschoben für die, die den Ort nicht kennen. Würde ihm Rahmen einer Aufbahrung in der Schweiz so aber eher nicht fallen.

Also bis auf diese beiden Kritikpunkte (die du wie immer als Anregung verstehen sollst ;)) hab ich es gern gelesen, finde auch das Thema wie gesagt interessant und kann mir gut vorstellen, dass man sich damit intensiver auseinandersetzt. Ich finde zwar, dass es etwas Grusliges hat, als verchromtes Skelett zu enden, aber ich kann auch mit den Körperwelten nicht viel anfangen, aber wenn jemand so ein Bedürfnis hat ... warum nicht? Ich hab übrigens schon die allererste Version gelesen, bin auch über den Kopf gestolpert und musste schmunzeln, als ich gesehen habe, dass daraus der Tete geworden ist :). Finde ich ... elegant gelöst.

Bis zum nächsten Mal, Anakreon, und viele Grüsse
Schwups

 

Hallo Schwups

Interessant an deiner Geschichte finde ich, dass man die Figur Andrin nur vom Hörensagen kennenlernt, hauptsächlich durch die Berichte seiner Frau, des Theologen und des Erzählers.

Mit der Aufbahrung zu beginnen war ein spontaner Entscheid, da ich die Leser mit dem Thema nicht allzulang strapazieren wollte. Die Einbringung einer passiven Hauptfigur hatte ich schon mal durchgespielt, damals bei „Martha, warum isst du denn nichts“ war es eine ähnliche Situation. In der Literatur ist solches nicht gänzlich unbekannt. Samuel Beckett hatte mit „Warten auf Godot“ sich eine Fiktion geleistet, bei der der Leser sich am Ende zu Recht fragen muss, existiert dieser Godot überhaupt?

Ich habe mich beim Lesen gefragt, wie nah das an dem Bild ist, wie Andrin wirklich war, und ob du die Perspektive absichtlich so gewählt hast, dass man Andrin eben nur durch diesen Filter zu Gesicht bekommt.

Das ist ein Punkt, bei dem der Leser sich auf das Erzählte verlassen muss, er kennt nur diese Perspektiven, hat keine Möglichkeit mehr darüber in Erfahrung zu bringen. In der Realität begnügen sich die meisten Menschen damit, wenn es um eine Person geht, die ein Nimbus umgibt und denen sie nie persönlich begegnen.
Die Figur von Andrin sollte durchaus annähernd einen Philanthropen widerspiegeln, wobei ein solcher wie jeder Mensch verschiedene Charakterzüge hat, die nicht allesamt makellos sein müssen.

Daher habe ich oben auch diesen Satz zitiert - es mag selbstlos klingen, dass Andrin die ungewöhnliche Ruhestätte nur deshalb wählte, um anderen etwas Gutes zu tun - aber kann es nicht sein, dass er in Wahrheit nicht doch egoistischere Motive gehabt hat? Dieser Gedanke drängt sich nicht unbedingt auf, aber er ist auch nicht ganz von der Hand zu weisen, finde ich.

Präzis getroffen. :D Claire und Florin sprachen von exzentrischen Eigenheiten bei ihm, auch wenn sie seine Wesensart insgesamt über diesen einordneten, ist es ein Teil von ihm. Inwieweit Claire seiner Rhetorik wirklich glaubte und sich nicht einfach arrangierte, bleibt ihr Geheimnis. Durch seine Selbstdarstellung als Kunstobjekt verrät er jedoch eine stark narzisstische Neigung, die sich zur fixen Idee steigerte.

Du konzentrierst dich sehr auf die Grabstätte an sich. Das ist sicher auch nicht verkehrt, bringt es doch einen Spannungsbogen in die Geschichte und bietet zum Ende hin eine Überraschung. Ich mag so etwas, und so habe ich deinen Text auch gerne gelesen, aber gleichzeitig wäre es sicher auch interessant gewesen, näher am "wirklichen" Andrin zu sein und seine Motive zu kennen.

Die Figur des Kunstsammlers einzubinden, hätte den Rahmen einer Kurzgeschichte weit gesprengt. So wie ich mich in die fiktive Figur Andrin einfühlte um ihn skizziert aufscheinen zu lassen, war er eine vielseitige Persönlichkeit, bei der die Besessenheit des Sammlers aber Dominant war.
Als realen Vergleich einen der Sammler die ich kannte: Er war Akademiker, sehr hohes Einkommen bei entsprechendem Lebensstandard, in der Gesellschaft bestens etabliert und im Besitz einer Kunstsammlung im Wert von etwas über einer Million. Diese war jedoch nicht systematisch aufgebaut, er kaufte was Namen hatte und ihm im Moment erschwinglich war. Als Person war er sehr umgänglich und charmant. Wie sich herausstellte, hatte er sich zu Betrügereien in grossem Stil hinreissen lassen, dies um seine aufgetretene Besessenheit als Sammler zu befriedigen.
Andrin sah ich da als anderes Kaliber. Sehr vermögend, gebildet, offen für alle Kunstrichtungen doch äusserst systematisch darin was er selbst erwarb. Doch dieses Streben so mancher Sammler, etwas völlig Aussergewöhnliches zu besitzen, hatte auch von ihm Besitz. Spinnt man diesen Faden weiter, stösst man unweigerlich auf sein Motiv. ;)

Dann, was ich noch loswerden möchte: Ich weiß, du bleibst deinem Stil treu, und der ist auch unverkennbar und du sollst dich auch nicht verbiegen oder so. Aber gerade in diesem Text ist mir extrem aufgefallen, wie gleich alle Stimmen klingen. Ob es der Erzähler ist, die Frau, der Theologe. Die klingen alle gleich. Ein wenig mehr Abwechslung wäre nicht schlecht, es würde den Text stilistisch auflockern, finde ich.

Ich hatte gehofft, die Verschiedenheiten in diesem Stück zum Tragen zu bringen, wenngleich der gesetzte Rahmen sich hemmend auswirkte. Aber es ist mir wohl eine unüberwindbare Hürde, diese literarische Sprachvielfalt zu fassen.

Gerade die Rede des Theologen habe ich als anstrengend empfunden, stilistisch wie inhaltlich, als er da angefangen hat von Kant und dem Transzendenten zu reden ... puh. Fand ich mühsam. Schön war dann, dass auch der Erzähler die Rede als - sicher diplomatisch - "pathetisch" bezeichnet hat, sie würde aber sicher mehr herausstechen und als völlig überspitzt für ein Schmunzeln sorgen, wenn der Stil nicht derselbe wäre wie der restliche Text.

Dass dieser Einschub aus dem Rahmen fällt, war schon Absicht, doch hoffte ich, eben auch dadurch eine Differenz herbeizuführen. Zu überspitzt sollte es nicht werden, da ich hier keinen Angriff auf die Theologen setzen wollte, höchstens etwas die Maske lüften, indem ich deren Zweifeln ansprach.

Hin und wieder finde ich den Text auch sehr stark zum Leser gesprochen, schau mal hier:

Hm, ja doch, etwas viel touristische Information. Die Umschreibung des Orts habe ich nun rausgekippt.

Ich finde zwar, dass es etwas Grusliges hat, als verchromtes Skelett zu enden, aber ich kann auch mit den Körperwelten nicht viel anfangen, aber wenn jemand so ein Bedürfnis hat ... warum nicht?

Einen Hauch an Unbehaglichem hat es natürlich schon, wenn ich mir vorstellte, vor einer Skulptur zu stehen und dann erfahre, darin ist ein menschliches Skelett verwahrt. Anderseits kann es auch ein kulturelles Gut sein.
Jährlich besuchen unzählige Leute etwa die Katakomben in Rom, die Kapuzinergruft in Wien – na ja, der Hochadel ist da in schweren Särgen verpackt -, die Kapuzinergruft in Palermo – die Vergänglichkeit ist da Allgegenwärtig -, nicht zu vergessen die Mumien in Krypten von kleinen Kirchen. Und Du erwähnst es, Hagens „Körperwelten“, dem ich den Deckmantel von „Wissenschaft“ nicht abnehme. Von der Ästhetik her sind diese Besucherströme nicht geleitet.
Dagegen ist die „Selbstdarstellung“ von Andrin doch abgehoben und in der Ummantelung mehr den ägyptischen Pharaonen anglichen. Ich hatte mich früher lange auch mit bestimmten aussereuropäischen Kulturen befasst, natürlich nicht spezifisch mit diesem Gebiet. Dabei fiel mir aber deren weitgehend unbefangener Umgang mit der Vergänglichkeit auf.

Ich hab übrigens schon die allererste Version gelesen, bin auch über den Kopf gestolpert und musste schmunzeln, als ich gesehen habe, dass daraus der Tete geworden ist :). Finde ich ... elegant gelöst.

Eine Notlösung, da mir ein entsprechender Familienname in frankophonen Gegenden nie begegnet ist. Die Franzosen werden es mir jedoch verzeihen, da zur Zeit der Résistance deren Mitglieder auch fiktive Namen erhielten.

Ich danke Dir herzlich für das Lesen, die herausfordernden Kommentare welche mich meine Überlegungen erneut abwägen liessen und natürlich für die positive Bewertung mit Vorbehalten.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,
die Auflösung der Frage nach der Beisetzung fand ich wirklich gelungen. Die vorbereiteten Hinweise auf dieses Ende habe ich während des Lesens der fein aufgebauten Geschichte nicht erkannt. Gruyères kenne ich leider nur von der Käseplatte und Giger war mir nicht bekannt. Aber selbst wenn ich hier keine Bildungslücken gehabt hätte, fände ich die Auflösung genial.

Ein Mann, der sein Leben lang der Kunst verbunden war, wird selber zum Kunstwerk. Das passt. Andrin Caminada, der der Vorstellung

der Mensch sei dazu bestimmt, ein ewiges Dasein zu führen
keinen Sinn abgewinnen konnte, überdauert die Zeiten als verchromtes Skelett.

Diese Gedanken stoßen zu Nachdenken an. Ich überlege mir, war ihm klar, dass er dadurch wie eine Reliquie in einer katholischen Kirche, zu einer Reliquie der Kunst in einem Tempel der Kunst wird? Natürlich regt die Geschichte auch an, über die eigene Endlichkeit oder aber das eigene „ewige Dasein“ nachzudenken.

Eine sehr lesenswerte Geschichte. Alle Achtung.

Freundlichst
JoeK

 

Hallo JoeK

Das freut mich sehr, dass Dir die kleine Geschichte Unterhaltung und Anregung zu weiteren Überlegungen zu geben vermochte. Bei diesem Thema und dem gesetzten Rahmen war es mir nicht voraussehbar, welchen Anklang sie unter Lesern finden wird. Mit dem unverfänglichen Titel und einer neutralen Klassierung versuchte ich, sie einem breiten Leserkreis schmackhaft zu machen.

Die vorbereiteten Hinweise auf dieses Ende habe ich während des Lesens der fein aufgebauten Geschichte nicht erkannt. […] Aber selbst wenn ich hier keine Bildungslücken gehabt hätte, fände ich die Auflösung genial.

Dies ist schön, dass die Überraschung gelungen ist. Aber auch wer Giger und allenfalls seinen Bezug zu dem Ort kannte, konnte die Auflösung nicht erahnen. Auf eine solch exzentrische Idee konnte nur ein Kunstsammler kommen, der der Nachwelt ein Objekt hinterlassen wollte, das niemand mit noch so grossem Reichtum erwerben konnte.

Andrin Caminada, der der Vorstellung

der Mensch sei dazu bestimmt, ein ewiges Dasein zu führen

keinen Sinn abgewinnen konnte, überdauert die Zeiten als verchromtes Skelett.

Diese Ironie, welche Du treffend erkannt hast, war es mir der Wert einzubauen, obwohl für diese Gleichung mir u. U. religiös Betupfte wohl gerne Hiebe erteilen würden.

Diese Gedanken stoßen zu Nachdenken an. Ich überlege mir, war ihm klar, dass er dadurch wie eine Reliquie in einer katholischen Kirche, zu einer Reliquie der Kunst in einem Tempel der Kunst wird?

„Gewagte Reliquien“ hat es in der modernen Kunst öfters schon gegeben, etwa das „Bild einer gekreuzigten Frau unserer Zeit“ von Kurt Fahrner. Ganz anderer Art, aber auch unter dem Begriff Reliquien zu verstehen, war das „Musée Sentimentale de Cologne“ (Sentimentales Museum von Köln) von 1979, eine Ausstellung die Daniel Spoerri für den Kölnischen Kunstverein ausrichtete. Die Objekte, welche dafür zusammengetragen wurden, standen alle in einem sentimentalen Bezug zu ihrer Herkunft. Darunter war etwa ein Slip der ersten Mieterin des Eros-Centers. – Andrin musste sich der Wertigkeit seiner Darstellung also durchaus bewusst gewesen sein.

Natürlich regt die Geschichte auch an, über die eigene Endlichkeit oder aber das eigene „ewige Dasein“ nachzudenken.

Wenn es nur nicht zu einem unwillkommenen Anstoss von Verdrängtem wird. ;)

Vielen Dank für Deine offenherzige Einschätzung, die mich wie Du siehst, die Gedanken vergleichend spielen liessen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,
ich habe die Kritiken der Anderen nicht gelesen, weshalb es sein kann, dass ich die Kollegen wiederhole.
Sorry. :-)
Mir hat Deine Geschichte gefallen. Der Stil ist irgendwie klassisch … wenn das so richtig ausgedrückt ist. Es wird natürlich dadurch unterstützt, weil es in Frankreich spielt.
Allerdings hat mich das Ende etwas gestört, weil ich ähnliches fast erwartet hatte. Ich dachte zunächst an sowas wie Körperwelten. Bei der ersten Erwähnung des Sarkophags wusste ich schon, dass es der Tote ist. Dadurch ist für mich natürlich der Große „Bum“ nicht gekommen.
Ich hätte mir gerne einen Raum mit Skulpturen vor gestellt, in dem ein Objekt mit einem Tuch verhüllt ist. Claire enthüllt den Sarkophag und da steht er … glänzend, der Schädel grinsend …
Ok, war so mein Denken. :-)

Noch Kleinkram:
*** Im Kondolenzbuch waren bereits etliche Seiten umgeschlagen. Florin blätterte in den vorgehenden Seiten, sich überlegend, … ***
Die zweiten Seiten würde ich weglassen.

*** Als ihr Gesprächspartner sich kurz halb drehte, erkannte ihn Florin. ***
„halb drehte“ klingt in dem sonst recht geschliffenen Text etwas unbeholfen.

*** Er ist ein Typ, auf den die Frauen fliegen, ging „es?“ Florin durch den Kopf. ***
Allgemein fehlt mir ein Hinweis auf Claires Stimme. Ist sie traurig gedämpft oder deutlich und sachlich. Irgendwie fehlt mir das, um ihre Stimmung und die Atmosphäre zu erkennen.

*** Der Sarg stand erhöht in der Mitte, daneben war auf einer Staffelei ein farbenfrohes Bild von Chagall „hingestellt“. ***
Klingt wieder in dem sonst recht geschliffenen Text etwas unbeholfen.

*** Dieses Hinauszögern der Beisetzung kam ihm ungewöhnlich vor, normalerweise fand eine solche innert Wochenfrist statt. ***
„Innert“ Das Wort kenne ich nicht, was nicht heißt, dass es dort falsch wäre.

*** um dann sanft, jedoch bestimmt durchblicken zu lassen, dass „es?“ ihm damit Ernst sei. ***

*** Es ist klar, das „s“ Du seinem Willen entsprechen musst. … ***

*** Den Bruchteil einer Sekunde, den Gedanken aufkommen lassen, diese Gefühle seien nur meinerseits aufgetreten. Ich sei nur einer, na ja, unter vielen Freunden.» ***
Na, der ist aber eine Mimose! ;-)

*** Da erklang der feine Ton eines Glases, das mit einem metallischen Gegenstand angetippt wurde. Alle Anwesenden sahen in die Richtung des Verursachers, es war Theophil Koch, der ein Glas in die Höhe hielt. ***
Irgendwie gefällt mir das mit dem metallischen Gegenstand nicht. Klingt nicht elegant, geschliffen.

*** Der Anlass unseres heutigen Zusammentreffens erfüllt uns mit Trauer, Andrin Caminada weilt nicht mehr unter uns. ***
Doch, der liegt ja direkt nebenan!


*** Doch diesen Anblick hatte er nicht erwartet, skurrile Skulpturen zierten neben und über dem Eingang die Hauswand. Einen Moment stand er mit halboffenem Mund da. Na gut, das ist nur der Treffpunkt. ***
Wie sieht das Château denn aus? Skulpturen können ja auch vor einer Gartenlaube stehen

Waren nur so meine Ideen.
Gerne gelesen
Gruß 3

 

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