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- 03.06.2004
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Auf der Walz
Mit drei kurzen Schlägen saust der Hammer auf den Nagel nieder, der sich in dein Ohrläppchen rammt. Dein Gesicht kann ich nicht sehen, du guckst auf den Boden. Da hängst du jetzt fest, auf dem Pflock, wo die Blutstropfen in das Holz versickern.
Es war der heißeste Tag im Jahr, wirst du mir neun Monate später erzählen. Ich habe an diesem Tag auch meine Heimat verlassen. Aber nicht wie du für drei Jahre und einen Tag. Bei mir war es nur eine Woche. Eine Woche Camping an der Ostsee.
Dann bist du durch Deutschland gereist, nachdem du über das Ortsschild geklettert bist und Schnapsflaschen vergraben hast. Von Fehmarn nach München, an Wasserburg vorbei, wochenlang auch Basel. Hast dich vielleicht gesehnt.
Ich habe derweil in meinem Alltag gelebt, nicht an dich gedacht. Ich kannte dich ja nicht.
Später, viele Monate später, schon im neuen Jahr, lernen wir uns kennen. Wir werden oft an das erste Treffen zurück denken. Der Tag, an dem alles anders wurde. Die drei Wochen, in denen ich mein halbes Leben änderte.
Vor einigen Tagen habe ich deinen Bruder Markus kennen gelernt. Er hat mir das Video deiner Abschiedsparty gezeigt, als du „losgebracht wurdest“, die Wandergesellen dich genagelt haben. Markus hat gelacht und mich gefragt, wo ich war an diesem Tag. Ich habe mit gelacht. Und mich insgeheim gefragt, ob ich überhaupt schon mal irgendwo war bevor ich dich kennen gelernt habe.
Erst kürzlich bist du wieder abgereist, um weiter auf deiner Walz zu sein. Um deinen Weg zu gehen, wie du sagst, mein Zimmermann. Aber bevor du dich trampend an die Autobahn gestellt hast, hast du mich noch gefragt, ob ich deine Frau werden will.
Wir kennen uns seit 4 Monaten und einigen Tagen.
Ich habe Ja gesagt.