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armer schwarzer Kater
Armer schwarzer Kater
Er saß mir gegenüber. Lächelte etwas schüchtern und spielte an seiner Kaffeetasse herum. Smalltalk. Genau das, was man will, in einer Be-ziehung, nach so langer Zeit.
Nach einer Weile rückt er damit raus, was er sagen will. denn so leicht ist das ja alles nicht für ihn. Armer schwarzer Kater. Tut mir ja auch sehr, sehr leid für ihn. Ich meine, es ist schon ein schwerer Schlag für ihn, dass er jetzt gezwungen ist, seine Freundin zu verlassen. Und dass er doch nichts dafür kann, weil eben "Dinge" passiert sind. Es tut ihm ja auch leid für mich. Aber Verstehen muss ich ihn ja schon. Klar. Er kann ja gar nicht anders. Und dankbar sein muss ich ja auch. Immer-hin hätte er mich ja auch noch länger betrügen können. Das wollte er aber nicht. Also hat er nach ein paar Wochen die Konsequenzen gezo-gen. Klar waren wir glücklich, aber es vergeht eben. Das werde ich schon noch einsehen. Es hätte eben nie funktioniert. Auf Dauer jeden-falls. Ich kann ja dankbar sein, dass er mich immer irgendwie lieben wird. Dass er immer gern an mich denken wird. Und dass wir Freunde bleiben. Nur erst mal nicht. Aber das kann man ja verstehen.
Ich versuchte zu fliehen. Aber drei Espresso auf schwache Nerven zerrten an meinem Magen. Ließen mich blass aussehen und brachten mir eine noch gereiztere Stimmung, als ich ohnehin schon haben müsste. Gut und schön. Also abgestürzt. Nachdem der Schock nach-ließ, staute sich Wut auf, dann kam die Liebe, dann das gebrochene Herz. Hoffnung. Dann Verzweiflung. Sehnsucht. Dann wieder Wut. Dann Trauer. Alles in ein paar Sekunden, dank des Koffeinrauschs. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich leider schon, dass diese Phasen zu-rückkommen würden. Immer und immer wieder. Nur länger würden sie brauchen. Würde sich in meinem Leben festsetzen. Das sich ver-ändern würde. Das nur durch Veränderungen weitergehen könnte. Von Veränderungen, die durch die Trennungsphasen immer wieder weggespült werden würden. Von vorn beginnen. Zurück in den Sattel. Ich will zurück. Will nichts Neues. Ich will mein Leben zurück. Aber er steht auf, zahlt – für uns beide – was für ein lieber Kerl ... dieser arme schwarze Kater.
Ich sehe ihm nach, wie er geht und wünsche mir nichts sehnlicher, als, dass er sich umdreht und zu mir zurückkommt. Das kann nämlich al-les nicht sein. Das passiert gar nicht mir. Und schon gar nicht ist er dafür verantwortlich. Mein Leben war so perfekt, dass es auch jetzt perfekt sein muss. Denn solche Dinge vergehen nicht. Da ich das weiß, kann das alles hier nur eine Phase sein. Also muss ich da durch.
Als ich aufstehe, zittern mir die Knie. Vom Koffein, vom Schock und weil ich niemanden habe, der mich festhält. Also greife ich nach der Stuhllehne. Der Stuhl wackelt auch. Aber wen stört’s?
An die nächsten zwei Wochen kann und will ich mich kaum erinnern. Meine Augen waren zu etwas angeschwollen, dass mein Spiegel mir schließlich nicht mehr zeigen wollte, mein Hirn war nicht nur zu Brei zerflossen, sondern auch noch durch einen Mixer gedreht. Das gipfelte darin, dass ich Nächte damit verbrachte, meine Fehler zu suchen. Nur um sie ändern zu können. Nur, um zu verstehen. Um handeln zu kön-nen.
Ich hatte seine Neue gesehen. So ein Huhn. Aber die Neuen sind ja immer Hühner. Nur waren sie es bisher nicht für mich. Für mich hatte es noch nie eine Neue gegeben. Ich war auch nie die Neue gewesen. Jetzt gab es auch das in meinem Leben. Ich hatte sie also gesehen. Noch schlimmer: sie hatte mich gesehen. Und sehenswert war ich zu diesem Zeitpunkt bestimmt nicht gewesen. Gut. Demütigung empfan-gen. Überstanden. Jedenfalls hinter mich gebracht. Vorbei immerhin. Jedenfalls nach außen hin. O.k.. Naja, wie das so ist.
Ich vergrub mich also in dem Versuch, zu verstehen, was nicht zu verstehen war. Denn verstehen konnte ich nicht, weil meine Prämisse falsch war. Er war nicht so perfekt, wie ich dachte. ER hatte einen Fehler gemacht. Und ich hatte darunter leiden müssen. Es war aber kein zufälliger Fehler, sondern ein fortgesetzter Fehler. Einer, der ihm bewusst war. Einer, den er hätte vermeiden können.
Im Gegensatz zu mir war er ja kein Opfer. Aber verstehen konnte ich das nicht. Bis ich es konnte, verging noch viel Zeit. Viel zu viel Zeit. Er hatte sich gegeben wie ein Opfer. Und ich hatte ihm geglaubt, dass er sich so fühlte. Also war es unvermeidlich. Also hatte ich einen Feh-ler gemacht. Schließlich gab ich auf. Einen Fehler hatte ich wohl doch nicht gemacht. Aber ich hätte einfach besser sein müssen. Ich hätte es verhindern müssen. Ich hätte sehen müssen, was auf mich, auf uns, zukam. Ich hätte diese äußeren Zwänge stoppen müssen. Ich hätte ihn retten müssen, vor den Dingen, die passierten. Hätte ihm bewusst ma-chen müssen, was geschah und ihm zeigen müssen, dass es falsch war, aufzugeben.
Nachdem diese Erkenntnis dazu geführt hatte, dass ich verstanden hatte, stellte sich mir die nächste Frage: Was nun? Die Trennung war also nicht das, was ich wollte. Nicht das, was ich mir wünschte. Au-ßerdem hatte ich ja verstanden, dass sie ganz objektiv sinnlos war. Denn er hatte nichts falsch gemacht. Und ich auch nicht. Und ich hätte ja immerhin die Möglichkeit gehabt, ihm zu helfen. Aber ich habe die Chance nicht ergriffen.
An ein Leben ohne ihn hatte ich mich auch nach mittlerweile vier Wochen nicht gewöhnt. Also wünschte ich mir nichts sehnlicher als das einzig wahre: ich wollte die Zeit zurückdrehen. Schlicht und ein-fach das tun, was jeder Mensch in meiner Situation tun möchte. Und jedem wird gesagt, dass das schön wäre, und dass sich das jeder von Zeit zu Zeit wünscht. Dass dieser Wunsch aber leider niemandem er-füllt wird. Dass man diesen Wunsch deshalb nicht länger verfolgen sollte.
Das mit den Wünschen ist aber dasselbe wie das mit der Liebe. Sie einfach beiseite zu schieben ist nicht möglich. Sie überhaupt beiseite zuschieben, ist nicht möglich, wenn sie sich einmal ganz tief in uns verankert haben. Und eine Trauerphase von vier Wochen gibt so ei-nem Wunsche ein Verankerung, die man nicht mehr sprengen kann. Also tat ich, was ich immer tue. Ich versuchte, die Kräfte zu mobili-sieren, die mich auch bei allen anderen Dingen weiterbrachten. Wis-sen, Denken, Verstehen, Phantasie. Auf in die Zukunft.
Zuerst nahm ich das mit dem Wissen in Angriff. Die herkömmlichen Trennungshilfebücher brachten mich nicht weiter. Die Bibliothek war zu klein. Im Internet fehlte mir wohl die nötige Kreativität bei der Eingabe in jede vorhandene Suchmaschine. Jedenfalls fand ich nichts wirklich Hilfreiches. Die Buchläden, durch deren Regale ich mich fraß, halfen mir auch nur stückchenweise weiter.
Nachdem die Ansammlung von Wissen nicht zu erreichen war, stürzte ich mich auf das Denken zurück. Durch sämtliche Trennungsphasen nocheinmal hindurch. Durch die Liebe, die Verzweiflung, die Hoffun-gen, die Selbstvorwürfe, die Wut, die Eifersucht, das Unverständnis. Hängen blieb ich wieder an den Selbstvorwürfen. Auf in die Zukunft? Vielleicht war genau das mein Problem. Ich versuchte, an der Gegen-wart herumzudoktern, um die Zukunft zu verbessern. Problem war aber die Vergangenheit. Also musste ich die in den Griff bekommen.
Ich kehrte zurück zur Wissensansammlung. Jetzt aber in Bezug dar-auf, wie man die Zeit zurückdreht. Fündig wurde ich bei etwas, das man in kleinen Hinterzimmern kauft, von dem einem nur unter den Hand erzählt wird und das man von einem kleine Chinesen kauft, der aussieht, wie einem KungFu-Film entstiegen. Nach dieser etwas be-drohlichen wirkenden Beschaffungsaktion saß ich also nun zuhause. Beraten von meinem filmreifen Verkäufer hatte ich mich für ein Fläschchen mit der Aufschrift "forgetfull past" entschieden. Ich ließ mir ein Bad ein, dache im warmen Wasser einige Stunden darüber nach, was ich tun wollte, und wohin es mich bringen würde.
Dann kletterte ich aus der Wanne, trocknete meine Haare, legte make-up auf. Drei Mal, bis ich zufrieden war. Dann zog ich ein wunder-schönes Kleid an. Hohe Schuhe. Ich goss mir ein Glas Wodka ein – so stand es auf "forgetfull past" und fragte mich, ob mein Aufwand in Punkto Aussehen sich gelohnt hatte. Wie würde ich in der Vergan-genheit ankommen, wenn ich überhaupt dort ankommen würde. Völ-liges Vertrauen hatte ich in den KungFu-Verkäufer nicht.
Ich tropfte "forgetfull past" in meinen Drink, hielt mir vorsichtshalber die Nase zu und kippte ihn in einem gewaltigen Schluck hinunter. Glücklicherweise sackte ich nicht gleich zusammen oder so. Ich hatte Zeit, das Glas abzustellen, mich auf das Bett zu setzen, den süßlichen Nachgeschmack auf der Zunge zu registrieren und dann zu merken, dass das Zimmer sich drehte. Immer schneller. Mit jeder Umdrehung etwas schneller. Ich legte mich auf den Rücken, die Füße noch auf dem Boden. Dann erst wurde mir klar, dass ich die Augen nicht mehr offen halten konnte. Ich ließ mich herumwirbeln und fand mich Jahr-hunderte später auf dem Bett in unserer gemeinsamen Wohnung wie-der, aus der ich vor Wochen ausgezogen war. Nur dass ich nicht mehr wusste, dass ich ausgezogen war. Ich lag da, öffnete die Augen und innerhalb von wenigen Sekunden, genau in dem Zeitpunkt als das Schwindelgefühl nachließ, vergaß ich, in der Vergangenheit zu sein. Ich vergaß alles, was geschehen war oder geschehen würde. Ich ver-gaß, dass es nur noch einige Wochen dauern würde, bis er anfing mit ihr zu schlafen und nur noch einige weitere Wochen, bis er mich mit in ein Café nahm, um mir davon zu erzählen. Dass er nicht vergessen würde, bei diesem Gespräch zu erwähnen, dass er mit der anderen Dinge erlebt habe, die ich mir kaum vorstellen könne. Dass er mir wünsche, diese Gefühle, die er jetzt habe, irgendwann in meinem Le-ben für einen Mann empfinden zu können. Ich vergaß es. In diesen wenigen Sekunden.
Dann kam er aus dem Bad. Das Handtuch hing über seiner Schulter, seine nackte Haut war noch braun, weil der Urlaub in der Vergangen-heit erst drei Wochen her war. Der Urlaub mit dem Heiratsantrag, der für immer der schönste Moment in meinem Leben bleiben würde. Der Glücklichste. Erst vor knapp drei Wochen.
Und von da an nahm es seinen Lauf. Zuerst der Abend, an dem ich auf dem Bett lag und er aus dem Bad kam. An dem geschah, was immer geschah. An dem wir lange nach Mitternacht noch nebeneinander la-gen, glücklich, verliebt, und Pläne für die Zukunft machten.
Dann die nächsten Wochen, in denen er kaum merklich weniger Zeit für mich hatte. Die längere Arbeit, für das Projekt, Du verstehst?, die Samstage im Büro. Die Arbeitsessen mit ihr. Weil das Projekt so wichtig ist. Und sie ist ja so gut in ihrem Job. Naja, ich verstehe. Ehr-geiz. Gute Kollegen. Da ist ja nichts dabei. und Eifersucht liegt mir eben nicht. Das ist keine Eigenschaft, die ich gern an mir sehe. Dann die privaten Treffen, noch ein Drink mit ihr nach der Arbeit. Am Sonntag abend noch mal schnell für sie da sein, weil sie Kummer hat.
Oh, Mann, was für ein toller Mann. Er ist mit ihr nur einfach so be-freundet, denn anders kann das ja nicht sein. Er hat ja mich. Und er will mich ja heiraten. Und glücklich sind wir ohnehin. Und was er nicht alles tut für seine Freunde. Rund um die Uhr ist er da.
Na gut, nicht immer für mich. Klar. Aber eigentlich ist er ja immer da. Nur manchmal nehmen ihn all seine Verpflichtungen so sehr in An-spruch, dass er sich bei mir entschuldigen muss. Dann hat er mich vernachlässigt, obwohl ich das gar nicht verdiene. Ich bin doch sein ein und alles. Für mich würde er alles tun.
Die Wochen vergehen. So, wie sie schon einmal vergangen sind. Die Indizien türmen sich auf, aber vor lauter Bäumen ist der Wald gut ver-steckt und Eifersucht liegt mir nicht. Schon gar nicht, wenn sie nicht berechtigt ist. Und warum sollte sie.
Dann kommt der Zeitpunkt, an dem es nichts mehr gibt, worüber man sich belügen kann. Der Tag, an dem ich nicht nur allein einschlafe, sondern auch morgens noch allein bin. Ohne Erklärung. Mit Rosen zum Abendessen. Komm, wir gehen aus. Wir haben es uns verdient. Ein paar Tage später noch einmal dasselbe. Aber er kam so zer-knirscht zurück. Wer kann da schon umhin zu glauben, dass er es auch so meint. Keine Erklärungen. Nur, dass es ihm leid tue. Dachte er, ich weiß es? Oder sollte ich es lieber nicht wissen?
Ich wollte es jedenfalls nicht wissen. Natürlich war es sieben Mal in vier Wochen das letzte Mal, dass "es" – was auch immer – passierte, und auch, wenn ich jedes Mal mehr Kraft zum Lügen brauchte, ich konnte mir noch glauben.
Bis wir an einem verregneten Herbstmorgen in unserem Café endeten und es endete. Bis ich ihm nachsah, nachdem er gegangen war, und nur wollte, dass er zurückkam. Bis ich feststellte, dass man sich völlig in Trance fühlen kann, auch wenn einem das Koffein durch den Kreis-lauf rast, wie blöd.
Auf diesen Sonntagmorgen folgte die Trauer- und Verzweiflungspha-se, darauf die Erkenntnis, die Zeit zurückdrehen zu müssen. Auf in die Vergangenheit.
Eines morgens wachte ich auf, lag auf meinem Bett auf dem Rücken, die Beine über die Kante baumelnd und in voller Montur. Soweit so gut. So langsam dämmerte mir die Erkenntnis. Von da an versuchte ich zu verstehen. Zuerst, woher mein Kater kam, dann was seitdem geschehen war. Und dann, was ich falsch gemacht hatte.
Beim Zurückspringen offenbar gar nichts. Aber dann hatte ich die Fehler wiederholt. Ich verfluchte mich für meine Naivität. Es war mir zweimal passiert. Er hatte mich zweimal betrogen. Mit der selben Frau. In der selben Beziehung. Zur selben Zeit. Und dann zweimal gleichzeitig verlassen. Ich hatte doppelt um ihn getrauert und nichts gewonnen, außer der Erkenntnis, dass es sinnlos war. Sowohl die Trennung, wie gesagt, als auch der Gedanke daran, dass ich in der Lage gewesen wäre, etwas zu ändern.
Natürlich hatte er Fehler gemacht. Aber ich hatte sie nicht rechtzeitig erkannt. Ich hatte nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen. Weil ich naiv gewesen war. Davon jedenfalls hatte mich all das kuriert. Meine Naivität war zerbröselt. So bequem sie auch gewesen war. So berech-tig sie auch gewesen war, ihm gegenüber. Denn immerhin war er ja anders. Armer schwarzer Kater.
Ich ging noch einmal durch alle Phasen, dann noch einmal. Es war schon etwas wie ein vertrautes Ritual. Eine Art von Kontinuität in all dem Chaos der doppelten Trauer und Bewältigung. Hängen blieb ich letztendlich wieder bei den Selbstzweifeln.
Ich hatte auch in der Wiederholung nichts ändern können. Aber es war nicht objektiv unmöglich gewesen, etwas zu ändern. Nur diese ver-dammte Naivität. Nur die. Die hatte ich verloren. Nie wieder würde ich ihm glauben können, dass er mich nicht betrog. Nie wieder.
Die Phase des Verstehens dauerte ungewöhnlich lange. An ihrem En-de kam die Handlungsphase. Kein "was hat sie, was ich nicht hab?" und kein "was hab ich bloß falsch gemacht" mehr. Ich schlug den Kragen meiner Jacke wieder hoch, stiefelte mit einem flauen Gefühl in der Magengegend zu Mr. KungFu und trank Tee mit ihm. Resultat der einstündigen, kostenpflichtigen Kundenberatung war ein weiteres Fläschchen. "Concious tarveler".
Ich verzichtete diesmal auf das Ritual. Kaum zuhause, kippte ich den Wodka in das Glas, tropfte "concious traveler" hinein und brauchte zwei Schlucke für den Inhalt. Diesmal sank ich bedeutend schneller zu Boden. Der bittere Nachgeschmack stellte sich erst nach dem Fußbo-den ein, aber egal war das zu diesem Zeitpunkt auch schon.
Als ich diesmal eintraf, saßen wir bei einem Picknick auf dem Wohn-zimmerteppich und fütterten uns gegenseitig mit kleinen Häppchen. Der bittere Nachgeschmack wollte nicht vergehen und ich hatte den unangenehmen Eindruck, dass ich eine Fahne hatte.
Von diesem Picknick an nahm die Sache wieder ihren Lauf. Diesmal allerdings nicht ungestört. Ich führte ihn aus, erfand Spielchen, kaufte Wäsche, Blumen, gab mich mal kompliziert, mal süß. Dann wieder rätselhaft. Unnahbar und dann wieder verletzlich. Genauso, wie er mich immer geliebt hatte. Als er anfing, lange zu arbeiten. Gab ich mich traurig und vernachlässigt. Er kam früher nach Hause. Als er anfing, sie privat zu treffen, bat ich ihn, es nicht zu tun. Er versprach es, tat es trotzdem. Blieb jedenfalls weg. Ich legte mir einen imaginä-ren Verehrer bei der Arbeit zu, dem ich nach wochenlangem Hinhal-ten nachgab. Was mir Eifersucht einbrachte. Ihn für eine Weile zu-rückbrachte.
Als alles nichts half, stellte ich ihn zur Rede. Er stritt ab, brach zu-sammen, bereute. Es war nichts passiert. Er hatte nur daran gedacht. Aber es war nichts passiert. Er versprach Besserung. Tat alles, damit ich ihn nicht verlasse. Weil er mich ja liebte und nie etwas tun wollte, das mich verletzt. Weil er sich selbst nicht mehr verstehen kann, wa-rum er so etwas getan hat.
Relativ ungerührt hörte ich ihm zu. Verzieh ihm. Wusste aber, dass er mich jetzt zum dritten Mal betrogen hatte. Dreimal mit der selben Frau, zur selben Zeit. Ich versprach ihm, dass alles wieder werden würde, wie es vorher war. Hatte Angst davor, dass das, was es vorher war, nicht wert war, gerettet zu werden. Versprach es ihm trotzdem. Natürlich vertraue ich dir. Du bist doch wieder da. Du liebst mich doch.
Bis der Tag kam, an dem ich endlich verstand. Ich verließ ihn, um zu leiden, alle Phasen durchzuleben. Um ein paar Tage später zu hören, er sei jetzt mit ihr so glücklich. Weil sie ihm wirklich vertauen könne.
Die Phasen rasten durch mein Hirn. Trauer, Wut, Verzweiflung, Angst vor der Zukunft, Liebe, Schmerz, Hoffnung, nur worauf? Am Ende blieb ich schon wieder bei den Zweifeln hängen. Hatte ich es versaut? Hätte ich ihm vertrauen müssen? Hatte er sich am Ende doch geän-dert? Oder hätte er es wenigstens getan, wenn ich in der Lage gewesen wäre, ihm zu vertrauen? Hatte ich die Beziehung meines Lebens weg-geworfen, weil ich nicht vertrauen konnte? Und das nur wegen einer Vergangenheit, die es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben hatte.
Hatte ich ihn umsonst verlassen und verletzt? Hätte ich ...
In diesem Moment wachte ich auf, auf den Boden gekauert. Den bitte-ren Nachgeschmack noch im Mund und ein leeres Wodkaglas neben mir.