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Thema des Monats Aquaphobie

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09.06.2013
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Aquaphobie

In meinen Studienjahren in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bewohnten mein Bruder und ich eine Souterrainwohnung unweit des Stadtparks. Thomas und ich hatten das Haus geerbt und führten mit Hilfe der Mieteinnahmen ein angenehmes Leben. Im Gegensatz zu mir nahm Thomas sein Studium nicht besonders ernst. Er bevorzugte es stattdessen, durch die Weltgeschichte zu reisen. Ich genoss die Vorteile seiner häufigen Abwesenheit genauso, wie mir die wenigen Monate seiner Anwesenheit behagten.

An dem Tag der Ereignisse, die ich zu schildern versuche, war mein Bruder gerade von einer langen Reise zurückgekommen.
Es war ein drückend heißer Sommertag. Niemand, der nicht unbedingt musste, verließ freiwillig das Haus. Die Straßen wirkten wie ausgestorben. Wir machten uns auf den Weg, ein paar Flaschen Wein zu besorgen, um auf unser Wiedersehen anzustoßen. Auf dem Rückweg gerieten wir in ein heraufziehendes Gewitter und flüchteten in das Haus eines Freundes, gerade noch rechtzeitig, bevor ein Wolkenbruch auf die Stadt niederging, ein nicht enden wollendes Unwetter mit Sturm und Hagel und stundenlangem sintflutartigen Regen.

In der Wohnung unseres Freundes feierten wir, bis wir alle sturzbetrunken waren. Uns wurde angeboten, dort zu übernachten, aber Thomas wurde von einer seltsamen Unruhe erfasst, die er nicht erklären konnte. Er wollte nach Hause. All unsere Versuche, ihn zum Bleiben zu bewegen, schlugen fehl. Schließlich gaben wir auf, weil er eine Beharrlichkeit an den Tag legte, die uns an ihm völlig fremd war.

Der Regen hatte aufgehört. Heruntergefallene Äste und Dachziegel lagen auf überschwemmten Straßen.
Die schwüle Luft lag schwer auf unseren vom Alkohol benebelten Sinnen.
Als wir in unsere Straße einbogen, fiel mir auf, dass die Straßenbeleuchtung ausgefallen war.
Nur ein blasser Mond schien durch die Wolkenfetzen am Himmel.
Unser Haus lag fast völlig im Dunkeln, zusätzlich beschattet von großen Bäumen am Straßenrand.
Die Gartenpforte stand offen. Die Kieselsteine auf dem Weg zum Seiteneingang knirschten unter unseren Füßen. Vor der Tür blieb Thomas stehen und suchte nach seinem Schlüssel. Dann öffnete er und tastete nach dem Lichtschalter. Es klickte. Aber es gab kein Licht.

Vorsichtig trat Thomas durch die Tür auf die erste Stufe der steilen Treppe, die in unsere Wohnung hinab führte. Ein Geländer gab es nicht. Thomas stieg langsam in die Dunkelheit, die ihn verschluckte. Nach drei oder vier Stufen konnte ich ihn nicht mehr sehen.
Ich folgte ihm. Kälte schlug mir entgegen. Und ein unbekannter, beißender Geruch.
Thomas atmete flach. Ich konnte ihn kaum hören, spürte aber, dass er direkt vor mir stand.
Noch eine Stufe. Und noch eine. Dann prallte er zurück, stieß mit seinem Kopf gegen meine Brust. „Was?“, fragte ich atemlos. Aber eine Antwort war nicht erforderlich. Ich hatte das Platschen gehört.

Das Wasser stand knietief in der Wohnung. Ich watete orientierungslos durch die Dunkelheit, stieß gegen Möbelstücke, gegen die Deckenlampe, gegen einen Türrahmen. Trotz der Kälte lief mir der Schweiß von der Stirn und mein Hemd klebte an meinem Rücken.
Hinter mir hörte ich das vertraute Geräusch eines angerissenen Streichholzes, eine kleine Flamme erhellte den Raum. Mein Körper warf einen diffusen Schatten auf die geschlossene Küchentür.
Ich drehte mich um. Mein Bruder stand an dem kleinen Tisch in der Diele und entzündete die Kerzen an einem fünfarmigen Leuchter. Dann hob er den Daumen und grinste mich an.
Er reichte mir den Leuchter, nachdem er eine einzelne Kerze herausgenommen hatte, und ging in den hinteren Teil der Wohnung, in dem sich sein Zimmer befand. Ich blieb allein in der Diele und sammelte den Mut zusammen, den ich brauchte, um den Schaden in meinem Zimmer zu begutachten. Ich öffnete die Tür gegen den Widerstand des Wassers und fand, was ich erwartet hatte. Meine Semesterarbeit, die ich am Morgen achtlos auf dem Boden hatte liegen lassen, schwamm als weißer Teppich auf der Wasseroberfläche.

Dann hörte ich ihn rufen. Es klang fremd. Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich mein Bruder war, der mich rief. Ich lauschte. Dann hörte ich es wieder. Thomas rief nach mir. Seine Stimme machte mir Angst. Etwas raschelte, huschte über die Schreibtischplatte. Eine Ratte möglicherweise. Ich stürzte aus dem Zimmer zurück in die Diele.

Ein Luftzug löschte meine Kerzen. Es war wieder dunkel.
Nur am Ende des Flurs fiel ein schwacher Lichtschein aus dem Zimmer und spiegelte sich in dem Wasser, das im Gang stand. Ich machte mich auf den Weg. Mit jedem Schritt wurde es kälter.
Thomas stand mit dem Rücken zum Spiegel, der das Licht einer Sturmlaterne ins Zimmer zurückwarf und es hell erleuchtete.
Vor ihm stand ein kleines Mädchen in einem weißen Kleid, das schwer vom Wasser an seinem ausgemergelten Körper klebte. Seine verfilzten Haare umrahmten ein tränenverschmiertes Gesicht. Mit bohrenden Augen sah es Thomas an und streckte eine Hand nach ihm aus. Obwohl es seine Lippen nicht bewegte, konnte ich seine Stimme in meinem Kopf hören: „Ich habe auf dich gewartet. Du hast gesagt, du kommst mich holen“, sagte es.
„Es tut mir leid“, antwortete mein Bruder kaum hörbar.
„Wo kommst du her?“, fragte ich. Das Mädchen drehte sich um. „Er hat mich dort eingesperrt. Er hat gesagt, es wäre ein Spiel. Aber er ist nie wieder zurückgekommen.“, flüsterte die Stimme in meinem Kopf. Das Mädchen zeigte auf ein Loch in der Wand.
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich kannte das Mädchen.
Wir hatten als Kinder zusammen gespielt. In den Ferien, bei den Großeltern.
Den ganzen Sommer waren wir unzertrennlich gewesen.
Dann hatte Thomas diesen schrecklichen Unfall, lag monatelang im Krankenhaus.
Wir haben erst viel später erfahren, dass sie verschwunden war.
Ich wusste nichts von dem Keller.
Ich hätte doch nie…
Wir waren doch Kinder.


Thomas ging auf das Mädchen zu. Er sprach sehr leise, fast beschwörend: „Es tut mir leid! Ich konnte nicht zurückkommen.“
„Du lügst!“, schrie die Stimme des Mädchens.
Die Temperatur sank ins bodenlose.
Auf dem Wasser bildete sich Eis.
Alles war von glitzerndem Reif überzogen.

Das Mädchen wich zurück als schwebte es.
„Warte!“, rief Thomas atemlos. „Warte, Kleines! Es tut mir leid! Ich konnte nicht zurück kommen. Es tut mir leid!“

Er stolperte, fand keinen Halt und fiel.
In der Sekunde, in der das Wasser über ihm zusammenschlug, schloss sich die Eisdecke.
Ich konnte ihn schreien hören. Ich sah seine weit aufgerissenen Augen. Sah seine Fäuste, die gegen das Eis schlugen.
„So hilf ihm doch!“ schrie ich das Mädchen an.
„Ich kann nicht. Mir ist so kalt.“ flüsterte die Stimme in meinem Kopf.

Ich erinnere mich noch, dass ich mit dem Leuchter auf das Eis einschlug, um mich zu befreien.
Sie fanden mich auf der Treppe.

In der Zeitung war zu lesen, dass in dieser Nacht ein betrunkener Student in seiner überfluteten Kellerwohnung ertrunken sei. Desweiteren war zu lesen, dass in der selben Wohnung, wahrscheinlich als Folge des Wassereinbruchs, eine Wand eingestürzt sei, hinter der man die mumifizierte Leiche eines Kindes gefunden habe.

Ein Freund brachte mir die Zeitung in die Klinik, in der ich mich seitdem befinde.
Ich lese sie jeden Tag.

 

Hallo Karakum

Der Einstieg vermittelte mir den Eindruck, in die Geschichte eines Autors des 19. Jahrhunderts einzutauchen. Sätze, wie etwa zu Beginn des zweiten Absatzes, belebten mir die Erinnerung an Formulierungen jener. In der Folge fehlten dann auch jegliche Requisiten, die dem widersprechen könnten, was es authentisch macht.

Die Idee dieser Erzählung finde ich gelungen, die Geschichte trägt sich durch ein angenehmes Schaudern ohne übertreibende Effekthascherei.

Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich mein Bruder war, der mich rief.

Dies fiel mir dann aus dem Rahmen, da ich keinen Grund sah, warum der Protagonist einen anderen Rufenden als seinen Bruder erwarten sollte. Dass die Stimme fremd klang, konnten plausibel verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Noch war es erst ein Wassereinbruch.

Das Ende, mit dem knappen Verweis auf sein Dasein in der Klinik, wirkt mir dagegen formvollendet, da es für den Leser ohne langatmige Erklärungen sein Schicksal zeigt. Dabei traf ihn keine Schuld. Oder doch? Ist da mehr, da er auf der Treppe sitzend aufgefunden wurde. Ja, meiner Fantasie erschliesst sich, was da geschehen sein könnte.

Eine Kleinigkeit gibt es, die ich einem Autor jener Zeit nicht zugeschrieben hätte, das ist der Titel. Er bedient sich zwar dem Lateinischen, doch in seiner psychologischen Terminologie, wirkt es mehr als ein Zuschnitt der Gegenwart.

Mir war es angenehm und unterhaltsam zu lesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

vielen Dank für Deinen Kommentar.

Ich war mir wirklich unsicher, ob ich meine erste Horrorgeschichte gleich als Thema des Monats einstellen soll.

Und dann das:


Das Ende, mit dem knappen Verweis auf sein Dasein in der Klinik, wirkt mir dagegen formvollendet

Das geht runter wie Öl. Danke!


Ich war mir nicht sicher, ob es wirklich mein Bruder war, der mich rief.

Der Satz gefällt mir auch nicht. Ich überlege noch, wie ich ihn ändern kann.


Den Titel habe ich gewählt, weil ich die Geschichte Ende des 20.Jahrhunderts angesiedelt habe. Aber ich wollte durchaus den Eindruck erwecken, sie könnte auch in 19. Jahrhundert spielen, und habe deshalb auf moderne Requisiten möglichst verzichtet.

Viele Dank, noch mal

Gruß

Karakum

 

Hallo Karakum

Thomas und ich hatten das Haus aus Familienbesitz geerbt und führten mit Hilfe der Mieteinnahmen ein angenehmes Leben.

"aus Familienbesitz geerbt" - klingt schräg. Ich würde das "aus Familienbesitz" weglassen. Oder schreiben, dass es das Haus der Eltern war.

Ich genoss die Vorteile seiner häufigen Abwesenheit genauso, wie mir die wenigen Monate seiner Anwesenheit behagten.

Der Satz klingt nicht authentisch. Du musst dich am Anfang einer Geschichte entscheiden, in welchem Ton du erzählen möchtest. In deinem Text überwiegt eine normale Alltagssprache der Gegenwart, aus dem ersten Satz geht ja auch hervor, dass die Geschichte in der Gegenwart spielt.

Aber warum dann einen solchen Satz bringen? So würde er doch niemals reden (und auch nicht schreiben). "Seine Anwesenheit behagt mir" - nein, das nehme ich dir (deinem Erzähler) nicht ab.

Uns wurde angeboten, dort zu übernachten, aber Thomas wurde von einer seltsamen Unruhe erfasst, die er nicht erklären konnte.

Das ist auch so eine Stelle. Ich stelle mir da eine Handvoll junger Leute vor, die gemütlich ein paar Flaschen Wein runtertrinken ("bis alle sturzbetrunken waren"), da wird viel Blödsinn gequatscht, da schaut man vielleicht irgendwelche Filme oder spielt Saufspiele. Da kann ich mir nur schwer vorstellen, dass einer von einer Unruhe erfasst wird. Vielleicht musste er sich übergeben und will deshalb heim. Oder er hat einfach keinen Bock mehr auf das Gerede der anderen. Aber eine "seltsame Unruhe" - nee.

Wenn ein Erzähler in einer Geschichte von Poe bspw. von einer "inneren Unruhe" erfasst wird, dann nehme ich ihm das ab - aber er schreibt natürlich auf einer ganz anderen Stilebene, in einem ganz anderen Erzählton, schlicht in einer anderen Welt. Du musst innerhalb deiner Welt authentisch bleiben.

Nur ein blasser Mond schien durch die Wolkenfetzen am Himmel.

Ich komm mit deinen Beschreibungen durcheinander. Also wir haben den blassen Mond, und obwohl die Straßenbeleuchtung nicht geht kann man etliche Details auf der Straße erkennen. Dann aber ist es plötzlich wieder stockdunkel. Vielleicht gehst du da nochmal drüber, ich fand das nicht konsequent.

Thomas stieg langsam in die Dunkelheit, die ihn zu verschlucken schien.

Lass das "schien" weg - die Dunkelheit tut ja nicht nur so, die verschluckt ihn wirklich: Thomas stieg langsam in die Dunkelheit, die ihn verschluckte. (Auf den Teil nach dem Komma könntest du auch verzichten).

Eine eisige Kälte schlug mir entgegen.

"eisige Kälte" - eisig weglassen, hat nen ellenlangen Bart.

Mein Körper warf einen diffusen Schatten auf die geschlossene Küchentür.

Bin nicht glücklich mit dem "diffus". Kann dir jetzt aber auch kein besseres Adjektiv auf die Schnelle vorschlagen. Vielleicht ganz weglassen?

Ein Luftzug löschte meine Kerzen. Es war wieder dunkel.

Lass den zweiten Satz weg, der ergibt sich direkt aus dem ersten.

Nur am Ende des Flurs fiel ein schwacher Lichtschein aus dem Zimmer und spiegelte sich in dem Wasser, das im Gang stand.

Auch hier kann der Teil nach dem Komma weg. Solche Reduktionen haben nicht nur den Effekt, dass sie die Geschichte kompakter, die Erzählung geradliniger machen, sondern sie klingen fast immer auch besser als die aufgeblähte Version. Deshalb unbedingt schauen, was notwendig ist und was nicht.

Vor ihm stand ein kleines Mädchen in einem weißen Kleid, das schwer vom Wasser an seinem ausgemergelten Körper klebte.

Hier betrittst du jetzt sehr ausgetretene Horror-Pfade. Der Geist eines toten Mädchens - ich will nicht groß dagegenreden, ich hab dieses Motiv auch schon verwendet, aber es ist natürlich schwierig. Dabei finde ich die Geschichte "drumherum", die gar nicht groß erwähnt wird, durchwegs interessant - er sperrt das Mädchen irgendwo ein und kann sie nicht mehr befreien (warum ihr Körper am Ende hinter einer eingestürzten Wand gefunden wird, hab ich nicht verstanden). Ich weiß nicht, vielleicht könntest du aus dieser Zeit noch eine ausführlichere Szene einbauen, den Auftritt des Mädchens besser vorbereiten - sie steht da schon sehr plötzlich, wie ich fand. Dabei sind es ja meist die Szenen, bevor man das "Monster" sieht, die stimmungsvoll und spannend sind. Wenn man erstmal gesehen hat, was der Autor aus dem Hut zaubert, ist es meist nicht mehr so interessant, wie wenn man es noch nicht weiß - das Unbekannte ist definitiv interessanter als das tote Mädchen, das im Horrorgenre halt auch immer gegenwärtig ist. Ich finde, da muss dann deinerseits noch ein wenig mehr kommen, um wirklich zu überzeugen.

Ich finde die Geschichte vom Thema her durchaus ansprechend - meine Kritikpunkte hab ich angebracht. Denke mit ein bisschen Arbeit ließe sich das ganz gut zu einer stimmungsvollen Horrorgeschichte aufwerten, so, in der Form, sehe ich da noch zu viele Lücken.

Abschließend - vielleicht überlegst du mal, ob du wirklich den Ich-Erzähler beibehalten willst. Wenn der seit Jahrzehnten in der Geschlossenen sitzt, weiß ich nicht, ob er so rational und distanziert über dieses Ereignis berichten kann. Find ich dann schwierig. Ich sehe jetzt auch keinen zwingenden Grund, warum das aus der Ich-Perspektive erzählt werden muss.

Hoffe du kannst mit meinen Anmerkungen was anfangen.

Schönes Wochenende & Grüsse
Schwups

 

Hallo Schwups,

vielen Dank für Deine ausführlichen Anmerkungen.
Ein paar davon habe ich umgesetzt.

Einige möchte ich erläutern.

Ich komm mit deinen Beschreibungen durcheinander. Also wir haben den blassen Mond, und obwohl die Straßenbeleuchtung nicht geht kann man etliche Details auf der Straße erkennen. Dann aber ist es plötzlich wieder stockdunkel. Vielleicht gehst du da nochmal drüber, ich fand das nicht konsequent.

Für mich passt es, weil in meiner Vorstellung die Straßenbeleutung nur in der Straße ausgefallen ist, in der die Brüder wohnen.


Bin nicht glücklich mit dem "diffus". Kann dir jetzt aber auch kein besseres Adjektiv auf die Schnelle vorschlagen. Vielleicht ganz weglassen?

Das habe ich echt ausprobiert, ich fand den Schatten "diffus".


- er sperrt das Mädchen irgendwo ein und kann sie nicht mehr befreien (warum ihr Körper am Ende hinter einer eingestürzten Wand gefunden wird, hab ich nicht verstanden).

Ich habe mir vorgestellt, dass es noch einen anderen Zugang irgendwo im Haus gab, den niemand kannte, denn der Bruder hat das Mädchen ja nicht eingemauert...

Die Idee, die Erzählperspektive zu wechseln, finde ich gut. Mal sehen...

Dank und Gruß

Karakum

 

Hallo Karakum!

Geschichten mit toten Mädchen, die mit schwarzen Haaren und in weißen Kleidern spuken, gibt es einige. Was ich hier interessant finde, ist der Hintergrund seines Ablebens. Die Kleine spielt mit Thomas und wird irgendwie und aus irgendeinem Grund eingesperrt. Thomas erleidet einen Unfall und über den Verbleib des Mädchens weiß sonst niemand Bescheid.

Was mir besonders angenehm auffällt an dem Text, ist der neutrale Erzählstil (bis auf einige Seitensprünge in die „gewählte“ Ebene) . Allerdings passt der Stil nicht zu einem Ich-Erzähler, der dieses furchtbare Ereignis selbst erlebt hat. Auch wird hier Ich-Erzähler typisches Potenzial zu wenig genutzt, nämlich die „Offenlegung“ der Innenwelt der Hauptfigur.
Der Text liest sich wie von einem auktorialen Erzähler geschrieben. Es werden vornehmlich Vorgänge und sichtbare Dinge beschrieben. Emotionen und Gedanken zur jeweiligen Situation bleiben außen vor.
Von daher ist es keine schlechte Idee (von Schwups), den Text mal in der dritten Person zu „testen“.

Es ist erst deine zweite Geschichte, und, das ist schon außergewöhnlich, ich kann bereits sagen, dass du mit einigen handwerklichen Dingen auf der richtigen Spur bist. Die durchschnittliche Satzlänge ist angenehm und variiert, extrem wenige Füllwörter, Anglizismen habe ich nur zwei entdeckt.
Lediglich einige verbrauchte Phrasen wie: heraufziehendes Gewitter, Straßen wirkten wie ausgestorben und so weiter, könnten durch eigene Kompositionen ersetzt werden.

Zusammengerechnet hat mir das kleine Horrorstück gefallen.

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Asterix!

Ich bin auf dem Sprung in den Urlaub.
Will mich aber trotzdem schnell noch bedanken für Deinen Kommentar. Da möchte man gleich weitermachen!
Aber jetzt geht es erst mal ab in die Wildnis.

Liebe Grüße

Karakum

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Karakum,

vergangenes statt letztes Jahrhundert, sonst ist Apokalypse gewesen


Kälte schlug mir entgegen. Und ein unbekannter, beißender Geruch.

Kälte und ein unbekannter, beißender Geruch schlugen mir entgegen.

Der Stil ist so ein Ding – kurze, knappe Sätze sind eher Spannungsliteratur 20. Jahrhundert. Da würde ich an einigen Stellen nachjustieren und aus zwei einen machen.

Was Schwups aufstieß, düngt mich ein interessantes Experiment, um mal im Tonfall zu bleiben. Gerade dass eine Geschichte, die 1997 oder was weiß ich spielt, konsequent erzählt wird, als hätte der Autor sich um 150 Jahre vertan, finde ich hier mal sehr spannend. Es passt ja auch zur TdT-Aufgabe. Insofern würde ich diese beabsichtigte epochale Unschärfe ruhig rausnehmen und Handys, Turnschuhe und Gangsta Rap drin vorkommen lassen. Das gibt einen ganz schrägen Effekt, der es glaube ich wert wäre.


holen.“, sagte es.

Punkt weg


Wir haben als Kinder zusammen gespielt.

Hatten


schrie die Stimme des Mädchens.

Schrie das Mädchen


Das Mädchen wich zurück, fast schwebte es.

Fast ist immer schwierig. Wie soll man sich das vorstellen, fast schweben? Schwebt sie oder nicht?


gleichen Wohnung,

selben


seit dem

seitdem


Weißes Kleid und lange filzige Haare … zieh' ihr ein ausgewaschenes Star-Wars-T-Shirt (nur ein Beispiel) an, und schon bist du ab vom Klischee in deiner ganz eigenen Geschichte.

Gerade bei Horror bin ich niemand, der darauf steht, wenn alles tot erklärt wird. Hier bleibt mir die Auflösung aber ein bisschen zu diffus. Die Leiche ist da plötzlich irgendwo eingemauert? Ich habe erst gedacht, der Bruder wäre ein Kindermörder gewesen o. ä.

Dass mir das nicht reicht, liegt glaube ich daran, dass so klassische Geisternummern dem Krimi sehr nahe kommen. Jemand ist tot. Warum? Was ist passiert? Der einzige Unterschied sind ja im Grunde die übernatürlichen Elemente, ansonsten gehört zur Unterhaltung in beiden Fällen m. E. eine zufriedenstellende, verständliche, vollumfängliche Auflösung.

Die hat mir am Ende gefehlt. Ansonsten fand ich es gar nicht schlecht.


Grüße
JC

 

Hallo Proof,

vielen Dank für Deinen Kommentar und Deine Anmerkungen.
Ich habe ein paar Sachen korrigiert, die mir nicht aufgefallen waren.


Gerade bei Horror bin ich niemand, der darauf steht, wenn alles tot erklärt wird.

Genau das wollte ich auch vermeiden. Ich habe die Auflösung der Phantasie des Lesers überlassen. Passt vielleicht nicht für jeden Leser.
Bei Horror geht das, finde ich. Bei Krimi wohl kaum.

Gruß

Karakum

 

Bei Horror geht das, finde ich. Bei Krimi wohl kaum.

Mnja, aber jetzt hast du schon ein bisschen meinen Punkt ignoriert, dass Geistergeschichten dem Krimi sehr nahe kommen. Da tut eine Auflösung echt ... ich will nicht sagen not, aber wohl zumindest gut.

Denk an ein ganz junges Beispiel, Mama. Als ich das erste Mal den Trailer gesehen habe, dachte ich, es geht um irgendeine nicht näher umschriebene Entität, die da in dem Wald haust und sich die Kinder krallt. Fand ich richtig cool, und da hätte ich keine Erklärung gebraucht, was genau denn die "Mama" eigentlich ist. Als dann aber nach fünf Minuten Film klar war, dass es doch auf eine recht traditionelle Geisternummer hinausläuft, da wollte ich wissen: Wer ist die Frau und was GENAU ist ihr passiert, dass sie da durch die Gegend spukt?

Die ganzen Asia-Sachen, das Hill House, Sixth Sense und The Others - da ist die Auflösung der Knaller, genau wie im klassischen Krimi (Was? DER PARKWÄCHTER?). Ohne fehlt was.

 
Zuletzt bearbeitet:

Mnja, aber jetzt hast du schon ein bisschen meinen Punkt ignoriert, dass Geistergeschichten dem Krimi sehr nahe kommen.

Ja, das stimmt wohl.

Da tut eine Auflösung echt ... ich will nicht sagen not, aber wohl zumindest gut.

Ich denke drüber nach.

Die ganzen Asia-Sachen, das Hill House, Sixth Sense und The Others - da ist die Auflösung der Knaller

Kenn ich alle nicht...
Mama auch nicht...

Ich schau mir gar keine gruseligen Sachen an, lese sie auch nicht.
Sollte ich vielleicht mal tun.

Danke schön

Kakakum

 

Hallo Karakum!
Dafür, dass Du überhaupt keine Horrorfilme oder Bücher liest, ist es Dir doch gelungen, eine ziemlich gruselige Atmosphäre aufzubauen. Die überflutete Wohnung, verlöschende Kerzen, die Semesterarbeit, die wie ein Teppich auf der Wasseroberfläche treibt, die Kälte - das hat schon was. Und der letzte Satz ist wirklich sehr gut, ohne Frage.
Dass ich mir dann doch nicht beim Lesen die Fingernägel abgekaut habe, mag daran liegen, dass ich schon Unmengen einschlägiger Filme und Bücher kosumiert habe und im Lauf der Jahre vermutlich ein bisschen abgestumpft bin. Trotzdem fühlte ich mich gut unterhalten und habe mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt, denn du schreibst äußerst anschaulich und flüssig. Ich persönlich finde die Erzählperspektive durchaus passend.
Herzliche Grüße
Harry

 

Danke, Harry,

für Deinen Kommentar.


du schreibst äußerst anschaulich und flüssig.

hört sich gut an!

nicht beim Lesen die Fingernägel abgekaut

Wäre ja noch mal eine Idee für eine Geschichte: Selbstverletzendes Verhalten nach Lektüre von..... Gruselig!

Ich persönlich finde die Erzählperspektive durchaus passend.

Hab mir inzwischen auch gedacht, dass ich erstmal mit der Geschichte abschließe und keinen Versuch mit einer anderen Erzählperspektive starte.


Schönen Sonntag noch

Karakum

 

Hallo Karakum

Karakum schrieb:
Ich schau mir gar keine gruseligen Sachen an, lese sie auch nicht.
Da finde ich es doch erstaunlich, wie dir diese kleine Gruselgschichte gelingen konnte. ;)
Irgendwo hast du da sicherlich was aufgeschnappt von eingemauerten Körpern, Stimmungsbildern à la Hitchcock, usw. denn sonst hätte deiner Fantasie wohl der Boden gefehlt. ;)

Kleinkram:

... wahrscheinlich als Folge des Wassereinbruchs, eine Wand eingestürzt sei, hinter der man die mumifizierte Leiche eines Kindes gefunden habe.
Ich würde hier "menschliche Überreste eines Kindes" schreiben.
Natürliche Mumifizierung findet normalerweise nur bei totalem Luftabschluss (Ausbleiben von Bakterien oder Insekten), oder extrem tiefen Temperaturen (Einschluss im Eis) statt. Du erwähnst einen zweiten, geheimen Zugang, was auf ein Tunnelsystem schliessen lässt.

Im Grossen und Ganzen gefiel mir die Geschichte, allerdings hätte ich mir ebenfalls etwas mehr Plot gewünscht. Die bereits erwähnten Logikkiller könnten dadurch sicher entschärft werden und das Verlegen der Erzählperspektive in die dritte Person würde ich ebenfalls begrüssen.
Du erwähnst zum Beispiel bei der Einleitung die Unterschiedlichkeit des Erzählers zu seinem Bruder:

Im Gegensatz zu mir nahm Thomas sein Studium nicht besonders ernst. Er bevorzugte es stattdessen, durch die Weltgeschichte zu reisen. Ich genoss die Vorteile seiner häufigen Abwesenheit genauso, wie mir die wenigen Monate seiner Anwesenheit behagten.
Im weiteren Verlauf spielt das für die Geschichte überhaupt keine Rolle mehr, da viel weiter zurückliegende Ereignisse die Schlüssel zur Heimsuchung bilden. Und dadurch wird es im Nachhinein zum überflüssigen Geplänkel.

Aber lass sie ruhig so stehen, denn ich freu mich bereits auf deinen zweiten Streich hier beim Sommer-TdS und wer weiss, vielleicht kriegst du ja Gefallen am Horror Genre.

Danke fürs Mitmachen,
Gruss dot

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo dotslash!

Irgendwo hast du da sicherlich was aufgeschnappt von eingemauerten Körpern, Stimmungsbildern à la Hitchcock, usw. denn sonst hätte deiner Fantasie wohl der Boden gefehlt.

Klar hab ich was aufgeschnappt.
Eingemauerte Körper kennt man ja spätestens seit dem Gespenst von Canterville. Aber der Film, an den ich mich erinnere, war eher lustig, wenn nicht sogar etwas albern. War aber auch nicht dicht am Buch. (ist ewig her, muss ich glatt noch mal lesen)
Klar kenn ich Hitchcock. Als letztens "Die Vögel" im Fernsehen kam, wollte keiner mit mir kucken, und allein hab ich mich nicht getraut. Tja, so ist das.


Vielen Dank für Deine Anmerkungen.

Hat mich sehr gefreut.

Karakum

 

Hallo Karakum,

Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Ein solides Stück Grusel, aus einem Guss.

Ich schließe mich Anakreon an, was den Sprachfluss des Einstiegs betrifft, wenngleich erst er mich auf den Gedanken gebracht hat, dass es sich ein wenig wie der Anfang einer Gruselgeschichte aus dem 19. Jhdt. liest (s. o.). Wobei ich den Ton durchaus dem 20. bzw. 21. Jhdt. angemessen finde. Aber in dieser traditionell wirkenden Einleitung liegt für mich ein gewisser Reiz, da sie den Leser mit jener Erzähltradition verbindet und entsprechende Stimmungen erzeugt.

Im weiteren finde ich den Spannungsbogen kontínuierlich zunehmend, ohne Überstürzung der Ereignisse nimmt der Erzählsog mich als Leser mit ins Geschehen. Nur das Einsetzen des Gewitters finde ich etwas zu schnell, hier könntest Du vielleicht schreiben, dass schon vorher Wolken in der drückenden Luft lagen oder das Gewitter überraschend schnell ausbrach. Manch anderer mag dies redundant finden, aber hier erschien mir der Fortgang der Dinge etwas zu konstruiert und auch das ansonsten gute Kopfkino schwächelte eine Sekunde lang... aber das ist sicher Ansichtssache :-).

Ansonsten lassen die Todesumstände des Mädchens bei schon eine Frage offen. Es geht nicht so sehr um das genaue Geschehen. Offensichtlich wurde die Kleine aber eingesperrt, ein Spiel, wie es Kinder bestimmt gerne mal spielen und das auch gefährlich ausgehen kann. Während des Spiels hat Thomas einen Unfall (was ist in etwa passiert - auch das ist mir eine Spur zu schnell erzählt, wirkt wieder konstruiert und entzieht der Erzählung leider Spannung, Dramatik und Tragik), und vielleicht war er längere Zeit ohne Bewusstsein. Aber sein Bruder hätte sich trotz der Angst um Thomas sicherlich irgendwann erinnert, dass ihre Spielfreundin irgendwo noch eingesperrt ist. Die Polizei hätte nach dem Mädchen gesucht und auch die beiden Jungen als Zeugen befragt, da sie das Kind ja als letzte lebend gesehen haben. Der Ich-Erzähler wäre, wenn ich mich an Deinen Text richtig erinnere, bestimmt zu jeder Zeit vernehmungsfähig gewesen, das Mädchen hätte gute Chancen gehabt, noch lebend und in einem rettungsfähigen Zustand geborgen zu werden.
Denkbar wäre natürlich, dass die beiden Brüder aus schlechtem Gewissen und Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen über das Geschehen geschwiegen hätten - wohl aber nicht, wenn sie gewusst hätten, dass ihre Freundin noch zu retten ist. Das wäre ihnen bestimmt spätestens nach ein paar Stunden eingefallen. Mit Verlaub, aber dass das arme Mädchen bis zur Mumifizierung unentdeckt in dem mauerloch bleibt, erscheint mir etwas zu kurz gegriffen. Aber hier interessiert mich die Meinung anderer Forumsteilnehmer, die sich mit Gerichtsmedizin und Tatprofilen besser auskennen.
Ich schreibe dies, weil so etwas auch immer meine eigenen Überlegungen beim Schreiben eines Textes sind (und manches Vorhaben auch schon überkritisch lahmgelegt haben ;-)).
Ansonsten mochte ich Deine Geschichte wirklich.

Gruß, Roger

 

Hallo Roger,

vielen Dank für Deinen Kommentar.
Ich freue mich, dass Dir meine Geschichte gefallen hat.

Ich hätte einiges besser herausarbeiten können oder sollen, vielleicht gelingt mir das bei der nächsten Geschichte.

Mit der Mumifizierung habe ich es mir wohl tatsächlich etwas zu einfach gemacht, das wurde schon öfter bemängelt, und sicher zu recht.
Da habe ich das "überkritische" über Bord geworfen, nach dem Motto "passt schon". So einen Fehler mache ich hoffentlich nicht noch mal.

Mit jedem Kommentar, den ich erhalte, lese ich meine Geschichte neu und erlebe sie etwas anders. Sie gefällt mir immer noch, obwohl ich sie jetzt nicht mehr so schreiben würde.

Vielen Dank, noch mal

Gruß Karakum

 

Hallo Karakum,

das mit der Mumifizierung gefällt mir gerade gut. Wenn es sich um ein Tunnelsystem handelt, ist es durchaus denkbar, dass dort drinnen Luftzüge für eine rasche Verseifung (Austritt des Unterhautfettgewebes) und Trocknung der organischen Gewebes sorgen. Mumifizierung wäre also pathologisch richtig angebracht. Und es gibt schließlich einige Beispiele für Bestattungen, bei denen Lufttrocknungs-Mumifizierung angewendet wurde: In der Krypta eines berühmten Kapuzinerklosters in Palermo, aber auch in Grabkapellen in Franken und Thüringen. Die Toten - größtenteils Adelige und Mitglieder bedeutender Familien - wurden dort in ihren Särgen deponiert, damit sie schnell mumifizierten. Bis heute sind sie z.T. gut erhalten, sogar Gesichtszüge noch erkennbar. Die Auffindung des Mädchens erinnert mich an den Film "Echoes - Stimmen aus der Zwischenwelt" mit Kevin Bacon, aber gerade die lapidare Erwähnung des Leichenfundes in der Presse verstärkt in meinen Augen den Grusel.

Als mögliche Auflösung Deiner Geschichte ist mir Folgendes eingefallen - was aber um Gottes Willen keine Vorschreibung sein soll - Dir muss eine Idee gefallen: Thomas und das Mädchen hatten beide einen Unfall in dem Labyrinth, aber das Mädchen ist dabei ums Leben gekommen. Über die Jahre haben die beiden Brüder darüber geschwiegen... nun fordert der Geist, dass die Wahrheit ans Licht kommt, und muss einen der beiden mit sich in die jenseitige Welt nehmen, damit er endliche Ruhe findet. Damit würde sich die Wendung Deinem Plot ja wieder anschließen. Eine klassische Ghost-Story, sicherlich, aber gut umgesetzt und wieder in neuer Gestaltung.

Die Kleidung des Mädchens: Vielleicht hier eine Rückblendenbeschreibung einfügen, die das Ganze plastischer macht? Z.B. "Die Sonne glänzte in ihrem hellblonden Haar, weiß leuchtete ihr Sommerkleid dazu" oder so (gut, klingt ad hoc vielleicht ein bisschen kitschig).

Das noch zur Ergänzung...

Viele Grüße
Roger

 

Hallo Karakum!
Ich könnte jetzt wirklich nicht sagen, diese Geschichte hat mir gefallen oder nicht gefallen. Ich bin schon die ganze Zeit am Überlegen, was genau (für mich) nicht gepasst hat.

Denn bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Mädchen erscheint, war ich nämlich ganz angetan. Hatte mir zwar einiges notiert, aber die Grundstimmung hat mir gefallen.
Bis zum Mädel.

Der erste Absatz war allerdings gar nicht mein Ding.
Hauptsatz. Hauptsatz. Hauptsatz.
Überhaupt nicht wie im 19.Jahrhundert. Solche kurzen abgehackten Sätze schreibt man um Spannung aufzubauen. Aber du willst ja zunächst mal einführen. Gerade der erste Absatz muss gelingen!
Da kommen wir dann auch wieder zum Mädchen:
Ich hätte es schön gefunden, wenn diese vergangene Episode schon zu Anfang einen kleinen Hall bekommen hätte, eine Nuance, eine klitzkleine Erwähnung (welcher Art, das müsste man genau überlegen), dass einem dann später ein Aha-Erlebnis ereilt.
Dann hätte ich mich auch mit der abrupten Wendung anfreunden können, die ja, zugegeben, vom Leser einiges abverlangt.

Heruntergefallene Äste und Dachziegel lagen auf überschwemmten Straßen.

Solche Logikfehler sind einige drin, mal drübergehen, nicht verzagen!

Dann prallte er zurück, stieß mit seinem Kopf gegen meine Brust.

Ich versuche die ganze Zeit, mir vorzustellen, wie groß der Bruder wohl ist. Der muss mindestens einen Kopf kleiner sein als der Protagonist. Was bei Brüdern, Vollbrüdern (heißt das so?), ungewöhnlich wäre.
Ist sicher nicht falsch, aber man stolpert unweigerlich drüber. Und dann ist man raus aus dem Lesefluss.

Ich watete orientierungslos durch die Dunkelheit, stieß gegen Möbelstücke, gegen die Deckenlampe...

:confused: Ist die runtergefallen, oder was? Oder ist der Protagonist so groß, dass er gegenstößt?
Oder habe ich was verpasst?

Nochmal zu dem vorhergehenden Absatz:

Heruntergefallene Äste und Dachziegel lagen auf überschwemmten Straßen.
Die schwüle Luft lag schwer auf unseren vom Alkohol benebelten Sinnen.
Als wir in unsere Straße einbogen...

Das sind unschöne und unnötige Wortwiederholungen, die, genau wie die vorherigen Sachen, mich aus dem Fluss bringen.

Die Temperatur sank ins bodenlose.
Ziemlich abgegriffen.

Ja, was mich noch gestört hat, war die Reaktion des Prot auf die Geistererscheinung. Eigentlich war ja keine Reaktion zu registrieren. Aber er nimmt das Ganze irgendwie völlig gleichgültig hin, dass da so'n Mädel steht und solch Zeug erzählt.
Ich bin ja immer für Kürze zu haben. Aber das Notwendige muss gesagt sein. Und das hier, auch der Rest, reicht mir nicht. Das ist mir zu schnell abgehandelt.

Ich lese sie jeden Tag.

Ach Herrjeh, ich finde, der letzte Satz hat so was von "Und da erwachte ich."
War nicht so mein Fall.

Also, wie gesagt, der Anfang hat mir recht gut gefallen, die Szene im Haus, als sie die Überschwemmung entdecken, sehr schön. Auch mit der Erzählperspektive hatte ich nicht so meine Probleme.

Den Stil hatte ich angesprochen, die stakkatogleichen Sätze gehören eher in die letzten Höhepunktszenen. Abgehackt und ohne Atem. Woanders wirken sie ermüdend.

Ach ja, und zwei Sachen hätte ich noch:

Proof hat dir da einen wunderbaren Vorschlag gemach. Hier haben einige Mitglieder einiges sehr kluges gesagt. Ich bin froh, dass ich diese Seite hier damals gefunden habe, und dass ich hier solange durchgehalten habe (länger auf jeden Fall, als die meisten hier). Aber ich ärgere mich darüber, dass ich die vielen guten Hinweise, die man mir Grünschnabel gegeben hat (und immer noch gibt), oft genug abgetan habe und der Meinung war, mein Werk ist perfekt. Das ist es nicht! Kein Werk ist das, und es lohnt sich immer, nochmal drüber zu gehen! Wenn man will, dass es annähernd perfekt wird.

Das zweite, ja:
Der Vorschlag von Proof, das Mädchen ein "ausgewaschenes Star-Wars-T-Shirt (nur ein Beispiel)" anzuziehen, ist genial! Es zieht den Leser wieder rein. Und es zeigt, dass man sich immer die Mühe geben sollte, nachzudenken und Details zu erfinden.
Du könntest auch das weiße Kleid schmutzig sein lassen, an den Rändern ausgerissen, mit Rüschchen besetzen oder was weiß ich. Bloß mach es individuell, damit ich es vor mir sehen kann!

Schöne Grüße von meiner Seite!

 
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Hallo Roger,
vielen Dank für Deine Erläutrungen zum Thema Mumifizierung. So viele Gedanken hatte ich mir drüber gar nicht gemacht. Jetzt interessiert es mich, ich werde einiges nachlesen und vielleicht bei anderer Gelegenheit anwenden.


Dir muss eine Idee gefallen: Thomas und das Mädchen hatten beide einen Unfall in dem Labyrinth, aber das Mädchen ist dabei ums Leben gekommen.

Die Idee gefällt mir tatsächlich.

Viel Grüße
Karakum

# # #

Hallo Hannibal,

auch Dir viele Dank für Deine umfangreichen Anmerkungen.

Hier haben einige Mitglieder einiges sehr kluges gesagt. ..... Aber ich ärgere mich darüber, dass ich die vielen guten Hinweise, die man mir Grünschnabel gegeben hat (und immer noch gibt), oft genug abgetan habe und der Meinung war, mein Werk ist perfekt. Das ist es nicht! Kein Werk ist das

Da gebe ich Dir absolut recht!
Ich sehe mich durchaus als Grünschnabel. Aber ich halte mein Werk nicht für perfekt und möchte aus guten Hinweisen lernen.

es lohnt sich immer, nochmal drüber zu gehen! Wenn man will, dass es annähernd perfekt wird.

Da gebe ich Dir nur bedingt recht. Ich habe in den ersten Wochen viele Anregungen angenommen und damit kleine Verbesserungen erreicht. Aber wenn ich alle guten Hinweise berücksichtigen wollte, käme ich nie zum Schluß und es wäre irgendwann auch nicht mehr meine Geschichte.
Also lasse ich sie stehen wie sie ist. Nicht perfekt.


Zitat von mir

Mit jedem Kommentar, den ich erhalte, lese ich meine Geschichte neu und erlebe sie etwas anders. Sie gefällt mir immer noch, obwohl ich sie jetzt nicht mehr so schreiben würde.

Viele Grüße
Karakum

 

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