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Atomkrieg//Orgasmus

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03.10.2011
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Atomkrieg//Orgasmus

Der Gedanke, dass ich sterben würde, machte mich innerlich taub. Es war kein unbekannter Zeitpunkt mehr, sondern eine Sache von wenigen Minuten.

Die pilzähnliche Wolke auf dem so höhnisch blauen Himmel wuchs langsam, aber sicher an und alles, was ich tun konnte, war da stehen und wie gebannt auf das Etwas starren, das mich so bald verschlingen würde.

Mein Herz schlug immer schneller, ich hätte losrennen können vor der unvorstellbaren Angst, die ich empfand, aber es hätte nichts gebracht, es gab keine Hoffnung mehr, für keinen von uns.

Wir schwiegen. Weil Worte unwichtig geworden waren, weil nichts mehr wichtig war angesichts dieses immer größer werdenden Dings, für das es keinen passenden Namen gab. Er versuchte mit aller Kraft, sein Motorrad zum laufen zu bringen, auch wenn selbst das uns nicht mehr retten konnte - und als er scheiterte, schon wieder, tat er etwas, was in diesem Moment so absurd erschien, dass es fast schon das Einzige war, das ihm gerecht wurde: Er machte die Musik an. Es war eine kleine Musikanlage, deren Lautstärkeregler schon bis aufs Maximum aufgedreht war und aus der nun Töne erklangen, die mir zuflüsterten, dass ich noch lebte.

Die Erde bebte.

Ich spürte, wie meine Füße sich langsam vom Boden lösten und ich rücklings nach hinten flog, mit dem Kopf aufschlug und in den Himmel starrte, den so wunderbar blauen Himmel mit einer einzigen weißen Wolke, die mir für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl von Geborgenheit gab. Ich streckte meinen rechten Arm aus, spürte, wie sich die Muskeln bewegten und anspannten und fragte mich, wieso mir die Schönheit dieser winzigen Bewegungen nie zuvor so aufgefallen war.

Meine Finger berührten schweißnasse Mädchenhaut und unsere Hände verschränkten sich ineinander, pressten sich aneinander, bis ich die Grenze zwischen ihr und mir nicht mehr spürte. Er griff nach meiner anderen Hand und ich bemerkte, dass ich zwischen den Beiden lag, zwischen den beiden Menschen, die ich in meinem kurzen Leben lieben gelernt habe.

Das Gras unter mir streichelte meinen Nacken, meine wunde sonnengebräunte Haut und die Musik drang immer weiter in mein Herz vor, bis warme Tränen meine Wangen hinunterrannten.

Die kleine weiße Wolke auf dem Himmel wurde nun vom Wind zurückgedrängt und ich wusste, es würde in wenigen Sekunden vorbei sein.

Die Welt wurde so ungeheuer strahlend, so schrecklich scharf, als würde jede Zelle meines Körpers das Leben in sich aufsaugen wollen, jeden Windhauch, jeden Sonnenstrahl, der mein Gesicht streichelte.

Die Erde bebte.

Und als ich langsam in die Luft stieg, war es dieser eine Augenblick kurz vor dem Ende, der mein Leben ausmachte. Als die Organe in mir zerplatzten und durch meinen Mund herausquollen, als Blut unter meinen Augäpfeln hinaustrat, als ich spürte, wie meine eigene Wirbelsäule die Haut auf meinem Rücken zerriss, liebte ich, wie ich noch nie zuvor geliebt habe. Ich liebte mein Leben und ich liebte meinen Tod, der meine Geschichte auf die schönste Art und Weise beendete, die ich mir je hätte vorstellen können, denn ich versank in Farbe, versank in Licht, versank in der sterbenden Liebe, deren Vergänglichkeit ihr diese Schönheit gab, die mich von innen leuchten ließ, als ich mich in winzige Partikel und schließlich in Nichts auflöste, in dem immer noch die wundervollste Musik meines Todes erklang.

 

Hej Jane Tension,

Atomkrieg und Orgasmus, das sind zwei Themen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Und sie haben überhaupt nichts miteinander zu tun.

Versuchst Du, eine atomare Bedrohung mit einem anderen (vermeintlich ebenso großen?) Ereignis quasi zu entschärfen? :susp:

Der Gedanke, dass ich sterben würde, machte mich innerlich taub.
Ein ungünstiger Start, wenn Du anschließend Orgasmus-ähnliche Zustände beschreiben willst. Wann (und warum?) schwindet die Taubheit, die doch eine Konsequenz des unmittelbar bevorstehenden Todes war?

Zuerst ist der Himmel "höhnisch blau", später "wunderbar". Wie kommt es zu diesem Sinneswandel?

für das es keinen passenden Namen gab.
Atompilz?

dass es fast schon das Einzige war, das ihm gerecht wurde:
Wem, dem Atompilz oder dem Menschen? Und inwiefern wird ihm Musik gerecht?

Die Welt wurde so ungeheuer strahlend, so schrecklich scharf, als würde jede Zelle meines Körpers das Leben in sich aufsaugen wollen, jeden Windhauch, jeden Sonnenstrahl, der mein Gesicht streichelte.
Klingt extrem euphemistisch. Da streichelt garantiert nichts mehr, schon gar kein Sonnenstrahl.

Widme Dich lieber nur einem Thema und knie dich da rein,

LG
Ane

 

Love is a battlefield

Hallo Jane Tension!

Also ich kann mit dem Text schon was anfangen. Man sollte vielleicht etwas genauer lesen, bevor man eine harsche Kritik schreibt.

Ich denke nicht, dass ein tatsächlicher Atomkrieg gemeint ist. Entscheidend ist doch, dass es hier offensichtlich um ein Dreiecksverhältnis geht. Es ist die Liebe, die hier umwirft und zerreißt, und das kann man sehr wohl beschreiben bzw. miterleben.

Du hast hier eine Atomexplosion mit der Liebe und das wiederum mit der Explosion des Orgasmus gleichgesetzt, so daneben find ich das Bild nicht. Leben und Tod zugleich, Hingabe und Aufgabe des Ich, des eigenen Körpers, so versteh ich die Geschichte. Keine Grenzen mehr, der Körper wird zu Atomen, die mit allem eins werden.

Ich finde es auch sprachlich gut, also mir hat es gefallen!

Herzlich willkommen hier und ich freue mich auf weitere Texte von dir! :)

war da stehen und wie gebannt
zusammen: dastehen

sein Motorrad zum laufen zu
groß: Laufen

dass ich zwischen den Beiden lag
klein: beiden

Das Gras unter mir streichelte meinen Nacken, meine wunde sonnengebräunte Haut und die Musik drang immer weiter in mein Herz vo
da gehört auf jeden Fall ein Komma zwischen Haut, und ... sonst ist das sinnverzerrend

Gruß
Andrea

 

@Andrea H.

Inwiefern liest du genauer?
Ich sehe nur eine andere mögliche Lesart.

 

Hallo Jane,

mir hat dein Text sehr gefallen. Indem du dem Protagonisten eine posthume Position zuweist, entreißt du ihm der Unmittelbarkeit. Offensichtlich hat er lange über sein Sterben nachgedacht und es nicht unterlassen, es auszudeuten und in gute Prosa zu verwandeln. Das einzige Problem ist, dass der Protagonist sein Erleben so beschreibt, als wäre er bereits tot und wüsste, dass er keine Angst zu haben braucht. Er beschreibt ruhig, nicht ohne zärtlichen Zynismus, wie sein Körper zerfetzt wird: auch seinen eigenen Tod beschreibt er aus der Beobachterperspektive. Das ist widersprüchlich, denk ich, und kann daher nicht ohne eine gewisse Ironie gelesen werden.

LG Rind.

 

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