Auf der Suche
Das Rauschen der Bäume im Wind und das Knacken der Äste übertönte beinahe jeden anderen Ton, den er hätte vernehmen können. Es dämmerte und die Bäume standen wie kahle Säulen eng aneinander gedrängt, als würden sie jeden Eindringling von vornherein vertreiben wollen.
Er passte jedoch überall durch und kam schnell voran. Die Dunkelheit konnte ihm ebensowenig etwas anhaben wie der enge Raum, da er auch tagsüber die Welt nur in Grautönen und nicht in Farben unterscheiden konnte. Das machte ihm nichts aus, denn es war nie anders gewesen.
Er hatte ein Ziel. Irgendwas zog ihn in eine Richtung, auch wenn er noch nicht erkennen konnte, ob es sich um einen Geruch, ein Geräusch oder vielleicht auch nur eine Eingebung handelte. Möglicherweise war es auch alles zusammen.
Die Äste am Boden brachen wenn er darüber lief, doch seine Geschwindigkeit und der Wind verschluckten die Geräusche beinahe in der gleichen Sekunde. Trotzdem war es nicht seine Absicht sich zu verstecken. Wäre jemand in der Nähe gewesen, der ihn nicht hören sollte, hätte er es schon lange vorher gewusst und sich leiser verhalten. Doch soweit war es noch nicht.
Von einem Moment auf den anderen verschwanden die Bäume hinter ihm und er ließ sie ohne sich umzudrehen zurück. Er lief nun auf einem Feld voller hoher Gräser und wäre es auch Taglicht gewesen, man hätte ihn nicht erkennen können. Nur die Bewegungen der Gräser verrieten ihn.
Es dauerte nicht lange und er gelangte an einen See. An drei Seiten war er gesäumt von den Gräsern, aus denen er nun heraustrat. Die Uferseite,die ihm gegenüberlag, ließ allerdings die gleichen Bäume erkennen, durch die er noch zuvor gelaufen war. Sie wurden von dem Mondlicht angestrahlt und warfen ihre schwarzen, langen Schatten auf den silbrig glänzenden See.
Er lief zum Wasser, dass durch den Wind in kleinen Wellen gegen das Ufer gedrückt wurde und beugte sich hinunter um zu trinken. Das Wasser war klar und kalt. Konnte jedoch nicht den Hunger der ihn seit einiger Zeit befallen hatte, löschen. Es war nicht lange her, da hatte er hier im Wald versucht ein Kaninchen zu jagen, war aber zu langsam gewesem um wirklich eine Chance zu haben.
Plätzlich hörte er ein Geräusch und zur selben Zeit hatte er das Gefühl etwas Untypisches für diese Gegend zu riechen. Der Geruch war nur schwach, aber er wusste aus irgendeinem Grund, dass es etwas war, was seinen Hunger befriedigen könnte und er spürte, dass es vom gegenüberliegenden Ufer kam.
Nun war keine Zeit mehr zu verlieren. Er umrundete so schnell er konnte den See und kam in kürzester Zeit am anderen Ufer an. Hier standen die Bäume so dicht, dass es ihm beinahe schwerfiel hinduchzugelangen. Sein Körper war jedoch höchst gelenkig und für so eine Aufgabe gut gerüstet. Er quetschte sich durch einen Spalt und kam trotz der Enge schnell voran. Es war nicht der Feuerschein, der ihm hätte verraten können, dass er am Ziel angekommen war. Vielmehr sagten es ihm der Geruch und das Geräusch des brennenden Feuers. Er verlangsamte sein Tempo und kroch langsam auf das Ende der Baumreihe zu. Dabei verriet ihn kein Geräusch, da der Mann, der da am Feuer etwas briet nicht dafür geschaffen war, etwas anderes wahrzunehmen, als das Knacken der brennenden Äste und das Brutzeln des Fleisches. Der Mann saß direkt in dem Halbkreis, den die Bäume hier bildeten. Danach gab es nur noch eine flache Weide, über die dieser hierher gelangt war.
Er hatte sich nicht getäuscht. Hier war das Ziel. Hier gab es das, was er unbedingt brauchte, auch wenn der Feuerschein ihm nicht willkommen war. Langsam erhob er sich und kam hinter den Bäumen hervor. Er war immer noch leise und versuchte sich außerhalb des Lichtkreises zu halten. Dennoch sah der Mann ihn und sein Gesicht verzerrte sich vor Angst. Da dieser nicht wusste was er tun sollte, flehte er mit ruhiger Stimme, dass er ihm nichts tun solle. Dabei versuchte der Mann langsam an seinen Rucksack zu kommen und zog etwas Längliches heraus.
Jede Bewegung des Mannes machte ihn nur noch unsicherer und ungehaltener, denn er wusste nicht was dieser vorhatte. Trotzdem wartete er noch ab. Der Mann warf ihm etwas entgegen. Zuerst sprang er zur Seite, merkte aber schnell, dass es nichts Gefährliches war und beugte sich hinunter. Es roch nach etwas was man essen konnte und das tat er. Es schmeckte gut und er spürte, dass er an diesen Rucksack kommen musste.
Er knurrte und wollte gerade auf den Mann zuspringen, als dieser ein Gewehr auf ihn richtete, dass er zuvor hinter seinem Rücken hervorgeholt hatte.
Es krachte einmal laut und er fiel mitten im Sprung zusammen. Nur noch ein hohes Wimmern brach aus ihm hervor, dann starb er innerhalb von Sekunden.
Der Mann atmete schwer. Er hatte Angst gehabt, aber nun war alles in Ordnung. Er warf noch einen kurzen Blick auf seinen Gegner, dann packte er seine Sachen zusammen und verließ den Ort. Hier wollte er nicht bleiben. Ein anderer Platz war möglicherweiser besser und sicherer.
Das Feuer löschte er nicht. Es bestrahlte den toten Körper noch einige Stunden lang. Der Leichnam des Hundes warf verzerrte Schatten auf die Bäume am Rande der Lichtung.