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Auf dem Weg
Ich stand am Bahnhof und wartete auf meinen Bus. Der Wind blies und wollte einfach nicht aufhören. Ich war schlecht gelaunt, was zum Teil wohl auch daran lag, dass ich nicht so oft mit Stadtbussen fuhr und genau dies jetzt tun musste. Ich kannte die Linie nicht. Die Frage ob ich meine Haltestelle erreichen und dort auch aussteigen würde, machte mich äußerst nervös.
Nach einer beinahe nicht enden wollenden Zeit des Wartens, fuhr der Bus endlich vor. Ich stieg ein. Meine Fahrkarte musste ich, wie bei diesen Wunderwerken menschlicher Kreativität üblich, nicht vorzeigen. Ich wusste den Namen der Haltestelle, doch der Technik sei Dank, half mir das nur bedingt weiter. Eine schriftliche Anzeige der jeweiligen Haltestelle schien in diesem hochmodernen Gefährt nicht nötig, und so war es die Stimme eines Computers, die mich auf meinen derzeitigen Standort hinwies. Leider tat sie dies, für die vorherrschende Lautstärke im Bus, ein wenig zu leise, sodass ich bereits nach einer Minute keinen Dunst mehr hatte in welchem Stadtteil ich mich überhaupt befand.
Die zwei Kinder rechts neben mir, ich schätze sie waren gerade erst in der Grundschule, machten mir die Orientierung nicht einfacher. Ihr Deutsch war zwar stark gefärbt, aber wohl ihre Muttersprache. Zumindest unterhielten sie sich auf der Selben mit einander. Die gesamte Fahrt über spielten sie ein Spiel, dessen Sinn sich mir einfach nicht erschließen wollte. Sie stellten sich wohl vor sie hätten irgendwelche Sammelkarten und bekämpften sich damit.
Eine Haltestelle wurde angesagt. Ich verstand nichts. Das Spiel der beiden Quälgeister war zu laut. Der etwas füllige Junge trug einen klischeehaften schwarzen Trainingsanzug mit roten Streifen und das Mädchen ein billiges Kleidchen mit zerstoßenen Ballerinas, in welchen sie natürlich rosa Socken trug.
Die nächste Haltestelle wurde angekündigt und erneut verstand ich lediglich S-Laute. Das Lachen und Spielen dieser beiden Bälger ging mir langsam aber sicher auf die Nerven. Auf dem Oberteil des Dicken, thronte ein dicker Senffleck, was ihn allerdings nicht sonderlich zu interessieren schien. Das Mädchen saß da, mit ihren fettgetränkten Haaren, rief und lachte und dachte nicht daran mal für eine Sekunde den Mund zu halten um mich auch nur eine einzige Durchsage hören zu lassen.
Und da ertönte die Meldung zur dritten Haltestelle. Und wieder verstand ich nicht ein einzelnes verdammtes Wort. Die Sozialhilfefälle kreischten. Ihr Deutsch war eine Beleidigung. Ich habe nichts gegen Ausländer oder Deutsche, mit ausländischer Abstammung, aber ich habe etwas gegen Asoziale! Wenn ich sah wie abstoßend fett die eine der beiden Ratten in diesem Alter schon war, oder sie sich dieses Sammelkartenspiel vorstellten, also bereits in diesen jungen Jahren Sklaven der Industrie waren, wuchs in mir der Zorn. Das Weibchen saß da, mit breiten Beinen, damit ihr auch jeder Perverse unter den Rock schauen konnte. Keine Kultur und keine Erziehung, und welche Eltern lassen ihre Kinder in diesem Alter derart weit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Die Beiden wollten einfach nicht ruhig sein. In mir stieg die Galle auf. Durchsage für Durchsage wurde von diesen Kröten übertönt und ich wünschte mir so sehr dass sie... aussteigen mussten bevor meine Haltestelle angekündigt würde.
Der Bus hielt erneut. Ich schaute mich durch die Scheibe um. Alte Backsteinhäuser, Müll auf der Straße, heruntergekommene Fassaden. Der Himmel lag grau hinter den blechernen Schornsteinen und der leichte Regen fiel melancholisch auf die Straße, ohne Chance vor dem Boden vielleicht von einer der fehlenden Regenrinnen abgefangen, und irgendwie genutzt zu werden. Ein Ort an dem ich nicht wohnen wollte und für dessen Bewohner ich Mitleid empfand. Es machte mich traurig hier zu sein.
Nun standen die beiden Kinder, die sich einen Platz geteilt hatten, auf. Sie hüpften lachend, und miteinander spielend von ihrer Bank und stürmten strahlend aus dem Bus. Der Anblick war beinahe Surreal. Die beiden spielenden Kinder mit ihren strahlenden kleinen Gesichtern, fröhlichst umhertollend, in diesem kaputten feindlichen Stadtbild. Ich wusste dass sie nie einen guten Schulabschluss bekommen konnten und trotzdem lachten sie und tollten umher. Nie würden sie eine gute Ausbildung genießen dürfen, denn sie würden Ausländer genannt obwohl sie hier in Deutschland geboren wurden und nie eine andere Sprache als Deutsch gelernt hatten.
Der Bus schloss die Türen, fuhr los, und langsam entfernte ich mich wieder von den Kindern, ihrer Familie und ihrem Schicksal.
Der Bus war nun leer. Die Durchsagen der wohl defekten Lautsprecher verstand ich immer noch nicht.