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Asyl der Träume

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25.08.2010
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Asyl der Träume

Asyl der Träume

"Ich war schon immer ein Beobachter dieser Welt, die mir in meinem Träumen realer erschien, als in dem, was wir Wirklichkeit nennen. Die meisten Wege des Lebens blieben ein fremder Ort für mich, ein schreckliches Ödland unersättlicher Phantasmagorien. Ich zeigte kein Interesse an Menschen und ihren Beziehungen, betäubte meinen Verstand nicht mit der üblichen Zerstreuung kleingeistiger Insekten, welche vor dem gewaltigen Gewicht des Kosmos in Trugbilder einer kümmerlichen Existenz flüchten.

Schaue ich jetzt zu den Sternen auf, dann blicke ich tief in die Vergangenheit und denke daran, dass auch wir über den Tod hinaus leuchten können. Die meisten Menschen hinterlassen freilich nichts als wimmelndes Gewürm und ihre bleichen Knochen verrotten vergessen in einsamen Gräbern einer einsamen Welt. Niemand erinnert sich mehr an sie. Es ist, als hätte es sie nie gegeben. Gelegentlich kommt es jedoch vor, dass das geistige Vermächtnis über den Tod triumphiert. Und so fand ich eines Tages ein sonderbares Schriftstück, dessen Idee umso mehr zum Leben erwachte, als meine Faszination für den seltsamen Text wuchs. Ein unstillbares Verlangen setzte sich in mir fest und brachte etwas hervor, das schon seit langem in mir ruhte. Aus dem Unterbewussten stieg es empor und machte aus einem weltfremden Träumer einen ruhelosen Wanderer. Tage, Wochen, ja Monate folgte ich dem Paradoxon bis an den äußersten Rand menschlicher Vorstellungen. Dabei hatte ich immer wieder denselben Traum:

Ein Raum, und ich darin. Vollkommene Leere. Nur von Wänden umgeben. Keine Fenster, keine Tür. Einzig ein Spiegel. Blickte ich hinein, sah ich in Nichts. Doch ein grässliches Geräusch ließ mich zusammenfahren. Eine entsetzliches Kratzen, als ob Fingernägel über Tafelholz fahren würden. Dann füllte sich der Spiegel von oben herab mit Blut. In langen, klebrigen Schlieren floss es herab, bis die gesamte Fläche in purpurrot gefärbt war und ich ein schreiendes Spiegelbild erkennen konnte. Stets erwachte ich mit vor Entsetzen geweiteten Augen, einen stummen Hilferuf auf den Lippen. Natürlich versuchte ich das Wesen des Nachtmahrs zu ergründen, aber sein Geheimnis blieb mir verschlossen. Was ich einst so sehr gesucht hatte, war nun zu mir gekommen. Auf einen schmalen Pfad des Bewusstseins drohte mein Geist in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen. Jegliche Gedanken bewegten sich auf labyrinthischen, ausweglosen Bahnen. Verzweiflung umfing mich jede Nacht und der Tag brachte nur ein neuerliches Grausen vor dem, was mich auf der anderen Seite meiner Wahrnehmung erwarten mochte. Lange Zeit kämpfte ich gegen den Schlaf an und verharrte in geistiger Ausgezehrtheit in jenem Reich, dessen Oberflächlichkeit und Schnelllebigkeit mir zutiefst zuwider war. Meine frühere Zuflucht wurde von einem Dämon pervertiert, dessen Ängste vollends über mich herrschten. Seine alpentstellte Fratze brannte mit solch unbändiger Kraft auf mich nieder, dass ihr Anblick mich zu vernichten drohte.

Am Ende ergab ich mich meinen Schicksal, schloss die Augen und ließ mich willenlos fallen. Abermals umfassten undurchdringbare Mauern mein Traum-Ich. Und abermals wurde mein Blick zum Spiegel gepresst, in dem ein krankes Gemüt in nihilistischen Tönen sichtbar und gleichsam unsichtbar hervortrat. Eine kreischende Kakophonie zerriss den Moment und die Welt färbte sich rot. Ein Lied aus Schmerz, Leid und Agonie durchflutete meinen Geist. Das Spiegelbild krümmte sich, riss gepeinigt den Kopf zurück und schrie in derart schriller Weise, dass Augen, Sehnen, und Adern in Wahnsinn verkrampft hervortraten. Mir blieb keine Kraft mehr, um den Weg zurück zu finden und ich wollte es auch nicht mehr. Gequält hielt ich mir die Ohren zu, brach auf die Knie zusammen und wartete auf das Ende, das Ende, das Ende...

Nein!

Noch nicht...

Ein letztes Mal öffnete ich die Augen. Ich blickte die gemarterte Kreatur an und eine riesenhafte Stille begann sich in mir auszubreiten, die jedes Geräusch aussparte. Dann erhob ich mich. Zögernd berührte meine Hand das Glas. Meine Finger tauchten in Blut und darüber hinaus. Ich spürte, dass diese Seele frei sein wollte, nur einem Weg nach draußen suchte.
Langsam zog ich meine Hand zurück...

Mit aller Wucht zertrümmerte ich den Spiegel, der in unzählige Reflektionen zerbarst. Zwei Bruchstücke jedoch wurden wieder zusammengefügt."

-

Es kam selten vor, dass eine solche Aufregung im Haus herrschte, obgleich der Gegenstand der hektischen Betriebsamkeit die Ruhe selbst war. Seine entspannten Gesichtszüge mochten sagen: "Beruhigt euch, es ist doch nicht passiert". Und das selige Lächeln der blutleeren Lippen schien auf eine gewisse Amüsiertheit des Verstorbenen hinzudeuten.
Ein Mann in fleckigen, weißen Kittel beugte sich über den leblosen Körper, leuchtete in die gebrochenen Augen und schüttelte kaum merklich den Kopf.
"6:58 Uhr, Tod durch Gehirnschlag", diktierte er seinen Kollegen.

Bevor er hinausging, ließ er den Blick noch mal über die im ganzen Raum verstreuten Papiere streifen. Die Schizophrenie seines ehemaligen Patienten hatte in den letzten Wochen immer absonderlichere Ausmaße angenommen. Ein Blatt an der Wand erregte seine Aufmerksamkeit. Es war nicht mit der üblichen engen, krakeligen Schrift bedeckt, sondern enthielt nur einige wenige Worte. Beim Näherkommen runzelte er besorgt die Stirn und ließ das Geschriebene auf sich wirken.

Noch lange Zeit später sinnierte er über den merkwürdigen Denkspruch, ...denn nicht wir leben in der Welt – nein! - die Welt lebt in uns.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moi auch hier nochmal,

nur ein paar Anregungen für's erste:

betäubte meinen Verstand nicht mit der üblichen Zerstreuung kleingeistiger Insekten
Hübsch verschnörkelt, bekommt aber einen mißverständlichen Bezug: hatte erst an die tatsächliche Verstreuung von Insekten (echten) zum Zeitvertreib gedacht, und mich über das kleingeistig gewundert. Mag an dem Film liegen, den ich grad gesehen habe, aber für mich wäre es stärker, Du verwendest entweder den Begrif Insekt oder das kleingeistig, zwei derselben Beschreibungen nehmen sich den Raum und zerfleddern die Wirkung.
ja Monate folgte ich dem Paradoxon bis an den äußersten Rand menschlicher Vorstellungen.
Paradoxon ist ein tolles Wort, wie Singularität und sowas. Aber für mich fehlt, was hier eigentlich widersinnig sein soll - es ist ein Text, der gefunden wird und fasziniert - das allein ist aber kein Paradoxon.

Ein Mann in fleckigen, weißen Kittel beugte sich über den leblosen Körper, leuchtete in die gebrochenen Augen und schüttelte kaum merklich den Kopf.
"6:58 Uhr, Tod durch Gehirnschlag", diktierte er seinen Kollegen.

Bevor er hinausging, ließ er den Blick noch mal über die im ganzen Raum verstreuten Papiere streifen. Die Schizophrenie seines ehemaligen Patienten

Wenn er des zweiten Teils der Mann im fleckigen Kittel ist, verstehe ich was nicht: Das ist dann ein Psychiater. Der kann - wie vermutlich jeder - den Tod eines Menschen feststellen, aber nicht die Todesursache. Dies kann selbst ein Mediziner nicht durch einen kurzen Blick in die Augen in die Akten protokollieren, dazu braucht es eine Autopsie.

Ein anderes Wort für "Denkspruch" wäre gut, das klingt alltagssprachlich außer Stil hier.

Wenn Du Geschriebenes zitierst, oder Gedanken eines Prots, macht sich kursiv am besten. "" sind wörtlicher Rede vorbehalten.

Und dazu gleiche meine Frage: Der größte Teil ist in wörtlicher Rede, eindeutig dem später Verstorbenen zuzuordnen. Warum wörtliche Rede? Zu wem spricht er?
Warum muß diese Stimme abbrechen mit dem Tod, wenn wörtliche Rede im Rückblick bedeutet, daß die Stimme ja nach dem Tod des Sprechers Erlebtes nochmal reflektiert? (Der Erzähler stirbt, und die Perspektive wechselt - das ist verpönt, kann man machen ... ist aber in dieser Kombination, wo auch ein Zettel mit einer Nachricht zusätzlich gefunden wird, etwas ungelenk für den Aufbau.)

Wie auch Dein kurzer Text erscheint mir dieser wie ein Ausschnitt aus einem längeren Stück, es ist ein Eindruck, ein Einstieg in eine Idee/Sznenario, aber ich vermisse ein bißchen den Spannungsbogen für eine Kurzgeschichte. Ich kann hier nichts miterleben, und damit bleibe ich eigentümlich außen vor. Das wird verstärkt dadurch, daß mir der dramaschwangere, dräuende Teil der wörtlichen Rede (der Großteil des Textes) wie eine Art Einführung vorkommt, doch danach folgt bereits das spannungsmäßig abfallende Ende ohne echten Konflikt dazwischen. Und der Bruch ist mir nicht hart genug oder sorgsam eingefädelt genug, um darüber alleine zur Pointe zu werden.

Und damit das nicht nur Genöle ist: Du hast sicher literarische Grundlagen - was der Blick ins Profil bestätigt - und weißt auch, einen bestimmten, erkennbaren Stil zu schreiben, der sehr schwierig ist. Außerdem fein fehlerfrei - das ist immer ein Lob wert, weil nicht für alle selbstverständlich! Und einen eigenwilligen Stil kann diese Rubrik auf jeden Fall gebrauchen. Denke, was vor allem fehlt, ist die ordnende Hand des Autors, der selbst noch den Überblick über all die Bilder und Bezüge behält. Dann funktioniert der Text sicher sehr gut.

Vllt kannst Du ja mit meinen ersten Eindrücken was anfangen. - sie sollen schließlich nicht bedeuten, daß der Text schlecht wäre, sondern daß es, wie bei allen mehr oder weniger, Möglichkeiten zur Verbesserung gäbe.

Herzlichst,
Katla

 

Katla,

nochmals vielen Dank für deine scharfsinnige Kritik.
Wenn ich dicht recht verstehe, dann betrachtest du die Passage mit den "kleingeistigen Insekten" als Plenasmus. Das stimmt wohl, sofern es keine geistvollen Insekten gibt... ;)
Du hast die inhaltlichen Schwächen der "Geschichte" wahrlich glänzend bloßgelegt. Zu wem der Verstorbene spricht - darüber habe ich mir, so blöd das klingen mag, überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich habe mich schlichtweg im Abstrakten verloren und darüber alle Logik vergessen.
Ich werde deine überaus konstruktiven Vorschläge bedenken.

Gute Nacht! :)

 

Ich habe mich schlichtweg im Abstrakten verloren
Ich muß mich übrigens entschuldigen, daß ich Dich so ins kalte Wasser geworfen hab, aber ich sehe an Deiner Antwort, Du hast es richtig aufgefaßt. :shy:

Das phantastisch Abstrakte und die Sprache hier sind ein sehr großes Plus, das will ich nochmal betonen. Bei manchen Texten macht man kurz mal Nörgel-Listen, weil man sonst nix Gutes sagen kann, bei manchen - wie bei Deinem hier - weil man den Eindruck hat, der Autor hat nur ein Wald vor lauter Bäumen-Problem, und braucht lediglich ein paar Stupser, um den Text besser zu überblicken und abzurunden. Daß das quasi ein Lob war, kannst Du natürlich nicht ahnen.

Die Bilder mit dem Blut, das über/durch den Spiegel läuft, hat mir übrigens extrem gut gefallen. Der erste Teil in "" hat eine sehr schöne Stimmung; das Unrund kam bei mir mehr durch den Anschluß/Übergang.

So, nicht, daß ich Dich zuspamme. Möchte aber nicht, daß die Begrüßung unhöflich ausfällt!
:) Katla

 

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