Mitglied
- Beitritt
- 04.05.2016
- Beiträge
- 28
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 16
Auf die Füße
Wo war ich denn hier gelandet?
Ich meine, schon klar, es war eine dieser Maßnahmen vom Arbeitsamt – äh, der Arbeitsagentur, zu denen ich in den letzten Jahren immer mal wieder geschickt wurde.
Aber Kompetenzfindung?
Echt jetzt?
Wann hatte ich denn das zugesagt?
Ich musste mich endlich auf die Kette kriegen!
Ein Kater bummerte in allem, was oberhalb meines Schlüsselbeins wuchs.
Unversehens kam mir das Bild des Tigers in den Sinn, den Lord Curzon 1901 von seinem Elefanten aus geschossen hatte. Einhundertundachtzig Kilo Lebendgewicht – und der saß nun auf meinem Kopf.
Blödes Vieh, hatte mich damals schon den letzten Nerv gekostet.
Ich schloss und öffnete ein paar Mal langsam und vorsichtig meine Augen. Das deutsche Wetter meinte es ja heute eigentlich gut mit mir. Grau und regenverhangen, wurde es draußen nicht wirklich hell. Trotzdem kam ich nicht umhin, mir zu wünschen, es wäre heute einfach mal Nacht geblieben.
Aber die Deutschen sind ja nie zufrieden mit dem, was sie kriegen.
Die Deutschen.
War ich jetzt Deutscher?
Der Gedanke ließ mich innerlich schmunzeln.
Dann fiel mein Blick auf das, was der dickliche Mann in dem billigen Anzug viel zu laut an die Tafel schrieb.
Das Datum.
Wie es aussah, hatte ich zwei Wochen durchgesoffen.
Scheiße!
Das musste aufhören!
Seit Afghanistan war ich mal wieder in einer Abwärtsspirale. Kriegte die Bilder nicht aus dem Kopf, war einfach nur müde.
Null-Bock-Phase.
Sie würde vergehen.
Wie alles.
Außer mir.
Aber als ich das der Dame von der Arbeitsagentur gesagt hatte, hatte sie mich nur irritiert angesehen. ‚Null-Bock-Phase‘, so was überhörte sie schon von Berufs wegen.
Das menschliche Gehirn war lustig. Ich hatte schon vor langer Zeit aufgehört, mir Geschichten auszudenken, woher ich kam und warum. Solange ich nichts klar und deutlich aussprach, sondern nur andeutete, konnte ich eigentlich immer die Wahrheit sagen. Der Geist des Gegenübers erledigte den Rest und fand an den Stellen, die für ihn unbegreiflich waren, ganz allein eine Antwort.
Auf die Frage, wo ich geboren wurde, antwortete ich mit ‚irgendwo unterwegs‘, was sofort mit einem ‚auf der Flucht‘ ergänzt wurde. Damit war zugleich klar, dass ich schon einige Jahrzehnte in Deutschland sein musste und einen Migrationshintergrund hatte. Da mein Deutsch fehlerfrei war, nahmen meine Gegenüber an, ich käme aus einer Bildungsschicht und sei sprachlich begabt.
Der Dame von der Agentur hatte ich dann noch erklärt, ich hätte über die Jahre in der ganzen Welt gearbeitet und spräche mehrere Sprachen fließend, was sie in ihrer Menschenkenntnis bestätigte.
Sie war optimistisch, schnell eine Stelle für mich zu finden.
Allerdings war ich damals mit Fahne aufgekreuzt, so dass sie mir auch empfahl, zu den AAs zu gehen und mich erst einmal – und dann noch ein paar Mal – in Weiterbildungen steckte.
Voilà, und da saß ich.
Ich war um die zwölftausend Jahre alt, hatte von Hassuna bis heute alle großen Kulturen der Menschheitsgeschichte erlebt, in unzähligen Kriegen gefochten, hatte von Gilgamesch bis Kennedy die bedeutendsten Herrscher, von Apelles über Leonardo bis Richter die herausragendsten Künstler und von Konfuzius über Aristoteles bis Precht die abgefahrensten Denker kennengelernt. Ich hatte mit Kurtisanen, Politikern und Abenteurern die Nächte zum Tag gemacht, hatte in jedem Land der Erde gelebt, geliebt und gelitten und fand mich an einem regnerischen Dienstag im August in einer Weiterbildungsmaßnahme der deutschen Arbeitsagentur in Berlin-Kreuzberg wieder.
Wie das Leben so spielt.
„Guten Morgen, bitte schreiben Sie auf die Karten, die ich jetzt rumgeben werde, in Druckbuchstaben Ihre Nachnamen und stellen Sie sie vor sich auf.“
Oha, es ging los.
Ich quälte mich in eine aufrechte Position und beschloss, das Beste draus zu machen und Spaß zu haben.
Tja, kam ich einige Stunden später auf dem Heimweg nicht umhin, zu denken.
Wer hätte das gedacht?
Während die „ausführliche Untersuchung und Abwägung von Interessen und Fähigkeiten“ bei vielen der Teilnehmer nur bestätigen konnte, was sie sowieso schon wussten, lag ausgerechnet mir ein eindeutiges und – nun ja – überraschendes Ergebnis vor:
Hausmeister.
Aha.
Nun gut. Meinen Entschluss, mich auf die Kette zu kriegen, konnte diese Erkenntnis nicht erschüttern. Und wenn ich doch nun wirklich eines gelernt hatte, dann, dass Probieren immer über Studieren ging.
Vorstellungsgespräche waren auch nach all den Jahrhunderten noch nichts für mich. Ich kam mir dabei immer ein wenig vor wie auf dem Pferdemarkt, wobei ich Verkäufer und Ware zugleich war.
Gut, bei einigen der Gespräche, die ich mitgemacht hatte, hatte man tatsächlich meine Zähne inspiziert und noch ganz woanders reingeguckt, aber das war schon einiges her, in Margiana zum Beispiel, in Turkmenistan oder auch in Belize. Waren keine so schönen Jahre gewesen, damals.
Verglichen damit und auch sonst, war dieses eigentlich ganz gut gelaufen.
Meine Dame von der Arbeitsagentur war zunächst skeptisch gewesen und fand mich überqualifiziert.
„Das ist mir schon klar“, hatte ich sie beruhigen wollen, „aber ich muss das denen ja nicht sagen.“
Das brachte mir sofort eine Tirade über Ehrlichkeit in Arbeitsverhältnissen ein.
Als ob irgendjemand auf dieser Welt bei so etwas jemals die ganze ungeschönte, vollständige Wahrheit und nichts als die Wahrheit sagen würde.
Ich musste meinen Lebenslauf für diese Stelle eben runter schrauben. Na und? Das machte ich doch eigentlich immer.
Nachdem ich ihr hoch und heilig versprochen hatte, ehrlich zu sein, bekam ich ihren Segen und schrieb meine Bewerbung. Die Einladung kam erstaunlich schnell und nun hatte ich das Vorstellungsgespräch geschafft.
Und was soll ich sagen? Ich hatte den Job!
Das Tollste an der Sache? Ich glaube, ausgerechnet meine so „hochqualifizierten“ Sprachkenntnisse hatten dabei den Ausschlag gegeben. Es gab wohl nicht viele Hausmeister, die sämtliche Sprachen beherrschten, die in dieser Kita in Berlin Kreuzberg gesprochen wurden, eine Rettungssanitäterausbildung hatten, Rasen mähen und Glühbirnen auswechseln konnten.
Ich sollte drei Tage später anfangen.
Naja. Meine Begeisterung war an besagtem Morgen um 5:00 Uhr früh nicht mehr ganz so strahlend. Und ich stellte mir die Frage, ob mein strikter Entschluss, nüchtern zu bleiben, wirklich so unumstößlich sein musste. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich mich mit ein paar Flaschen Bier und Wodka intus tatsächlich schlechter fühlen würde.
Also ging ich erst einmal unter die heiße Dusche.
An dieser Stelle möchte ich mal die Gelegenheit ergreifen und ein paar Worte zu kalten Duschen sagen, die in Geschichten aller Art so gerne Verwendung finden, und die immer gepriesen werden als erfrischender Wachmacher aller erster Güte.
Die sind Scheiße! Ich kann leider kein anderes Wort finden.
Es ist doch so, wenn ich (und ich vermute, auch jeder andere normale Mensch) mich morgens völlig fertig aus dem Bett quäle, ist das Letzte, was mir noch zu richtig mieser Laune fehlt: eine kalte Dusche!
Ich habe Jahrtausende kalt gebadet, geduscht und mich gewaschen, ich weiß wovon ich rede.
Also gehe ich natürlich unter diese fantastische Erfindung: eine heiße Dusche.
Die wird so heiß gemacht, dass meine Haut danach krebsrot ist und ich bleibe so lange darunter, bis mir keine Schauer mehr über den Rücken laufen und ich kühler stellen muss, weil ich sonst anfange zu schwitzen. Dann und nur dann bin ich wach genug, um – nüchtern, verkatert oder noch voll drauf – um 5:30 Uhr morgens gutgelaunt in die Nacht, äh, den Tag zu starten.
Eine große Tasse Kaffee, die Kuchenreste von gestern, und ich fühlte mich bereit für Glühbirnen und Co und machte mich auf den Weg.
Unglaublich, was für ein Treiben um 6:30 Uhr an einem Gebäude mitten in Berlin herrschen konnte. Die Kita war der Bienenstock, die Väter, Mütter, Tanten, Onkel, Opas und Omas waren die schwerbeladenen, langsam dahin schleichenden Bienen und die Kinder – Mädchen auffallend in Pink, Jungs in gedecktem Blau, Grau, Grün und allem dazwischen – waren der Nektar, den es abzuladen galt. War das erst einmal geschehen, eilten die Bienen erleichterten Schrittes aus der Tür in alle Richtungen davon. Ich beobachtete diese perfekte Choreographie eine Weile und nahm mir vor, selbiges nun jeden Morgen vor der Arbeit ein paar Minuten zu genießen. Dann mischte ich mich darunter und ließ mich ins Gebäude treiben.
Hier konnte ich dann keine Choreographie mehr ausmachen.
Der Lautstärkepegel war – gewaltig. Von Schreien über Lachen, Jammern, Heulen, Rufen und Kreischen war alles Menschenmögliche dabei. Dazu kamen scheppernde Töpfe, umfallende Kinderstühle, geschleuderte Gummistiefel und Spielzeug.
Gleichzeitig lief und fuhr alles oder kroch auf allen Vieren durcheinander.
Das Wort, das am häufigsten fiel, war definitiv ‚Nein‘.
„Nein, lass das!“
„Nein, hör auf!!“
„Nein, Lucy, Xaver, Heintje!“, oder was weiß ich.
So viele Ausrufezeichen, wie hier in den ersten fünf Minuten meines Aufenthaltes, hatte ich das letzte Mal vernommen, als ich half, assyrische Ausgrabungsobjekte von Khorsabad über Mossull, Bagdad und Basra nach LeHavre zu bringen. Ein Wahnsinnsprojekt! Da keifte jeder jeden an. Die Jungs hatten einen Ton drauf … Mannomann!
„Herr Schinto“, wurde ich von einer angesichts dieses Tumultes unfassbar ruhigen Stimme angesprochen. Ich wandte mich um und sah die mich freundlich anlächelnde Direktorin.
Ich musste einen ziemlich entgeisterten Eindruck machen, denn sie lachte.
„Keine Angst, Sie gewöhnen sich dran“, meinte sie mit einem Blick in die Runde.
„Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo Sie Ihre Sachen lassen können.“
Ich folgte ihr nur zu gern.
Die Direktorin hatte recht gehabt. Nach ein paar Tagen hatte ich mich an den Irrsinn gewöhnt und gelernt, ihn regelrecht zu genießen, ihn aufzusaugen. Hier steppte der Bär mehr als auf jeder Partymeile Moskaus, Hamburgs und Mallorcas zusammen, hier tobte das Leben. Schon nach kürzester Zeit erzählte ich meinen Bekannten nur noch von ‚meiner‘ Kita. Ich stand morgens problemlos auf und machte mich, so schnell ich konnte, auf den Weg. Bald fragte ich mich, warum ich nicht früher schon einmal in der Nähe von Kindern gearbeitet hatte. Der Trick, den Irrsinn einen nicht überrollen zu lassen, bestand ganz einfach darin, mitzumachen, sich, wie im Schwimmbad, mit einer Arschbombe volle Kanne ins Wasser plumpsen zu lassen. Meine Tätigkeit selbst war dazu noch der perfekte Ausgleich: ruhige, konzentrierte Bastelei. Jeder, der schon einmal gebastelt, gestrickt, genäht oder gemalt hat, wird wissen, was ich meine.
Eines Morgens im November stand ich gerade auf einer Leiter im Mitarbeiterraum, als die Direktorin, für ihre Verhältnisse völlig aufgelöst, mit ihrer Vertreterin hereingestürzt kam und hinter sich die Tür schloss.
„Was machen wir denn jetzt? Ich hatte noch acht Krankmeldungen heute Morgen.“ Sie fasste sich an die Stirn. „Das können wir nicht stemmen.“
„Können die vom Träger denn niemanden mehr schicken?“
„Nein. Erst morgen früh und dann auch nur noch vormittags. Wir müssen einige der Kinder wieder nach Hause schicken.“
Ich hatte natürlich schon mitbekommen, dass wir uns in einem personellen Engpass befanden, aber dass es so schlimm aussah, war mir nicht klar gewesen. Der letzte Satz der Direktorin ließ bei mir die Alarmglocken schrillen. Kinder wieder nach Hause zu schicken, war schlimm. Für viele in meiner Kita waren die Stunden hier die unbeschwertesten und fröhlichsten ihres ganzen Daseins. Wir hatten Flüchtlingskinder, deren Zwei-Zimmer-Zuhause für acht Personen reichen musste. Oft waren sie traumatisiert, hatten Dinge erlebt, von denen ich wusste, dass es mehr als ein Menschenleben dauern würde, sie zu überwinden. Die Ablenkung hier half dabei am besten. Dazu hatten wir schlimme Fälle von Vernachlässigung und Kinder, die geprügelt oder missbraucht worden waren oder auch noch wurden.
Ehe ich wusste, was ich tat, rutschte mir die Frage heraus:
„Und wenn ich einspringe?“
Beide Frauen sahen mich an. Sie hatten bis zu diesem Moment nicht einmal gemerkt, dass ich auch im Raum war.
„Wie meinen Sie das?“
„So wie ich es sage. Ich habe nichts zu tun, was nicht bis nächste oder übernächste Woche warten könnte. Also?“
„Äh. Hm“, machte die Direktorin.
„Was wir bräuchten, Herr Schinto“, übernahm die Vertreterin das Gespräch, „wäre jemanden, der die Nachmittagskinder beaufsichtigt.“
„Kein Problem.“
„Jemanden, der die Vorleseecke übernimmt“, ergänzte die Direktorin.
„Klar doch.“
„Das könnte klappen.“
Langsam ging ein Strahlen über die Gesichter der beiden, ihre Erleichterung war beinahe greifbar. Auch ihnen war klar, was das Nach-Hause-Schicken für manche Kinder bedeutete.
„Sie müssten das aber jeden Nachmittag machen, mindestens diese Woche, damit ich planen kann.“
„Ich kann heute anfangen.“
Die Ernüchterung stellte sich ein, als ich mir die Bibliothek ansah und versuchte zu entscheiden, welche Geschichten ich heute vorlesen würde.
Die Wahl fiel mir nicht leicht. Konnte ich es wirklich irgendeiner Seele zumuten, „Pipi machen – Häufchen abziehen“ erzählt zu bekommen? Oder vielleicht: „Pricilla sitzt auf dem Töpfchen, Teddy guckt ihr zu. Dann steht Pricilla auf und holt Spielzeug. Teddy sitzt so lange auf dem Töpfchen. Mama kommt und sagt: „Pricilla, du hast ja gar kein Pipi gemacht. Naja, nächstes Mal.“
Da musste ich ja aufpassen, dass mir nach zwei Zeilen nicht das Buch auf den Kopf fiel und ich ins Koma.
Als ich endlich einige Bücher zusammen hatte und mich in die Vorleseecke begab, war die bereits ordentlich besucht. Die Kinder wurden still, als sie sahen, dass ich es war, der sich zu ihnen setzte.
Ich war ein Mann, ich war Handwerker, und meist recht still. Sie konnten mich nicht richtig einschätzen und so genoss ich eine Autorität, die bei fast allen Schüchternheit hervorrief.
„Ab heute werde ich euch nachmittags Geschichten vorlesen. Ich hab mal einige mitgebracht, die mir – äh – gefallen haben. Ab morgen dürft ihr eure Lieblingsbücher mitbringen und ich lese dann welche vor.“
Einige Kinder wechselten unsichere Blicke, manche rückten ein wenig weiter weg. Ein Junge stand auf und lief zur offenen Tür. Er brüllte:
„Sonja, der Hausmeister will Geschichten vorlesen.“
Besagte Sonja stand wohl am anderen Ende der Halle, als sie zurückrief:
„Ja, ich weiß, ist das nicht toll?“
Einigermaßen beruhigt, dass alles seine Richtigkeit hatte, aber immer noch Skepsis im Blick ob meiner Eignung, kehrte der Junge um, nahm wieder seinen Platz ein und fragte mich rundheraus:
„Kannst du denn lesen?“
„Finden wir es heraus, hm?“
„Du meinst, du weißt es selber nicht?“, fragte ein anderes Kind entgeistert. Ein kleiner Tumult entstand.
„Nein.“
„Hä?“, schlug es mir entgegen.
„Warst du denn nicht in der Schule?“
„Ich war in vielen Schulen.“
„Bist du duhuumm?“
„Manchmal.“
Allgemeine Ratlosigkeit.
„Wie alt bist du denn?“
Nun, da war sie, diese Frage, die nicht korrekt zu beantworten, in meinem Leben so wichtig war.
Keine Ahnung warum, aber aus irgendeinem Grund wollte ich die Kinder nicht belügen.
„Ich weiß es nicht genau.“
„Waaaaas?“
„Du weißt nicht, wie alt du bist?“
„Jedes Kind weiß, wie alt es ist.“
„Warum weißt du das denn nicht?“
„Weil wir, als ich geboren wurde, noch keine Kalender hatten, weil meine Eltern weder lesen noch schreiben konnten und weil damals Geburtstage nicht so wichtig waren.“
„Ich kenne meinen Geburtstag“, sagte ein Mädchen in Pink hochmütig.
Allgemeines „Ich auch.“
„Das ist sehr schön für euch“, meinte ich ernst. „Dann könnt ihr immer sagen, wie alt ihr seid, wenn jemand euch fragt.“
„Von wo kommst du denn?“
„Ich wurde irgendwo in Mesopotamien geboren.“
„Hä? Was das denn? Metpotopumien?“
Allgemeines Gelächter.
„So nennt man heute das Land, als es noch nicht Iran, Irak, Syrien und ähnliches hieß.“
„Dann musst du aber schon sehr alt sein“, meinte ein größerer Junge bestimmt.
„Jaaa. Mindestens vierzig“, meinte das hochmütige Mädchen.
„Es sind mittlerweile so um die zwölftausend Jahre. Genauer weiß ich es leider nicht.“
Allgemeines „Oh.“ Einige lachten. Keiner – und ich meine keiner – zeigte den Gesichtsausdruck, den die unzähligen Erwachsenen aufsetzten, denen ich über die Jahre versucht hatte, meine Lage zu erklären.
„Dann kennst du bestimmt viele Geschichten!“, meinte ein kleiner Junge mit großen Augen sehr ernsthaft.
„Au ja, erzähl uns echte Geschichten“, verlangte ein großes Mädchen eifrig, „die Bücher kenn ich schon alle.“
Allgemeine Begeisterung.
Ein Gedanke blitzte durch mein Bewusstsein. Was, wenn ich hier, in einer Kita in Deutschland, endlich einmal der sein durfte, der ich tatsächlich war?
„Was für Geschichten wollt ihr denn hören?“, fragte ich zögerlich.
„Von Tieren.“
„Von Aliens.“
„Von Spiderman.“
„Hast du Superkräfte?“
„Nein.“
„Waruum nicht?“
„Weiß ich auch nicht.“
„Aber wenn du schon so alt bist, musst du dann nicht welche haben? Sogar Spiderman hat welche, guck mal, der kann so machen, Pitscheung, und dann ist alles voller Spinnenweben.“
„Du glaubst nicht, wie oft ich genau dasselbe gedacht habe. Ich hätte einige Male echt gut Superkräfte gebrauchen können. Hab ich aber nicht.“
Enttäuschte Gesichter rings um mich rum.
„Aber dafür habe ich in eurem Alter schon mit einem Löwenbaby gespielt“, versuchte ich die Stimmung zu retten.
„Oh.“
„Die gibt’s nur in Afrika.“
„Die sind viel zu gefährlich, mit denen darf man doch nicht spielen.“
„Als ich Kind war, gab es noch Löwen dort, wo ich aufgewachsen bin, heute allerdings nicht mehr, da hast du recht, und ja, eigentlich sind sie zu gefährlich, aber dieses Löwenbaby hatte keine Eltern mehr und es irrte allein umher, als meine Leute zum Winterquartier zogen. Da hab ich es heimlich mitgenommen.“
„Wollten deine Eltern das nicht?“
„Nein. Ich wäre streng bestraft worden, hätte meine Mutter es gewusst. Sie hatte, genau wie eure Mütter, große Angst, dass mir was passieren könnte.“
„Was hast du denn mit dem Baby gemacht?“
„Ich hab mit ihm gespielt und später haben wir es zu anderen Löwen frei gelassen.“
„Was hattest du denn noch für Tiere?“
„Hm, mal überlegen, wollt ihr hören, wie ich auf einem Yak durch das Pamir-Gebirge geritten bin?“
„Jaaaa.“
„Was ist eine Yak?“
„Mein Papa sagt immer ‚Yak‘, wenn er was eklig findet.“
Allgemeines Gelächter.
„Ein Yak sieht aus wie eine Kuh mit Hörnern und langen Haaren. Man kann darauf reiten, oder man kann es mit Koffern und Kisten beladen, dann trägt es die, wenn man wandert.
Damals war ich gerade auf der Seidenstraße unterwegs. So nennt man den Weg, auf dem man früher Seide aus China zu uns brachte. Wisst ihr, was Seide ist?“
„Ja, das ist ein ganz, ganz feiner Stoff. Meine Mama hat ein Kopftuch aus Seide“, erklärte ein zartes Mädchen mit dicken schwarzen Locken.
„Genau“, meinte ich anerkennend. „Wir wanderten den ganzen Weg von Xian in China bis Damaskus am Schwarzen Meer. Das dauerte fast ein ganzes Jahr.“
"Damaskus hat kein Meer!", wies mich ein Junge mit großen dunklen Augen zurecht.
"Da hast du recht", meinte ich, "von Damaskus bis zum Meer sind es noch 100 Kilometer, hast gut aufgepasst."
„So lange seid ihr gelaufen?“, unterbrach mich ein anderer ungläubig. „Wieso seid ihr denn nicht mit dem Auto gefahren oder mit dem Flugzeug?“
„Damals gab es noch keine Autos, keine Flugzeuge, ja man wusste noch nicht einmal, dass man die Strecke mit einem Schiff fahren konnte. Das hat erst Herr Polo herausgefunden, viele Jahre später.“
„Meine Tante fährt einen Polo“, warf das hochmütige Mädchen ein.
„Ah“, meinte ich erfreut über so viel Mitdenken. „Das Auto ist nach dem Herrn benannt, von dem ich rede.“
„Wieso das denn?“
„Hat der das gebaut?“
„Du hast doch gesagt, es gab damals keine Autos.“
„Wenn der das Auto gebaut hat, ist er aber kein besonders guter Mensch gewesen“, bereicherte ein dicklicher blonder Junge die Unterhaltung. „Mein Papa sagt, den Polo haben Betrüger gebaut.“
Mir drohte, die Unterhaltung zu entgleiten, und so kürzte ich ab:
„Vergesst das mit dem Auto. Ich wollte euch doch von meinem Yak erzählen.“
Neugierige Gesichter wandten sich mir zu.
„Also, wir waren damals etwa vierhundert Leute, die zusammen die Strecke wanderten. Viele davon waren Händler, einige waren sowas wie Polizisten, die aufpassten, dass niemand die Seide stehlen konnte, und noch mehr waren Träger oder für die Tiere zuständig, so wie ich.
Wir kamen aus Xian, wo die Seide hergestellt worden war und hatten schon über viertausend Kilometer hinter uns gebracht, über den Gelben Fluss, durch den Hexi-Korridor, an verschiedenen uralten Klöstern vorbei und zwischen den Wüsten Gobi und Taklamakan hindurch.“
„Den kenn ich.“
Ich und alle Kinder wandten sich dem hochmütigen Mädchen zu.
„Du kennst die Taklamakan?“, fragte ich erstaunt.
„Nein, aber den Grobi. Ich war nämlich schon in einem Freizeitpark und da war auch Grobi und der hat getanzt und mir Zuckerwatte geschenkt.“
„Äh, interessant. Allerdings meine ich die Wüste GOBI, nicht den Typen aus der Sesamstraße.“
„Ach so,“ antwortete sie, als wäre nun alles klar und als hätte ich und nicht sie einen Fehler gemacht.
„Erzähl weiter“, forderte der dickliche Junge.
„Moment“, unterbrach ein anderer Junge. „Was ist denn dieses Takmakmak?“
Allgemeines Gelächter.
„Das Takmakmak ist die Wüste Taklamakan. Sie ist die zweitgrößte Sandwüste der Welt und so groß wie ganz Deutschland. Sie hat Berge aus Sand, die werden vom Wind hin und her gepustet, das hört sich ungefähr so an:“
Ich nahm meine Wasserflasche und blies über ihren Rand hinweg, sodass ein leicht pfeifendes Geräusch ertönte.
Es wurde mucksmäuschenstill im Raum.
„Die Chinesen nennen die Hügel deshalb ‚Berge des Singenden Sandes‘. Zweitausend Kilometer mussten wir von Oase zu Oase durch den Sand wandern. Aber das ist eine andere Geschichte. Am Ende dieser Wüste liegt der Ort Kashgar. Hier wurde mir die Aufgabe zugeteilt, mich um ein Yak zu kümmern.
Nun müsst ihr wissen, Yaks sind eigentlich sehr friedliche Tiere, die niemals böse werden und immer tun, was man von ihnen will. Bis auf Mustagh Ata.“
„Hieß so dein Lieblingsyak?“
Ich musste lachen.
„Nein, kleine Maus. Als ‚Lieblingsyak‘ würde ich ihn, auch nach all den Jahren, nicht bezeichnen.“
„War der böse?“
„Nun, richtig böse war er eigentlich auch nicht, aber man hatte ihn nicht ohne Grund ‚Mustagh Ata‘ genannt. So heißt ein riesiger Berg im Pamir-Gebirge. Der Name bedeutet ‚Vater der Eisberge‘. Mustagh Ata war ein Gigant unter den Yaks, er konnte ungeheure Mengen tragen als wären sie nichts. Deshalb hatte der Leiter der Reise ihn auch gekauft. Und Mustagh Ata war ein lammfrommes Tier, das freundlich und willig jeden Weg bewältigte. Angst kannte er keine, nur wehe ein anderes Yak kam ihm zu nahe. Dann wurde er stinksauer. Oder er wollte in eine andere Richtung als ich, oder ihm passte die Geschwindigkeit nicht, in der wir wanderten, oder er roch irgendwo Essen, oder, oder, oder. Dann war er nicht mehr zu halten und biss und trat und schlug mit seinem riesigen Kopf nach allem, was sich in seiner Nähe befand.“
„Wir dürfen das nicht.“
„Genau! Du musst Mustagh Ata sagen, dass er sowas nicht darf.“
„Ja“, lachte ich, „stellt euch vor, genau das habe ich getan. Wieder und wieder und wieder. Und was soll ich euch sagen? Er hat einfach nicht zugehört.“
„Zuhause muss ich immer auf die Treppe, wenn ich böse bin“, meinte ein kleiner blonder Junge.
„Ja und hier in der Kita kriegen wir eine Auszeit.“
„Und“, fragte ich, „bist du oft auf der Treppe?“
„Jaaaaaa.“
„Und hier in der Kita? Macht ihr da oft eine Auszeit?“
„Jaaaaaaaaaaaaaa!“, schrien nun alle gleichzeitig und lachten. Sogar die, die bis jetzt noch zu schüchtern gewesen waren, um etwas zu sagen, legten ihre Zurückhaltung ab und brüllten mit.
Ich musste auch lachen, insbesondere als gleich drei Betreuerinnen und die Direktorin ob des Tumultes angerannt kamen und ihre erschrockenen Gesichter durch die Tür steckten.
„Ist alles in Ordnung, Herr Schinto?“
„Ja“, lachte ich, „wir lernen uns gerade etwas kennen.“
Leicht irritiert zogen sich die vier wieder zurück.
„Was hat Mustagh Ata denn noch gemacht?“, kam das hochmütige Mädchen wieder auf meine Geschichte zurück.
„Nun, ich begegnete ihm zum ersten Mal, als wir Tierpfleger zusammen mit dem Leiter der Reise die von ihm gekauften oder gemieteten Yaks abholten. Die Tiere grasten oder standen einfach auf dem Hof herum und warteten auf uns. Wir wurden zugeteilt und mir sagte man, ich solle noch schnell den fehlenden Bullen holen, er sei auf der anderen Seite des Stalls angebunden.
Ich wunderte mich kurz, warum er nicht bei der Herde bereit stand, sagte aber nichts, sondern ging zügig um die verschiedenen Gebäude herum. Ich bog um die letzte Ecke und knallte direkt auf einen riesigen Popo.
Ihr braucht gar nicht zu kichern“, unterbrach ich mich, „ich hab mich damals ganz schön erschrocken. Lauft ihr doch mal auf so einem großen Popo auf.“
Um mich herum kugelten sich die Kinder vor Lachen.
„Ich glaube, Mustagh Ata fand das Zusammentreffen auch nicht besonders gelungen, denn er grunzte laut und wandte mir seinen gigantischen Schädel zu. Ganz dicht kam er mit seinem Auge an meines.“
Ich senkte meinen Kopf, bis ich mit strengem Blick, Aug in Aug mit dem dicklichen Jungen war. Der versuchte vergeblich, sich das Lachen zu verbeißen, während die anderen Kinder frei heraus kicherten.
Langsam glitt ich zum nächsten Kindergesicht, muhte so tief ich konnte und schaute noch ein bisschen strenger. Einige der Kinder ließen sich daraufhin zur Seite plumpsen und hielten sich die Bäuche vor Lachen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann es mir mal so viel Spaß gemacht hatte, ausgelacht zu werden.
Das Mädchen mit den dicken schwarzen Locken sah mich regungslos an. Dann stand es auf, ging zwei Schritte auf mich zu und legte mir ganz vorsichtig seine flache Hand an die Wange, während sie den Kopf ein wenig schief legte.
Das brachte mich einigermaßen aus dem Konzept und ich setzte mich wieder hin.
„Weißt du“, sagte ich nach einem Moment ernst zu ihr, „so etwas hätte ich auch bei Mustagh Ata machen sollen. Darauf, ihm die Hand auf sein Gesicht zu legen und ihn freundlich anzusehen, bin ich erst viel später gekommen. Du wärst eine sehr viel bessere Tierpflegerin, als ich es war.“
„Samira liebt Tiere“, erklärten mir zwei ihrer Freundinnen, während Samira selbst nur schüchtern lächelnd über mein Lob die Augen niederschlug.
Wie bezaubernd Kinder doch sein konnten, dachte ich und versuchte mich wieder auf die Abenteuer mit meinem alten Freund zu konzentrieren.
„Damals, in Kashgar, standen nun also ein riesiger Yak und ich einander gegenüber und beäugten uns“, nahm ich meine Geschichte wieder auf.
„Ich nahm mir allerdings nicht die Zeit, die man sich für ein anderes Wesen immer nehmen sollte. Wenn ihr mal jemandem begegnet, egal ob Mensch oder Tier, das ihr noch nicht kennt und mit dem ihr euch anfreunden wollt, dann denkt an meine Worte. Nehmt euch einen Moment und schaut ihm in die Augen, betrachtet ihn freundlich. Pferde, Rinder und so könnt ihr an eurer Hand schnuppern lassen, vielleicht sogar ein wenig am Hals streicheln.“
„Solln wir das auch bei einem Menschen machen?“ Vor lauter Lachen brachte der kleine Junge kaum die Worte heraus.
Die anderen fielen natürlich prompt mit ein, auch ich musste grinsen.
„Ihr könnt das ja mal versuchen.“
Das brachte einen weiteren Heiterkeitsschwall.
„Ruhig, Brauner“, witzelte ein großes blondes Mädchen, „ruhig Tante Monika.“
Eine weitere Lachsalve wogte durch den Raum.
„Nein“, räusperte ich mich schließlich, „Spaß beiseite. Einem Menschen begegnet man auch offen und freundlich und sagt guten Tag. Aber das wisst ihr ja wohl schon.
Mustagh Ata nahm ich allerdings nur schnell an den Zügeln und zog und zerrte ihn, weil ich es eilig hatte, ziemlich unfreundlich, hinter mir her. Er war nicht erfreut und schüttelte einmal mit dem Kopf und hob mich dabei spielend leicht vom Boden hoch, als wollte er sagen, 'ich komme mit, aber nur, weil ich es so will, glaub ja nicht, dass du und diese albernen Zügel mich halten können.'
Ich bekam natürlich einen großen Schrecken und mäßigte meinen Schritt.
Die anderen warteten schon auf mich. Doch kaum hatte ich aufgeschlossen, blieb Mustagh Ata einfach stehen. Ich hatte da noch keine Ahnung, dass er seine Artgenossen nicht leiden konnte.
Die Gruppe setzte sich in Bewegung und mein Yak und ich standen still. Also eigentlich stand er still und ich versuchte mein Möglichstes, ihn in Bewegung zu versetzen. Als nichts half, nahm ich sogar einen Stock und schlug ihm damit auf die Seite.“
Ein Laut des Erschreckens entfuhr meinen Zuhörern.
„Ja, ich war kein besonders netter Tierpfleger.“
„Aber das darf man nicht.“
„Man darf kein Tier nicht hauen.“
„Das fand Mustagh Ata auch und versetzte mir einen so gewaltigen Hieb mit seinem Kopf, dass ich meterweit durch die Luft segelte und in einem Haufen Stroh landete.“
Sofort hob sich die Stimmung im Raum wieder.
„Ich sehe schon, Mitleid mit mir habt ihr nicht gerade, wie?“
„Nicht wenn du Mustagh Ata haust!“, sagte das Mädchen entschieden, das wenige Minuten zuvor noch seine Hand an meine Wange gelegt hatte. Man konnte fast meinen, sie wäre mit meinem alten Quälgeist befreundet gewesen.
„Seid nicht so streng mit mir. Ich musste damals noch viel lernen und niemand war besser geeignet, mir beizubringen, wie man mit einem anderen Lebewesen respektvoll umgeht, als Mustagh Ata.
An dem Tag jedoch war ich noch sehr ungeduldig, ich wollte meinem Auftraggeber gefallen, war sehr froh, überhaupt eine Arbeit zu haben, und so tat ich alles, um das Yak in Bewegung zu setzen.
Als alles nichts half und ich schon aufgeben wollte, kam ein Stallbursche zu mir und meinte, ich müsste Mustagh Ata bitten, mitzukommen.
Ich fragte ihn erst einmal, warum ich denn einen Berg bitten sollte, mitzukommen. Da lachte der Junge und fragte zurück, wie ich denn auf die Idee kommen könnte, dass ein Tier mit mir gehen wollte, von dem ich nicht einmal den Namen wüsste.
Das machte mich stutzig und ich überlegte. Tatsächlich. Ich hatte nicht einmal gewusst, wie der Bulle hieß.
Also bedankte ich mich bei dem Stallburschen und wandte mich zähneknirschend freundlich an das Yak.
Ich sagte: ‚Mustagh Ata? So heißt du also? Wärst du denn so freundlich und würdest dich mit mir zusammen bitte auf den Weg ins Karawanenlager machen? Wir zwei, du und ich, haben nämlich eine Menge Arbeit vor uns.‘
Und was soll ich euch sagen, das Riesenvieh trottete seelenruhig los.“
Irgendwo läutete in diesem Moment eine Glocke. Sie holte mich aus lang vergangenen Zeiten zurück in die Gegenwart.
„Oh“, machten auch die Kinder.
Einige stürmten sofort los, andere blieben sitzen. Einer forderte:
„Erzähl weiter!“, woraufhin mehrere Kinder mit flehenden Blicken mit einstimmten.
„Ich würde gerne, aber das müssen wir auf morgen verschieben.“
„Erzählst du morgen weiter?“
„Ja, ich bin die ganze Woche hier in der Vorleseecke.“
Der Jubel, der nun ausbrach, wärmte mir das Herz wie schon lange Zeit nichts mehr. Ich lächelte, sammelte meine Sachen und wollte die Kita verlassen, als die Direktorin mich anhielt.
„Wie ist es gelaufen? Machen Sie weiter?“
„Sehr gut und sehr gerne“, antwortete ich lächelnd.
Sie seufzte erleichtert.
Immer noch grinsend öffnete ich die Tür. Während ich den Weg entlang ging, wurde mein Grinsen breiter. Ein trübsinnig dreinschauender, älterer Mann und zwei schwatzende Frauen kamen mir entgegen und sahen mich komisch an. Ich versuchte, das Grinsen zu unterdrücken, doch es wurde nur stärker. Wie ein Schluckauf bahnte es sich unaufhaltsam seinen Weg. Ich stand auf einem Bürgersteig irgendwo in Kreuzberg, als ich laut heraus lachte. Ich kannte dieses Gefühl. Ich hatte es schon einige Male gefühlt, doch war das lange Jahre her.
Ich war glücklich.
Ungeniert über das ganze Gesicht strahlend machte ich mich auf den Heimweg.
Da musste ich an die Dame von der Arbeitsagentur denken. Sie hatte recht gehabt. Und sie wäre stolz auf mich gewesen. Ich hatte meinen Arbeitgebern die ganze ungeschönte, vollständige Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt.
Ich freute mich schon auf morgen!