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Auf den Tod warten
Die Tür ist braun. Braunes Holz. Das war einst meine Tür. Ich bin schon einmal durch sie hindurchgetreten. Jetzt stehe ich wieder vor der selben Tür. Niemand hinter der Tür weiß, dass ich hier stehe.
Ich könnte jetzt klopfen, könnte sie begrüßen. Ich würde sie küssen, ihre Haut mit meinen Lippen berühren - würde sie anlügen. Sie würden mich umarmen - würden mich belügen.
Mein Mund ist trocken, wie ein dicker Kloß sitzt mir die Lüge im Hals.
Sie würden es wahrscheinlich niemals verstehen, sie würden einfach so tun als freuten sie mich zu sehen. So ist es wohl, wenn das Sein zum Schein und der Schein zum Sein wird.
Ich hebe die Hand um zu klopfen, lasse sie wieder sinken.
Klopf endlich, ermahne ich mich.
Der Türrahmen ist braun.
Alleine die Präsenz der Tür, vor der ich stehe, macht mich müde, lässt meinen Verstand ermatten. Nun klopf doch endlich.
Was werden sie wohl sagen, welche Worte werden sie benutzen?
Ich frage mich schon jetzt was für eine Geschichte den Nachbarn aufgetischt werden wird, damit bloß niemand etwas Falsches oder auch Richtiges denkt, das kommt ganz auf die Sichtweise der Dinge an.
Meine Klamotten sind dreckig, ich habe Hunger, mir ist kalt. Ich stehe in einem kalten Hausflur vor einer brauen Tür. Versuche mir ihre Gesichter vorzustellen, wie sie in diesem Moment vor dem Fernsehen im Wohnzimmer sitzen und schweigend Starren.
Sie werden um 22 Uhr ins Bett gehen, kein Wort sagen und auf den nächsten Tag oder den Tod warten; Der Unterschied ist unwesentlich.
Ich stehe direkt vor ihrer Tür und sie wissen es nicht.
Die Tür und der Türrahmen sind braun.
Ich drehe mich um und gehe... bis zum nächsten Mal.