Was ist neu

Auf der Suche

Seniors
Beitritt
24.04.2003
Beiträge
1.444
Zuletzt bearbeitet:

Auf der Suche

Skrapps stieg aus seinem Wagen, knöpfte sich den Mantel zu, und hielt Ausschau nach einer ruhigen Stelle.
In einem schäbigen Hauseingang blieb er stehen, hustete, zündete sich eine Zigarette an.
Dann hastete er den Bürgersteig entlang. Kalter Wind peitschte ihm den Regen ins Gesicht. Gelegentlich zog er an seiner Camel.
Als er das Gebäude erreichte, wirkte alles normal. Die Absperrungen hatte man inzwischen abgebaut. In der vierten Etage waren die Vorhänge zugezogen.
Moldenhauer wartete bereits und reichte ihm zur Begrüßung die Hand.
"Scheißwetter", sagte Skrapps.
Moldenhauer grinste, ohne etwas zu erwidern.
Im Treppenhaus war es düster. Das Licht funktionierte ebensowenig wie der Fahrstuhl.
Sie liefen die morsche Treppe hoch, hörten aus irgendeiner Wohnung einen brüllenden Mann.
Oben holte Moldenhauer den Schlüssel aus seiner Tasche und reichte ihn Skrapps. Dieser zog die Stirn in Falten.
"Und sie haben nichts gefunden", fragte er.
Moldenhauer schüttelte den Kopf.
"Gar nichts. Es ist jetzt an Ihnen. Den Schlüssel habe ich Ihnen nie gegeben, und wir haben uns auch nicht getroffen."
Skrapps nickte.
"Selbstverständlich."
Dann schloss er auf.
In der Wohnung roch es nach Lavendel. Die Teppichböden waren so sauber wie bieder. Eine grüne Jacke hing an einem altmodischen Holzkleiderständer.
Skrapps ging zuerst in die Küche.
Penibel gereinigte Herdplatten, auf denen glänzende Töpfe standen. Ein großes Gewürzregal; jedes Glas bis oben hin gefüllt.
Die Tassen auf dem Regal blickten alle in die gleiche Richtung, ihre Henkel zum greifen bereit. Die Arbeitsflächen wirkten wie neu.
"Hmmm ...", machte Skrapps.
"Was ist los?"
"Das wird nicht leicht sein. Kaputte Familie?"
Moldenhauer hielt ihm eine Mappe hin.
"Die Mutter hat sich vor drei Jahren erhängt. Der Vater ist von der Suchtstation aus gleich in die Geschlossene verschoben worden. Daraufhin ist die Schwester dann den selben Weg wie die Mutter gegangen."
"Interessant", murmelte Skrapps und schob die angebotene Mappe von sich weg. - "Ihre Leute haben sicher was übersehen."
"Nun, dafür sind Sie hier."

Die beiden Männer betraten das Wohnzimmer.
Ein schwerfälliger Tisch aus deutscher Eiche beherrschte den Raum. Darauf ein grauer Porzellankrug mit Emblem und eine Fernbedienung.
Das Sofa bestand mehr aus geschnitzter Holzverzierung, als aus Sitzfläche, und selbst die war mit Schonbezügen überdeckt. Nie zuvor hatte Skrapps eine solche Abwesenheit von Staub und Unordnung zu Gesicht bekommen.
Neben dem alten Fernseher waren giftgrüne VHS Kasettenhüllen in einer Glasvitrine untergebracht.
"Was ist darauf", wollte Skrapps wissen und deutete in die Richtung der Vitrine.
"Größtenteils Heimatfilme. Gelegentlich auch ein Krimi aus dem Fernsehen."
"Krimis, sagen Sie?"
"Ja, wieso?"
"Es interessiert mich einfach."
Skrapps´ Blick blieb an der Angel hängen, die neben dem Sofa stand.
"Ist die benutzt worden?"
"Ja, regelmäßig."
Wieder machte Skrapps: "Hmmm ..."
Dann ging er zum Wohnzimmerschrank und öffnete die massiven Doppeltüren.
Er stieß auf saubere Gläser, einige Spirituosen und unzählige Papiere, akribisch in Aktenordnern aufbewahrt und nach Datum sortiert.
Dann fand Skrapps etwas, das seine Aufmerksamkeit erregte.
"Was ist das für ein Plastikding da?"
Moldenhauer kam näher.
"Ach das. Eine Erinnerung an seine Schwester, vermuten wir. Ein altes GameBoy Spiel."
Skrapps griff nach dem kleinen Modul, begutachtete es, drehte es zwischen seinen Fingern.
"Gut", stellte er schließlich fest und zog einen Notizblock aus seiner Tasche, auf dem er etwas notierte.
"Was machen Sie da?"
"Ich schreibe die morgige Schlagzeile. Möchten Sie sehen?"
Moldenhauer nickte und Skrapps gab ihm den Block.

Der Amokläufer von Köln. Tote Fische reichten nicht mehr aus. Killerspiele und Gewaltvideos gaben ihm den Kick für ein noch tödlicheres Hobby!

 

ebensowenig
ebenso wenig auseinander
"Und sie haben nichts gefunden", fragte er.
Sie groß
zum greifen
Greifen groß
Kasettenhüllen
Obwohl Word hier die Variante "Kadettenhüllen" empfiehlt, bin ich mehr für die Alternative "Kassettenhüllen"
Hi Cerberus,
also, nicht schlecht, das Ende, und die gesamte Geschichte gut geschrieben, flüssig, animiert zum Weiterlesen.
Zum Ende: Sollte das bedeuten, dass diese Sachen überbewertet werden als Gründe?
Tserk

 

Hallo Tserk.

Danke dir für deinen Kommentar.

Du hast das Ende richtig verstanden. Dieser Skrapps ist eine Art verdeckter "Bildzeitungsinformant", der - von einer unbekannten Person in die Wohnung geschleust - Hinweise finden soll, weshalb der namenlose Mieter zum Amokläufer wurde.
Hierbei kommen die üblichen Verdächtigen zum Zuge.
Ein gefundenes Videospiel, eine Angel und einige VHS Kassetten mit Krimis reichen aus, um die Wirklichkeit zu verdrehen und unangenehmen Fragen aus dem Weg zu gehen.

Zwar satirisch überspitzt dargestellt, aber dennoch leider eine gängige Vorgehensweise der hiesigen (und ausländischen) Boulevardpresse.

Grüße

Cerberus

 

Also, ich hatte schon verstanden, dass er ein Zeitungstyp ist; nur wollte ich eben wissen, ob es darauf abzielt, dass diese "Gründe" als Gründe hochgeputscht werden.

Zwar satirisch überspitzt dargestellt
Tja, das haben satiren so an sich, nich? :)
von einer unbekannten Person in die Wohnung geschleust
Unbekannt? Aber es heißt doch "Ihre Männer", nämlich die, von dem "Unbekannten"? Ich habe das so interpretiert, dass er zur Polizei gehört.
Tserk

 

Ich habe das so interpretiert, dass er zur Polizei gehört.

Nun, die Beantwortung dieser Frage überlasse ich dem Leser, da es eigentlich unwichtig ist, wer ihn letztendlich in die Wohnung lässt.

 
Zuletzt bearbeitet:

Und wo ist der Spannungsbogen? :confused:

Skrapps stieg aus seinem Wagen, knöpfte sich den Mantel zu, und hielt Ausschau nach einer ruhigen Stelle.
Das Komma vor und kann weg.
"Und sie haben nichts gefunden", fragte er.
Ein Fragezeichen hinter der Frage könnte nicht schaden.
Interessant", murmelte Skrapps und schob die angebotene Mappe von sich weg. - "Ihre Leute haben sicher was übersehen." "Nun, dafür sind Sie hier."
Das passt nicht, warum sollte er das zu einem Reporter sagen? Wenn er als Beamter heimlich einen Bildzeitungsreporter in die Wohnung lässt, dann nur für eine Menge Geld, immerhin tut er etwas Verbotenes.

Und wo ist der Spannungsbogen? :confused:, fragt man sich noch einmal am Ende, ein guter Schluss alleine reicht nicht.

 

Und wo ist der Spannungsbogen?

Nun, der soll eigentlich daran liegen, dass der Leser nicht weiß, was die beiden Männer in diese Wohnung treibt

Das passt nicht, warum sollte er das zu einem Reporter sagen? Wenn er als Beamter heimlich einen Bildzeitungsreporter in die Wohnung lässt, dann nur für eine Menge Geld, immerhin tut er etwas Verbotenes.

Wieso passt das nicht? Wie gesagt, ich überlasse es der Phantasie des Lesers, ob es sich tatsächlich um einen Polizeibeamten handelt. Außerdem steht nirgends geschrieben, dass er es umsonst macht.
An der Mappe ist er natürlich nicht interessiert, weil sie viel zu hintergründige Informationen enthält. Vielmehr ist für ihn für Belang, in der Wohnung selbst irgendeinen vagen Hinweis zu entdecken.

Danke für deinen Kommentar.

Grüße

Cerberus

 

Hi Cerb

Gute kleine Satire, die mich zwar nicht vom Hocker haut aber dennoch am Ende überraschen konnte.
Das Thema ist leidlich bekannt und sicherlich auch in vielen Varianten umgesetzt worden.Vielleicht hätte man das ganze noch wesentlich mehr auf die Spitze treiben können, in dem man einen vollkommen anderen Plot konstruiert.

An der vorliegenden Form gibts nicht viel zu kritteln. Vielleicht wirkt die Sauberkeit des Täters zu aufgesetzt. Vielleicht hättest du dem Leser auch mehr Einnlick in deinen Prot verschaffen können. Ich bin etwas unschlüssig.
So erhältst du jedenfalls ein "Gut" von mir. Nicht mehr und nicht weniger.


Grüße
Hagen

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom