Applaus
Gut, hier kommt noch mal eine letzte "Auch-für-Eltern-Geschichte", die haargenau so passiert ist, und die mir später als älteres Kind grottenpeinlich war, zumal sie natürlich auf jeder Familienfeier zum Besten gegeben wurde, hihi, jetzt liebe ich diese Begebenheit ...:
Applaus
Die kleine Susafee stand vor ihrem Spiegel im Kinderzimmer. Was für eine Pracht, dieses Samtkleid! Sonst hatte sie ja fast immer Jeans an, das war ja auch viel praktischer. Aber heute Abend durfte sie zum ersten Mal mit Papa in ein Konzert, und das ging natürlich nicht in "Räuberzivil". Ein Liederabend sollte das sein, bei dem verschiedene Sänger und Sängerinnen auftraten.
Auf dem Weg durch die abendlich erleuchtete Stadt erzählte ihr Papa, dass gute Sänger eine schwierige, langwierige Ausbildung durchlaufen müssten, bis sie auf der Bühne auftreten konnten. Susa war überrascht, fürs Singen brauchte man doch nur den Mund aufzumachen und ab geht’s! Sie selbst sang doch auch den ganzen Tag vor sich hin!
Gerade als sie den Parkplatz vor der angestrahlten Konzerthalle erreichten, sagte Papa noch: "Vergiss nicht, feste zu klatschen. Denn Applaus ist das Brot der Künstler!"
Aha, so war das also! Susa nahm sich vor, daran zu denken.
Schnell hatten sie ihre Plätze gefunden. Der dicke dunkelrote Samtvorhang hob sich endlich und eine mollige Sängerin sang ein Lied vom "Abendstern". Nachher wurde geklatscht, nur Susa verschränkte demonstrativ die Arme. Ihr Vater sah sie fragend an. "Hat es dir nicht gefallen?", flüsterte er. Aber ehe sie etwas sagen konnte, ging es schon weiter im Programm.
Diesmal betrat ein junger Mann die Bühne. Er war groß und dünn, hatte Schatten unter den Augen und ein sehr schmales Gesicht. Nach seinem Vortrag ebbte das Klatschen ab, doch in der dritten Reihe war Susa aufgesprungen! Als Einzige klatschte sie weiter und weiter, ihre Hände taten schon weh!
Alle Köpfe wandten sich dem kleinen Mädchen zu, das inzwischen auf seinen Stuhl geklettert war und immer noch weiter klatschte.
Mit hochrotem Kopf zupfte ihr Vater sie am Kleid und zischte ihr zu: "Nun hör doch mal auf, was machst du denn da oben?"
"Ja, aber Papa", antwortete sie laut und für alle hörbar, "Du hast doch gesagt, Applaus sei das Essen der Künstler? Und der Sänger eben sah schon ganz verhungert aus! Jetzt ist er aber bestimmt satt." Höchst zufrieden setzte sie sich unter dem Schmunzeln der Erwachsenen wieder hin.
Und ihr Papa nahm sich vor, auf dem Rückweg mit Susafee darüber zu sprechen, dass Erwachsene leider nicht immer wortwörtlich das meinen, was sie sagen ...