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Auf die Liebe

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20.12.2002
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Auf die Liebe

Es war einmal eine Flasche Rotwein, die sich in eine Flasche Weißwein verliebte. Sie lebten zusammen auf einem Regal im Keller, und jeden Tag, kurz nach Sonnenaufgang, ging der Rotwein auf den Weißwein zu und bat ihn um seine Hand.
„Wie geht es dir denn heute, mein Schöner? Willst du mein Partner werden?“
Und jeden Morgen schlug der Weißwein dieses Angebot mit derselben Antwort aus:
„Nein, nein und wieder nein!“
Das stürzte den Rotwein immer in Melancholie, denn er war eine sehr nachdenkliche Flasche, die häufig von Gedanken über den Tod und die Sinnlosigkeit des Lebens geplagt wurde. Er beneidete den Weißwein, der so glücklich und gedankenfrei in den Tag hinein lebte. Sie waren von ihrer Natur her ganz anders, der rote und der weiße Wein, und doch hatten sie vieles gemeinsam. Beide waren wortgewandt und intelligent, beide interessierten sich für gutes Essen und beide verfügten über einen trockenen Sinn für Humor. Deswegen glaubte auch der Rotwein, dass sie füreinander bestimmt seien. Er schrieb dem Weißwein Briefe und Gedichte, pries seine Schönheit und komponierte gar Lieder für ihn, alles in dem Versuch, ihn von seiner Liebe zu überzeugen.
Doch der Weißwein blieb kalt.
Er genoss die Aufmerksamkeit, die er vom Rotwein bekam, und auch die Briefe und Gedichte, nahm er dankbar entgegen, aber seine Liebe wollte er nicht hergeben, denn sie galt der Flasche Sekt, die für ihre Schönheit und ausschweifende Lebensweise im ganzen Keller berüchtigt war. Dem Weißwein verschlug es immer den Atem, wenn er den Sekt mit seinem goldenen Kopf daher stolzieren sah, und er wünschte sich, auch so schön zu sein und so wundervolle Dinge zu unternehmen wie er. Der Weißwein wollte den Sekt unbedingt heiraten, und darin steckte er sein ganzes Schaffen. Er versuchte sich zu ändern, versuchte süßer zu sein und auch so golden zu strahlen.
Aber auch der Sekt konnte diese Liebe nicht erwidern, denn er war in die Flasche Bier verliebt, die ebenfalls im Keller hauste. Diese Liebe war sehr stürmisch, und von vielen Höhen und Tiefen geprägt, denn sie hatten fast nichts gemein, das Bier und der Sekt, das einzige was sie verband, war ihr sprudelndes Temperament. Sie stritten sich häufig, und der Sekt verbrachte viel Zeit damit, das Bier zu hassen, denn es war oft sehr grob zu ihm. Doch er fand auch einiges an ihm liebenswert, vor allem seine offene, derbe Art, die dem Sekt schwach werden ließ. So fanden sie nachts immer wieder zueinander, und jedes Mal, wenn sie sich liebten, glaubte der Sekt, fortan würde alles gut werden, dass das Bier jetzt milder würde, und sich auf ihn einließ.
Doch der Sekt wachte jeden Morgen alleine auf, und das Bier war wieder in seiner Kiste. Da schrie und kreischte der Sekt, doch es hatte keinen Zweck, das Bier hatte einfach keine Lust auf eine Partnerschaft.
Das Bier glaubte lange von sich, dass er für die Lust und nicht die Liebe gemacht war, dass Romantik es nichts anginge. Aber es pflegte seit vielen Jahren eine enge Bekanntschaft mit dem Rotwein, der, ganz anders als der Sekt, ein guter Gesprächspartner war.
Und eines Abends dann, als er den Rotwein wieder in so schwärmerischen Tönen von dem Weißwein erzählen hörte, stellte es fest, dass es ihm weh tat.
War Bier nicht auch liebenswert?
Da nahm das Bier seinen ganzen Mut zusammen und sagte zu dem Rotwein:
„Rotwein, wir haben nun einige Abende hier zusammen verbracht. Ich habe dir von meinen Ausschweifungen mit dem Sekt erzählt und du mir von deiner Liebe für den Weißwein, und nun werden wir älter, und wir wissen beide, unsere Tage sind gezählt. Willst du nicht mein Partner werden, Rotwein? Ich liebe dich.“
Da stutze der Rotwein, hatte er doch nie erwartet, vom Bier geliebt zu werden. Er zog sich zurück, grübelte eine Weile nach und stellte dann fest, dass er auch das Bier liebte, und somit seine Liebe für den Weißwein doch nicht die einzig wahre sein konnte. Er sagte Ja zum Bier, und sie fielen vor Glück übereinander her.
Als der Sekt hörte, dass das Bier mit dem Rotwein vermählt war, begann er zu sprudeln vor Wut.
„Was willst du mit dieser hässlichen, alten Flasche?“, schrie er dem Bier entgegen. „Ich bin doch tausend Mal schöner!“
Da antwortete das Bier kurz und knapp: „Halt die Klappe, du Schlampe!“
Da platzte dem Sekt der Kragen, sein Korken schoss nach oben und er begann überzuschwappen – ein tödlicher Zustand für eine Sektflasche.
Der Weißwein beobachtete all dies mit Unbehagen, stellte aber fest, dass seine Gedanken in dieser schrecklicher Stunde nicht dem Verlust seines Schwarms galten, sondern vielmehr dem Verlust der Liebe des Rotweins.
Er wandte sich vom sterbenden Sekt ab, und ging auf den Rotwein zu.
„Ich habe es mir anders überlegt, Rotwein! Ich und du, wir sind füreinander bestimmt! Willst du mein Partner werden?“
Da sprach der Rotwein:
„Ich bin dir sehr lange hinterher gelaufen, Weißwein, weil ich dachte, wir seien uns so ähnlich. Doch ich habe mich geirrt, wir sind doch sehr verschieden, und wir gehören auch nicht zueinander. Lebe wohl, mein Freund.“
Der Weißwein ging traurig davon. Jetzt kannte auch er die Melancholie, die den Rotwein all die Jahre geplagt hatte.
„Was ist denn mit dir los, schöner Weißwein?“, fragte eine Sprudelflasche, die ganz in der Nähe war.
„Ich bin verloren“, sagte er. „Ich wollte so süß und schön sein wie der Sekt, aber ich kann das nicht. Ich bin ein Wein. Ich werde nie so sein wie der Sekt.“
Die Sprudelflasche rückte ein wenig näher.
„Na, vielleicht kann ich dir da helfen …“

 

Hallo JuJu

Ein schwerer Bordeaux, der sich in einen leichten Weissen verguckt, aber JuJu, welch weinseliger Gedanke.

Er schrieb dem Weißwein Briefe und Gedichte, pries seine Schönheit und komponierte gar Lieder für ihn, alles in dem Versuch, ihn von seiner Liebe zu überzeugen.
Doch der Weißwein blieb kalt.

Haha, na hoffentlich blieb er kalt, sonst wäre er gar nicht mehr süffig.

Aber auch der Sekt konnte diese Liebe nicht erwidern, denn er war in die Flasche Bier verliebt, die ebenfalls im Keller hauste.

Jetzt ist es aber profan, eine Flasche Bier in einem solchen edlen Gemach.

Der Weißwein wandte sich ab, und ging traurig davon. Jetzt kannte auch er die Melancholie, die den Rotwein all die Jahre geplagt hatte.

Oh, ganz lebensecht.

Köstlich diese kleine literarische Tour durch den Weinkeller. Aber meine Weine tangierte es zum Glück nicht, ich stehe auf Rosé. Daran wagte sich, ja niemand zu vergreifen. Aber gut unterhalten habe ich mich dabei. Wenn ich den den Weinkeller gehe werde ich daran denken und achten, dass keine Flasche aus der Reihe tanzt.

Hast du diese Geschichte bei einem Glas Bourbon geschrieben?

Gruss

Anakreon

 

Hallo Juju,

Deine kleine „fabelhafte“ Geschichte erinnert mich in ihrer unfreiwilligen Komik – denn wer hätte je von gehört, dass Flaschen oder Getränke Gliedmaßen hätten? - an eine Kurzgeschichte Patricia Highsmith’, worinnen ein Jüngling beim Vater seiner Liebe um die Hand der Tochter anhält und am folgenden Tage die Hand der Tochter erhält –
per Postpaket [ich hör schon Makita schimpfen, das hätt ich doch schon wo erwähn]. Und gleich noch ein Ungereimtheit

Das stürzte den Rotwein immer in Melancholie, …
Zumindest würde der Rotwein zum Essig und bliebe es – da er schwerlich „schwarze Galle“, der urspr. Bedeutung der Melancholie, sein kann. Da kann man schon manisch und /oder depressiv werden.
Sie waren von ihrer Natur her ganz anders …
Angeblich ziehen Gegensätze sich an …, dem weiter unten aus Selbsterkenntnis widersprochen wird.

Deswegen glaubte auch der Rotwein, dass sie füreinander bestimmt seien.
Vllt. "wäre" hier der Konjunktiv II (statt I) angemessener …

Doch der Weißwein blieb kalt.
Gott sei …

… von dem Weißwein erzählen hörte, stellte es fest, dass es ihm weh hat.
Hat?

Da nahm das Bier seinen ganzen Mut zusammen, und sagte zu dem Rotwein: …
Komma ist entbehrlich.

Der Weißwein wandte sich ab, …
Wenn auch nicht falsch, besser: wendete

Und noch'n Vermerk: Der Rotwein

schrieb dem Weißwein Briefe und Gedichte, …
was mich auf Heinrich Heine bringt, denn neben der Higsmith’schen Variante scheint mir Deine Geschichte eine Fortsetzung (vielleicht auch nur eine Variante) der Dreiecksgeschichte Heines,

Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen andern erwählt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.

Das Mädchen heiratet aus Ärger
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jüngling ist übel dran.

Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei,

aber gern gelesen.

Gruß

Friedel

 

Hallo Anakreon,

Köstlich diese kleine literarische Tour durch den Weinkeller.

das freut mich

Hast du diese Geschichte bei einem Glas Bourbon geschrieben?

:) leider nicht, hab irgendwann festgestellt, dass ich mit einem klaren Kopf doch besser schreibe

Vielen Dank für deinen Kommentar

Hallo Friedel,

Angeblich ziehen Gegensätze sich an …, dem weiter unten aus Selbsterkenntnis widersprochen wird.

Das mit den "Gegensätzen ziehen sich an" ist wirklich nur ein Spruch, und trifft wohl nur was die Gene anbetrifft zu.
In der Tat findet man Menschen, die über dieselben Dinge lachen (der Humor sagt viel über einen Menschen aus) und ähnliche Interessen haben, attraktiver.
Deswegen versuchen unbewusst auch Leute, die einem anderen Menschen gefallen wollen, sich ihnen anzupassen. Sie nehmen eine ähnliche Haltung ein, täuschen bei Dates Interessen vor, tun so, als würden sie sich für die Hobbies des anderen interessieren, lachen über jeden Witz..
Wenn man zum ersten Mal mit einer Frau tanzt, und es passt einfach, sprich, man tanzt zum gleichen Takt und im selben Tempo, macht die gleichen Schritte, usw.. dann knistert es wahrscheinlich auch. Beim Gespräch ist es dasselbe. Und sonstwo natürlich auch..
Man könnte auch Harmonie dazu sagen.

Diese Kg von der Highsmith kenne ich nicht. Das Gedicht von Heine ist wirklich nett.

Habe die Korrekturen übernommen.

Wie immer vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren.

 

Das Gedicht von Heine ist wirklich nett
mag schon sein,

lieber Juju,

aber in politisch korrekten (ich sag immer: pc) Zeiten grammatisch inkorrekt, was schon an der zwoten Zeile auffallen muss

Ein Jüngling liebt ein Mädchen, / Die hat einen andern erwählt; / ...
was er auch durchhält. Du erkennst den Schnitzer, der nicht unter dichterische Freiheit fallen kann?

Also: nicht zur Nachahmung empfohlen ...

Gruß

Friedel

 

Hi JuJu,

Es war einmal eine Flasche Rotwein, die sich in eine Flasche Weißwein verliebte.
Deine Geschichte Märchen gleich zu eröffnen ist eine gute Idee. Ist sie doch fast eine Parabel. Denn: nicht die Art der Flasche, sondern die Füllung macht eine Flasche aus. Innerer vor äußerem Wert.

Wenn man Emotionen und Menschlichkeit in Flaschen gießt, muss man darauf achten, dass die Flasche auch eine Flasche bleibt. Gegen Ende der Geschichte wird das richtig gut, am Anfang jedoch fehlt es an flaschlichen Vergleichen. Ein paar Beispiele:

Das stürzte den Rotwein immer in Melancholie, denn er war eine sehr nachdenkliche Flasche, die häufig von Gedanken über den Tod und die Sinnlosigkeit des Lebens geplagt wurde.
An deiner Beschreibung kann ich an und für sich nichts aussetzen. Aber wie wäre es, wenn der liebliche Geschmack des Rotweins etwas herber würde? Der Druck in der Flasche etwas steigt? Der Tod wird durch die Leerung symbolisiert, die Sinnlosigkeit des Lebens vielleicht durch die Frage, wie der Korken von innen aussieht.

Doch der Weißwein blieb kalt.
Wieder eine Chance verpasst: "Doch der Weißwein blieb weiß. Von Rot wollte er nichts wissen." In der Richtung, verstehst du? Etwas verflaschlichen. =)

wenn er den Sekt mit seinem goldenen Kopf daher stolzieren sah
Hier charakterisierst du die Flasche durch eine Flascheneigenschaft. Das finde ich gelungen.

sprudelndes Temperament
Jetzt! =)

Da antwortete das Bier kurz und knapp: „Halt die Klappe, du Schlampe!“
Da platzte dem Sekt der Kragen, sein Korken schoss nach oben und er begann überzuschwappen – ein tödlicher Zustand für eine Sektflasche.
Perfekt!

Ach ja: Als ich gelesen habe, dass sich die Flaschen Briefe schreiben, musste ich sofort an Flaschenpost denken. Warum baust du das nicht ein und verleihst dem Wort eine neue Bedeutung?

++++++++++++++++++++
Ein paar Anmerkungen:

Deswegen glaubte auch der Rotwein, dass sie füreinander bestimmt seien.
Deswegen glaubte der Rotwein auch, dass sie füreinander bestimmt seien.
- Wenn man deine Version liest, meint man, du wiederholst dich. Immerhin glaubt der Rotwein schon die ganze Zeit über, dass sie füreinander bestimmt seien, oder nicht?

Er genoss die Aufmerksamkeit, die er vom Rotwein bekam, und auch die Briefe und Gedichte, nahm er dankbar entgegen, aber seine Liebe wollte er nicht hergeben, denn sie galt der Flasche Sekt, die für ihre Schönheit und ausschweifende Lebensweise im ganzen Keller berüchtigt war.
Monstersatz! Unnötig:
Er genoss die Aufmerksamkeit, die er vom Rotwein bekam. Auch die Briefe und Gedichte, nahm er dankbar entgegen. Seine Liebe wollte er aber nicht hergeben, denn sie galt der Flasche Sekt, die für ihre Schönheit und ausschweifende Lebensweise im ganzen Keller berüchtigt war.

„Rotwein, wir haben nun einige Abende hier zusammen verbracht. Ich habe dir von meinen Ausschweifungen mit dem Sekt erzählt und du mir von deiner Liebe für den Weißwein, und nun werden wir älter, und wir wissen beide, unsere Tage sind gezählt. Willst du nicht mein Partner werden, Rotwein? Ich liebe dich.“
Das erinnert mich irgendwie an NEXT von MTV. "Charlie, unser Date dauert nun drei Stunden und vier Minuten ..."
Damit will ich gar nicht sagen, dass ich den Ton schlecht finde. Im Gegenteil: Irgendwie ist das witzig. Das Bier ist eben ein Bauer.


Also: Die Geschichte ist witzig und das von Friedel genannte Gedicht von Heine beschreibt die Handlung ziemlich gut. Ich finde die Idee lustig, die Umsetzung größtenteils auch. Jedoch stören mich die etwas starren Dialoge. Richtig gut hingegen finde ich, dass du deinen Erzählton konsequent einhältst und nicht durchbrichst. Auch einige Wendungen wiederholst du gekonnt. Insofern: Gern gelesen.

Beste Grüße
markus.

 

Hallo Mister Glass,

Vielen Dank für deinen Kommentar. Das kleine Märchen hat ja bislang wenig Beachtung gefunden. Weiß nicht genau warum, kann mir aber gut vorstellen, dass viele Leute den Titel und den ersten Satz lesen und denken: Oh je .. bitte nicht.
Ich denke, es gibt keine große Zielgruppe für sowas.
Kann ich schon auch verstehen. Ich finds fast schon selbst komisch, dass ich das geschrieben hab. :) Was aber nicht heißt, dass ich die Geschichte nicht auch irgendwie mag.
Freut mich, wenn auch du sie gern gelesen hast.

Doch der Weißwein blieb kalt.

Wieder eine Chance verpasst: "Doch der Weißwein blieb weiß. Von Rot wollte er nichts wissen." In der Richtung, verstehst du? Etwas verflaschlichen. =)


Aber das ist doch verflaschlicht, dachte ich. Der Weißwein blieb kalt.
So wie er ja auch sein soll .. ;)

Danke für die Ideen und Anregungen, da sind einige gute dabei.

MfG,

JuJu

 

Nette Idee, diese Flaschen - Geschichte.
Mal was anderes, wär ich nicht drauf gekommen.
Immerhin amüsant.
Lord

 

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