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Anitas Hair Magic

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19.12.2016
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Anitas Hair Magic

Er benutzte die Abkürzung, obwohl er es nicht eilig hatte. Mit Tempo dreissig fuhr er den schnurgeraden Schotterweg entlang, der durch eine Schrebergartensiedlung führte. Die Regentropfen prasselten schwer gegen die Windschutzscheibe und zwischen dem Auf und Ab der Scheibenwischer bemerkte er schon von Weitem die Frau im roten Regenmantel. An der Art, wie sie sich bewegte, wusste er sofort, dass es eine Frau war. Eine zierliche Frau musste es sein, und wie er schien sie es nicht eilig zu haben. Sie schlenderte im Regen, und als er näher kam, sah er, dass sie grüne Gummistiefel trug, in denen sie durch die Pfützen watete; und es schien, als würde es ihr Spaß machen, durch die Pfützen zu waten. Mit ihren Gummistiefeln schaufelte sie das Wasser in die Höhe und er erwartete fast, dass sie jeden Moment wie ein verspieltes Kind in die Luft hüpfen würde, um das Wasser platschend nach allen Seiten wegspritzen zu lassen.
Der Bums war dumpf, so dumpf, als wäre er gar nicht passiert. Der Körper rollte über die Motorhaube und die Windschutzscheibe über das Dach und hinterließ nur eine leichte Delle an der Stoßstange. Sogar die Scheibenwischer funktionierten noch einwandfrei.
Er sah nicht in den Rückspiegel und hielt zehn Minuten später vor Franzis Directors Cut. Franzi lehnte hinter der Theke und blätterte in einer Illustrierten. Ihr gelangweiltes Gesicht hellte sich auf, als er den Laden betrat.
„Hey Bernd“, sagte sie und kam auf ihn zu. „Das ist ja eine Überraschung.“ Sie umarmten sich und Franzi küsste ihn auf den Mund. „Ich dachte, du hast heute Familienabend?“
„Hab ich auch“, sagte er, zog den dunkelgrauen Trenchcoat aus und reichte ihn Franzi. Er lockerte die Krawatte und reichte sie ebenfalls Franzi. Dann setzte er sich in den Friseurstuhl und betrachtete sein Gesicht in dem großen Spiegel. Ein normales Gesicht, auf einem normalen Hals, der auf einem normalen fünfunddreißigjährigen Körper steckt.
Er hörte, wie Franzi den Trenchcoat an einem Bügelhacken in der Garderobe aufhing. „Du hast Glück“, hörte er sie sagen. „Heute ist ausnahmsweise Mal nichts los.“ Ihre Schuhe mit den hohen Absätzen klackerten bei jedem Schritt auf dem Fliesenboden und Franzi plapperte und plapperte.
Er betrachtete seine Hände, die ruhig auf seinen Oberschenkeln lagen.
„Ja“, sagte er dann, halb zustimmend, halb fragend, als er merkte, dass Franzi hinter ihm stand und aufgehört hatte zu plappern.
„Was ja?“, sagte sie.
Er zuckte die Schultern.
„Ich hab dich gefragt, wie es dir geht?“
„Mir geht’s gut“, sagte er und sah Franzi im Spiegel an.
„Warum bist du dann hier?“, sagte Franzi und stemmte keck die Hände in die Hüften. „Normalerweise kommst du doch nur, wenn es dir schlecht geht.“
Er sagte nichts, drehte mit den Fußspitzen den Stuhl um hundertachtzig Grad und zog Franzi auf seinen Schoss. Er küsste sie und sagte: „Ich habe eine Frau im roten Regenmantel überfahren.“
„Du Spinner.“
"Und jetzt bin ich hier, damit du mir die Haare schneidest.“
Franzi lachte und machte sich von ihm los. Ihr Parfum, ihre rot lackierten langen Fingernägel, ihre hochgetürmten blonden Haare, der Reiz der aufgeblähten Weiblichkeit; er würde sie nie lieben, immer nur besitzen.
Er küsste sie erneut und biss ihr dabei kurz in die Unterlippe.
„Aua!“, sagte sie und fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. „Du Spinner, du. Das hat wehgetan.“ In ihrem Blick lag gespielte Empörung, und sie legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel und strich langsam Richtung Schritt. „Wenn du willst, sperr ich den Laden jetzt zu“, sagte sie. „Oben hab ich Sekt und eine Flasche Rotwein. Und um viertel nach acht kommt Die wunderbare Welt der Amelie im Fernsehen. Wir könnten ...“
„Ich will, dass du mir eine Glatze schneidest.“
„Ich mach deinem Schwanz ne Glatze“, lachte Franzi.
„Nein, im Ernst“, sagte er und drehte den Stuhl Richtung Spiegel zurück. „Außerdem hab ich heute Familienabend. Spätestens um sechs muss ich zu Hause sein.“
„Spinner“, lachte Franzi und kniff ihm ins Ohrläppchen.
Er zuckte den Kopf von ihrer Hand weg. „Fang schon an jetzt! Eine Glatze! Ratzekahl!“
„Was hast du denn auf einmal?“
„Komm!“, sagte er. „Nimm den Rasierer und dann los!“
„Ich rasier dir doch keine Glatze, du Spinner.“
„Ich sags nicht nochmal“, sagte er. „Entweder du fängst jetzt an, oder ich geh die Strasse runter zu Anitas Hair Magic.“
„Der Bitch?“
„Der Bitch“, sagte er. „Und ich bin sicher, dass mir die Bitch ne Glatze rasiert.“
„Sicher macht die das. Das ist ja das Einzige, wozu die fähig ist“, sagte Franzi, und dann, mit veränderter, zärtlicher Stimme: „Aber Bernd, warum ...“
„Darum“, sagte er.
„Aber deine schönen Haare, Bernd. Und überhaupt, was wird Lea dazu sagen?“
„Lea gehen meine Haare einen Scheissdreck an!“
„Und ich?“, sagte Franzi. „Ich fände es auch nicht gut, wenn du ne Glatze hättest.“
„Deine Meinung interessiert mich mal überhaupt nicht.“

Er parkte den Wagen in der Einfahrt und stieg aus. Die Regentropfen klopften kühl und erfrischend auf seine Schädeldecke, und er fühlte sich fast lebendig.
Er hörte die trampelnden Trippelschritte seiner kleinen Tochter, als er die Haustür aufsperrte. „PapiPapiPapi!“, stürmte sie auf ihn zu. „Ich hab ...“
Das kleine Mädchen blieb mit offenem Mund drei Meter vor ihm stehen und starrte ihn an. Dann brach es in lautes Lachen aus, drehte sich um und stürmte davon. „MamiMamiMami!“, hörte er sie rufen. „Papihat, Papihat, Papihat, Papihat ...“
Er hängte seinen Trenchcoat auf und zog die Schuhe aus. Er ging ins Wohnzimmer, schenkte sich aus der grünen Flasche ein, nahm einen Schluck und liess sich, die Flasche und das Glas in der Hand, auf die Couch sinken. Aus der Küche drang die aufgeregte Stimme seiner Tochter. Die Stimme seiner Frau hörte er nicht. Dann hörte er Schritte, Schritte von zwei paar Füssen, die näher kamen.
„Gott, Bernd!“, hörte er im Rücken seine Frau sagen.
„Habichnichtgesagt! Habichnichtgesagt! Habichnichtgesagt!“ Das kleine Mädchen sprang neben ihn auf die Couch und deutete mit dem Zeigefinger auf seine Glatze. „Hab ich nicht gesagt! Er sieht aus wie Onkel Uli! Und da!“, sagte das Mädchen und zeigte auf die grüne Flasche. „Papi trinkt auch wieder aus der grünen Flasche, obwohl heute Dienstag ist. Und unter der Woche soll Papi doch nicht aus der grünen Flasche trinken.“
„Ja, Süsse“, sagte seine Frau. „Du hast ja recht.“
„Ich hab recht“, sagte das Mädchen und kniff ihm ins Ohrläppchen. Diesmal zuckte er nicht den Kopf weg. „Komm jetzt, Süsse“, sagte seine Frau. „Hilf Mami in der Küche.“
„Nein“, sagte das Mädchen und wälzte sich über seinen Schoss.
„Na schön“, sagte seine Frau und zuckte mit den Schultern. „In einer Viertelstunde ist das Essen fertig. Habt ihr gehört?“
„Ja“, sagte seine Tochter.
„Bernd?“
„Ja“, sagte er, stellte die Flasche und das Glas weg, packte das Mädchen unter den Achseln und setzte sie sich auf den Schoss.
„Ich hab eine Eins in Mathe“, sagte das Mädchen. „Warum siehst du aus wie Onkel Uli?“
„Gut gemacht“, sagte er und stemmte das Mädchen in die Höhe, dass es sich vor lauter Lachen nicht mehr einkriegte.
„Dein Kopf sieht komisch aus von oben“, sagte es. „Ich will darauf sitzen!“
Er balancierte das Mädchen über seinen Kopf und setzte dann ihren Hintern auf seinen Kopf. Ihre Füsse standen auf seinen Schultern. „Ich hab eine Eins in Mathe“, sagte das Mädchen.
„Bravo“, sagte er und klatschte ihre Hände wie ein Puppenspieler zusammen.
„Bravo“, lachte das Mädchen und glitt den Hinterkopf hinab auf seine Schultern. Das Mädchen umfasste seine Stirn mit den Händen und schmatzte ihm einen feuchten Kuss auf den markanten Schädelknochen am Scheitel, der wie ein spitzer Hügelkamm aufragte und ihm selbst erst von einer Stunde zum ersten Mal aufgefallen war. Er fasste sie an den Knöcheln und betrachtete ihre kleinen Füsse, die in grün-blau-rot-weiss geringelten Söckchen steckten.
„Warum siehst du aus wie Onkel Uli?“, sagte das Mädchen.
„Weil ich Onkel Uli cool finde.“
„Find ich nicht.“
„Ich aber.“
„Ich aber nicht.“ Er griff ihren linken Knöchel und kitzelte mit der anderen Hand ihre Fusssohle. Das Mädchen lachte, zuckte, und trommelte mit den Händen abwehrend auf seinen Schädel. „Hör auf! Hör auf!“, lachte es. „Oder ich pinkel dich an!“
Er zog sie über die Schulter und setzte sie wieder auf seinen Schoss. „Schön, ich geb auf“, sagte er.
Sie schmiegte ihren Kopf unter sein Kinn und sagte: „Gut, weil sonst hätte ich dich angepinkelt.“
„Nicht deswegen“, sagte er. „Deswegen, weil Onkel Uli nicht cool ist.“
„Ist er nicht, gell?“
„Nein, aber das bleibt unser Geheimnis, ja?“
„Ja“, sagte das Mädchen, verdrehte den Kopf und sah von unten an seinen Nasenlöchern vorbei in seine Augen. „Warum trinkst du aus der grünen Flasche?“
„Ich trink doch gar nicht.“
„Jetzt nicht. Aber vorhin.“
„Zeig mal deine Eins in Mathe“, sagte er. „Ich will die Eins mit dir gemeinsam ansehen.“
„Mach ich“, sagte das Mädchen und sprang auf. „Neben der Eins hat mir Frau Schneider ein Bambi geklebt. Als Extralob“, hörte er sie noch rufen, dann stand er auf und folgte seiner Tochter in die Küche.

„Du Spinner, du“, sagte seine Frau, als sie aus dem Bad ins Schlafzimmer trat und sich neben ihn ins Bett legte. „Was hast du dir dabei gedacht?“
„Ich kann auf der Couch schlafen, wenn du willst?“
„Nein. Ich will wissen, was du dir dabei gedacht hast?“
„Gar nichts. Ich hab sie einfach überfahren.“
„Was?“
„Franzi meinte, es würde meinen Typ unterstreichen.“
„Kann ich mir nicht vorstellen. Als Friseuse muss sie Männer mit Glatze hassen.“
„Ja“, sagte er. „Muss sie wohl, trotzdem ...“
„Was?“
„Trotzdem hat sie mir die Haare geschnitten“, sagte Bernd, stopfte das Kopfkissen in seinen Rücken und zündete sich eine Zigarette an.
„Ich will nicht, dass du im Bett rauchst.“
„Mach einfach das Fenster auf.“
„Ich mach das Fenster NICHT auf.“
„Schön“, sagte er und blies den Rauch in Richtung Bettpfosten.
„Morgen stinkt alles.“
Er stand auf, öffnete das Fenster und legte sich, die brennende Zigarette im Mund, zurück ins Bett.
„Was sie auf der Arbeit wohl dazu sagen werden?“, sagte seine Frau. „Ich meine ...“, sagte sie und legte eine Illustrierte auf ihren Schoss und begann darin zu blättern. „Ich meine, die werden sich sicher fragen, warum ...“
„Ist mir scheissegal, was die in der Arbeit denken“, sagte er.
„Echt beruhigend zu wissen, dass dir Alles scheissegal ist.“
„Nicht Alles.“
„Ach komm, Bernd“, sagte seine Frau und hielt eine Seite der Illustrierten etwa zehn Sekunden in der Senkrechten, bevor sie umblätterte. „Zu welchem Zeitpunkt unserer Ehe kamen wir an die Kreuzung, an der wir uns voneinander entfernten?“
„Was?“
„Du weisst sehr gut, wovon ich rede.“
„Nein“, sagte Bernd und drückte die Zigarette aus.
„Also schön“, sagte seine Frau und klappte die Illustrierte zu. „Warum erzählst du mir dann nicht, warum du jetzt mit einer Glatze neben mir im Bett liegst?“
„Weil es mir gefällt.“
„Mir gefällt es nicht.“
„Ich hab dich auch nicht nach deiner Meinung gefragt“, sagte er.
„Schön“, sagte seine Frau.
„Schön“, sagte er. „Ich wollte schon immer eine Glatze haben. Und ich denke, dass mein Haar meine Sache ist. Und heute habe ich mir gedacht: Scheiss drauf!“
„Scheiss drauf?“
„Ja, Scheiss drauf. Und dann hab ich mir die Glatze rasieren lassen, obwohl ich wusste, dass du wieder an meiner Entscheidung was zu meckern haben wirst.“
„Solange du dir die Haare nachwachsen lässt, habe ich nichts zu meckern.“
„Du meckerst gerade.“
„Ich meckere nicht“, sagte seine Frau. „Ich sag nur, dass du mir mit Haaren besser gefällst.“
Es entstand eine Pause. Draussen hörte man ein vorbeifahrendes Auto, und er stand auf, um das Fenster zu schliessen. Er zog seinen Schlafanzug aus und kroch nackt zurück unter die Bettdecke.
„Heute ist Dienstag“, sagte er und küsste seine Frau auf das Schlüsselbein. Sie richtete sich am Kopfkissen auf und sah ihn abschätzig an. Er zog mit den Zähnen die Bänder ihres Nachthemdes lang.
„Du Spinner, du“, sagte sie.
„Um halb sieben muss ich aufstehen“, sagte er und wischte die Illustrierte von ihrem Schoss. Später lag ihr Kopf auf seiner Brust und seine Hand streichelte über ihren Rücken. Sie fasste ihn am Kinn, drehte seinen Kopf etwas und drückte ihm einen Kuss auf die Backe.
„Du bist echt ein Spinner“, flüsterte sie und kämmte mit den Fingern durch seine Brusthaare.

Am nächsten Tag stand es nicht in der Zeitung, erst am Donnerstag. Die Frau war eigentlich noch ein Mädchen. Siebzehn Jahre wurde es alt. Die Polizei sucht nach Zeugen.
Maria L.
Er klappte die Zeitung zu und warf sie in den Mülleimer. Nach der Arbeit fuhr er zu Franzis Directors Cut. Heute war Donnerstag, und Donnerstagabend schloss Franzi den Laden früher als gewöhnlich.

 
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dreissig
Scheissdreck
grün-blau-rot-weiss
scheissegal
„Du weisst sehr gut, wovon ich rede.“
draussen
„Scheiss drauf!“
„Scheiss drauf?“
„Ja, Scheiss drauf.
usw.

Gruezi in die Schweiz, Loboto.

Stoßstange
fünfunddreißigjährig
Fußspitzen
Außerdem

(Okay, vergiss das mit der Schweiz. Also wo immer du dir diese extravagante ss/ß-Verwendung auch angelernt hast, egal. Scheiß drauf, sozusagen.)

Auf jeden Fall ist dir mit diesem haarsträubenden Aberwitz ein wirklich tolles Debüt gelungen.
Du bietest mir hier einen vollkommen irrwitzigen und nichtsdestotrotz glaubwürdigen Plot, darüber hinaus einen Protagonisten, wo ich nicht recht weiß, ob ich seine beiläufige Menschenverachtung oder seine erbärmliche Durchschnittlichkeit erschreckender finden soll. Schlimm ist das eine wie das andere.
Na ja, im Grunde kann man die Geschichte so oder so lesen: als Parabel über die Banalität des Bösen oder als bitterböse Satire auf den alltäglichen Wahnsinn. (Oder ganz einfach als den augenzwinkernden Schreibspaß eines literarisch ambitionierten Scheißmirnix.)

Willkommen hier, Loboto. Und bitte mehr von der Art.


offshore

 

Hola Loboto,

willkommen bei uns!
Das ist doch mal eine Ouvertüre: Blödmann überfährt einfach mal so eine x-beliebige Person.
In aller Ruhe, schön gemütlich, damit’s nicht so weh tut, exakt mit 30 km/h.
Mal abgesehen davon, dass diese Geschwindigkeit nicht ausreicht, dass das Opfer über die Motorhaube die Windschutzscheibe aufwärts über das Dach rollt, ist der Text sehr gut geschrieben – und er ist auch gut zu lesen.
Man merkt, dass Du schon länger Texte fabrizierst. Der jetzige macht sich einen Jux, die Gefühle des Lesers zu peinigen – und ohne diesen schlimmen Anfang hätte ich Spaß beim Lesen gehabt. Witzig und intelligent geschrieben, einfach fabelhaft – aber belanglos.
Deshalb muss das Böse hinein! Um den Übeltäter mach ich mir nicht viele Gedanken; ich halte dessen Verhalten für unglaubwürdig, und es gibt auch keine Anhaltspunkte, weswegen er sich so verhält. Ich gehe davon aus, dass Du beabsichtigt hast, den Leser wachzukitzeln.
Denn es gibt die tags ‚Gesellschaft’ und ‚Alltag’. Und so verstehe ich die Geschichte, dass in den letzten Jahren eine Flut mit cirka dreißig Stundenkilometern Horror jeder Machart, auch der schlimmsten Art, in die Wohnzimmer gespült hat mit der Folge zunehmender Verrohung.
Die alten Reize genügen nicht mehr, Gott sei Dank kann mit Computeranimation die schizophrenste Idee marktfähig gemacht werden. Da sinkt die Hemmschwelle, wenn das Perverse als ‚normal’ deklariert wird. Ein gespaltener Schädel, ein Menschenleben? Peanuts.

Deswegen: Gut geschrieben, tiefer Sinn. Sehr gern gelesen!
José

 

Meine Güte, was für ein Arschloch. Klasse geschrieben, Loboto! Ich halte die Existenz solcher "Zombies" in der Tat für recht wahrscheinlich. Sie sind mitten unter uns, da bin ich sicher. Manchmal begegnet mir ein Blick aus einem Paar leerer Augen und ich frage mich, ob dahinter noch eine Seele zu finden wäre ...

Gruß, Kassiopeia

 

Hallo Loboto,

herzlich willkommen!

Sehr gut geschrieben, spannend zu lesen.
Bernds Motivation zu seiner Wesenswandlung ist gut im Text verteilt, ich möchte fast sagen, versteckt. Bernd rebelliert gegen sein geregeltes, fast genormtes Leben. Zumal die meisten Regeln gar nicht von ihm kommen, sondern von seiner Frau und sogar von seiner Friseurin auferlegt werden.
Dennoch, so überzeugend herbeigeführt wie in „Falling Down - Ein ganz normaler Tag“ erscheint mir Bernds Ausbruch nicht.

Lieben Gruß

Asterix

 

Gelungener Einstand, Loboto, da kann man nicht meckern.
Da ist dieser böse Unterton, ich werde zum Komplizen deines Prots gemacht, wie er da gegen jede bare Vernunft eine ausgelassene Fröhlichkeit eiskalt ausradiert, ein junges Leben beendet, einfach weil er es kann.

Nein, ich mag ihn nicht, diesen Bernd, aber genau das will die Geschichte erreichen.

Der Körper rollte über die Motorhaube und die Windschutzscheibe über das Dach und hinterließ nur eine leichte Delle an der Stoßstange. Sogar die Scheibenwischer funktionierten noch einwandfrei.
Mit 30km/h? Nö, passt nicht, wie bereits josefelipe anmerkte.
Aber das ist jetzt nicht der Showkiller, da kann man ja noch nachbessern.

Fakt ist, er fährt das junge Mädchen einfach mal so über den Haufen, nicht aus Spass, auch nicht aus Blödheit, nein Bernd überschreitet nach dem Gedanken "Was wäre, wenn ich jetzt einfach ..." die Grenze der angeborenen Hemmung, die zum Glück die meisten Menschen von genau solchen Aktionen abhält.

Ich lese weiter und erlebe mit Bernd, dass er sich von nun an das Motto "Mein Leben, meine Regeln" aneignet, ohne sich jedoch ganz aus dem Alltagstrott des Tochter liebenden Arschlochs zu verabschieden. Somit fehlt mir irgendwie die Konsequenz des Twists am Anfang, der zugleich auch schon der Höhepunkt der Geschichte war. Danach bleibt mehr oder weniger alles beim Alten. Geraucht wurde bereits vorher schon im Bett, der Donnerstag Abend ist auch nicht neu, die Franzi schloss ja immer schon früher, usw.

Aber trotzdem sehr gern gelesen, denn der Text kommt erfreulich fehlerfrei und flüssig daher, auch dank der authentischen Dialoge.

Gruss dot

 

Hej Loboto,

ich empfinde den ersten Absatz sehr gelungen. Der Tonfall, der so gar nicht zum Geschehen passen will, aber die Dumpfheit des Protagonisten erahnen lässt, ist spannend.

Der Bums war dumpf, so dumpf, als wäre er gar nicht passiert. Der Körper rollte über die Motorhaube und die Windschutzscheibe über das Dach und hinterließ nur eine leichte Delle an der Stoßstange. Sogar die Scheibenwischer funktionierten noch einwandfrei.

Mir hätte Aufprall besser gefallen, aber vorangig ist wohl doch eher die Gefühlskälte.

Dann setzte er sich in den Friseurstuhl und betrachtete sein Gesicht in dem großen Spiegel. Ein normales Gesicht, auf einem normalen Hals, der auf einem normalen fünfunddreißigjährigen Körper steckt.

Ich selbst verwende sehr gerne einen Spiegel zur Reflexion. ;)

Bügelhacken

Meintest du Haken?

Er betrachtete seine Hände, die ruhig auf seinen Oberschenkeln lagen.

Schon schade, dass sich sein Problem innerhalb deiner Geschichte nicht auflösen lässt. Es muss ja einen guten Grund geben, dass ein Mensch derart verroht.

Der anschließende Dialog mit der Friseurin bezeichnet sehr gut die Gesellschaftsschicht, wenn man das so sagen darf. :shy:

Die altkluge, hyperaktive kleine Tochter emfpinde ich allerdings als zu raumeinnehmend.

Ich hätte mir gewünscht, du hättest innerhalb der folgenden Dialoge wieder mehr Passagen wie im ersten Abschnitt eingebaut, weil das so stimmungsvoll war und du das meiner Meinung nach gut kannst.

Auch, dass ich am Ende nicht weiß, wie er dem Opfer geht, ist äußerst unbefriedigend. :hmm:

Dennoch war die Geschichte unterhaltend, der Titel allerdings erst nach mehrmaligem Überfliegen ansprechend.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hi Loboto,

der Autor scheint so cool wie der Protagonist zu sein. Jedenfalls ist er nicht neugierig, denn auch nach vier Tagen der Veröffentlichung war er nicht wieder online. Da warte ich doch erst mal ab, bevor ich mir die Zeit für einen Kommentar nehme, was weiter passiert.

Liebe Grüße
bernadette

 

Scheissegal, ob der Autor online ist oder nicht - die Geschichte muss man einfach lesen!

 
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Scheissegal, ob der Autor online ist oder nicht - die Geschichte muss man einfach lesen!

So, hase, jetzt mache ich mal was, was ich normalerweise vermeide: Du hast einen Beitrag und ich viertausendfünfhundertfünfunddreißig.

Ich weiß, wovon ich schreibe und wenn du nur einen Beitrag hast, frage ich mich, wieso du so Partei ergreifst - und keinen Kommentar ÜBER den Text schreibst.

 

Hallo Bernadette

Da muss ich mich jetzt aber verteidigen. Ich ergreife überhaupt nicht Partei, sondern ich habe lediglich geschrieben, dass ich den Text für lesenswert halte. Das ist ein Kommentar über den Text.

Ich gebe zu, dass ich hier hauptsächlich angemeldet bin, um Texte zu lesen, und nicht um Beiträge zu verfassen. Ich bin Literaturwissenschaftlerin und aus literaturwissenschaftlicher Sicht spielt es keine Rolle, was der Autor denkt, sondern nur, wie der Rezipient die Geschichte interpretiert. Insofern ist es wirklich scheissegal, ob der Autor online ist oder nicht. Auch wenn ich natürlich verstehe, dass man als Kommentator gern ein Dankeschön erhalten würde.
Vielleicht kannst du es auch mal so sehen: Die Kommentare sind nicht nur für den Autor interessant, sondern auch für die anderen Leser. Deshalb ist es meiner Ansicht nach schade, wenn du abwartest, bis der Autor sich meldet, bevor du kommentierst.

 

mich interessieren jedenfalls Texte nicht, die eine ignorante, menschenverachtende Haltung zeigen,
wie der Autor offensichtlich auch

Warum sage ich das?

„Weil es mir gefällt.“
„Mir gefällt es nicht.“
„Ich hab dich auch nicht nach deiner Meinung gefragt“, sagte er.
„Schön“, sagte seine Frau.

:pah:

 

Ich bin Literaturwissenschaftlerin und aus literaturwissenschaftlicher Sicht spielt es keine Rolle, was der Autor denkt, sondern nur, wie der Rezipient die Geschichte interpretiert. Insofern ist es wirklich scheissegal, ob der Autor online ist oder nicht. Auch wenn ich natürlich verstehe, dass man als Kommentator gern ein Dankeschön erhalten würde.
Vielleicht kannst du es auch mal so sehen: Die Kommentare sind nicht nur für den Autor interessant, sondern auch für die anderen Leser. Deshalb ist es meiner Ansicht nach schade, wenn du abwartest, bis der Autor sich meldet, bevor du kommentierst.
Ich habe nichts studiert und sehe aus pragmatischer Sicht, dass ich doch keine ein-zwei Stunden in einen Text investiere, dessen Autor evtl. (jetzt schon seit einer Woche) nicht mehr im Forum ist und gar nichts von meinen Gedanken mitbekommt. Es geht nicht ums Dankesagen, sondern um meine Zeit, die ich jemandem schenke. In der Zeit nehme ich mir dann lieber eine Geschichte vor, dessen Autor noch am Text arbeitet.

Ich spreche auch nicht von Ein-Satz-Kommentaren, wie du ihn leider nur abgegeben hast. Schade insofern noch mehr, da wir es ja mit einer Fachfrau zu zu haben.

 

Hallo Loboto,
gewandt geschrieben sehe ich Deine Geschichte. Irritierend in den extremen Handlungsebenen. Das bleibt hängen. Das lese ich, es irritiert mich und dann bleibt es aber dann doch für mich zu oberflächlich stehen. Die Banalität des Bösen setzt ja auch bei Ahrendt eine Ideologie im Hintergrund voraus, vor der die Alltagsroutine erschreckend erscheint. Diese Dimension fehlt mir da. Das könnte modern sein, ja, in der offenen Sichtweise, ohne Begründung, ohne Background und so weiter. Aber dann die im Grunde ausgeleierte Ernüchterung: „Zu welchem Zeitpunkt unserer Ehe kamen wir an die Kreuzung, an der wir uns voneinander entfernten?“ Das ist doch ein laues Klischee mittlerweile, das mir als Movens nicht in den extremen Kontext zu passen scheint und auch eine Stelle, die ich sprachlich unglaubwürdig finde. Unzufriedenheit, Verlorensein, Sinnsuche, Suche nach Spüren in einer kalten Welt. Das sind wohl Impulse im Hintergrund, die ich zu wenig entwickelt finde.
Dann kann ich das Ganze vielleicht als Trailer sehen zu einem Film über einen Mann, der ausrastet. Also einzelne Mosaikszenen, aber geschlossen ist es nicht. Wie gesagt: muss ja nicht. Gibt ja genug Fragmentarisches, Brüchiges, Unerklärtes, das auch stimmig wirkt. Aber für mich hier nicht.
Herzlich
rieger

 
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bemerkte er schon von Weitem die Frau im roten Regenmantel.
Hier erfahre ich, dass da eine Frau ist.
An der Art, wie sie sich bewegte, wusste er sofort, dass es eine Frau war.
Jetzt hat mir der Autor überflüssigerweise nochmal erklärt, dass der Protagonist (von dem ich angenommen habe, dass er es auch weiß) es auch weiß.

Etwas an der Art von etwas wissen" klingt in meinen Ohren schief.

Eine zierliche Frau musste es sein
Und jetzt erfahre ich, dass die Frau zierlich sein "muss", was ich als Gedankengang nicht nachvollziehen kann.
Warum sollte irgendwer denken, dass etwas so und so sein muss, wenn er es vor der Nase hat?
"Der Himmel musste blau sein", würde nur jemand denken, der den Himmel nicht sehen kann.

 

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