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Arundhati Roy - Das Ministerium des äußersten Glücks
Gebundene Ausgabe: 560 Seiten
Verlag: S. FISCHER; Auflage: 1 (10. August 2017)
Sprache: Deutsch
Der neue Roman von Arundhati Roy ist ein einziger wütender Aufschrei. Er richtet sich gegen alles, was in Indien zum Himmel stinkt. Gegen das unmenschliche Kastensystem, gegen den allgegenwärtigen religiösen Terror, gegen den mörderischen Kashmirkonflikt, der zugleich ein zentrales Thema dieses Buches ist und natürlich gegen die himmelschreiende Armut und das schreckliche Elend auf Indiens Straßen. Gegen die allgegenwärtige Korruption, die sich bis in die höchsten politischen Ämter erstreckt, gegen brutalste Polizeiwillkür, gegen rücksichtlose Umweltzerstörung und die damit verbundene Enteignung von Millionen Kleinbauern, die den kapitalistischen Interessen meist westlicher multinationaler Konzerne weichen müssen und dann oft völlig mittellos in den Slums der Großstädte enden.
An Hand von vier unterschiedlichen menschlichen Schicksalen, die unterschiedlicher nicht sein können und dennoch eng miteinander verknüpft sind, führt Roy den Leser durch die Handlung dieses Romans, der phasenweise aufgrund der vielen detaillierten Beschreibungen der politisch/kulturellen Lage Indiens etwas sachbuchartig wirkt, aber dennoch nie langweilig zu werden droht. Erzählt wird abwechselnd aus der Perspektive aller vier Hauptfiguren, die unterschiedlichste Positionen innerhalb der indischen Gesellschaft besetzen. Von einer intersexuellen Hijra bis zum mächtigen Geheimdienstmitarbeiter reicht die Palette. Der Roman trieft vor Brutalität, aber auch von Liebe, Verständnis und menschlicher Wärme wird erzählt. Trotz häufiger, längerer Aufenthalte in diesem Land hinterließ er mich letztlich fassungslos. Ich brauchte ein paar Tage, um ihn vollständig zu verdauen. Abseits von Räucherstäbchen-Kitsch und Ohm-Gedöns, zeigt Roy die harte Realität der indischen Gesellschaft auf, sie nimmt sich dabei kein Blatt vor den Mund. Nicht ohne Grund wurde sie nach Erscheinen der Lektüre öffentlich angefeindet und sogar mit dem Tod bedroht. Mag sein, dass es hilfreich ist, Indien etwas zu kennen, bevor man sich diesem Werk widmet, vor meinem geistigen Auge tauchten viele altbekannte Bilder auf; jedenfalls wird kein Weltenbummler, der das Buch gelesen hat, ebenso unbefangen mit seinem Rucksack durch den Subkontinent tuckeln, als ohne dieser Lektüre.
Zur Sprache Roys muss man nicht viel sagen. Sie ist eine Meisterin der Erzählung, eine Stilistin, wie man sie selten findet. Erzählerisch und sprachlich schlicht zum Niederknien. Absolute Leseempfehlung!