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Arbeitstitel: Wut

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11.11.2013
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Arbeitstitel: Wut

Als sich das Motorengeräusch aus dem nahegelegenem Garten seinen Weg durch Josefs Fenster bahnte, wurde er jäh aus seinen Träumen gerissen, in denen er eben noch ein anerkannter Handelsvertreter eines nicht näher definierten Inselstaates gewesen war. Noch mit geschlossenen Augen schrie er ein paar Flüche in den Raum, einer handelte vage davon, welche Art Paarhufer der Verursacher dieses Lärms als Mutter hatte, und was diese Frau, oder besser gesagt, dieses Paarhuferweibchen, wohl getan haben musste, um so eine Person zu gebären, schlug die Bettdecke zurück und atmete tief durch. Die Uhr zeigte eine Zehn, gefolgt von einigen unwichtigeren Ziffern, und der strahlende Sonnenschein, der an diesem Sonntagmorgen den Himmel erhellte, lenkte nicht davon ab, dass dies kein guter Tag für Josef werden konnte. Eigentlich waren die meisten Tage seit er hier wohnte nicht besonders gut gewesen. Endlich öffnete er die Augen, stand auf und schleppte sich zum Fenster, dieses Portal, durch das so viele Ärgernisse in die eigene kleine Welt gelangten, seien es lästige Insekten oder akustische Vertreter der Hölle. Während er wütend versuchte, das höllische Portal zu schließen, ging ihm unsinnigerweise ein Satz durch den Kopf: Satan besitzt einen Rasenkantenschneider. Und diesen würde er auch ganz sicher benutzen, zu den unwahrscheinlichsten Anlässen, gerade dann, wenn niemand damit rechnete, an Orten, zu denen nie zuvor der Klang eines laufenden Rasenkantenschneiders gelangt war. Beiläufig hatte Josef bemerkt, dass die Ursache des Geräuschs kein Rasenkantenschneider, sondern ein Rasenmäher war, ein grotesk überdimensionierter noch dazu, ein solcher, auf dem man beim Fahren sitzen konnte, wäre das Mähen für den ordnungsliebenden Kleingartenbesitzer sonst auch viel zu mühsam gewesen, besonders auf einer Rasenfläche die so groß war, wie ein etwas überdurchschnittliches Wohnzimmer. So allerdings wurde das Mähen für Freunde des kurzgeschorenem Bodenbewuchses zu einer entspannenden Freizeitbeschäftigung, die man auch nach einem langen Arbeitstag oder einer durchzechten Nacht ausüben konnte, während man das Gefühl hatte, etwas Nützliches zu tun, selbst wenn der Rasen bereits eine Woche zuvor gekürzt wurde, und mittlerweile schon so aussah, als würde er unter diffusem Haarausfall leiden. Während wir diesen Monolog hielten, hatte Josef es geschafft, das Fenster zu schließen und so den Lärm auf ein erträglicheres, doch nicht völlig zufriedenstellendes Maß eingedämmt. Nun stand er in Boxershort und T-Shirt an die Wand gelehnt da und überlegte, ob er frühstücken sollte, während das Brummen von draußen noch immer leise an seine Ohren drang, und die Ader an seiner Schläfe zum Pochen brachte. Zwischen vagen Vorstellungen von Brötchen, Kaffee und Marmelade erschien vor seinem geistigen Auge immer wieder das Bild eines hühnenhaften Berserkers, der durch Gärten marschierte, hier und da einen Kleingärtner durch einen wohlplatzierten Axthieb tötete, erhobenen Hauptes weiterlief und von zufällig anwesenden Menschen umjubelt wurde während seine Brust vor Stolz anschwoll.
Den Gedanken an Frühstück ignorierend, so als ob er ihn nie gedacht hatte, ging Josef ins Bad, zog sich aus und duschte, wobei er dem morgendlichen Harndrang freien Lauf ließ, was ihm sicherlich zu Unrecht einige angewiderte Reaktionen eingebracht hätte, vorallem seitlich der weiblichen Hälfte der Menschheit, wäre denn jemand da gewesen, der diesem Spektakel hätte beiwohnen können. Durch das gekippte Badezimmerfenster konnte er trotz des Wasserrauschens hören, wie einige Vögel verzweifelt um Aufmerksamkeit buhlten, ungeachtet dessen, dass ihre sanften Lockrufe rücksichtslos übertönt wurden vom Geknatter des Rasenmähers, sodass vereinzelte männliche Vögel sich vielleicht gefragt haben, ob die anvisierten Weibchen nicht der Macht des vermeintlich Stärkeren erlagen, dass sie sozusagen schon drauf und dran waren, die flehenden Rufe ihrer männlichen Artgenossen zu ignorieren, um stattdessen mit dem Rasenmäher anzubandeln, was natürlich auf mehreren Ebenen vollkommener Unsinn wäre.
Josef trat aus der Dusche und zog sich an. Er wußte noch nicht genau, was dieser Tag ihm bringen würde, doch er hatte eine Ahnung, dass aus der gewohnten Sonntagsroutine nichts wurde. Es war ein unbestimmtes Gefühl, das in der Luft lag schon seit er aufgewacht war. Als er im Wohnzimmer ankam, fiel sein Blick auf das Samuraischwert, das über dem Sofa an der Wand hing; ein trotz seiner potenziell grausamen Anwendungsmöglichkeiten erstaunlich friedlich wirkender Dekorationsgegenstand in diesem eher spärlich möblierten Zimmer. Es war ein Sammlerstück, handgefertigt vor langer Zeit an einem Ort, der Experten auf diesem Gebiet sicher ein Raunen entlocken würde. Die Umstände, unter denen Josef zu diesem seltenen Stück kam, sind uns leider nicht bekannt, obwohl wir an anderer Stelle vielleicht den Eindruck erweckt haben, allwissend zu sein, doch wissen wir, dass Josef ein begeisterter Anhänger asiatischer Kampfkunst war und einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Freizeit dafür opferte, sich Kämpfe anzuschauen und Souveniers zu sammeln, vorzugsweise aus Japan, wo er in der Vergangenheit mehrfach seinen Urlaub verbracht hatte, was zumindest teilweise erklären könnte, wie er in Besitz dieses Schwertes gelangt war. Ohne sich dessen recht bewusst zu sein, nahm er das Schwert von der Wand und fuhr mit einem Finger die Klinge entlang. Trotz des Alters schien die Klinge ziemlich scharf zu sein. Das Dröhnen von draußen hielt noch immer an und machte ihn zunehmend nervös.
Gedankenversunken legte er das Schwert auf das Sofa, ging in den Flur und zog sich die Schuhe an. Als er ins Wohnzimmer zurrückkehrte, war ihm bereits klar, und uns vielleicht auch, worauf das alles hinauslaufen würde, und obwohl er Angst hatte, vor dem was er tun würde, gab es kein zurück mehr, denn wenn man etwas einmal angefangen hatte, sollte man es auch zuende führen, das hatte ihm seine Mutter immer gesagt.
Ein Windhauch streifte sein Gesicht und zerzauste sein Haar ein wenig als er die Straße betrat, das Samuraischwert in der Hand, und verlieh ihm die Aura eines verwegenen Haudegens, der aus einem mäßigen Actionfilm entsprungen zu sein schien. Passanten sahen ihn mit einem verwirrten Gesichtsausdruck an, der bei einigen von ihnen wohl Furcht ausdrücken mochte, als er entschlossen den Bürgersteig entlanglief. Bis zur Kleingartenanlage waren es nur ungefähr hundert Meter und jeden Schritt auf dem Weg dorthin kostete er aus. Sein Gehirn produzierte Botenstoffe, die es seit Jahren nicht mehr produziert hatte, überraschte sich selbst mit der Wirkung und genoss sie gleichzeitig, so als gäbe es etwas zu feiern. Wir fragen uns, ob den beobachteten Passanten bewusst war, dass sie einem bedeutendem, wir möchten fast sagen, historischem, Ereignis beiwohnten, und beantworten uns die Frage augenblicklich selbst mit einem Vielleicht. Furcht war nun nicht mehr das einzige, was wir in ihren Gesichtern lesen konnten, nun gesellte sich ein Ausdruck gespannter Erwartung hinzu, was unseres vorheriges überhastetes Vielleicht zu einem tendenziellen Ja korrigieren könnte.
Nun war Josef am Eingang der Kleingartenanlage angekommen, gefolgt von einem Pulk Schaulustiger, zu denen wir indirekt auch gehören, und überlegte, was er nun tun sollte. Er wusste es natürlich bereits, doch er nutzte diese an sich selbst gerichtete Ausrede dafür, kurz innezuhalten um diesen Moment noch eine Sekunde lang auszukosten. Das Tor gab es ein lautes quietschen von sich, als er es schließlich öffnete. Der Übeltäter war schon aus der Ferne auszumachen, ein dicker Mann mit Halbglatze, der auf seinem Aufsitzrasenmäher anscheinend versuchte, die glorreichsten Stunden in der Geschichte der Formel 1 in unsäglich langsamen Tempo wieder aufleben zu lassen, wobei der Siegertitel diesmal vermutlich an jenen ging, der in kürzester Zeit die meisten Grashalme geköpft hatte, was, mangels Konkurrenz, eindeutig unseren halbglatzigen Piloten zum Favoriten dieses einsamen Rennens machte. Dieser Mann war wahrscheinlich kein Typ, der zur Vernunft neigte, dachte Josef.
Monoton drehte der Halbglatzenträger weiter seine Runden ohne zu ahnen, was gleich auf ihn zukommen sollte. Josef lief an lächerlich penibel gepflegten Gärten vorbei, noch immer gefolgt von den Schaulustigen, und erreichte schließlich die winzige Rasenfläche des endlos Mähenden. Noch hatte dieser nichts von der Ankunft des Exekutionskommandos bemerkt, fuhr er doch gerade in die entgegengesetzte Richtung, sodass wir seinen aufgrund von Unebenheiten des Bodens auf und ab wippenden Hinterkopf sehen konnten, was ihm den unbekümmerten Anschein eines behäbig hoppelnden Hasens verlieh. Endlich wendete er den Rasenmäer, ruckelte weiter über den Rasen, hob langsam den Kopf und sah die Menschen die sich dort versammelt hatten, um ihn zu empfangen, was ihm keine rechte Freude machen wollte, nicht zuletzt aufgrund des Samuraischwertes, das sich in der rechten Hand eines erschreckend entschlossen wirkenden Mannes befand.
Er stoppte seine Rundfahrt, schaltete den Motor aus, stieg ab und rieb sich mit der Hand die Stirn. Einen Moment lang sprach niemand ein Wort und das erste Mal an diesem Tag legte sich Stille über die Landschaft.
Eine Stille, die alle Anwesenden außer ihm zu genießen schienen, unternahmen sie doch eine ganze Weile lang nichts dagegen und starrten ihn nur an.
"Hallo", sagte er zögerlich. Als niemand antwortete, fügte er mit brüchiger Stimme hinzu, "Was wollt ihr denn von mir?"
Wie auf Kommando hob Josef sein Schwert in die Höhe, als sei das Erscheinen eines rustikal bewaffneten Mannes in Begleitung von mehreren schweigenden Unterstützern nicht schon dramatisch genug, als müsste er etwas darstellen, das größer ist, als die Realität, so absurd diese auch schon war, als wäre er He-Man und hätte die Macht von Grayskull.
"Ich werde Sie nun köpfen", sagte Josef, so unaufgeregt und sachlich, dass dieser Satz völlig normal klang und ihm ausschließlich ein einziges schockiertes "Was?" als Reaktion entgegenbrachte.
"Gute Idee", rief einer der Schaulustigen, ein Jugendlicher, eigentlich noch ein Kind, der das was er hoffte gleich miterleben zu können nicht hätte im Kino sehen dürfen. "Mit dem Ding da?", fragte eine Frau mittleren Alters, die wie eine einfühlsame Grundschullehrerin wirkte, und zeigte auf das Schwert. Josef tippte mit dem Finger an die Klinge. "Genau damit."
Der Mann mit der Halbglatze hatte schon seit einiger Zeit die Stirn gerunzelt und hielt diesen Gesichtsausdruck weiterhin aufrecht, ergänzte ihn nun jedoch um eine weitere Ausdrucksebene, indem er zusätzlich den Mund leicht geöffnet hielt. "Meinen Sie, das schaffen Sie damit? Ich meine, das ist sicher nicht ganz einfach, jemanden mit einem Samuraischwert zu köpfen..." sagte die Frau.
"Is' richtig", mischte sich jemand ein, der dem Aussehen nach in einem früheren Leben vielleicht ein Mops gewesen sein mochte, "Ich hab' sowas mal gemacht, allerdings nich' mit 'nem Typen, wär' mir ehrlichgesagt auch zu krass, aber ich hab' mal 'n Schwein geköpft, auch mit so 'nem Ding, fragt mich nich' wieso, ich red' da echt nich' gern drüber, aber lasst euch gesagt sein, einfach is' das echt nich', is' schon richtig, aber möglich isses."
Ein paar Vögel zwitscherten fröhlich. Josef nickte stumm.
"Leute", begann der Mann mit der Halbglatze, "Sind sie denn alle wahnsinnig? Ich habe doch nichts getan!" Seine Hände waren vor seinem Körper in abwehrender Geste erhoben und zitterten leicht, was ihm in seiner Rolle eine gewisse Authentizität verlieh. "Doch", sagte Josef. "Sie haben an einem Sonntagmorgen Rasen gemäht. Das ist verboten."
"Und darauf steht Todesstrafe, was?" rief der Mann mit der Halbglatze mit seiner brüchigen Stimme, die belustigt klingen wollte.
Josef kratzte sich am Kinn. "Heute schon. Ausnahmsweise."
"Weil Sie's sind", rief jemand annonymes im Hintergrund und einige Leute lachten.
"Hören Sie, das können Sie doch nicht machen", rief der Verurteilte. "Das wäre ja... das wäre doch hanebüchen."
Eine weitere Frau mischte sich ein. "Nun köpfen Sie ihn schon", sagte sie während sie an ihrem Handy rumfummelte, das anscheinend nicht so wollte wie sie, wenn es denn überhaupt etwas wollte, was durchaus bezweifelt werden konnte. Es ging langsam auf den Mittag zu, was manchen überraschen mag, denn viel ist ja bisher nicht passiert, und wenn etwas geschehen würde, dann sollte es gefälligst bald geschehen, nicht dass man deswegen auf ein pünktliches Mittagessen verzichten musste, so spannend eine Köpfung wohl auch sein mochte, einen Teller Spaghetti Bolognese konnte sie doch sicherlich nicht übertreffen.
"Jetz' hetzen Sie den armen Kerl doch nich' so, das is' doch keine Sache, bei der man wen hetzen könnte", sagte der Mopsmann zur Handyfrau. "Er wird's schon machen, wenn er soweit is'."
"Ich habe aber auch nicht ewig Zeit.", "Na, von mir aus können Sie gern' gehen wenn's Ihnen zu lang' dauert, Sie müssen ja nich' bleib'n.", "Ich gehe dann, wann ich es für richtig halte.", "Na, warum auch nich', is' ja Ihre Sache, nichwahr?" Die Frau hob nur die Brauen und schaute ihn stumm aus den Augenwinkeln heraus an.
In der entstandenen Stille räusperte sich ein junger Mann, der einen biederen grauen Anzug trug, in dem er so unbeholfen wirkte, wie ein kleiner Hundewelpe auf einem Floß, das auf dem Meer treibt. Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet. "Also ich finde, der Mann hat einen fairen Prozess verdient", nuschelte er ohne aufzuschauen. Buhrufe schmetterten seinen Vorschlag einstimmig ab und zogen sein Selbstvertrauen noch ein Stück weiter runter, nun war es sozusagen beerdigt, zumindest für heute, er würde im Verlauf der Geschehnisse kein einziges Wort mehr sprechen.
Der Mann mit der Halbglatze stand schon seit einer Weile reglos da und wusste noch immer nicht, was er tun sollte. Ich habe doch gar nichts schlimmes getan, dachte er immer wieder, eine Endlosschleife, die nur selten unterbrochen wurde von anderen wirren Gedankenfetzen, die sich primär darum drehten, wie er aus dieser Situation wieder herauskommen könnte, doch kam er bisher zu keiner Lösung. Auch Josef wirkte ratlos, wie er so da stand mit dem Samuraischwert in der Hand und einem Vorhaben, zu dessen Ausführung er sich aus irgendeinem Grund noch nicht überwinden konnte. Man mochte es Feigheit nennen, oder einfach nur Unentschlossenheit.
"Wird das heut' noch was?", fragte der Jugendliche, der eigentlich noch ein Knabe war. "Ja, was stehen Sie denn noch so untätig rum?" stimmte die Frau mit dem Handy mit ein. Mittlerweile hatte sie die Gewalt über ihr Telefon, das gleichzeitig eine Kamera war, wiedergewonnen und hielt es ungeduldig hoch, bereit alles zu filmen, was noch kommen sollte, man konnte eine solche Gelegenheit ja nicht ungenutzt lassen, dachte sie, dies war sozusagen eine einmalige Chance. Doch Josef stand noch immer wie eingefroren da und rührte sich nicht, was die Frau langsam wütend machte.
"Herrgott nochmal, tun Sie doch endlich was! Oder soll ich es für Sie tun? Ich würde es tun, glauben Sie mir, nur damit es endlich ein Ende hat!"
Der Mann mit dem Mopsgesicht trat auf sie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter, die sie sofort wieder von sich wegstieß und ihn dann mit einem strengen Blick strafte.
"Hör'n Sie mal, Fräulein, das hier is' doch nichts Alltägliches, is' doch klar, dass das nich' so einfach für den is'. Sie tun ja grad' so, als würd' er vor Ihnen am Fahrkartenautomat trödeln. Außerdem isses doch eh seine Sache, nichwahr, wenn er's sich halt anders überlegt, is' das doch auch sein gutes Recht."
"Nennen Sie micht nicht Fräulein!"
"Na denn, meine Dame - wenn Ihnen das genehm is'."
"Der kann doch jetzt nicht einfach kneifen, das hätte er sich vorher überlegen müssen. Ich bin doch nicht aus Jux und Dollerei mitgekommen, nur damit dann garnichts passiert."
"Na, von Jux und Dollerei kann ja auch keine Rede sein, das is' richtig. Is' ja schon mehr 'ne ernste Sache. Wissen Sie, Fräulein... ich meinte, meine Dame, wissen Sie, früher war ich mal Hausmeister in 'ner Schule, is' schon 'ne Weile her, aber mir kommt's so vor, als wär's erst gestern gewesen, aber is'n anderes Thema, nichwahr, jedenfalls, wenn früher sich die Bälger auf dem Schulhof kloppen wollten, war's auch oft so, dass manche von denen zögerten, sich nich überwinden konnten, den ersten Schlag zu mach'n, das is' doch normal, da gehört ja auch schon was zu, nichwahr, und nun, meine Dame, geht's hier ja nich' nur um eine harmlose kleine Schulhofrauferei, das hier is' ja schon was anderes, eine andere Liga, wie man so sagt, da is' es doch verständlich, dass es ihm da nich' so leicht fällt anzufangen. "
Darauf fiel ihr nichts ein und so begnügte sie sich damit, überlegen zu gucken, oder zumindest hoffte sie, dass ihr Blick überlegen wirkte. Dumme Gans, dachte der Mann der wie ein Mops aussah und zündete sich eine Zigarette an. Er blickte in die Runde. "Stört doch nich', wenn ich eine paffe?"
Ein paar Leute schüttelten mit ihren Köpfen.
"Lassen sie die Zigarette aber dann nicht auf dem Rasen liegen", sagte der Gartenbesitzer mit leiser Stimme. "Wir achten hier nämlich sehr auf Ordnung."
"Schweig!" fuhr Josef ihn mit neu entfachter Wut an, was die Frau mit der Ausstrahlung einer Grundschullehrerin zusammenzucken ließ.
"Na, hör'n Sie mal", sagte der Mopsmann zwischen zwei Zügen seiner Zigarette. "So geht das aber nu' auch nich', in diesem Ton, ne ne."
Josef sagte nichts. Die Vögel zwitscherten noch immer ihre Lieder und informierten sich wohl gegenseitig darüber, dass es bald Regen geben würde, und tatsächlich standen mittlerweile ein paar graue Wolken am Himmel, denen durchaus zuzutrauen wäre, dass sie eine Erfrischung für die unter der langen Trockenzeit des Sommers leidenden Pflanzen parat hatten. Allerdings schien niemand der Anwesenden dies zu bemerken, verstanden sie doch weder die Sprache der Vögel, noch hatten sie einen Anlass dazu gehabt, in den Himmel zu blicken.
"Man, is' das langweilig", sagte der knabenhafte Jugendliche. "Hab' nichtmal mein Handy dabei, sonst könnte ich wenigstens 'ne Runde Angry Birds spielen."
"Angry Birds?" fragte die Frau, die wie eine Grundschullehrerin aussah.
"Klar." Der Junge schaute sie an. "Kennen Sie das nicht? So'n Spiel. Da schießt man Vögel auf so Schweine und so. Ist voll krass."
"Aha."
In diesem Moment drang ein Geräusch, das vage zu den Vorbereitungen eines Grillfestes gehören könnte, durch die mannshohen Hecken auf der linken Seite der Rasenfläche auf der sie standen. Der Mann, dem der Mops ins Gesicht geschrieben stand, drehte sich um und hätte fast seine Zigarette fallen lassen, wären seine Finger nicht schneller als sein Gehirn gewesen. Ein lautes Knattern ertönte und verstummte sogleich wieder. Die Vögel sangen unbeirrt weiter.
Aus der Ferne schrie eine aufgeregte Stimme "Scheiße! Verdammte Scheiße!" und schien näherzukommen, während sie diese Worte in einer Dauerschleife wiederholte. Josef erwachte aus seiner Lethargie, schaute in die Richtung, aus der das Geschrei kam, runzelte die Stirn und sagte dann: "Was ist denn jetzt los?"
Die Zigarette des Mopsmannes fiel nun doch auf den Rasen, was der ordnungsliebende Kleingärtner zum Glück nicht bemerkte. "Hab' keinen blassen Schimmer, is' wohl was passiert."
Einen kurzen Augenblick später erschien ein kleiner schmächtiger Mann mit einem akkurat geschnittenen Oberlippenbart und keuchte.
"He, is' was passiert?" fragte der Mopsmann.
Der Schmächtige versuchte zu antworten, brachte aber nur wirres Gestammel heraus.
"Beruhig'n Sie sich doch, atmen sie mal tief durch."
"Der Karl, der hat..." Er unterbrach sich, holte mehrmals tief Luft und fing neu an. "Der Karl, der ist völlig durchgedreht! Der hat den Ulf..." Wieder verstummte er und holte Luft.
"Ganz ruhig, ganz ruhig, man kann nich' gleichzeitig reden und atmen, nichwahr?"
Alle Blicke waren auf den schmächtigen Mann gerichtet, der noch immer mit seiner Beherrschung rang. Er schloß einen kurzen Moment lang die Augen, öffnete sie wieder und rieb sich die Schläfe.
"Okay, okay... Der Karl hat den Ulf... Er hat ihn getötet! Er hat ihn wirklich getötet! Nur weil er seinen neuen Graskantenschneider einweihen wollte. Können Sie sich das vorstellen? Heilige Scheiße!"
"Na, vorstell'n kann ich mir das schon."
"Scheiße! Er hat ihm den verdammten Kopf abgeschlagen! Mit einer Machete! Ich kann es immer noch nicht fassen, sowas passiert doch nicht in der Wirklichkeit, sowas passiert doch einfach nicht!"
Der Mopsmann blickte kurz zu Josef, hob die Augenbrauen, und wandte sich wieder an den schmächtigen Kerl.
"Heiliger Bimbam. Muss ja 'ne ries'n Sauerei gewesen sein. Hör'n Sie, die Frau hier hat 'n Telefon und wird nun die Polizei anruf'n." Er blickte zu der Frau. "Das werd'n sie doch tun, nichwahr?" Sie nickte und wählte.
"Na, seh'n Sie. Und während wir hier wart'n, versuch'n Sie sich zu beruhig'n."
Der schmächtige Mann widersprach nicht. Das Schwert, das Josef die ganze Zeit über fest in der Hand gehalten hatte, lag nun schimmernd und nutzlos auf dem Rasen. Als nach einer Weile die Polizeisirene zu hören war, fing es an zu regnen. Die Vögel sangen weiter.

 

Ein paar Flüchtigkeitsfehler sind sicher noch drin, man möge mir das verzeihen.
Ich konnte mich bisher auch noch nicht entscheiden, ob ich insgesamt wirklich zufrieden mit dem Text bin.
Gruß

 
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Servus Superfant

Als sich das Motorengeräusch aus dem naheliegenden Garten seinen Weg durch Josefs Fenster bahnte, wurde er jäh aus seinen Träumen gerissen, in denen er eben noch ein anerkannter Handelsvertreter eines nicht näher definierten Inselstaates war.

Den Contest „Schlechtester erster Satz für eine Geschichte“ würdest du womöglich nicht gewinnen, aber im Spitzenfeld allemal damit landen.
An diesem Satz stimmt nämlich für mein Gefühl so ziemlich gar nix:
Als als erstes Wort halte ich für ungeschickt gewählt.
Was soll ich mir unter einem naheliegenden Garten vorstellen? Ich vermute, den Nachbargarten.
wurde er jäh aus seinen Träumen gerissen. Den Protagonisten vermittels einer Passivkonstruktion einzuführen ist auch nicht sehr schlau, das nimmt Tempo und Spannung aus der Geschichte, bevor diese überhaupt aufkommen können.
... in denen er eben noch ein anerkannter Handelsvertreter eines nicht näher definierten Inselstaates war. Und dann noch dieser langatmige Nebensatz.
Denkt Josef in seinen Träumen echt in so Begriffen wie „nicht näher definiert“?

Ein Motorengeräusch riss Josef aus seinem Traum. Eben noch war er der Handelsvertreter eines Inselstaates gewesen, … usw.
So fände ich den Einstieg interessanter.

Noch mit geschlossenen Augen schrie er ein paar unmotivierte Flüche in den Raum, einer handelte vage davon, welche art [Art] Paarhufer der Verursacher dieses Lärms als Mutter hatte, und was diese Frau, oder besser gesagt, dieses Paarhuferweibchen, wohl getan haben musste, um so eine Person zu gebären, schlug die Bettdecke zurück und atmete tief durch.

Wieso unmotiviert? Josef ärgert sich doch mit Recht, aufgeweckt worden zu sein.
Der weitere Satz lässt mich vermuten, dass dieser Text sich offenbar um Sprachwitzigkeit bemühen will. Sowas macht mich prinzipiell skeptisch, weil es ein ungemein sicheres Sprachverständnis verlangt, damit sowas nicht furchtbar schiefgeht. Und eben dieses souveräne Umgehenkönnen mit Sprache lassen die beiden ersten Sätze einfach vermissen.

Die Uhr zeigte eine Zehn, gefolgt von einigen unwichtigeren Ziffern, und der von strahlendem Sonnenschein erhellte blaue Himmel, den man an diesem Sonntagmorgen draußen sah, lenkte nicht davon ab, dass dies kein guter Tag für Josef werden konnte.

Also ich weiß nicht, das passt hinten und vorne nicht.
der von strahlendem Sonnenschein erhellte blaue Himmel, … das ist ja quasi vierfache Redundanz beinahe.
Man sah …Wer? Ich der Leser? Oder irgend jemand sonst in der Geschichte, von dem ich noch nichts weiß?
lenkte nicht davon ab, .. konnte nicht davon ablenken?
usw.
Möglicherweise nehme ich mir den Text morgen noch einmal in aller Ruhe vor. In meiner momentanen Verfasstheit allerdings will ich mir einen Text, der mich schon in den ersten drei Absätzen über jede zweite Formulierung auf die Fresse fliegen lässt, einfach nicht zumuten.

Mal sehen, vielleicht steckt ja noch einiges drin, was mich für den Beginn entschädigt.

offshore

 

Hi,
danke fürs Lesen der ersten drei Sätze und für den Kommentar.

An diesem Satz stimmt nämlich für mein Gefühl so ziemlich gar nix:
Als als erstes Wort halte ich für ungeschickt gewählt.
Was soll ich mir unter einem naheliegenden Garten vorstellen? Ich vermute, den Nachbargarten.
Das ist teilweise wohl auch einfach Geschmacksache, denke ich. Ich sehe nicht wirklich, worin das Problem bei "naheliegender Garten" liegt? Hier wo ich wohne gibt es zB. eine Kleingartenanlage, in der Nähe von Wohnblocks. Wenn ich dann sage, dass ich Rasenmäherlärm höre, aus einem nahegelegenem Garten, dann ist das doch soweit korrekt?

Denkt Josef in seinen Träumen echt in so Begriffen wie „nicht näher definiert“?
Das weiß ich nicht. Es ist ja auch gar nicht aus seiner Sicht geschrieben, somit verstehe ich das Problem auch hier nicht wirklich. Deinen Vorschlag für einen alternativen Anfang finde ich allerdings auch ganz gut, das kann man so wohl gut machen. Ich werde mal schauen, was noch überarbeitet wird.

Wieso unmotiviert? Josef ärgert sich doch mit Recht, aufgeweckt worden zu sein.
Stimmt, danke, das Wort sollte ich streichen.

Man sah …Wer? Ich der Leser? Oder irgend jemand sonst in der Geschichte, von dem ich noch nichts weiß?
Ok, das "man" fällt mir nun auch als eher unglücklich auf. Das werde ich ändern.

Mal sehen, vielleicht steckt ja noch einiges drin, was mich für den Beginn entschädigt.
Tja, ich hoffe, das ist so. ;)

Gruß

 

Superfant schrieb:
Ich sehe nicht wirklich, worin das Problem bei "naheliegender Garten" liegt? Hier wo ich wohne gibt es zB. eine Kleingartenanlage, in der Nähe von Wohnblocks. Wenn ich dann sage, dass ich Rasenmäherlärm höre, aus einem nahegelegenem Garten, dann ist das doch soweit korrekt?
Für mich nicht ganz. Sind irgendwie zwei Paar Schuhe. Ich bin ein verdammter Kleingeist, ich weiß.
Morgen lese ich dein Geschichte weiter, versprochen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Oh, sry, erkannte erst jetzt was du meinst. Tatsächlich völlig übersehen. Meinte natürlich "aus dem/einen nahegelegenem Garten".
Manchmal bemerkt man sowas irgendwie gar nicht, auch wenn man es wiederholt liest.

 

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