- Beitritt
- 12.04.2007
- Beiträge
- 6.497
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Apocalypso
Gut und gern hätte das Fest einem größeren Imperator Rex angestanden, kündeten die Medien allem Volk, als letztens der Pontifex maximus am Nabel der Welt gefeiert wurde. Dort, wo an der Epistelseite des Langhauses der alte Brückenbauer friedvoll und bescheiden mit gefalteten Händen aufgebahrt im schlichten Holzsarg liegt unter - es gibt keinen besser'n und treffenderen Ausdruck: einem überlebensgroßen, geradezu naturalistischen Dreinagelkruzifix zu seinen Häupten, dass der Verstorbene zu Füßen und im Angesicht seines Herrn zu liegen käme.
Aber eindrucksvoller noch als dieses kunstvolle Arrangement wirkte den Massen der Auftritt des Rex sacrorum.
Das selbstbewusste Haupt des Heiligen Offiziums der Inquisition schritt der Würde des Amtes angemessen langsam und bedächtig die schier endlos erscheinenden Stufen zum Sarge hinab. Es war in fürstliches Purpur gehüllt und – vor allem! – mit sich selbst und der Welt zufrieden, hatte man doch soeben den Bart Bakunins mitsamt dem letzten Hemd Netschajews dem Höllenfeuer übergeben und ihn, den Rex sacrorum zum künftigen Imperator gekürt.
Plötzlich jedoch zuckten jene geladenen Staatsgäste zusammen, die reinen Glaubens waren, erkannten doch allein sie voller Entsetzen, dass der Gehenkte vom Galgen herabgestiegen und dem designierten Nachfolger seines irdischen Stellvertreters entgegentreten war, um ihm etwas zu flüstern –
worüber sich der kommende Imperator Rex wider all seine Natur erregte.
„Musst Du gerade heute niederkommen?!“, meinte er noch überlegen und um somit gelassen fragen zu können.
„Wat mut, dat mut“, gab der Flüsterer zurück.
Die flapsige Antwort war dem andern zu viel.
„Kennst Du denn kein Gefühl fürs richtige Timing?“, schrie der zurück. „Erkennst Du denn nicht, wie sehr Du die Feier Deines armen Dieners störst? -
Es ist nicht die Zeit einer Wiederkunft! Allein das Heilige Offizium und Wir werden dafür den richtigen Zeitpunkt bestimmen“, und zischte drohend „Kehr um!, zurück an Deinen Platz, Lump!, und komm nie, nie wieder, auf dass ich Dich nicht richten muss!“, als Unbegreifliches geschieht …
Eine Sensation fürs große Publikum wie für die hohe Quote, und doch - auf halbem Wege zum Sarg rudert mit seinen Armen der kommende Imperator Rex. Schaum trägt er vorm Mund. Er bellt hinein ins Blaue gleich einem tollwütigen Köter, strauchelt, stolpert und poltert die restlichen Stufen der großen Showtreppe hinab, dass ein Raunen und Stöhnen um die Welt geht. Und wie die Schleusen des Himmels sich öffnen und es finster wird auf Erden, wird die nach oben hin offene Richterskala gesprengt und zerreißt es die Vorhänge der Tempel der Chephren und Salomo, die Zikkurats hinauf zu Herodes und hin zu den Prachtbauten der Iuno Moneta.
Die wenigen aber, die reinen Herzens sind, erkennen und sind außer sich, wie in einem winzigen Augenblick die Füße der beiden Männer sich berühren, bevor der Gescholtene sich in aller Ruhe wieder an seinen Platz am Dreinagelkruzifix begibt, als wäre nicht soeben der designierte Imperator Rex kopfüber in die Hölle gesaust, grollend und mit lautem Getöse.
Wie wir soeben aus wohlunterrichteter Quelle erfahren, haben die Verwaltungsgremien der Fernsehanstalten auf vielfachen Wunsch beschlossen, das Event in Sondersendungen zur je günstigsten Sendezeit live und authentisch zu wiederholen.
Heino und Heintje schreiben dazu die Filmmusik. Madonna wird ihrem Sohn auf der Showtreppe beistehen und Lady Gaga dem Höllenhund Fleisch sein.