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Arme(e) Menschen

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09.10.2003
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Arme(e) Menschen

Würde er es nicht wissen, dass das hier der Kasernenhof ist, er würde glauben, es ist ein riesiger Würstchengrill, der lauter Würstchen im Schlafrock grillt, im grünen Schlafrock. Es muss mindestens 40 Grad im Schatten haben. "Stillgestanden!", schreit ihn der Spieß an, "wo wollen Sie hin, Rekrut?" "Mir ist heiß, ich habe vor, mir eine leichtere Uniform anzuziehen! Bevor ich einen Hitzschlag kriege!" "Halt, das sehe ich nicht so. Glauben Sie, Sie können einfach so die Gruppe verlassen?" - "Ob ich daran glaube oder nicht ist egal, ich tu es einfach!" Kaum hat er dem Spieß den Rücken gekehrt, wird er, noch bevor er das Gefühl des Triumphes wirklich auskosten kann, schon von der Militärpolizei ergriffen. Befehlsverweigerung, eine Nacht Gefängnis.
Es ist kalt in der Zelle und die Wände sind monoton grau. In der rechten oberen Ecke bröckelt der Verputz leicht ab und gibt den Blick auf die Backsteinziegel frei, aus denen sich die komplette Kaserne zusammensetzt. Nur ein winziges vergittertes Fenster lässt die Sonne herein, trotzdem kommt es ihm hier drin noch viel heißer vor als auf dem Kasernenhof. An der linken Wand steht eine kleine Toilette, die einzige wirklich bequeme Möglichkeit zu sitzen. Bett gibt es keines, ihm wurde geraten an der rechten Wand zu schlafen, da es in der Nacht kalt wird und er da näher am Büro der Wärters wäre, das ihm wenigstens etwas Wärme geben könnte, durch die Wand hindurch, versteht sich. Der Militärpolizist hat gelacht, als er das gesagt hat.
Hier kann er nicht ausbrechen. Er setzt sich auf den geschlossenen Klodeckel, doch ist die Toilette so niedrig, dass er, wenn er sich darauf setzt, gerade mal die Spitze seiner Knie sieht. Er streckt seine Beine aus, da ihm das fahle Grau der Wände um einiges lieber ist als das Grün seiner Hose. Er wollte nie zum Bundesheer. Zivildienst, das wollte er. Alten Menschen helfen, anstatt zu lernen, wie man unschuldige Menschen tötet. Aber bis man dort eine Stelle bekommt, kann man hundertmal den Präsenzdienst absitzen. Trotzdem fühlte er sich nie gut bei dieser Institution. Schon als sie ihm die Haare schnitten, seine Dreadlocks, die er über alles liebte, wäre er am liebsten aufgestanden und hätte dem Friseur ins Gesicht geschlagen. Sie steckten ihn zu den Jägern, obwohl er zu den Sanitätern wollte. Aber leider waren dort keine Stellen mehr frei.
Langsam wird es ihm zu heiß. Die Klobrille ist total nass durch den Schweiß, der durch den dicken Baumwollstoff seiner Hose drang. Er kann nicht länger sitzen. Aufgeregt und überhitzt geht er in der Zelle auf und ab. Es ist zu heiß. Er zieht sich die Weste und das Feldhemd aus, steht also mit nacktem Oberkörper in der Zelle. Er beschließt, sich an der kühlen Zellenwand anzulehnen. Überall dieses Grau, es macht ihn wahnsinnig. Er erinnert sich an Filme, die er einmal gesehen hat, in denen es Menschen, die in seiner Situation steckten, zuviel wurde, die verrückt wurden. Würde ihm das auch passieren? Würde er sich am Schluss etwa sogar umbringen?
Plötzlich überkommt es ihn. Er läuft zur Toilette, reißt den Deckel hoch und steckt seinen Kopf, ohne zu überlegen, was nicht so alles in einer Toilette landet, in die Muschel. Er würde ihn solange nicht rausnehmen, bis er tot ist. Sie sollten ihn hinausziehen. Sie sollten merken, was sie davon haben. Doch da fällt ihm sein Vater ein, der ihn immer unterstützt hat, seit seine Mutter gestorben war. Er kann ihn nicht so schäbig verlassen, er wäre sonst ganz allein. Es muss eine andere Lösung geben, diese Nacht zu überstehen. Zumindest kühlt das Wasser seinen Kopf. Er muss etwas unternehmen, nur was? Da kommt der Wärter und bringt ihm sein Essen. Das sieht noch unappetitlicher aus, als das, das er sonst kriegt. "Wärter?", sagt er, als dieser noch vor der Tür steht, "kann ich einen Kugelschreiber und etwas Papier haben? Ich möchte meinem Vater einen Brief schreiben." "Gerne, solange du nicht versuchst mich damit zu erstechen", entgegnet der Wärter, breit grinsend, als hätte er den Witz des Jahres gemacht. Er bringt ein kleines Stück Papier, schon leicht vergilbt und einen schwarzen Kugelschreiber. Kaum hat er ihm das gegeben, fängt er schon an zu schreiben. Er schreibt sich alle Sorgen von der Seele, schreibt seinem Vater alles, was er denkt und fühlt, schreibt ihm, dass er ihn liebt und dass er weg will von hier, weg will von allem, nur nach Hause zu ihm. Das kleine Stück Papier ist schnell voll und er steckt es ein, mit dem Gedanken, dass zwar noch vieles gesagt werden muss, aber das habe noch Zeit, schließlich kommt er ja morgen wieder hinaus. Für´s erste hat er sich von der Einsamkeit hier in der Zelle abgelenkt, aber es dauert nicht lang und schon fühlt er wieder den Drang, etwas zu unternehmen. Er hat noch den Kugelschreiber, aber kein Papier mehr. Inzwischen ist es draußen auch dunkel geworden und nur eine schwache 60 Watt Lampe vom Gang spendet ein wenig Licht, gerade ausreichend um die Schemen der Gegenstände in der Zelle, der Weste, des Hemds und der Toilette zu sehen.
Er kann nicht schlafen, ist zu voll von Gedanken, die er äußern muss. Er beginnt mit dem Kugelschreiber auf seiner Weste zu schreiben, zu zeichnen, zu dichten. Er fasst seine Gedanken in Worte, die er eben auf dieses Kleidungsstück schreibt, ohne wirklich zu wissen wohin, da er es bei dem schwachen Licht nicht sehen kann. Er wettert gegen das Bundesheer, gegen die Gesellschaft und schreibt Gedichte für seinen Vater. Als er glaubt, die gesamte Weste sei beschrieben, nimmt er das Feldhemd zur Hand und schreibt dort weiter, schreibt wie besessen und auch bald ist das Feldhemd voll. Was nun?
Er zieht sich seine Hose aus und beginnt auf ihr zu schreiben und als diese voll ist, müssen die Socken und die Unterhose daran glauben. Am Ende ist er vom vielen Schreiben so erschöpft, dass er umfällt und einschläft.
"Aufstehen, Rekrut!" Schreit ihn der Spieß an. "Ihre Haft ist..." dem Spieß stockt der Atem als er die Zelle betritt. Er sieht einen komplett entblößten Rekruten, um ihn herum diverseste Kleidungstücke, alle mit Kugelschreiber beschrieben. Der Rekrut kann was erleben, sobald er wach ist. Er geht zu dem nackten Körper hin und rüttelt daran, doch er wacht nicht auf. Er rüttelt stärker, doch noch immer keine Reaktion. Er holt den Stabsarzt.
Der Arzt misst den Puls, doch es ist keiner festzustellen. Der Rekrut ist über Nacht erfroren. Der Spieß versucht seine Gewissensbisse zu verdrängen, man sieht ihm an, dass er sich dessen bewusst ist, dass etwas Schuld auch ihn trifft. Der Leichnam wird weggetragen, der Wärter nimmt das Gewand. Da fällt aus der Hosentasche ein kleines Stück Papier, etwas vergilbt. Es beginnt mit den Zeilen "Allerliebster Papa. Gerade habe ich versucht mich umzubringen, aber ich war zu schwach." Der Wärter liest den Brief und beschließt, ihn dem Vater zu schicken.
Das Gewand soll gewaschen werden, da Kugelschreiber ja bekanntlich herausgeht und man es später für andere Rekruten brauchen kann. Doch es bietet sich ein unglaubliches Bild nach der Wäsche: das Grün der Uniform ist zu weiß geworden, das die Farbe des Kugelschreibers noch mehr zur Geltung bringt. Und man erkennt das volle Ausmaß der Arbeit des jungen Rekruten. Wundervolle Gedichte nebst von inneren Monologen nebst Mandalas und abstrakten Zeichnungen, die an Formenvielfalt kaum zu übertreffen sind. Abhandlungen über das Bundesheer und den Krieg, über das Leben und die Einsamkeit, über die Liebe und über die Träume des jungen Rekruten. Und keiner der Soldaten oder Offiziere, die je die Uniform begutachten, schafft es beim Lesen der Arbeiten nicht zu weinen und ein Jeder beginnt nachzudenken.
Nur der Vater verliert keine Träne, weder als er den Brief liest, noch beim Begräbnis des Jungen. Er weiß, was sein Junge vollbracht hat und ist stolz auf ihn.

 
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Wie heißt es so schön: Wo geschossen wird, soll man den Kopf nicht herausstrecken.

Und nun zur Sache:
>Es ist kalt in der Zelle ...
>kommt es ihm hier drin noch viel heißer vor
>als auf dem Kasernenhof
Entscheide dich für eines!!

>(von der Tür aus gesehen)
Ist das wichtig?

>doch ist die Toilette so niedrig, dass er gerade mal
>die Spitze seiner Knie sieht
Hä??

>Er erinnert sich an Filme die er einmal gesehen hat,
>in denen es Menschen, die in seiner Situation
>steckten, zuviel wurde, die verrückt wurden
Kaum ein paar Minuten in der Zelle, schon wird er irre?

>Wundervolle Gedichte nebst von inneren Monologen
>nebst Mandalas und abstrakten Zeichnungen, die an
>Formenvielfalt kaum zu übertreffen sind. Abhandlungen
>über das Bundesheer und den Krieg, über das Leben und
>die Einsamkeit, über die Liebe und über die Träume
>des jungen Rekruten. Und keiner der Soldaten oder
>Offiziere die je die Uniform begutachten, schafft es
>beim Lesen der Arbeiten nicht zu weinen und ein Jeder
>beginnt nachzudenken
Hm. Bin ich versehentlich in Fantasy/Märchen gelandet? Nein, doch nicht.

>Nur der Vater verliert keine Träne, weder als er den
>Brief liest noch beim Begräbnis des Jungen. Er weiß,
>was sein Junge vollbracht hat und ist stolz auf ihn.
Hm. Harter Bursche, dieser Vater. Aber was weiß er denn eigentlich?

Also die Grundidee finde ich irgendwie gut. Er schreibt seine Uniform voll und erfriert deswegen. Daß er damit ein Zeichen setzt (welches eigentlich?), ist auch nicht schlecht. Allerdings überstrapazierst du die Glaubwürdigkeit deiner Geschichte, wenn du ihn ein halbes Lebenswerk in einer Nacht schaffen läßt, das auch noch alle Leute zum Weinen bringt.
Und so dolle ist der Tod auch nicht, daß ein paar literarisch-künstlerische Ambitionen ihn aufwiegen würden. Das ist eine etwas fragwürdige Philosophie, die du hier transportierst.

Ich könnte mir vorstellen, eine solche Geschichte als "Urban Legend" innerhalb einer anderen Geschichte vorzufinden, erzählt von einem Soldaten kurz vor Zapfenstreich oder so.

r

 
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Ich muss ehrlich sagen, die Zeit Lektur zu lesen, fehlt mir seit längerem (Matura, Zivildienst usw.). Die Geschichte existiert zwar schon seit längerer Zeit, aber eben in dieser Zeit fehlte mir eben diese. ICh will meine Leser in keiner Form beleidigen, indem ich ihnen ein unfertiges Werk präsentiere, nur ist es aus meiner Sicht (mein großes Problem) wichtiger, etwas unter die Leute zu bringen, als darüber nachzudenken/es zu bearbeiten (leider bin ich ein sehr impulsiver Mensch)...

Bis jetzt ist sie sehr gut angekommen (habe sie bereits auf einer anderen Seite veröffentlicht), trotzdem werde ich sie nicht verteidigen, da es keinen Sinn hat. Sie sthet zur freien Kritik da und die wünsche ich mir auch (schließlich will ich mich ja weiterentwickeln und dazu ist Kritik das beste Mittel). Außerdem denke ich, dass die meisten hier um einiges mehr Ahnung bezüglich Literatur und ähnlichem haben als ich und davor habe ich immer Respekt.......

Zu dem Argument mit dem Tod noch: naja, ich würde sagen, das ist Auffasungssache. Wenn ich zum Beispiel Epikur hernehme und seine Ansichten zum Tod, ist der Tod um einiges weniger als literarische Ambitionen...
Oder hab ich das falsch verstanden und mal wieder nichts gecheckt, hmm...

 

Aus dem Korrekturcenter zurückverschoben - und ich hoffe, in die richtige Rubrik, @Batch... :shy:

 

Zu der Kritik...

Das mit dem verrückt werden, heißt nicht, dass er es gleich wurde...

Ich habe geschrieben: Er erinerte sich an Filme,..., die verüct wurden. Da sehe ich noch keine Anwandlung von Wahnsinn in seinem Verhalten...

Nun, es ist ja auch kein sehr umfangreiches Lebenswerk, das kann man schon in einer Nacht schaffen, außerdem zeichnet ja gerade diese Unglabwürdigkeit den Charakter dieser Geschichte aus...

Die restlichen Fehler, die aufgezeigt wurden, habe ich bereits ausgemerzt, das mit den Knien war wirklich sehr verwirrend..

Hoffe es folgen noch ein paar Kommentare...

 

Hallo NaimEd,
also habe ich nun endlich Zeit gefunden, einen Kommentar zu deinem Text „Arme(e) Menschen“ zu schreiben.
Die Geschichte kenne ich jetzt schon fast seit einem halben Jahr, aber nun – nach neuer Lektüre – hat mich die Darstellung des militärischen Alltags doch sehr irritiert.
Bis zu der Stelle

„Er wollte nie zum Bundesheer. Zivildienst, das wollte er. Alten Menschen helfen, anstatt zu lernen, wie man unschuldige Menschen tötet.“

war ich nämlich der Meinung, dass die Handlung entweder in einer Armee eines fremden Landes oder frühestens vor 60 Jahren in Österreich angesiedelt sein kann. Dies stört mich vielleicht jetzt umso mehr, weil ich derzeit selbst meinen Wehrdienst versehe. Das heutige „Gefängnis“ auf einem Kasernengelände ist ein (beheizter) Raum samt Bett. Darin darf jemand, der gegen die Allgemeinen Dienstvorschriften verstoßen hat, maximal 24 Stunden eingesperrt werden. Im Falle einer Befehlsverweigerung würden aber andere disziplinäre Maßnahmen folgen: der befohlenen Rapport, bei dem ein Strafmaß (Geldstrafe, Ausgangsverbot) verhängt wird. Wahrscheinlich kommt dann auch eine zivile Anzeige hinzu.
Ich will mich aber nicht länger mit einer Schilderung der oberflächlichen Fortschrittlichkeit des Bundesheeres aufhalten. Die allgemeine Gesinnung des österreichischen Militärs hat sich seit der Zeit, in der man Rekruten noch nach Belieben einsperren durfte, wenig gewandelt. Daher gewinnt der Text auch sinnbildhaften Charakter, dem du sprachlich jedoch nicht gerecht wirst. Geglückt finde ich die Metaphern der Zellenwand und der ausgebleichten Uniform, jedoch vergibst du vieles durch die holprige Sprache.
Besonders deine Dialoge klingen gekünstelt und holprig:

"Mir ist heiß, ich habe vor, mir eine leichtere Uniform anzuziehen! Bevor ich einen Hitzschlag kriege!" "Halt, das sehe ich nicht so. Glauben Sie, Sie können einfach so die Gruppe verlassen?“ Bei "Halt, das sehe ich nicht so.“ musste ich schmunzeln.

Ich weiß, dass du das nicht gerne hörst, aber du solltest zumindest versuchen, deine Texte zu überarbeiten.

Ansonsten fand ich das Bild der weinenden Soldaten und Offiziere etwas übertrieben, um nicht zu sagen, kitschig. Und ich frage mich auch, wieso der Vater keine Träne verliert. Stolz und Trauer müssen sich nicht unbedingt ausschließen.

 

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