Atemlos
Atemlos
Ich bin atemlos angesichts deiner Schönheit. Angesichts deiner katzenartigen, geschmeidigen Bewegungen, mit denen du vor mir tanzt.
Ich bin atemlos, der Schweiß steht mir auf der Stirn. Ich stehe mit offenem Mund da, und starre dich an.
Du bewegst selbstvergessen deinen Luxuskörper, geschmeidig und biegsam zu den Klängen
„Pink Floyds Dirty woman“
Ich bin froh, das Achim mich heute mitgeschleppt hat. Eigentlich wollte ich gar nicht mitgehen, ich war müde, war schon auf der Couch auf gemütliches Fußballschauen eingestellt, das Bier schon eisgekühlt.
Aber dann meinte Achim in seiner aufdringlich unaufdringlichen Art: “Ey, Hans, altes Haus, wenn du heute nicht mitkommst, verpasst du dein Leben!“
Ich wusste vorhin nicht, was er meinte, aber es klang bedrohlich.
Nun weiß ich, was er meinte, er meinte dich!
Er führte mich in diesen Schuppen, in dem ich nie vorher gewesen bin.
„Hier ist Table-Dance“ raunte er mir beim reingehen zu. „Du musst den Puppen Geld in den BH oder zwischen ihre Schenkel ins Höschen stopfen, wenn sie dir gefallen.“
Ich halte also krampfhaft ein Bündel Geldscheine in meiner rechten Hand. Das Geld ist durch meinen Schweiß schon ganz nass, und das Bündel zerknüllt, weil ich so angespannt bin.
Du wiegst deine Hüften, umkreist die Stange, an der du dich mit einer Hand lässig festhältst.
Dein Lächeln verspricht alles, dein Körper unterstreicht dieses Versprechen. Immer noch atemlos nähere ich mich dir. Ich traue mich nicht, meine Hand mit den Geldscheinen dir zu nähern. Ich muss trocken schlucken, mich räuspern.
Achim schlägt mir jovial auf die Schulter und nickt ermutigend in deine Richtung.
Ich kann nicht! Meine Beine zittern, ich bin völlig gelähmt.
Da, ein anderer kommt mir zuvor! Er nähert sich dir und grabscht dir mit seiner ungeschlachten Hand an die Brust. Das ertage ich nicht!
Ich gehe los, dränge ihn zur Seite und stopfe dir zitternd mein Geld in den Ausschnitt. Du lächelst mich milde an, machst einen Kussmund mit deinen vollen, sinnlichen Lippen. Ich vergehe, verglühe.
Ich warte darauf, das du mir deine Telefonnummer gibst, oder mich ansprichst, ob wir den Abend zusammen verbringen wollen, irgendetwas...
Doch du drehst dich einfach weg, legst das Geld auf einen Tisch und wendest dich einem anderen Mann zu. Das lasse ich aber nicht gelten, denn ich habe dich schließlich gekauft.
Ich stürze mich auf den Typen und schlage ihm mit meiner Rechten voll ins Gesicht. Er sieht mich erstaunt, fragend an, und geht dann zu Boden.
Schneller als ich denken kann, werde ich von zwei Männer gepackt und nach draußen geführt. „Was soll der Scheiß?“ schreie ich empört, „ schließlich habe ich die Frau gekauft!“
Ich mache einen Satz durch die Luft und finde mich nun auf der Straße sitzend wieder.
Atemlos vor Wut, vor Zorn, vor Enttäuschung. Atemlos vor unbefriedigter Begierde. Atemlos vor Einsamkeit.
Jonas Rebell