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Apocalypso

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12.04.2007
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Apocalypso

Apocalypso

Gut und gern hätte das Fest einem größeren Imperator Rex angestanden, kündeten die Medien allem Volk, als letztens der Pontifex maximus am Nabel der Welt gefeiert wurde. Dort, wo an der Epistelseite des Langhauses der alte Brückenbauer friedvoll und bescheiden mit gefalteten Händen aufgebahrt im schlichten Holzsarg liegt unter - es gibt keinen besser'n und treffenderen Ausdruck: einem überlebensgroßen, geradezu naturalistischen Dreinagelkruzifix zu seinen Häupten, dass der Verstorbene zu Füßen und im Angesicht seines Herrn zu liegen käme.

Aber eindrucksvoller noch als dieses kunstvolle Arrangement wirkte den Massen der Auftritt des Rex sacrorum.
Das selbstbewusste Haupt des Heiligen Offiziums der Inquisition schritt der Würde des Amtes angemessen langsam und bedächtig die schier endlos erscheinenden Stufen zum Sarge hinab. Es war in fürstliches Purpur gehüllt und – vor allem! – mit sich selbst und der Welt zufrieden, hatte man doch soeben den Bart Bakunins mitsamt dem letzten Hemd Netschajews dem Höllenfeuer übergeben und ihn, den Rex sacrorum zum künftigen Imperator gekürt.

Plötzlich jedoch zuckten jene geladenen Staatsgäste zusammen, die reinen Glaubens waren, erkannten doch allein sie voller Entsetzen, dass der Gehenkte vom Galgen herabgestiegen und dem designierten Nachfolger seines irdischen Stellvertreters entgegentreten war, um ihm etwas zu flüstern –
worüber sich der kommende Imperator Rex wider all seine Natur erregte.

„Musst Du gerade heute niederkommen?!“, meinte er noch überlegen und um somit gelassen fragen zu können.
„Wat mut, dat mut“, gab der Flüsterer zurück.
Die flapsige Antwort war dem andern zu viel.
„Kennst Du denn kein Gefühl fürs richtige Timing?“, schrie der zurück. „Erkennst Du denn nicht, wie sehr Du die Feier Deines armen Dieners störst? -
Es ist nicht die Zeit einer Wiederkunft! Allein das Heilige Offizium und Wir werden dafür den richtigen Zeitpunkt bestimmen“, und zischte drohend „Kehr um!, zurück an Deinen Platz, Lump!, und komm nie, nie wieder, auf dass ich Dich nicht richten muss!“, als Unbegreifliches geschieht …

Eine Sensation fürs große Publikum wie für die hohe Quote, und doch - auf halbem Wege zum Sarg rudert mit seinen Armen der kommende Imperator Rex. Schaum trägt er vorm Mund. Er bellt hinein ins Blaue gleich einem tollwütigen Köter, strauchelt, stolpert und poltert die restlichen Stufen der großen Showtreppe hinab, dass ein Raunen und Stöhnen um die Welt geht. Und wie die Schleusen des Himmels sich öffnen und es finster wird auf Erden, wird die nach oben hin offene Richterskala gesprengt und zerreißt es die Vorhänge der Tempel der Chephren und Salomo, die Zikkurats hinauf zu Herodes und hin zu den Prachtbauten der Iuno Moneta.

Die wenigen aber, die reinen Herzens sind, erkennen und sind außer sich, wie in einem winzigen Augenblick die Füße der beiden Männer sich berühren, bevor der Gescholtene sich in aller Ruhe wieder an seinen Platz am Dreinagelkruzifix begibt, als wäre nicht soeben der designierte Imperator Rex kopfüber in die Hölle gesaust, grollend und mit lautem Getöse.

Wie wir soeben aus wohlunterrichteter Quelle erfahren, haben die Verwaltungsgremien der Fernsehanstalten auf vielfachen Wunsch beschlossen, das Event in Sondersendungen zur je günstigsten Sendezeit live und authentisch zu wiederholen.

Heino und Heintje schreiben dazu die Filmmusik. Madonna wird ihrem Sohn auf der Showtreppe beistehen und Lady Gaga dem Höllenhund Fleisch sein.

 

Lieber Friedel

Noch nach Jahrzehnten durch Fellinis Satyricon verwirrt, bekunde ich Mühe, mich so richtig in dieser Welt von Überzeichnungen hindurchzufinden und zugleich den Mundwinkeln ein unkontrolliertes Muskelspiel zuzugestehen. Doch der Titel war mir zu zweideutig, um ihn ungedeutet ad acta zu legen. Ein apostolischer Calypso!
Erst schwankte ich, spielst du nun auf Sigismundus – Rex et Imperator an, doch war es meine eigene Finte. Natürlich den altrömischen Opferkönig bringst du da ins Spiel. Und wenn ich deiner Verschleierungstaktik annähernd folgen konnte, der Träger des anulus piscatoris ist gemeint, einem Deutschen im römischen Exil. Sein Besuch konnte natürlich nicht einfach spurlos an dir vorübergehen. Jetzt musste ich die Geschichte nochmals unter diesem Vorzeichen lesen.

Ich hatte das stattgefundene Zeremoniell in den Medien nicht mitvollzogen, sodass ich jetzt nun wahrscheinlich an den falschen Stellen lachte. Dass für den Pontifex Barthaare Bakunins verbrannt wurden, war so eine Szene, meinte ich doch, er verehre ihn heimlich.

Das Verlassen des Galgens war dann schon ein harter Gang, die Worte, die du uns vorenthältst, müssen wir Leser aus dem Zornesausbruch des Pontifex deuten. Ihm die Schau zu stehlen, ja, ja, das ist arg.

Was ich vermisste, war die genaue Sendezeit und der Sender, damit wir es auch Live nachvollziehen können. Nun ist es wahrscheinlich schon bachab?

Hier bleibt mir nur, mit einem Augenzwinkern mein Raten aufzugeben.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Ein apostolischer Calypso!,
ja, so soll's auch wirken,

lieber Anakreon,

und da ich mich nicht unbedingt fürs Fernsehprogramm interessiere, wusst ich noch gar nicht, dass ich eine Kurzfassung eines Sex-Teilers im CDF ablieferte. Nun ja, nun hab ich's geborg(ia)t. Ich würde dem Team noch vorschlagen, einen eineinhalbten Prager Fenstersturz einzufügen ...

Dass ich zudem auch nicht an Benedikt XV. + 1 vorbeikomme, ist seit Karl Kraus und Blaine kein Geheimnis.

Interessant, Deine Seitenhiebe nebst -wegen.
Aber an der falschen Stelle kann man gar nicht lachen.
Bzgl. Sender + -zeit vermag ich - s. o. Geständnis - auch keine genaue Auskunft zu geben. Lassen wir uns überraschen, was die Mainzelmännchen von den Mafiosi halten.

Dank Dir fürs Lesen & Kommentieren!

Gruß

Friedel

 

Hallo Friedel, alter Eklektiker,

endlich ein Text von dir in meiner Rubrik, der allen formalen Kriterien genügt und auch noch satirisch ist. Zwei Besuche auf Wikipedia belehren mich über die Verbreitung des Dreinagelkruzifix seit der Gotik und die Rolle des Rex Sacrorum im Alten Rom. Darüber hinaus, quasi als Bonuspunkt, habe ich vom Papstbesuch Ende September erfahren. Alles in allem habe ich also von der Lektüre dieser kleinen Geschichte profitiert.

Was die in den Text verwobenen Scherze und Seitenhiebe betrifft: Möglicherweise könnten auch die mich begeistern, wenn sie in einer besser zu meinem Humorverständnis kompatiblen Sprache verfasst wären. ;)

Beste Grüße,

Berg

 

Ach Fritz,

Du weißt doch, dass ich kein Elektriker bin, selbst wenn ich mal unter Strom steh. Aber ich will ma' nich' päpstlicher sein als der Papst aus Wittenberg es je war, es freut mich, dass ich Gnade vor Deinem Auge finde. Und dann noch was gelernt ...

Dat ich dat noch ma' erleben darf! - Hab ich'n noch'n Bock oder darvet auch'n Pilsken sein?

Allein was mich stört ist die Eigentumsordnung wie die Besitzverhältnisse, die mit dem schliechten

endlich ein Text von dir in meiner Rubrik
behauptet wird -
was hoffentlich keine Jaaberrebellion auslösen mag.

Was dann das Wortmonstrum

Möglicherweise
betrifft gibt's nur den uralten Rat: Selbst sei der Mann! Humor hat man - der eine mehr, der andre weniger - oder auch gar nicht.

Und dennoch: Danke fürs Lesen & die Stellungnahme!

Gruß

Friedel

 

Hallo Friedrichard,

so, hab mir eine Geschichte von dir mit möglichst wenigen Klicks rausgesucht.

Mein Schmunzeln hielt sich in Grenzen; zu sehr war ich damit beschäftigt, möglichst viele Anspielungen verstehen zu wollen. Die Sprache ist ja der dargestellten Szene angemessen, und die unerwünschte Wiederkunft eine schöne Idee.
Leider hat sich ja realsatirisch die Kirche sich selbst entblößend übertroffen, als eine Frau durch ihre Krankenhäuser samariternegierend der Herberge verwiesen wurde.
:confused: Oh, dein Stil färbt auch auf den Thread ab.

Zwei Fehlerchen:

besseren
Madonna wird ihrem Sohn auf der Showtreppe beistehen

Gruß, Elisha

 

Hallo Friedel,

hat Elisha dem Tanz der Kardinäle zu einer Wiedergeburt verholfen? Ist eine gute Idee von Dir, Elisha, in der Vergangenheit herumzuwühlen, um vermeintlichen Leichen zur Auferstehung zu verhelfen. Und das an Pfingsten, dem Tag der Geburt der Kirche.
Abendländische Religionsgeschichte als Show: Die Welt sucht einen Rex Sacrorum. Hat ihn gefunden und vernichtet. Die Regina Sakrorum schmort nun auch bei den Heiligen Gagaga Gaa. Und das wird in Endlosschleife im Hintergrund bei der Tagesschau und bei heute zu sehen sein, damit die Zuschauer endlich kapieren, wo der Bartel den Absinth herholt.
Nur mit Heino, ich weiß nicht, Friedel, und Heintje, hat von denen doch keiner je so calypsot, dass es Spaß machte, dann schon Tipitipitipso: "Wer ist die Tipse?“ Hat schon jemand mal die Geheime Offenba(h)rung vertont?
Totus Mundus agit Histrionem - schön von Dir dargestellt, verschlüsselt mit vielen Bezügen, immer das Gleiche entdeckend: Show, auch bei meinem Namensvetter, der stellvertretend dich von mir grüßt und warnend seinen Finger hebt und sagt
„Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Heilige!“
in Ewigkeit, Amen.
Wilhelm Imperator Rex

 

Das ist aber schön, dass Ihr zwo zu dieser heil'gen Zeit dieses nahezu unbeachtete Werkchen ausgegraben habt und auch den Nachweis der Fälle-Falle bei mir finden konntet. Schön, dass trotz der Mühsal, die ich bereite, dennoch ein wenig abfärbe. Hier nun

es gibt keinen bessern und treffenderen Ausdruck:
werde ich im Zwiespalt bessern/besseren diplomatisch den Apostroph in seine angestammte Rolle,

liebe Elisha.

Aber,

lieber Wilhelm,

wer ist "Tipitipitips"? - Katharina V.?

Gut, dass A. noch nicht von der Welt abgeschnitten ist und bei einem Kaffee (nein, kein Genever!) ein Schlüsselbord mit Anschluss ans weltweite Gewebe sich finden ließen.

Schöne Restpfingsten wünscht der

Friedel

 

Also, Friedel,

hiermit kann ich Dich kv stellen zur Sangeskunst mit K. V.
Ist doch lange her.
Gut, dass Du ins Netz gefallen bist, besser als Artist in der Zirkuskuppel
ratlos oder als Kardinal am Omphalos infernolisiert.
Herzliche Grüße
Wilhelm

 

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