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Atu
Atu
Liebe und Lust
"Meister? Habt ihr schon einmal geliebt?"
"Natürlich mein Sohn. Ich liebe dich und
Bruder Antonius, Bruder Seretus . . . "
"Ich... ich meine, habt ihr schon einmal...?"
"Mein Sohn, ich glaube du verwechselst
Liebe mit Lust!"
Der Name der Rose
Mächtige Säulen aus Granit umstehen einen weißen Marmoraltar. Wind bewegt Nebelfetzen und im Zusammenspiel mit dem sanften Mondlicht der sternklaren Nacht wirken die eingearbeiteten Tierfiguren sehr lebendig. Katzen, Fretchen, Eulen, Schlangen, Fledermäuse und Wesen mystischer Natur 'beleben' die Seiten des Altars und der Säulen. Und doch herrscht absolute, unnatürliche, ja bedrückende Stille. Nur wenn man ganz ruhig und konzentriert ist, kann man schwach einige Geräusche der Natur vernehmen. Es ist ein geheimer, ein verbotener Ort. Die Umgebung der Kultstätte, ein Garten der Nacht, ist immer dunkel. Ewige Ruhe und Finsternis herrschen am Altar, in den umliegenden Anpflanzungen, in den Baumgruppen und an dem kleinen Teich, der die Strahlen des Mondes auffing und wie eine kleine Lampe einen kleinen Teil seiner Umgebung mit milchigem Licht erhellte.
An diesem Teich saß eine Gestalt. Sie hielt die eine Hand ins Wasser und benetzte dann ihren Hals mit dem übernatürlich frischen und heilenden Naß. Nur wenige Tropfen, mehr ein Ritual denn eine praktische Bewegung. Sie kühlten ein wenig, erstrahlten im Licht des Sees wie ein Kollier aus Diamanten und rissen die Frau, die solch Schmuck weder bedurfte noch begehrte kurz aus ihren Gedanken. Sie blickte in den spiegelnden, klaren Teich, ging mit dem Kopf näher heran, bis das Haar ihrer linken Kopfhälfte, die rechte war kahlrasiert, das Wasser berührte, und benetzte nun ihr Gesicht. In den natürlichen Kontrast ihrer hellen Haut mit den dunklen Augen und dem schwarzen Haar geriet ein neuer faszinierender Ausdruck. Sie sah fast aus, als ob sie weine, und doch waren ihr Anmut und ihre elfische Schönheit eher größer als zuvor. Dann hob sie in einer schnellen aber doch grazilen Bewegung den Kopf und lauschte, die Augen ins Nichts blickend in sich und ihre Umwelt hinein. Ihre nassen Haarspitzen lagen auf ihrer Schulter und ein kleines Rinnsal feuchter Kühle suchte sich seinen Weg über ihr Dekolleté.
Da war etwas gewesen. ... Ein Gespür, eine Ahnung, daß etwas anders war in dieser sonst ewig gleichen Atmosphäre der Kultstätte. Sie stand auf. Ihr langes, schwarzes Gewand, welches nur am Oberkörper fest anlag, raschelte leise. Ihre nackten Füße bewegten sich lautlos im Gras als sie, mit all ihren natürlichen und übernatürlichen Sinnen lauschend, in Richtung Altar ausschritt.
Alles in ihr sträubte sich gegen ihre Schlußfolgerung. Es war einfach undenkbar, blasphemisch und nie dagewesen. Andererseits hatte ihr Gespür sie noch nie getäuscht, und auch ihre Umgebung, die Tiere und Pflanzen schienen es ihr sagen zu wollen: - Jemand oder etwas hatte den verbotenen Bereich, die Kultstätte der Göttin der Nacht betreten.-
Als Priesterin, und das war sie trotz ihrer Jugend, konnte sie dieses natürlich nicht zulassen, ja allein der Gedanke an das gerade verübte Sakrileg bereitete ihr fast körperlichen Schmerz. Sie würde etwas tun müssen; den Frevler strafen und damit die alte Ruhe und Heiligkeit dieser Stätte wiederherstellen.
Hoch aufgerichtet stand sie da, an einer Stelle von fast vollkommener Dunkelheit. Eine Eule landete auf ihrer Schulter, setzte sich ganz sanft und vorsichtig nieder, flog aber sofort wieder auf, als sie die innere Anspannung, die harte Aura der Priesterin spürte. Ärgerlich über die störende Ablenkung schaute die Priesterin ihr nach. Aber sie wirkte dabei auch ein wenig traurig, denn wie gerne hätte sie sich jetzt mit der Eule unterhalten. Ihre Gedanken konzentrierten sich wieder auf das vor ihr liegende Problem. Er, sie wußte jetzt das der Eindringling ein Mann war, sie spürte seine maskuline Aura, er schien sich überhaupt keine Mühe zu geben, vorsichtig oder leise zu sein. Er marschierte schnell und forsch vorwärts in Richtung Altar. Die Tiere, sonst an die alles umgebende Ruhe gewöhnt, schraken auf und flohen in alle Richtungen.
"Mutig ist er, hierher zu kommen - aber auch ein Narr. Niemand darf den Altar der Göttin der Nacht sehen, das ist göttliches Gesetz, das weiß jeder. Nun, er würde ihn vielleicht sehen, doch spätestens dann würde er sterben."
Sie ließ ihn stolpern, in dem sie einem Baum befahl seine Wurzeln zu heben. Er stürzte mit seinem Gesicht in Dornen, auch dies war ihr Werk. Ein spöttisches Lächeln umfuhr ihre so liebreizenden und jetzt so kalten Lippen. Als er sich wieder aufrappelte war er nah genug, daß sie sein Gesicht sehen konnte, . . . und irgendetwas in ihr erschrak. Tief in ihr meldeten sich Erinnerungen aus ihrer Kindheit. Erinnerungen, die eigentlich gar nicht existent sein durften. Am Tage der Weihe wurden allen Priesterinnen ihre sämtlichen Erinnerungen nichtklerikaler Art gelöscht. Aber sie waren da, Erinnerungen an ihre Jugend, an einen forschen, lustigen Jungen mit einem kecken Gesicht, welches eben jenem des Eindringlings vollends glich, wenn auch die Jahre in ihm ihre Spuren hinterlassen hatten. Sie hob ihre Hand und kalter, zäher Nebel hüllte ihn ein, nahm ihm den Rest der schon schwachen Sicht. Mit Konzentration erschuf sie eine tiefe, hypnotische Stimme im Nebel, die ihn zum umkehren bewegen sollte. Dies war gegen alle Regeln. . und doch konnte sie ihn aus irgendeinem, kindlich banalen Grund nicht einfach vernichten. Also hielt sie Nebel und Stimme aufrecht und begann den Boden unter seinen Füßen zu verändern. Langsam wurde der Waldboden morastiger, sumpfiger und sie sandte Kälte in seine Glieder und 'Angstschweiß' auf Hände, Rücken und die Stirn.
*
"Was ist bloß mit mir los? Habe ich Angst? Ich stehe auf wackligen Beinen, oder. . ist der Boden anders? Mir ist kalt und eine (meine?) flüsternde Stimme redet mir Furcht ein. . . . Mein Amulett erwärmt sich. Also ist Magie im Spiel. All dies geschieht nur zur Abwehr gegen mich. Aber ich bin schon zu lange auf der Suche, zu lange schon durchstreife ich dieses gefährliche Land. Zu lange um nicht einiges gelernt zu haben, auch in Bezug auf Abwehr von Magie. Ich muß all meine Sinne unter Kontrolle halten und darf das Ziel meiner Suche niemals aus den Augen verlieren. An wie vielen Orten habe ich schon geforscht, wie viele Tempel und Stätten von Weisen aufgesucht und auf Hinweise, Hilfe gehofft. Nein! . . Nichts und niemand wird mich davon abhalten sie zu finden. Und dafür muß ich zum Altar, zum Altar der Göttin der Nacht, der weisesten aber auch gefährlichsten aller Göttinnen!"
*
Still und irgendwie fasziniert schaute sie zu wie der Mann langsam weiterstolperte. Sein Körper war geschwächt, aber sein Wille immer noch ungebrochen und sehr stark. Sein innerer Antrieb mußte sehr groß sein, da die ständigen seelischen und körperlichen Angriffe, die ihn peinigten, und stark genug waren jeden normalen Menschen zu schwächen, ihn nicht im geringsten von seinem Vorhaben abbringen konnten. Er drang immer weiter vor und erreichte jetzt eine kleine Lichtung an deren gegenüberliegendem Rand, in totalem Schatten, die Priesterin stand.
"Er ist aus meinem Dorf", durchfuhr es sie wie ein Gedankenblitz“, dem Ort an dem ich als Kind aufwuchs". Jetzt kamen die Erinnerungen klar durch. . ."Dieser Narr, was will er hier? Weiß er denn nichts von den Verboten, oder mißachtet er sie gar absichtlich? Nein, er darf nicht weitergehen. Er ist schon viel zu weit eingedrungen. . . Aber kann ich es tun? Kann ich diesen Mann, den ich als Kind gekannt, der mich und den vielleicht auch ich geliebt... Fort, diese frevlerischen Gedanken sind schlecht und . . der Vergangenheit zugehörig. Er ist ein Schänder der heiligen Stätte der Nacht und muß bestraft werden. Ich bin die erste Dienerin meiner Göttin und mein Amt verlangt nach Handeln, nach strafender Gerechtigkeit. Er soll meine Macht spüren und . . und vielleicht noch gerade so davonkommen." Sie hob die Arme. Ihr Körper kribbelte leicht als sie nichtmenschliche Laute durch ihre bebenden Lippen stieß. . . Vor dem Mann wuchs ein Baumwesen aus dem Morast, doppelt so groß und stark wie er. Er packte mit seinen Astarmen zu, mit der Absicht ihn zu zerquetschen. . . Ihre Stimme bebte und nun begannen ihre Haare zu wehen. Ein Pestilenznebel entstand vor ihr und ein Wind, in ihren Haaren entstanden, trug ihn dem Eindringling entgegen. Dieser stemmte sich wider die Arme des Holzwesens, viel sichtlich erschöpft auf die Knie, löste ein Lehmamulett von seiner Brust und brach es, magische Worte murmelnd, entzwei. . . Das Baumwesen kam ins stocken, und während es in Flammen aufging, löste sich der Nebel auf. . Ruhig, doch sichtlich erleichtert und mit wackligen Beinen stand der Eindringling auf und ging weiter. . . Nun hatte sie keine andere Wahl mehr. In magisches Mondlicht gehüllt, welches ihre Haut und ihre Augen strahlen ließ, trat sie auf die Lichtung. In ihrer Hand, ein Schwert aus schwarzem Obsidian!
Der Mann erstarrte. Langsam zog er sein Schwert, ließ es jedoch schlaff an der Seite. Er schaute auf die Frauengestalt, die ihm plötzlich drohend gegenüberstand, erkennend - das Ziel seiner Suche!
*
Freude, ... und dann herzerfrierender Schmerz durchfuhren ihn. Seine Große Liebe, das Mädchen, wegen der er alles aufgegeben hatte, die junge Frau, die er nach seiner Militärzeit heiraten wollte und die nicht mehr aufzufinden war, als er heimkehrte; die Frau seiner Träume, derentwegen er jahrelang auf Suche gezogen war, .. er hatte sie gefunden und doch schon lange endgültig verloren. .. Sie war eine Anhängerin der Göttin der Nacht geworden. .. Alles in ihm stürzte zusammen!
"Vielleicht kannte sie ihn ja noch?..." Doch dieser Gedanke kam ihm selbst lächerlich vor, jeder kannte schließlich die Rituale der Göttin der Nacht und er wußte wie hoffnungslos alles war. Plötzlicher Haß gegen die Göttin, gegen ihren Einfluß flammte in ihm auf und er hob das Schwert gen Mond und schrie:< Göttin der Nacht, verflucht sei dein Reich: die Nacht, dies Territorium und dein Besitzanspruch auf meine Geliebte! >. Dann blickte er zu der Frauengestalt, dem Wesen, welches er geliebt hatte und auch jetzt noch... . Aber sein Blick versteinerte sich. Sie, seine Geliebte, nein ... sie, die Priesterin hatte das Schwert zum Angriff erhoben, kam auf ihn zu und er hörte sie sprechen:< Er lästert die Göttin auf ihrer heiligen Erde >. Sie schritt vor, durchtrainiert, gefaßt... tödliche Schönheit. < Ich bin das Werkzeug der himmlischen Strafe! >
*
Im nächsten Augenblick war der Kampf entbrannt. Sie schlug präzise, hart und elegant zu. In ihren Augen glomm ein winziger Funken Mitgefühl, doch ihre Bewegungen waren kalt. Er hingegen, der soviel Wut und Verzweiflung in sich spürte, kämpfte wie in Trance. Seine Bewegungen waren unkontrolliert und zu zaghaft. Im Angriff zeigte er zu wenig echten Willen und seine Verteidigung war ohne Motivation. Bei den wenigen, aber präzisen Wunden, die sie ihm zufügte zeigte er kaum Reaktion, und das Ende war schon zu Beginn absehbar. Mit gleich bleibend kalter Präzision folgten ihre Schläge aufeinander, bis ihr Schwert schließlich seinen Kopf vom Rumpf trennte und seine Pein beendete. Er fiel ... und ihr Schwert löste sich in Rauch auf. Kampf und Rache waren beendet! ... Sein Körper lag im Waldboden, der langsam über ihm zusammenwuchs Das letzte sichtbare Körperteil, bevor der Boden alle Anzeichen des Eindringlings verschluckte, war das Gesicht. Ein Gesicht, dessen Ausdruck Schmerz zeigte. Doch nicht den Schmerz des Todes, sondern den Schmerz der Enttäuschung und Verzweiflung einer hoffnungslosen Liebe!
Langsam kehrte Ruhe ein. Der Wind legte sich, die Bäume wurden stiller. Frieden kehrte ein. Einzelne Tiere huschten hier und da wieder durch die Lichtung. Die immerwährende und nur kurz gestörte Ruhe legte sich wieder über die Kultstätte. Alles schien so als wäre nichts passiert.
Atu, Priesterin der Nacht und Bewahrerin des Wissens von N'tol schritt aus. Ihre schwarzen Haare hingen glatt an ihrer linken Kopfhälfte herunter. Ihr schwarzes Kleid zeigte keine Spuren von viel Bewegung und ihre Hände glitten sanft durch die leichte Bewegung der kühlen Nachtluft als sie sich zum Altar fortbewegte.
Eine einzige kleine Träne zeigte sich auf einer Wange, kurz blitzte gespiegeltes Mondlicht in ihr auf, dann verschwand die Gestalt in der Dunkelheit.