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Serie Anna Irene und die Einflüsse von außen (04)

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20.11.2001
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Anna Irene und die Einflüsse von außen (04)

Seit der Scheidung ihrer Eltern hat Anna Irene ihren Papa und ihre Schwester nur sehr spärlich gesehen, er lebte nun mit Astrid bei seiner Mutter, der „Linzer-Oma“. Er war wohl der Überzeugung, es sei besser, sich die erste Zeit nicht zu melden – oder traute er sich Frau K. gegenüber nicht, seine Besuchswünsche zu äußern? Auch die Frage, warum denn Frau K. nicht selbst auch den Wunsch hatte, ihre Tochter Astrid zu sehen, bleibt offen.

Erst eine Wendung im Leben des Vaters bringt ihn ihr wieder ein Stück näher: Er lernt Ilse kennen, mit ihren siebzehn Jahren ist sie um einiges jünger als er selbst, aber sie hat enormen Hausverstand. Binnen Kürze heiraten die beiden und sie gibt ihm die Kraft, sich um das Besuchsrecht für Anna Irene zu kümmern. Ab nun sollte Anna Irene ein Wochenende pro Monat bei ihrem Papa verbringen und Astrid umgekehrt ebenso bei ihrer Mutter.

Mit gepackter Tasche samt eigener Handtücher und feinstem Gewand wird sie an der Wohnungstür übergeben. Sie kann ihrem Papa erst zeigen, daß sie sich freut, als die Türe wieder geschlossen ist und die Mutter es nicht sieht. Die würde sehr allergisch darauf reagieren, bei der Rückkunft, das weiß Anna Irene.
Anna Irene fährt mit ihrem Papa zu der neuen Wohnung, in der Ilse und Astrid auf ihre Ankunft warten. Unterwegs erzählt er ihr von seinem neuen Leben und als sie ankommen, spürt Anna Irene sofort, daß hier ein anderes Klima in der Luft liegt. Sie versteht sich sofort mit Ilse, die in einem ganz anderen, viel angenehmeren Ton spricht, als Frau K. Mit ihrer Schwester zu spielen genießt das kleine Mädchen ebenso, wie gemeinsame Ausflüge oder Besuche bei der Oma und anderen Verwandten väterlicherseits. Traurig wird sie immer am Sonntag Nachmittag, wenn es wieder heißt: „So, wir müssen jetzt dann fahren, daß wir nicht zu spät kommen, sonst schimpft die Mutti.“

Die Gegenbesuche von Astrid verlaufen nicht so angenehm. Sie beginnen mit Nörglereien, irgendetwas findet Frau K. immer auszusetzen. Entweder ist Astrid zu warm, zu kalt oder nicht schön genug angezogen, oder die Schuhe passen nicht zum Rest der Kleidung oder die Haarspange sitzt schlecht. Manchmal geht Frau K. dann mit ihren beiden Töchtern in die Stadt und kauft für beide das gleiche Gewand. Besonders viele Fotos schießt sie, nachdem sie für beide ein mintgrünes Mäntelchen mit ebensolchem Hütchen und dunkelblauen Schühchen gekauft und es ihnen sofort angezogen hat. In solchen Momenten fühlt sie sich als richtig gute Mutter, die ihre Kinder nicht so verwahrlost herumlaufen läßt, wie es ihrer Meinung nach manche tun, die ihren Kinder gar gebrauchte Sachen anziehen.

Die wenigsten der gekauften Kleidungsstücke gibt sie Astrid mit nach Hause, sie soll doch etwas haben, wonach sie sich sehnt, wenn sie auf Besuch kommen soll. Sie ist der Ansicht, „die“ – damit meint sie ihren Ex-Mann und Ilse – sollten gefälligst selbst schauen, daß sie was anzuziehen haben, für Astrid.
Ilse ist wenige Wochen vor der Geburt ihres ersten Babys, trotzdem versucht sie eine Annäherung an die Mutter der beiden Kinder, die ihr mittlerweile ans Herz gewachsen sind. Doch Frau K. lehnt die Einladung zu Kaffee und Kuchen ihrem ExMann gegenüber mit der Begründung ab: „Was soll ich denn mit DER schon reden?!“

Anna Irene´s Überzeugung, es könne ihr nirgends schlechter gehen, als bei ihrer Mutter, wird von Zweifeln überschattet: „Warum spricht sie so schlecht von Ilse? Da muß es etwas geben, was ich nicht weiß.“, denkt sie im Stillen, kann aber mit niemandem drüber reden.
Auch, wenn sie mit Anna Irene schimpft, droht Frau K. immer wieder: „Wenn es dir hier nicht paßt, kannst du ja zu deinem Vater gehen, wirst schon sehen, wie es dort in Wirklichkeit zugeht!“
Anna Irene weiß nicht mehr, was sie nun glauben soll. Geht es ihr am Ende doch bei ihrer Mutter am besten? Bildet sie sich nur ein, es ginge anderen besser, - ja, vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm, was sie erlebt? Fragen über Fragen, die sie niemandem stellen kann, nur sich selbst, da findet sie aber keine Antworten.

Ein weiterer Kontakt zu anderen Menschen eröffnet sich, als Frau K. eine ältere Frau engagiert, die Anna Irene ab nun fallweise vom Kindergarten abholt und für ein bis zwei Stunden zu sich nach Hause nimmt. Dort kann Anna Irene malen oder spielen oder, was sie anfangs besonders gerne tut: in der Wohnung im Kreis laufen. Diese ist nämlich so angelegt, daß man durch alle Zimmer in einer Runde durchgehen kann und wieder im Vorzimmer herauskommt. Es keppelt niemand, wenn sie so durch die Räume flitzt, das macht Spaß.
Nach wenigen Monaten wird dieser Kontakt aber beendet, denn da erlaubt sich die Leih-Oma einen groben Fehler: Sie wischt Anna Irene den Mund mit dem Geschirr-Schwamm ab, weil sie gerade beim Abwaschen ist und die Banane, die Anna Irene eben gegessen hat, Spuren in ihrem Gesicht hinterließ.
Frau K. wäre niemals eingefallen, irgendjemandem mit dem Geschirr-Schwamm ins Gesicht zu fahren. Wahrscheinlich gerade deshalb findet Anna Irene dies lustig und erzählt es ihrer Mutter noch, in der Meinung, diese würde vielleicht mitlachen. Doch weit gefehlt: Sie sieht die nette Frau nie mehr wieder.

Anna Irene ist gerade vier Jahre alt, als Frau K. mit ihrem Lebensgefährten, dem Onkel Joe, beschließt, in eine neue Wohnung umzuziehen. Dort findet sie schnell Freunde, die im selben Haus oder in einem der anderen drei achtstöckigen Betonblöcke wohnen. Bald bekommt sie von Onkel Joe ein Fahrrad, mit dem sie sofort fahren kann. Es macht Spaß, mit den anderen Kindern um die Wette zu radeln oder einfach in der Gegend herumzufahren.
Eines Tages fährt sie mit einem Buben aus dem Haus zusammen und hat ein aufgeschundenes Knie, sowie eine kaputte Strumpfhose. Frau K.´s Entrüstung haftet an der Strumpfhose und was das für ein böser Bub sei, daß der nicht aufpassen kann. Daß das Knie schmerzt, ist Nebensache, auch die Tatsache, daß beide gleichermaßen Schuld an dem Zusammenstoß hatten: der Kontakt mit dem Buben wird verboten.
Dieses Verbot erstreckt sich so weit, daß Frau K. nicht einmal in den Aufzug einsteigt, wenn irgendjemand aus dessen Familie ebenfalls hinauffahren will. Da wartet sie lieber so lange, bis der Aufzug wieder hinunter kommt. Anna Irene hat nur mehr heimlichen Kontakt mit ihrem Freund, über Jahre hinweg macht Frau K. immer wieder herabsetzende, beleidigende Bemerkungen.
Wenn Anna Irene alleine mit einem aus besagter Familie Aufzug fährt, vergewissert sie sich immer, daß derjenige auch wirklich nichts davon ihrer Mutter sagt, denn es hätte schmerzhafte Folgen gehabt.

Aber sosehr sie sich auch bemüht, ihrer Mutter in allen Belangen zu entsprechen, kommt es doch fast jeden Tag zu Szenen, die Haare-Reißen, gegen die Badewanne oder den Türstock fliegen, getreten oder ins Zimmer verbannt werden („Und wehe, du kommst heraus, bevor ich es sage!“), mit sich brachten. Ein nicht abgedrehtes Licht am Klo oder eine Häkelnadel, die Frau K. nicht findet, reicht schon, um sie zum Explodieren zu bringen.
Fallweise geht es dann wieder mit ihr komplett durch, so schmeißt sie eines Tages Anna Irene auf ihr Bett, wirft die Decke über ihren Kopf und drückt minutenlang darauf – allerdings nur auf das Ohr, denn Anna Irene hat den Kopf schnell zur Seite gedreht. - Entweder ist sie der Meinung, sie drückt auf Nase und Mund oder sie will ihr einfach nur Angst machen. Anna Irene kommt die Zeit unter der Decke ewig vor und ihre Mutter läßt auch erst aus, als sie sich tot stellt – Arme und Beine hängen läßt und die Atmung so verflacht, daß ein Heben und Senken des Brustkorbes kaum mehr bemerkbar ist.

Als Anna Irene in die Schule kommt, werden sämtliche Kontakte zu Freunden aus dem Kindergarten abgebrochen. Durch die Übersiedlung der Familie wohnen sie auch alle nicht in der näheren Umgebung. Die Freundschaften aus dem Kindergarten kann Anna Irene also vergessen.

Obwohl Frau K. sonst alle zu der Zeit modernen Haushaltshilfen, wie Waschmaschine, Mixer oder Staubsauger, unbedingt haben muß, weigert sie sich gegen die Anschaffung eines Fernsehers. Auch, als Anna Irene heulend nach Hause kommt, weil ihre Mitschüler sie deshalb ausgelacht haben, faßt sie sich kein Herz. Es ist Onkel Joe, der eines Tages mit einem kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher bei der Wohnungstür hereinkommt und ihn, nach heftiger Diskussion mit Frau K., die ihn samt Fernseher wieder hinausschicken will, schließlich doch im Wohnzimmer aufstellt.

Mit Schulbeginn ist Anna Irene auch zweimal pro Woche abends alleine zu Hause, denn Frau K. und Onkel Joe versuchen, die Matura in einer Abendschule nachzuholen. Sie wird dabei in der Wohnung eingesperrt, samt einem Berg Essen, den sie verdrücken soll. Sie ist sehr lernfähig: Nachdem ihre Mutter zweimal ausgerastet ist, weil noch Essen übrig blieb, macht sie kurzerhand mit den anderen Kindern aus, daß diese um sechs am Abend unterhalb ihres Balkones sein werden. Von nun an wirft sie zweimal pro Woche Essen aus dem fünften Stock, um körperlichen Qualen zu entgehen.
Dies hat ein jähes Ende, als ein Sunkist-Packerl* auf einem der darunterliegenden Balkone zerplatzt, dessen Besitzerin nichts besseres zu tun hat, als zu warten, bis sie Frau K. sieht und den „Schaden“ von ihr aufwischen läßt.
Mehr hat Anna Irene nicht gebraucht...

Frau K. sieht trotzdem nicht ein, daß Anna Irene nicht alles essen kann, sie schimpft wieder, als etwas übrig bleibt. Anna Irene lernt weiter: Sie entsorgt Nichtgegessenes ab nun durchs Klo, wobei sie Acht gibt, alles in kleinen Stücken hineinzuschmeißen und zwischendurch hinunterzulassen, damit es nicht verstopft wird.

Durch das abendliche Alleinsein sieht sie sehr viel von der Welt im TV, was eigentlich nicht für Kinder in diesem Alter bestimmt ist. Besonders beeindruckt sie eine Dokumentation über hungernde Kinder in irgendeinem Entwicklungsland. Sie sieht das Gegenteil von sich selbst: Kinder, die von ihren Müttern liebend im Arm gehalten werden, die ihnen aber absolut nichts bieten können, nicht einmal ein Stück Brot. Selbst Babys saugen vergeblich an der Brust der Mutter, diese hängt nur schlaff hinunter. Sie sieht Kinder mit Wasserbäuchen und bis auf die Knochen abgemagerte Gliedmaßen und solche, die bereits verhungert am Boden liegen. Sie sieht den Kontrast zu ihrem eigenen Leben, sie, die Essen vom Balkon schmiss oder es im Klo entsorgen muß. Sie ist tief geschockt, hätte eigentlich schon längst abdrehen müssen, als sie den Aufzug hört und anschließend scheppernde Schlüssel. In Rekordtempo dreht sie den Fernseher ab, rennt in ihr gleich nebenan liegendes Zimmer und stellt sich schlafend.
Wenige Minuten danach kommt Frau K.: „Du brauchst dich gar nicht schlafend stellen! Der Fernseher ist noch ganz warm!“ – sie schreit einige Zeit weiter, doch Anna Irene ist noch zu tief von der Dokumentation beeindruckt, als daß das Geschrei der Frau K. ihr etwas anhaben könnte. Und wenn Onkel Joe da ist, dann passiert ihr auch nichts, das weiß sie ja ohnehin.
Durch das Gesehene ist sie nun endgültig überzeugt, daß sie es doch irgendwie und trotz allem ganz gut erwischt haben muß: immerhin braucht sie nicht zu hungern.

Susi P.

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Die erste Geschichte von Anna Irene...
1. Februar 1965, eiskalt
(Links führen weiter)

...und die nächste:
Anna Irene und ihre schönsten Erlebnisse

 

Hallo Häferl !

Wie auch die anderen Anna Irene Geschichten, ist diese, von sehr düsterer Stimmung. Sie gefällt mir, auf eine sehr traurige weise.
Ich vermisse nur, von Zeit zu Zeit mal, einen glücklichen Moment oder ein Gefühl der Freude.

:(

Liebe Grüße

Grasi

 

Lieber Grasi!

Es freut mich, daß Du auch diese Anna Irene-Geschichte gelesen hast. :)

Das mit den schönen Momenten ist ein guter Punkt, den Du anschneidest:
Es gab wohl (vereinzelt) schöne Momente, aber sie wurden allesamt überschattet, von dem, was darauf folgte. Frau K. konnte es nicht sehen, wenn Anna Irene glücklich war. Es gibt kein schönes Erlebnis, dem nicht ein Donnerwetter folgte. Nicht einmal Weihnachten.

Ich werde versuchen, das in der nächsten Geschichte deutlich zu machen.

Liebe Grüße
Susi

 

Hallo Häferl.

Was das spätere veröffentlichen angeht, gebe ich Heiko unbedingt recht. :thumbsup: :thumbsup:

Wenn ich mich nicht irre, dann ist der Anna-Irene Zyklus noch lange nicht beendet.

Gut so.

Arvid ;) :)

 

Liebe Häferl,
ich würde wohl ziemlich verdutzt aus der Wäsche gucken, wenn von dir eine fröhliche, unbeschwerte Geschichte käme, irgendwie sind deine Geschichten ungeheuer belastend, erdrückend. Aus schriftstellerischer Sicht sind sie gelungen, das ist keine Frage und der Vorschlag , sie alle einmal in einem Buch zusammen zu fassen und zu veröffentlichen, ist einer, dem ich mich uneingeschränkt anschließe. Du hast soviel Leid und Elend eines Kindes zusammen gefasst, dass es ein Trost für jedes Kind ist, dem es auch nur annähernd ähnlich ergeht. Deine Geschichte ist sehr gefühlvoll und hautnah geschrieben. Man möchte dieses Kind gerne retten, ihm raushelfen aus dieser Bedrohung durch die Mutter. Auch stellst du sehr anschaulich dar, dass diese Frau, die wohl nicht zulässt, dass ihr jemand in die Erziehung reinredet, auch durch den Partner keine Eingrenzung erfährt. Keiner bremst diese Frau, die sich nur Mutter nennt, ohne eine wirkliche zu sein. Das Wort "Güte" scheint ein Fremdwort für diese Frau zu sein. Auch mir geht es so, dass ich denke, aus solch einer Kindheit kann man eigentlich nicht unbeschadet herauskommen. Und wieviel Stärke muss so ein mißhandeltes Kind haben, um im weiteren Leben bestehen zu können, nicht an jeder ähnlichen Situation zu zerbrechen.
Liebe Grüße
elvira

 

~~~~~~~~~~~~~
*****Danke!*****
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Den Vorschlag, diese Geschichten als Roman zu veröffentlichen, werte ich mal als großes Lob - danke!... Erst muß ich aber mal die restlichen Geschichten schreiben, und das werden noch einige....

Was die Kraft betrifft, Lakita, die kommt großteils von Leuten wie Dir und den anderen, die so wohltuende Kommentare dazuschreiben und dafür hab ich Euch alle ganz besonders lieb.

Aber wenn doch irgendjemand stilistische Kritik hat, darf er die ruhig herschreiben, nur keine Zurückhaltung. Ich will ja die Geschichten perfekt haben. Irgendwo gibt´s doch sicher auch Stellen, wo noch was zu verbessern wäre, oder?

Alles liebe
Susi

[Beitrag editiert von: Häferl am 02.04.2002 um 22:56]

 

Der Stil ist gut, so wie er ist. Es gibt zwar manche österreichische Wendungen, die mir nicht geläufig sind, aber die machen die Umgebung ( und Atmosphäre) aus, rein rechtlich schon von wegen der Alimenten-Regelung. ;)

Mit jeder der Geschichten wird das Bild Deiner Jugend weiter ausgekleidet. Nicht bunter/froher, aber irgendwie größer. Ich bin gespannt, wie A-I mit den Einflüssen der Aussenwelt weiter umgeht. Sie sieht ja, dass es anders zugeht. Das es sowas wie Gefühle gibt, Gefühle, die ausserhalb von Hass, Angst und Unverständnis liegen. Es entsteht ein immer tieferer Graben zwischen der Mutter-Tochter-Welt und dem, was von aussen kommt.
Es ist interessant (und ehrenswert), dass Du nach den Bildern der Kinder im Fernsehen Deine Situation als besser bezeichnest. In dem Alter ist es eine ziemlich großer Gedankengang, dass physischer Luxus, wie wir ihn hier haben elementarer ist, als der psychische. Wobei man sich da nicht sicher sein kann - jeder kennt ja wohl dieses ekelhafte Experiment, in dem ein Kind völlig isoliert aufgezogen wurde. Im Prinzip ähnlich, denn Hass, der einem von Kind auf entgegenschlägt, wirkt sicherlich ähnlich. Respekt, dass Du damals so gedacht hast.

Manchmal verstehe ich ihre Mutter nicht, weil sie teilweise ganz extrem gegen Kontakt nach aussen ist (sich mit Ilse treffen, Kontakt zu Nachbarn, keinen Fernseher), dann aber auch wieder die alte Frau zu ihnen holt. Sie scheint sich ihrer Schikanen manchmal nicht bewusst zu sein. Ist sie?

Gruß, baddax

[ 18.07.2002, 02:07: Beitrag editiert von: baddax ]

 

Hi Baddax!

Danke abermals fürs Lesen und Deine Worte!

Das mit der alten Frau hast Du glaub ich falsch gelesen, sie war ja nie bei Anna Irene zu Hause, sondern hat Anna Irene nur in ihre Wohnung geholt, wo sie wieder von Frau K. abgeholt wurde.

Außer der Oma mütterlicherseits war nie jemand zu Besuch.

Ob sie sich bewußt war, was sie tut: Ich denke ja. Auch, wenn es hier noch nicht so durchkommt, lassen doch Aussagen und Taten von später darauf schließen, daß sie sich sehr bewußt jemanden erziehen wollte, der quasi ihr Handlanger ist, jemand, der alles macht und auch denkt, was sie will, ohne zu widersprechen.

Das mit den verhungernden Kindern hat damals sehr tiefe Eindrücke hinterlassen und war glaub ich der Grund, warum ich mich später für Politik zu interessieren begann, aber so genau kann man das natürlich nicht sagen...

Alles liebe
Susi

 

Grüß Dich Häferl,

So, jetzt hab ich erstmal deine ersten vier Teile deiner Anna-Irene-Serie - in einem Rutsch - gelesen. Die anderen fünf les ich später noch.

Im Gegensatz zu manchen meiner Vorredner (und Nachredner?) bin ich nicht ganz so erschüttert oder erstaunt über deine Schilderungen. Das liegt zum einen an deinem Distanz wahrenden, beobachtenden Schreibstil (und der ist für diesen Zweck sicher gut gewählt). Zum anderen hatte ich beim Lesen - besonders sogar bei diesem Teil hier - immer wieder so manches Déjà-vu-Erlebnis in Bezug zu meiner eigenen Kindheit und Jugend. Was manch einem aus "wohlbehüteter" (dieses Wort viel hier ja von anderen schon mehrmals) Kindheit deshalb wie ein böses Märchen vorkommen muss, ist anderen leider nur allzu vertraut!

Gut: Misshandlung körperlicher Art habe ich von meinen Eltern bewusst(!) nie erlebt. Zumindestens kann ich mich nicht daran erinnern. Dafür erlebte ich mein Elternhaus als eine Art psychische Vorhölle, in der Hass und Terror praktisch an der Tagesordnung waren (im Gegensatz zu deinen Eltern haben sich meine - mit Einschränkung: leider - nie scheiden lassen). Deshalb kann ich deine Erzählungen recht gut nachvollziehen. Und gleichzeitig faszinieren sie mich wegen dieser gewissen Vertrautheit. Dagegen werden rein fiktive Geschichten (zumindestens solche ohne tiefere Aussage) plötzlich so schrecklich banal...

Und was fängt man mit einer solchen Vergangenheit an? Man schreibt zum Beispiel darüber. Oder noch besser: Man teilt das Leid mit anderen, indem diese solche Geschichten lesen und darüber nachdenken. Damit werden die Erinnerungen aus ihrer verhängnisvollen Isolation geholt. Es ist so, als würde man etwas weit von sich werfen, gleichsam einen schweren Stein, den man in das Meer seiner Mitmenschen wirft. Und gerade diese Mitmenschen besitzen die Macht genau diesen schweren Stein, an dem man selbst vielleicht schon zu zerbrechen drohte, zu Staub zu zermahlen! :shy:

(Okay: Vorausgesetzt, sie sind dazu auch fähig...)

...bei den nächsten A.-I.-Folgen meld ich mich dann nochmal.

Lieben Gruß
Philo-Ratte

 

Liebe Philo-Ratte!

Ich danke Dir fürs Lesen meiner Geschichte und Deine beeindruckend vielsagende Stellungnahme, die ich nur so stehen lassen möchte. Sie erfordert keinen weiteren Kommentar durch mich... ;)

Alles liebe,
Susi

 

liebe susi,
das ist nun der 4. teil, und immer noch düster.
es gibt nur einen kritikpunkt, den ich der autorin und der protagonistin nahebringen möchte.

Mehr hat Anna Irene nicht gebraucht, aber die genaue Schilderung der Folgen sei hier ausgelassen – es geht ihr sehr schlecht dabei.

entweder du machst es richtig, oder du lässt es sein. wenn du eine vergangenheit aufarbeiten willst, dann musst du dich ALLEM stellen.

bis im fünsten teil

barde

 

Hallo Barde!

Danke für Deine Antwort! :)

Der von Dir herausgefischte Satz ist ja wirklich furchtbar, aber das waren halt noch meine Anfänge. ;)
Hab den Satz aber geändert, wenngleich auch den Gewaltausbruch nicht näher beschrieben, da ich das ohnehin in einigen Folgen mache und es ja nicht ständig vorkommen muß. Das hat nichts damit zu tun, daß ich mich nicht allem stellen würde. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Liebe Susi,

wieder einmal bin ich von den Ereignissen in dieser Geschichte erschüttert. Die Eltern wissen oft gar nicht, was sie ihren Kindern antun. Manchmal unwissentlich, und dies ist gerade das Schlimme!

Zum Glück bin ich in einem liberalen Haus aufgewachsen, und ein jeder von uns hat es gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen und Eigenverantwortung für sein Leben zu übernehmen. Daher fällt es mir immer wieder schwer, eine gerechte Beurteilung über die Situation von Anna Irene abzugeben. Die Vielfalt von Einzelschicksalen ist sicherlich enorm, und die weitere Entwicklung des Kindes kann alle möglichen Formen annehmen. Ich würde gerne mehr verstehen.

Deine Geschichten sind zum einen literarisch wertvoll, weil du die Szenen sprachlich ergreifend schilderst, zum anderen gesellschaftlich, weil sie familiäre Mißstände aufzeigen.

Herzliche Grüße,
Emil

 

Lieber Emil!

Danke Dir fürs Lesen meiner Geschichte und Deinen Kommentar dazu! :)

Ich würde gerne mehr verstehen.
Wie ich gerade auch bei den Bruchstücken als Antwort geschrieben habe: Das spornt mich jetzt ziemlich zum baldigen Weiterschreiben an. :)
Deine Geschichten sind zum einen literarisch wertvoll, weil du die Szenen sprachlich ergreifend schilderst, zum anderen gesellschaftlich, weil sie familiäre Mißstände aufzeigen.
Danke für dieses Lob, das nehm ich gern. :)
Mir ist natürlich bewußt, daß bei mir eben vieles zusammengekommen ist, aber gerade das ist auch ein Punkt, warum ich mich berufen fühle, das alles aufzuschreiben. - Immerhin war´s dann wenigstens für irgendetwas gut...

Liebe Grüße,
Susi :)

 

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