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Anschlag auf Gott

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10.08.2017
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Anschlag auf Gott

Rollte eine Bowlingkugel die Treppe hinab? Die Dame aus dem Erdgeschoss wunderte sich und schritt in den Hausflur. Am Fuß der Treppe lag die junge Frau aus dem ersten Stock. Blutüberströmt. Tot. „Allahu akbar“, brüllte jemand von oben. „Allahu akbar!“

Sein Gesicht klatschte auf das Laminat, der Strick fiel ihm ins Genick und die Gewindeschraube trieb sich in seinen rechten Handrücken. Betonstaub verteilte sich im Zimmer. Röchelnd raffte er sich auf, nahm die Schlinge vom Hals und drückte eine Socke auf die Wunde. Eine blutige Nase und ein Loch in der Flosse. Das Attentat des homophoben Islamisten war gescheitert. Er zerknüllte das Abschiedsmanifest und warf es aus dem Fenster. Dass es unten auf der Wiese jemand auflesen und die Polizei informieren könnte, war ihm schnurzegal.

Elf Menschen hatte Amri überfahren und beinahe wären es zwölf Opfer geworden, wenn die Altbaudecke kein Knäckebrot gewesen wäre. Die süße Vorstellung, der Held der Tragödie zu sein, hatte ihn darüber hinweggetröstet, die Zeitungsberichte vom Mord des Amri aus der Ferne an einem Homosexuellen zu verpassen. Sein Manifest wäre in die Literaturgeschichte eingegangen.

Homosexuell war er nicht, aber das wusste niemand. In der ersten Fassung hatte er geschrieben, dass er nach seiner letzten Freundin die Liebe zu Männern entdeckt hatte. Aber eine Freundin hatte es nie gegeben, außerdem klang das nicht nach einem Helden. Ein Held war Richard Dawkins. Der Mann hatte erkannt, was uns alle zerstören würde: die Religion, jede Religion. Abartig sind die Religiösen. Sie glauben nicht nur an Märchen, sondern zwingen auch anderen ihren Gotteswahn auf. Wer nicht mitmacht, wird getötet. Und weil Liebende gleichen Geschlechts in Jahrtausende alten Werken von Wahnsinnigen verteufelt wurden, machen deren Anhänger Jagd auf sie. Diskutieren kann man mit Religiösen nicht. Sie hören ebenso wenig zu wie die Verbrecher in Weiß, die man anfleht, auf die Zwangsjacke zu verzichten.

Hunderte Stunden von Serien und Ego-Shootern später kochte ihm das Blut. Die Ehe für alle war verabschiedet worden. Dafür interessierte er sich weniger, aber die Reaktionen der fundamentalistischen Christen in Facebook ließen seine Pulsadern austreten. Von Fehlentwicklungen und Irrungen war die Rede, Jesus wurde zitiert und Kardinal Marx wollte vor das Verfassungsgericht ziehen. Wie die Islamisten. In Facebook schrieb er sich die Finger wund, aber das reichte nicht. Er musste endlich zur Tat schreiten. Könnte er mit einem Lastwagen den Kardinal zum Schweigen bringen? Nein, denn weder wusste er zu fahren, noch besaß er Kontakte zum Verfassungsschutz. War nicht seine junge Nachbarin, gleich nebenan, eine Christin? Ihr Kreuz um den Hals war ihm nicht entgangen. Aber vielleicht war sie nur evangelisch. Er stellte die dritte Wodkaflasche auf den Tisch und schwankte zu ihrer Wohnungstür. Er klingelte. Sie öffnete ihm. Einerseits ein hübsches Mädchen, andererseits würde sie mit Burka auch als Islamistin durchgehen.

„Hallo“, sagte er. „Hast du eine Tüte Mehl für mich?“
Sie zögerte. „Klar, einen Moment bitte“, sagte sie und ging in ihre Küche. Er folgte ihr.
„Was hältst du von der Ehe für alle?“
„Was?“ Sie erschrak. Nervös suchte sie nach dem Mehl. „Die Ehe für alle?“
„Das ist eine einfache Frage.“ Er baute sich vor ihr auf.
„Ich halte nichts davon, denn die Ehe besteht aus Mann und Frau, oder?“ Ihre Stimme zitterte. Sie kannte ihn nicht und hatte nur geraten. Falsch geraten.
„Ich wusste es!“, brüllte er. Er zog das Steakmesser aus dem Holzblock und rammte es ihr in die Brust. Es knirschte so schön, hatte er eine Rippe gespalten? Dann in den Bauch, butterweich. Sie schrie wie ein Mädchen und rannte aus der Wohnung, taumelte im Hausflur, hing am Treppengeländer. Ab hinterher und dreimal in den Rücken. Es floss wie frischer Traubensaft, nur dicker. Ein kräftiger Tritt und sie rollte die Treppe hinunter. Hoffentlich war er nicht an der Reihe, die Treppe zu wischen. Unten schlug ihr Kopf auf. Die alte Frau aus dem Erdgeschoss kreischte. „Allahu akbar“, grölte er. „Allahu akbar!“

 

Hallo Craig,
erstmal herzlich Willkommen.

Zu deiner KG: Ich finde es etwas schwer zu folgen. Der Anfang ist das Ende, soweit habe ich es verstanden, aber was ist dann. Springst du nur einmal zurück und erzählst dann chronologisch? Oder springst du hin und her? Und ist das bis auf den Anfang immer die gleiche Person?
Das kann ich nicht so ganz glauben, dass jemand nachdem er elf Menschen überfahren hat noch nicht identifiziert und auf der Flucht sein soll. Zumindest nach "Hunderten Stunden".Nicht bei den ganzen Kameras, die es überall gibt. Aber dazu kann ich nicht wirklich etwas sagen. Ich habe mich damit noch nicht wirklich beschäftigt.
Dann ermordet dein Prot seine Nachbarin. Das erste was mich stört, befindet sich schon vorher:

War nicht seine junge Nachbarin, gleich nebenan, eine Christin? Ihr Kreuz um den Hals war ihm nicht entgangen. Aber vielleicht war sie nur evangelisch.
Wie, nur evangelisch? Das hört sich so an als wären evangelische Menschen keine Christen.
Dann ermordet er sie mit einem Küchenmesser. So weit so gut. Hier wird gleich klar, dass dein Prot nicht ganz normal ist
Es knirschte so schön, hatte er eine Rippe gespalten?
Auf jeden Fall sollte hier statt dem Komma ein Punkt hin.
Dann stößt er das Messer einmal in die Brust und einmal in den Bauch und sie kann immer noch rennen? Etwas unglaubwürdig und meiner Meinung auch mit Adrenalin nicht zu erklären.
Sie schrie wie ein Mädchen und rannte aus der Wohnung, [...]
Sie ist ein Mädchen oder vielmehr eine junge Frau, von daher passt erstens die Aussage nicht wirklich bzw. vermittelt, was du aussagen möchtest, und zweitens ist m.M. nach dieser Zusatz sowieso überflüssig.
Ab hinterher und dreimal in den Rücken.
Unschön. Vielleicht wäre etwas wie "Er lief ihr hinterher und stach noch dreimal in ihren Rücken" besser.

Hoffentlich war er nicht an der Reihe, die Treppe zu wischen.
Makabrer Humor, nett.

Was ich wirklich gut finde ist, dass du aktuelle Themen in deine Geschichte einarbeitest.
LG Scribo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Craig,

verstehe ich nicht - die Ablehnung von gelebter Homosexualität verbindet die Fundamentalisten fast aller Religionen, insbesondere jene bei den Moslems und Christen? Das kritisiert er einerseits und meint, das Schlimme an den Religionen sei:

Wer nicht mitmacht, wird getötet.
. Dann aber handelt er genau so, wie er es kritisiert? Und brüllt dabei „Allahu akbar!“?? Ich frage mich deshalb, was diese Geschichte bedeuten soll, worauf sie hinausläuft? Mir fehlt da der Zugang. Wieso ist das ein Anschlag auf Gott wenn er dazu ruft: "Gott ist am größten?" Reichen Ballerspiele und seltsame Diskussionen im Foren, um seinen verqueren Hass zu erklären? Für mich fehlt da noch einiges an Verständnishilfen - und der 'Humor' ist in dem Zusammenhang leider auch nicht meine Sache.
Auch wenn mich dies jetzt nicht überzeugt hat, viel Spaß hier weiterhin!

Viele Grüße,

Eva

 

Hallo Scribo und Eva Luise Groh,

danke euch beiden für euer Feedback.

Viele Grüße,
Craig

 

Hallo Craig,

herzlich willkommen!

Ganz unten auf der Seite findest du den Button „Stichworte bearbeiten“. Da kannst du deinem Text bis zu drei Tags zuordnen. Meine Empfehlung: Satire. Immerhin zeigt der Text das Ausmaß der vorherrschenden Verwirrung, besonders derer, die sich geeignet dafür sehen, sich in der Öffentlichkeit zu dem Themenkreis zu äußern.

Gruß

Asterix

 

Hi!

danke euch beiden für euer Feedback.

Bisschen dünn. Stell dir vor, Scribo und Eva hätten geschrieben:

"Unverständliche Geschichte. Gruß" oder "Würd ich überarbeiten. Viel Spaß noch".

Auch nicht so doll, oder?! Leier dir also ruhig mal etwas längere Anmerkungen zu den Kommentaren aus den Rippen.

Gruß, EISENMANN

 

Hallo Eisenmann,

ich halte es für schlechten Stil, wenn ein Autor seine Geschichte erklärt oder verteidigt. Feedback ist sehr sinnvoll, Verteidigung oder Erklärung aber nicht. Das ist nicht der Sinn einer Geschichte. Ich erkenne, dass die Geschichte verschieden, zu verschieden, verstanden werden kann, dass ich es also mit den Anspielungen auf viele verschiedene Ereignisse und Stereotypen vermutlich übertrieben habe, sodass nicht das verstanden wird, was ich vor Augen hatte, sondern etwas anderes – insbesondere Eva hat etwas ganz anderes verstanden, Scribo war näher dran, hat aber auch die Erwähnung des Amri anders gedeutet, als von mir beabsichtigt, was jeweils mein Versagen ist. Statt es zu erklären, müsste ich es besser in einer neuen Fassung einbringen.

Grüße
Craig

 

Hi craig!

ich halte es für schlechten Stil, wenn ein Autor seine Geschichte erklärt oder verteidigt.
Yep, kann man durchaus so sehen! Ich bin auch der Meinung, dass man seine Erzählung verfehlt hat, wenn man sie erklären muss. Bei einer Verteidigung kommt es vielleicht eher darauf an, anderen Meinungen entgegenzutreten und seinen eigenen Standpunkt zu vertreten. Das finde ich jetzt nicht unbedingt schlecht in dem Sinne.

Mein ursprünglicher Kommentar bezog sich ja auch mehr darauf, dass es im Allgemeinen nicht so gut ankommt, auf mehr oder weniger ausführliche Kritik und Feedback nur mit nem Einzeiler zu reagieren. Wer sich Mühe mit einem Kommentar macht, hat auch Mühe bei der Antwort verdient - das ist auch schon die ganze Crux an der Sache.

In diesem Sinne viele Grüße vom EISENMANN

P.S. Ach so - eines vielleicht noch:

[...] was jeweils mein Versagen ist.

Na komm, sei nicht so hart zu dir - das erledigen die Kritiker hier schon für dich!!:D

 

Bei einer Verteidigung kommt es vielleicht eher darauf an, anderen Meinungen entgegenzutreten und seinen eigenen Standpunkt zu vertreten. Das finde ich jetzt nicht unbedingt schlecht in dem Sinne.

Bei einer veröffentlichten Geschichte für ein breites Publikum finde ich auch das schlecht. Aber hier besprechen wir ja Geschichten, also ist es hier im Forum nicht schlecht, da stimme ich dir zu.

Mein ursprünglicher Kommentar bezog sich ja auch mehr darauf, dass es im Allgemeinen nicht so gut ankommt, auf mehr oder weniger ausführliche Kritik und Feedback nur mit nem Einzeiler zu reagieren. Wer sich Mühe mit einem Kommentar macht, hat auch Mühe bei der Antwort verdient - das ist auch schon die ganze Crux an der Sache.

Da hast du recht. Also hier die Auflösung (die eigentlich nicht notwendig sein sollte): Die Hauptperson ist ein Religionshasser mit Psychosen. In der ersten Szene versucht er sich selbst umzubringen, um seinen Tod auch dem Attentäter Anis Amri anlasten zu können, was er in seinem Abschiedsbrief festgehalten hat. Die Decke ist aber bröselig, daher scheitert das Erhängen. Er hasst alle Religionen, auch wegen ihrer Ansicht zur Ehe für alle, weswegen er seine Nachbarin danach fragt und sie dafür tötet. Das alles ist vor wenigen Tagen tatsächlich geschehen, außer der Selbstmordversuch, der ist erfunden. Das war es eigentlich schon. Die Idee eignet sich wohl nicht besonders, da das Element der Umkehr fehlt. Aber auch die Umsetzung verlangt vom Leser, dass er fast alles weiß, was ich weiß. Das ist nicht gut, das habe ich dank euch verstanden.

 

Hi Craig,

diese Hintergrunderklärung war nun ja nicht allzu lang, und schon wird die Sache ziemlich klar. Meinst du nicht, du kannst die Infos irgendwie in die Geschichte schmuggeln? Nichts ist leicht, wenn es gut gemacht sein soll, aber der Aufwand erscheint in dem Fall zumindest überschaubar. Die Episode macht an sich doch was her.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Guten Tag,

ich fand den Titel sehr ansprechend, irgendwie gleichzeitig befremdlich, unangenehm und interessant. So, als wenn man an einem furchtbaren Unfall vorbeikommt, aber nicht wegeschauen kann. Deswegen war ich ein wenig enttäuscht, dass es dann - für mein Empfinden - nicht wirklich um das Angekündigte ging.
Der Handlung konnte ich nicht wirklich folgen. Mir kam es vor, als ob ich zwischendurch immer wieder Wichtigstes verpasst hätte.
Der Erzählstil gefällt mir insgesamt eher gut, aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass zwei Stile miteinander ringen. Falls das Deine Absicht war, könntest Du das vielleicht noch mehr ausbauen.

Alles Gute, Valeska

 

"Dass es den Gerechten übel ergeht auf Erden und dass die Missetäter meist noch zu Lebzeiten ihren »feinen Lohn« dahinhaben, diese unerfreuliche Wahrheit wird von der Bibel nicht verschwiegen. Eine harte Nuss bedeutet sie freilich für die Gläubigen oder Glaubensbereiten, beweist sie doch, dass die Gerechtigkeit der höheren Mächte noch unzuverlässiger, langsamer, verwickelter, ja gleichgültiger zu sein scheint als das irdische Recht und dass unsere eifernden Vorstellungen von einer sittlichen Weltordnung keineswegs jener übermenschlichen, aber auch unmenschlichen Ordnung entsprechen, die dem Universum eingeschaffen ist.
Manchmal aber kann dieser Sachverhalt selbst für den patentesten Gottlosen zu bunt werden. ...",

böser Craig -

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts!

Das Zitat stammt nicht von mir, sondern aus der "argen Legende vom gerissenen Galgenstrick" (Anpassung an die neuere teutsche Rechtschreibung durch mich). Der Herrgott und Franz Werfel werden mir die schändliche Zitierung verzeihen. Aber wo ist der im Titel genannte

Anschlag auf Gott

Ist er denn nicht tot?
Oder doch zumindest verschollen?
Und hat nicht zuletzt noch Dr. Murke das Schweigen jenes höheren Wesens, das wir alle - ob verehelicht oder nicht -verehren, aufgezeichnet und gesammelt?

Große Güte, das ist doch keine Satire, bestenfalls reift die Erkenntnis, die wahrscheinlich schon jedermann zuvor hätte haben können, sofern es ihn je interessierte: Haushaltsgeräte können ohne großen Aufwand umgewidmet werden zu Mordswaffen.

Und nun empfehle ich die Islamistenpolka des Andreas Reber:

"Selbstmordattentäter,
komm ein bisschen später!
..."​

Aber dann stell ich doch was fest, was noch keiner gewürdigt hat, denn unter der selbstgestellten Prämisse im Profil
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hastu mich auf Deiner Seite. Auf jeden Fall klappt das von Anfang an. Und noch etwas, was nicht allzu selbstverständlich hierorts bei Erstlingen ist: Grammatik und Rechtschreibung stimmen! Nicht, dass es mich vom Hocker gerissen hätte. Und doch: Da bin ich jetzt schon neugierig aufs Zweitwerk.

Schönes Wochenende + "Gott säge und verhüte Euch!" (Insterburg & co.)

Friedel

 

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