Was ist neu

Angst

Mitglied
Beitritt
09.09.2010
Beiträge
14

Angst

„Das ist nicht fair!“
„Du musst endlich erwachsen werden, verdammt. Du kannst doch nicht immer hier bleiben, du bist 21 Jahre alt. In deinem Alter hatte ich schon Frau und Kind, für die ich sorgen musste.“
„Aber das waren andere Zeiten, du kommst aus einer anderen Kultur. Jetzt ist alles anders.“
„Nichts ist anders, Anis. Man muss immer noch genau so hart arbeiten, um etwas zu werden. Und je früher du das erkennst, umso besser ist es für dich, mein Sohn. Du bist ein Mann. Wo ist deine Ehre? Wo ist dein Stolz? Es ist dein Leben, nimm es in die Hand.“
Um Ehre und Stolz ging es mir tatsächlich nie. Ich war nicht wie mein Vater. Ich war nicht wie alle anderen, ich war ich. War ich falsch?
Mein Vater war in den 80ger Jahren nach Deutschland gekommen, um Maschinenbau zu studieren. In seiner Schulzeit war er immer der Beste, sein Zeugnis war übersäht mit lauter strammen Einsen. Keine einzige Zwei störte die Harmonie der Perfektion. Wieso konnte ich das nicht? Wieso kam ich jedes Jahr grad noch so in die nächste Klasse, mit einem miesen Dreier-Schnitt und dem ständigen Mahnton meiner Lehrer: „Mensch Anis, du kannst doch mehr. Wieso tust du nichts? Wird wieder nur eine 4. Schade.“
Ich sah einfach keinen Sinn darin, mich anzustrengen. Wofür denn auch? Ich war ein Ausländer, egal wie gut mein Zeugnis war, das erste was sie sahen, war mein Namen – Anis Omar. Ein Araber, ein Terrorist, was sonst? Nach dem 11 September 2001 hatte sich mein Leben verändert. Die Leute hatten Angst vor dem Islam, Angst vor den Muslimen, Angst regierte ihr Leben.
Angst verändert Menschen, sie frisst sie von innen auf, wie ein Parasit nagt sie sich durchs Fleisch, sie befällt Nerv um Nerv, bis der Mensch, wie eine Marionette von ihr geführt wird. Und die Fäden werden immer kürzer, immer dünner, bis man irgendwann zu einem Klumpen zusammengerollt, in einer Ecke liegt und keine Bewegung mehr wagt, keinen Mucks von sich gibt, nur das Herz schlägt leise einen monotonen Rhythmus – den Rhythmus der Angst.
Ich hatte auch Angst, aber ich lernte sie zu beherrschen. Der Gedanke daran, dass andere noch mehr Angst hatten, beruhigte mich irgendwie. Ich fühle mich besser, wenn ich mich überlegen fühlte. Das war mein Trick, um die Angst zu besiegen.
Ich stellte mir vor, ich sei besser als mein Gegenüber, klüger und schöner. Und es funktionierte. Ich wurde zu dem, was ich ausstrahlte. Die Leute sahen nicht den schwachen, unsicheren Anis, sie sahen nur eine Maske, eine goldene, strahlende Maske, die jeden bei ihrem Anblick blendete und das gefiel mir.

Aber mein Vater kannte mich, ihm konnte ich nichts vormachen, er las mich wie ein offenes Buch und das, was er las, gefiel ihm nicht.

„Ich habe ein Zimmer für dich gemietet. Für den nächsten Monat bekommst du Geld, dann musst du allein zurechtkommen. Die Miete werde ich auch nur diesen Monat übernehmen. Es ist nur zu deinem Besten, glaub mir, du wirst mir noch dafür danken.“
So entschlossen hatte ich meinen Vater noch nie erlebt. So entschlossen und so kalt. Er war nie besonders davon begeistert, dass ich nach meinem Abitur nichts gemacht habe. Er wollte, dass ich in seine Fußstapfen trete und Maschinenbauingenieur werde,
gutes Geld verdiene und einen sicheren Job habe. Aber ich wollte das nicht. Das war nicht das, was ich mein Leben lang machen wollte. Acht Stunden im Büro sitzen, dann nach Hause, schlafen gehen, in der Erwartung des nächsten Tages, der dem Vorigen genau glich. Nein, das war kein Leben. Das war Sklaverei.

Meine Mutter saß neben meinem Vater und schaute zu Boden. Sie weinte.

Der Zug brachte mich nach Münster. Eine ausgeleierte Sporttasche war mein einziger Begleiter. In der Tasche hatte ich 300 Euro, die mein Vater mir als „Starthilfe“ mitgegeben hatte. Der Bahnhof war voller Menschen, die sich beeilten, irgendwohin rannten oder da standen und nervös auf die Anzeigetafel starrten. Manche schauten mich komisch an. Was hat er da in der Tasche? Eine Bombe? Sieht doch schon genau so aus wie diese Terroristen? Eine ältere Dame musterte mich skeptisch aus dem Augenwinkel. Ich versuchte die Blicke zu ignorieren und machte mich auf den Weg zu den Taxiständen.
Die Stadt zog mit 50 km/h an mir vorüber. Alles sah wie zu Hause aus. Alles war fremd. Dieses Land mochte mich nicht und ich mochte es auch nicht. Zwar wurde ich hier geboren aber es war nicht meine Heimat. Wo war meine Heimat? Ich wusste es nicht.
Das Taxi stoppte an einem schäbig aussehenden Haus. Die Fassade hatte stellenweise die Farbe verloren und einzelne Ziegelsteine waren zu sehen. Da war ich also. Home, sweet home.
Mein Zimmer sah genauso einladend, wie die Hausfassade aus. Auf dem Boden lag eine Matratze, neben der ein Stuhl stand. Am Fenster stand ein alter Bürotisch, welcher die sporadische Einrichtung komplettierte.
Eine Kakerlake huschte über meinen neuen Schlafplatz und verschwand darunter.
„Na, wenigstens ein Mitbewohner ist da“, sagte ich mir, während ich die Tür hinter mir schloss.

 

Hallo Trockenschwimmer,

Thema und Figurenkonstellation Deiner Geschichte finde ich interessant und vielversprechend. Die Umsetzung allerdings ist mE stark ausbaufähig.

Zum einen berichtest Du fast nur, und nimmst den Leser fast nirgends in die Geschichte mit hinein, stellst die inneren und äußeren Konflikte des Prots nicht anschaulich dar.

Dann wird die titelgebende Angst im Text durchgängig nur vom Ich-Erzähler behauptet. (Mal abgesehen, dass er zu ihrer Begründung abgedroschene Klischees heranzieht, ohne sie mit konkreten Erlebnissen zu füllen.) Dem Leser erschließt sich nicht, ob es sich nun tatsächlich so verhält, wie der Prot konstatiert, ob der Protagonist sich wegen eines ausgewachsenen Minderwertigkeitskomlexes oder einer psychischen Erkrankung die Realität missinterpretiert, ob beides zutrifft oder nichts von alledem.

In der Geschichte läge jede Menge Potential, Angst spürbar, greifbar zu machen, sie anhand von konkreten Szenen darzustellen: die Angst des Prots vor Ausrenzungund Benachteiligung, die existenzielle Angst, als er vom Vater vor die Tür gesetzt wird, die angst der Umgebung vor dem Unbekannten, Fremden, ihre Abwehrreaktion.

Gerade als ich dachte, nun käme die Geschichte nach vier Absätzen Vorgeplänkel mit dem Rauswurf des Prots in die Puschen, war sie auch schon vorbei. Das ist schade. Da steckt wesentlich mehr drin.

Ach ja:

übersäht
übersät

LG, Pardus

 
Zuletzt bearbeitet:

Moi Dryswimmer,

so richtig hat der Text weder Anfang noch Ende. Irgendwie geht es los, ein bisschen Geplänkel, und irgendwie endet es wieder. Es steckt hier keine Geschichte drin. Weder in Form von etwas Interessantem, das einen mit plot/Charakter fesseln könnte, noch in Form einer Sprache/Erzählstimme, der man länger als 3 Zeilen zuhören möchte.

Die Probleme, auch stilistischer Art, die Pardus angesprochen hat sehe ich auch. Ob hier was Interessantes drinsteckt, wuerde ich aber dahingestellt lassen - klar, 'Angst' ist ein spannendes Thema, aber dann sollte man es auch nicht nur als Titel verweden, sondern im Text auch irgendwie reflektierend und erzählend behandeln.

Ich wuerde mal raten:
- beachte die Kritiken, die Deine Texte zuvor bekommen haben. Alleine danach sollte/könnte hier was passieren. Schau Dir zur Hilfe nochmal einen Komm von z.B. Makita unter einem Deiner Texte an
- schreibe selbst konstruktive Kritiken, denn das hilft Dir, Texte zu analysieren (was fluppt, was ist öde)
- schreibe etwas mit dem Spannungsbogen einer Kurzgeschichte.

Ich hab stark den Eindruck, dieser Prot ist derselbe Schluffer aus dem Kaffee bei Aldi-Text, und Du legst uns hier in Stuecken ein längeres Werk vor. Dies hier ist doch keine abgeschlossene KG, das ist ein Fragment.

Das timing und der Aufbau einer KG unterscheidet sich wesentlich von dem einer Novelle/Roman, und kann nicht beliebig gestueckelt werden - ausserdem lernst Du aus Komms zu Einzelteilen nix ueber den Aufbau eines ganzen. Zudem ist es hier auf der site regelwidrig.

Mir machen die Texte ueberhaupt keinen Spass. Gruende:
- die Sprache ist banal und unliterarisch (wie man so vor sich hin erzählt)
- Handlung (im Sinne eines plots vs. einer aufgeblasenen Situation) ist nicht-existent
- Du verwendest extrem viele Phrasen / Allgemeinplätze (auch solcher Ansichten)
- der Erzähler hat mehr als nur kritische Distanz zu seinem Prot. Er macht sich ueber ihn lustig, nimmt ihn nicht ernst, beschreibt nix Sympatisches, bringt ihn dem Leser nicht nahe. Es liest sich, als ob der Erzähler mit jedem Wort sagte 'dieser Typ ist ein blöder Loser'. Das funktioniert nicht - wenn Du vorwegnehmen willst, dass ein Leser so von dem Prot denkt, solltest Du das nicht bestärken, sondern gegenanschreiben.
Wieso soll ich was ueber einen lahmen Schluffer lesen, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt?

Vor allem: Wo ist die Erzählintention hier? Warum möchtest Du, dass ein Fremdleser das alles liest? Was hast Du anzubieten?

Herzlichst,
Katla

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom