Appetit
Appetit
Ich will dich verstehen. Möchte wissen, wie es ist für dich, diese Lustbefriedigung an anderen Frauen. Dein Austausch mit fremden Säften, der nichts mit uns zu tun hat. Ein Ventil nur, für die Anspannung im erfolgreichen Alltag. Eine Fernbeziehung kann nur so funktionieren, hast du mir gesagt, und angefügt, dass du schließlich auch masturbierst. Das sei das selbe.
Also will ich es wissen. Will auch die Lust an einem fremden Körper spüren, um dir wieder näher zu sein.
Ich sitze im Konzert und beobachte ihn ganz genau. Er streichelt mit feinen Händen das Cello, zupft und zurrt daran, und bringt mit einem entrückten Lächeln Form in sein öffentliches Liebesspiel. Er ist der Richtige, ich habe meine Wahl getroffen. Ich werde den Reigen mit ihm beginnen. Ich stelle mir vor, dass ich da oben auf der Bühne sitze, zwischen seine Schenkeln gepresst, kein Entkommen möglich, mein Pulsieren dem angespannten Publikum entgegenschleudere, sie mitreiße in eine Wolke aus Mündern, Leibern, Umklammerungen. Ich bin erregt.
Alleine mit ihm. Er weiß noch nicht, dass er ein Auserwählter ist. Ich schenke ihm Wein nach. Lasse ihn meine Gier entfachen. Ich werde ihn mir nehmen. So wie die bei Cocktails von weißen Handschuhen dargeboten Delikatessen, an denen ich mich festhalte, wenn die Unterhaltung in verlegenes Schweigen abgleitet, die mich davor retten, den Mund zu weit zu öffnen, ihnen meine Langeweile auf den Nadelstreif zu spucken.
Ich lasse ihn reden. Erlaube ihm ein Bild von sich zu entwerfen, dass mir den Mund wässrig macht. Lege ihn vorsichtig in Aspik, drapiere ihn zärtlich auf ein Silbertablett und warte auf den richtigen Augenblick, der meine geschärften Sinne zuschlagen lässt. Er schweigt, erkennt, dass meine Zunge ihn bereits ertastet hat, ihn umschlingt, ihn festhält. Zu spät. Es ist an der Zeit seine ausführlich beschriebene Männlichkeit zu beweisen.
Ich genieße seine Angst.
Ich sehe ihm zu wie er mich entkleidet, lasse ihn in dem Glauben, dass er das Spiel bestimmt. Dankbar stechen meine Brustwarzen hervor. Er saugt sich fest, ersaugt ihren Daseinssinn, saugt dich weg, mich, uns, ich bestehe nur mehr aus diesen beiden festen Hügeln, die besiegt werden wollen.
Er kniet vor mir, schlägt meine Beine auseinander, wirft sie über seine Schultern, verschwindet ihn mir. Ich schließe die Augen, bin Körper, nasser Teil meines Körpers, beobachte meine Lust, wie sie hervorkriecht, sich breit macht in allen Venen, die Muskeln zum letzten Sprung anspannt. Stöhnend zwinge ich ihn, mit seiner Zunge meinem Rhythmus zu folgen. Ich sehe mir zu wie ich komme.
Das war leicht. Du hattest recht. Es hat nichts mit uns zu tun.
Jetzt will auch er seinen Preis für einen langen Abend mit beifallsheischenden Monologen. Sein nackter Körper presst sich an mich, verlangt nach Anerkennung. Ich lasse meine Finger darüber streichen, ertaste seine Glasur, bohre in Höhlungen, reiße sie auf, verändere die Silhouette, zerstöre den perfekten Scherenschnitt. Es ist ein guter Körper, muskulös, stark, behaart. Ich gleite nach unten, will den Beweis zwischen meinen festen Lippen spüren. Da liegt sie, seine Männlichkeit, klein und zart, regungslos, will sich verstecken. Ich verspüre keine Lust ihn zu befriedigen. Blicke nach oben, und sehe wieder die Angst in seinen dunklen Augen. Ich lasse ab. Lasse ihn frei. Das Opfer hat seine Schuld getan, meine Schuld. Erleichtert zieht er sich an, geht. „Wenigstens der Wein war gut“, sagt er mir zum Abschied.
Es hat nicht mit uns zu tun. Ich will deine Stimme hören, rufe dich an, es ist drei Uhr nachts. Du antwortest nicht. Lass es dir schmecken, Baby.