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Asphalt

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03.05.2002
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Asphalt

"Hast du es getan?"
Eine einfache Frage. Hatte er es getan? Natürlich. Er hatte es tun müssen. Die Frage musste also lauten: Wie hatte er es getan, wie hatte er sich gefühlt dabei?
"Ja."
Eine einfache Antwort. Und wie erwartet kam die nächste Frage.
"Wie hast du es getan?"
Diese Frage war auch einfach, die Antwort darauf konnte es nicht sein. Er würde weit ausholen müssen, um sie zu geben. Das sagte er ihr.
"Ich will es wissen", kam es zurück.
Also begann er. Er fühlte nichts dabei, keine Freude, keine Begeisterung, wie es in seinen Augen eigentlich von ihm erwartet wurde. Aber er bedauerte es auch nicht. Er hatte es eben getan - weil es sein musste, wie gesagt. Und deshalb empfand er auch nichts. Niemand empfand etwas bei den Dingen, zu denen es keine Alternativen gab außer sie eben zu tun. Das war schon immer seine Ansicht gewesen. Sie wollte es wissen? Er würde es ihr erklären.
"Zuerst war es ganz einfach", begann er. "Wirklich einfach. Ich musste es nicht einmal planen. Es war alles ganz spontan. Aber trotzdem problemlos. Ich ging geradewegs meinem Ziel entgegen und tat es. So einfach."
"So einfach?"
Er hatte gewusst, dass sie es ihm nicht abnehmen würde. Trotzdem hatte er es versucht. Weil es zu einem Spiel zu werden begann, das ihm langsam Spaß machte.
Er liebte Spiele. Sie hatten so etwas Klares. Es gab genau definierte Regeln, die man zu befolgen hatte. Kein Vertun. Und bei vielen Spielen stand in den Regeln, dass man es tun musste. Natürlich stand dort nicht "Tu es!" Aber es lief darauf hinaus. Im Spiel tat man das, an was man sonst nicht einmal denken durfte.
"Haben Sie schon einmal auf ein Stück Asphalt geblickt?" fragte er sie.
"Sicher."
"Das glaube ich nicht. Denn ich meine: Haben Sie schon einmal richtig geschaut? Das Grau in sich aufgenommen? Sind Sie in ihm versunken?"
"Ich gebe zu, dass ich so noch nicht darauf geguckt habe."
"Sehen Sie, habe ich es nicht gesagt? Ha! Aber worauf ich hinaus will... wenn man lange genug drauf blickt, dann verschwindet das Empfinden für den Ort. Sehen Sie es sich lange genug an, dann wissen Sie nicht mehr, wo Sie sich befinden. Natürlich, Sie wissen es noch, aber nur wenn Sie bewusst daran denken. Ohne das Denken daran sehen Sie nur noch den Asphalt. Sie leben in einer Welt, die aus dem kleinen 50 Quadratzentimeter großen Asphaltstück besteht. Und wissen Sie, was dann passiert?"
"Sag' es mir."
Darauf antwortete er nicht. Stattdessen meinte er:
"Dieses kleine Stück Asphalt findet man an Millionen Orten auf der Welt. An Milliarden Orten. Man findet es Millionen Mal auf einer Autobahn. Und wie viele Autobahnen und Straßen gibt es? Und denken Sie an die Parkplätze. Jedes Stück Asphalt ist eine Welt. Steht für sich alleine - wenn man das Drumherum ignoriert. Wenn man nur auf den Asphalt blickt."
"Soweit waren wir, glaube ich, schon mal."
"Ja. Sicher waren wir schon mal soweit. Verunsichert Sie das?"
"Sollte es das?"
Er blickte auf den Boden.
"Dieser Teppich hier ist ebenfalls grau. Und schwarz. So wie Asphalt. Wer sagt mir, dass es keiner ist?"
Und jetzt war es still. Weil er es so wollte.
"Ich komme bald wieder", sagte sie und verschwand.
Er war wieder allein, allein mit den Wänden, dem Boden, dem Schwarzgrau des Teppichs. Er würde es wohl noch einmal tun müssen.

 

Hat nicht mal jemand Lust, was dazu zu sagen, 4 Monate nach der Veröffentlichung? *bittend guckt*

 

hi Mario!
Die Geschichte hat tatsächlich eine Kritik verdient! ;)
Mir hat die KG sowohl sprachlich, als auch thematisch gut gefallen. Sie ist konsequent gestrickt, in sich stimmig, ein wenig zu rätselhaft ( erklär ich unten ), und überläßt vieles durch subtile Führung dem Leser. Das gefällt mir sehr gut. Keulen müssen nicht geschwenkt werden ;)

Hier meine Anmerkungen:

Diese Frage war auch einfach, die Antwort darauf konnte es nicht sein. Er würde weit ausholen müsse, um sie zu geben. Das sagte er.
mehrere Dinge: ausholen müssen
Am Anfang würde ich den Satz wohl umstellen: "Auch diese Frage war einfach...", dann ist der Anschluß besser und die Betonung/Kontrastierung fällt auch deutlicher aus...
Der letzte Satz ist ein wenig abgehackt. Ich würde zumindest einfügen "Das sagte er ihr..." oder ein Adjektiv ... ist aber eher Geschmackssache.

"Ich will es wissen." kam es zurück.
muß heißen: "Ich will es wissen", kam es zurück.

Er fühlte nichts dabei, keine Freude, keine Begeisterung, wie es eigentlich von ihm erwartet wurde.

Frage nach dem Bezug: wird jetzt Freude / Begeisterung etc. von ihm erwartet oder wird von ihm erwartet, daß er keine empfindet?
außerdem würde der Satz ein wenig "schwungvoller", wenn Du einfügst, wer erwartet... also eine aktive Person, kein passives "Allgemeines"...

Niemand empfand etwas bei den Dingen, zu denen es keine Alternativen gab außer sie eben zu tun.
ich habe inhaltliche Zweifel an diesem Satz und zwar erheblich. Sie werden gedämpft davon, daß ich denke, er redet es sich ein und kann eben damit besser leben, wenn es sich das glaubt...

Im Spiel tat man das, an das man sonst nicht einmal denken durfte.
ich würde sagen: das, an was... aber ich denke, auch das ist Geschmackssache...
auf ein Stück Asphalt geblickt?" fragte er sie.
ein Komma hinter "
außerdem hat mich hier überrascht, daß er sie siezt... hatte ein Du erwartet, weiß nicht warum...

"Ich gebe zu, dass ich SO noch nicht
hübscher und "gefälliger", wenn Du solche Betonungsstellen in Kursivschrift hervorhebst, anstelle von Großbuchstaben. und hier ist das so eine Stelle, die man hervorheben darf. Völlig legitim. das WISSEN weiter unten ebenso.


Sag' es mir."
sie dutzt ihn... spätestens an dieser Stelle hat mich das Verhältnis zwischen beiden gereizt. Und der Anlaß für das Gespräch. Ich bin dann zu dem Schluß gekommen, daß es sich um eine Therapie handelt... und Sätze wie
"Sollte es das?"
haben mich dazu grinsen lassen...

"Ich komme bald wieder." sagte sie und verschwand.
muß heißen: "Ich komme bald wieder", sagte sie und verschwand.
und diesen Satz finde ich sehr gelungen: komme wieder / verschwand... schön dargestellt!

Und jetzt war es still. Weil er es so wollte.
Macht. Definitiv steht Macht hier auf dem Spiel. Es geht um die Verschiebung und die Verteilung.
Sie führt das Gesräch, indem sie es durch Fragen lenkt. Er reagiert darauf. Aber mit seiner Sichtweise sorgt er für eine Verschiebung ihrer Sicht. Ihrer Fragen. Anstatt ihn "zum Überdenken" zu bringen, ist letztendlich sie verwirrt. So verwirrt, daß sie "flieht", den Raum verläßt, den er augenscheinlich nicht verlassen kann ( oder nur nicht will? ich denke "kann" )

Ich weiß nicht, WAS er getan hat. Er hat wohl kaum eine Asphalt-Kleptomanie. Und da er nicht der Papst ist, küsst er auch nicht dauernd den Boden ;) Also hat er etwas Dramatisches getan. und deshalb haben die ihn in eine Therapie gebracht. Vermutlich in eine "geschlossene", weil er sonst gehen könnte.
Also vermutlich Suizid-Versuch? oder Wunderheiler ;) ich weiß es leider nicht. Hast Du einen Hinweis versteckt? dann verrat ihn mir. Ich habe ihn nicht gefunden. Und wenn keiner drinsteckt, dann versteck ihn noch ... täte der Geschichte gut. ich meine ja nicht, daß Du es rausposaunen sollst. Aber ich denke, es wäre gut, wenn man zumidest eine Weile an einem Rätsel zu kacken hätte...


Lieben Gruß,
Frauke

 

Liebe Arc,

vielen Dank für deine ausführliche Kritik und auch dafür, dass die Geschichte dir gefallen hat. Deine Kritik hat mich auf einige Dinge aufmerksam gemacht, die ich sonst so nicht gesehen hätte. Zu einigen Dingen möchte ich etwas antworten:

ausholen müssen

Das war ein Tippfehler.

Am Anfang würde ich den Satz wohl umstellen: "Auch diese Frage war einfach..."

Okay. Nachvollziehbar. Gleiches gilt für

Der letzte Satz ist ein wenig abgehackt. Ich würde zumindest einfügen "Das sagte er ihr..."

Auch

muß heißen: "Ich will es wissen", kam es zurück.

kann ich nachvollziehen, weil deine Korrektur stimmt. Allerdings kommt bei

auf ein Stück Asphalt geblickt?" fragte er sie

zwischen " und fragte kein Komma, denn wenn in der wörtlichen Rede schon ein Satzzeichen steht, vermeidet man ein Komma, damit nicht drei Satzzeichen hintereinander stehen.

hübscher und "gefälliger", wenn Du solche Betonungsstellen in Kursivschrift hervorhebst

Okay. Hab nicht dran gedacht, dass man ja hier so schön formatieren kann (komisch, dabei sind die ganzen Buttons direkt vor meiner Nase...... *grins*)

So... das waren die formalen Dinge, die ich auch noch ändern werde.

Inhaltlich ist die Geschichte bei dir so angekommen, wie sie gedacht war. Ich kann dir aber keine definitive Antwort darauf geben, was er denn nun getan hat, das soll eigentlich auch relativ offen bleiben. Du hast die Therapie-Situation sehr schön erkannt.

Ehrlich gesagt ist - im Gegensatz zu, wie ich es schon ab und zu hier gelesen habe, dir - in meinen Geschichten viel von mir selbst enthalten, in meinen Hauptfiguren. Das ist teilweise inhaltlich, aber auf jeden Fall stimmungsmäßig so. Das heißt, ich habe nie eine solche Situaton wie er erlebt, ich habe auch nichts Schlimmes gemacht (jedenfalls nichts, an das ich mich jetzt erinnern kann), aber in meinem Kopf sehe ich mich, wie ich in einem Raum mit grauem Teppichboden sitze und einer Frau die Antworten auf ihre Fragen verweigere. Verbittert, einsam, verängstigt und gleichzeitig... geistig "unausgeglichen" *fg*

Ich tagträume viel, und meine Tagträume sind meist ziemlich negativ, es geht darin um schlimme Situationen. Ein lieber Mensch stirbt oder ich tue etwas Schlimmes - was wäre dann? Nicht: Wie würde ich ein Problem lösen? Sondern: Wie würde ich mich unter bestimmten Umständen tatsächlich verhalten. Und wahrscheinlich würde ich mich in so einer Therapiesituation genau so verhalten, wie der Typ in meiner Geschichte.

Verdammt, ich neige leicht zum Seelenstrip. In meinen normalen Postings noch mehr als in den noch wenigen Geschichten. Das sollte ich ändern.

Auf jeden Fall danke für deine Anregungen!

Liebe Grüße,

Mario

 

kann ich nachvollziehen, weil deine Korrektur stimmt. Allerdings kommt bei


Zitat:
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auf ein Stück Asphalt geblickt?" fragte er sie
--------------------------------------------------------------------------------

zwischen " und fragte kein Komma, denn wenn in der wörtlichen Rede schon ein Satzzeichen steht, vermeidet man ein Komma, damit nicht drei Satzzeichen hintereinander stehen.

ist das neu nach der von mir geflissentlich übergangenen Reform? "Früher jedenfalls, in der guten alten Zeit, schrieb man drei Satzzeichen aneinander!", sagen die Weisen, die nicht umlernen wollen ;)

Wenn Du sagst, Du steckst in den Figuren: meinst Du dann, Du fühlst Dich in sie - die erfundenen Charaktere - ein, oder meinst Du eher, sie sind jeweils ein Ausschnitt aus Deiner Persönlichkeit?
Das Einfühlen ist bei mir oft genug nicht anders. Ich kann dann viel besser - oder eigentlich nur dann gut - schreiben. Manche Figuren mag man, andere gar nicht. Und letztendlich ist einem mal eine davon ein wenig ähnlicher, eine andere völlig verschieden...
aber da ist ein erheblicher Unterschied...
verstehe ich Dich da richtig, daß Du also in Tagträumen ein eigenes Verhalten "siehst" und dann quasi den Tagtraum schreibst?

Lieben Gruß, mit Interesse,

Frauke

 

Zu den Satzzeichen:

Ich weiß nicht, ob es neu ist. Aber irgendeine Grammatik-Autorität hat mal gesagt (ob's in der Schule war oder beim Studium weiß ich nicht mehr), es sieht nicht gut aus, wenn drei Satzzeichen hintereinander stehen und darum kann man das Komma weglassen. Muss man aber nicht.

Zu den Tagträumen:

Bei dieser Geschichte war es definitiv einer meiner Tagträume. In anderen Geschichten versetze ich mich nur "normal" in die Person hinein, bin aber doch distanziert von ihr. Jedoch kommt es quasi nie vor, dass meine Hauptfiguren nichts von mir haben. In längeren Sachen (kannst ja welche auf meiner Homepage downloaden; oder kann man hier auch 126 Seiten lange Machwerke posten?) gibt es mehrere Hauptfiguren. Da bin ich dann noch etwas weiter entfernt, und sie haben auch Züge, die so absolut nicht in mir vorkommen.

Gruß,

Mario

 

*lern* *lern* eine neue Kann-Komma-Regel für mich! Juhu! also darf ich weiter eins hinschreiben! mach ich. Mecker dann aber ( hoffentlich ) nicht, wenn es andere lassen!

Ich hab leider im Moment keine Zeit dafür, sooo lange Sachen zu lesen, aber wenn, dann werd ich mich bei Dir vielleicht mal bedienen ( aber meist schreibe ich ja, wenn ich Zeit finde, also komm ich nicht viel zu Lesen ;) )

Lieben Gruß,
Frauke

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo ihr beiden!

"...auf ein Stück Asphalt geblickt?" fragte er sie
Alte Rechtschreibung

"...auf ein Stück Asphalt geblickt?", fragte er sie
Neue Rechtschreibung

In der Neuen Rechtschreibung steht hinter den schließenden Anführungszeichen immer ein Komma, wenn der Satz fortgeführt wird, egal ob vor den Anführungszeichen ein "!", ein "?" oder ein "."(den man nicht schreibt) steht. Hab ich vor einiger Zeit mal im Duden nachgeschlagen.
(Sorry, wohl kein "kann", Frauke :sad: )

Zur Geschichte:

Mir ging es so wie Frauke. Ich hab auch nicht enträtselt, worum es geht. Den Ausführungen von Frauke zu Aufbau/Umsetzung kann ich mich im Prinzip anschließen.

Hab' ich dich, Mario, richtig verstanden, wenn ich davon ausgehe, dass du weißt, um was es geht, dass du es den Leser aber nicht wissen lassen willst? Fände ich irgendwie schade, weil es mich als Leser schon interessiert, um was es bei einer Geschichte geht. Dass es sich um eine "Therapiesituation" handelt ist mir da ein bisschen zu wenig, weil mir quasi der "Aufhänger" der Geschichte fehlt (zumindest war das so, als ich die Geschichte gelesen hab, ohne die Ausführungen in den Kritiken zu kennen!).

Viele Grüße

Christian

 

Hallo Christian,

erstmal danke für die Auskunft in der Komma-Frage. Nun haben wir Gewissheit. Also, ich werde das nach der alten Rechtschreibung schreiben weil es besser aussieht.

Ich weiß auch nicht genau, worum es geht. Irgendwas Schlimmes ist passiert. Es ging mir vorrangig um die Darstellung des im Sande verlaufenden Gesprächs zwischen den beiden Personen und nicht um das, was er nun gemacht hat. Es muss was Schlimmes sein, darauf seid ihr ja gekommen. Was genau das ist, hat mich nicht so interessiert.

Gruß,

Mario

 

(Sorry, wohl kein "kann", Frauke :()
hihi!
macht nix. DA setz ich ja eh eins, also werd ich nie merken, ob es kann oder muß ist...

@mario: ich fände es unheimlich subtil, wenn Du dem Leser die Möglichkeit geben würdest, darauf zu kommen, was geschehen ist...ohne es ihm unter die Nase zu reiben. Das würde der Geschichte einen Pfiff geben... so diesen "Rätsel-Krimi"-Effekt...

Lieben Gruß,
Frauke

 

Arc,

vielleicht mach ich das ja. Mit dem "Rätsel-Krimi"-Effekt. Hab schon ne kleine Idee... nur grade keine Lust, diese (schon über 4 Jahre alte) Geschichte zu ändern.

Mario

 

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