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Angelas Erinnerungen

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28.12.2001
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Angelas Erinnerungen

Angelas Erinnerungen

Ein altes Bild. Zerknittert. Eine Fotografie. Drei Kinder, die in die Kamera strahlen. Zwei kleine Jungen und ein fröhliches Mädchen mit roten Pausbacken und Sommersprossen. Die kleine Anschi, wie sie überall im Dorf genannt wurde. Im Hintergrund Bäume. Landschaft. Und die Sonne. Der Sommer 1935. Die schönste Zeit ihres Lebens.
Damals war sie bei ihren Verwandten. Zusammen mit ihren Cousins hatte sie als Neunjährige drei wunderbare Monate verbracht. Monate voller Glück. Sie waren sich dort zum ersten Mal begegnet. Die Jungen hatten das ungefähr gleichaltrige Mädchen etwas skeptisch begutachtet. Aber bald lächelten sie sich an. Der eine Junge, Peter, nahm es bei der Hand und sagte: „Willst du mal unsere kleinen Ferkel sehen?“ Und Angela lächelte. Von da an waren Angela, Peter und Josef unzertrennlich. Sie standen früh auf, um so bald wie möglich hinaus zu kommen. Draußen spielten sie dann den ganzen Tag, kletterten auf Bäume, wälzten sich im hohen Gras, erfanden selbst Kinderspiele und konnten einfach Kinder sein.
An einen Tag kann sich Angela noch erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Sie standen um fünf Uhr früh auf, sahen sich gemeinsam den Sonnenaufgang an. Nach dem Frühstück packten sie ihre Rucksäcke und gingen auf den Berg. Den ganzen Tag wanderten und kletterten sie. Und am Abend gingen sie durch den Wald zurück. Immer wieder legten sie sich auf den weichen Boden und spürten die Erde. So intensiv wie damals hatte sie die Natur nie erlebt. Ihr ganzes Leben nicht. Und jetzt sitzt sie da, mit Tränen in den Augen.
„Frau Gardner, brauchen Sie etwas?“
Angela sieht auf. Sabine, die nette Praktikantin hier im Heim steckt den Kopf zur Tür herein. „Dankeschön. Ich brauche nichts.“
„Geht es Ihnen gut? Sie sehen aus, als ob Sie geweint hätten! Wollen Sie darüber reden?“
Sabine kommt jetzt ganz herein und zieht die Tür hinter sich zu. Sie setzt sich neben Angela.
„Sind das etwa Sie?“
„Ja, da bin ich neun Jahre alt gewesen. Ich war bei meinen Verwandten auf der Alm. Das neben mir sind meine Cousins.“ Sabine hört ihr aufmerksam zu. „Wir sind immer auf den Berg gegangen. Beim zweiten Mal gingen wir gerade durch den Wald, als...“
In Angelas Kopf spielen sich Bilder ab. Der Baum mit seinen dünnen Ästen. Josef, der hinaufklettert. Der schreiende Peter. Der Ast, der herunterkracht. Und Josef, der ein bisschen verdreht am Boden liegt. Bewusstlos. So schnell war sie noch nie gerannt. Ihre Beine flogen nur so über den Boden. Peter war bei Josef geblieben und versuchte, ihn aufzuwecken. Als Angela beim Haus ankam, war sie kaum außer Atem. Sie beschrieb ihrer Tante den genauen Ort und setzte sich dann hin. Auf einmal bekam sie Herzklopfen und atmete schnell. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ihr Körper überhaupt nicht auf das schnelle Laufen reagiert.
Der Onkel trug Josef ins Haus. Peter folgte weinend. Josef wurde auf das Bett gelegt. Er war noch immer bewusstlos.
„Was ist dann passiert? Was war denn mit dem kleinen Josef?“
„Josef hatte sich ein Bein gebrochen und das andere geschient. Er war durch den Schreck bewusstlos geworden.“
Angela muss lachen, wenn sie an die Spiele denkt, die sie dann mit ihm gespielt haben. Immer wieder hoben sie den armen Josef aus seinem Rollstuhl und spielten damit. Wie oft musste Josef dann das Kind sein und Peter und Angela die Eltern, die ihr Kind im Kinderwagen durch den Park schoben.
„Es war so traurig, als wir uns verabschieden mussten!“
„Das glaube ich Ihnen, Frau Gardner! Und wann haben sie die beiden wieder gesehen?“
Angela seufzt. „Nie wieder. Als der Krieg kam, zogen sie fort, ich habe keine Ahnung, wohin. Ich habe mal erfahren, dass Peter schon tot ist. Aber ich hoffe noch immer, dass Josef noch lebt. Und irgendwann kommt er dann zur Tür herein.“
Sabines Pager piepst. „Oje, jetzt habe ich mich aber verspätet, Frau Gardner, ich muss...“
Es klopft an der Tür, sie öffnet sich. Und Angela lacht.

 

Vielleicht, weil es nicht gerne gesehen wird, dass man andere zum Lesen ihrer Geschichten auffordert ... ;)
Deine steht ja erst zwei Stunden hier, ein bisschen Geduld muss man mitbringen. :shy:
Bei meinen dauerts oft Tage ... :rolleyes:
Und Du hattest schon eine halbe Stunden später da stehen "Na los, ich will ne Kritik,", oder so ähnlich.

Ich fand die Geschichte ganz hübsch, ich mag so nostalgische Stories wo über die Vergangenheit sinniert wird.
Kommt am Ende also wirklich Josef zur Tür hnein? Es wird so angedeutet, kaum dass Angela sagt sie hofft es ist da auch schon jemand, aber der Zufall wäre doch riesig und das macht es etwas unglaubwürdig, oder?

 

Okay, schon klar... ich werd geduldiger sein.
@ginnyrose: danke. ob josef zur tür hereinkommt? das weiß ich nicht. auf jeden fall lächelt angela, als die tür aufgeht. und wenn sie ihn nur gesehen hätte, hätte sie ihn doch sicher nicht erkannt, oder?
zum nachdenken...
lg, jule

 

Entschuldigung, aber ich wollte den Titel ändern und es scheint noch mit dem alten Titel in "Alltag" auf! Könnte das jemand richten?

 

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