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Angeheiratet

Joh

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28.07.2003
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Angeheiratet

Angeheiratet

Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Ihr Leben nicht so verläuft, wie Sie es sich einmal vorgestellt haben? Dann sind Sie bestimmt auch Onkel.
Eigentlich hätte ich ja gewarnt sein müssen, als bei unserer Hochzeit der sechsjährige Sohn meiner Schwägerin unter den Schreibtisch krabbelte und versuchte, der Standesbeamtin unter den Rock zu schauen. Aber an diesem Tag hatte meine geistige Zurechnungsfähigkeit eh ihren absoluten Nullpunkt erreicht und mein zukünftiges Leben erschien mir rosarot leuchtend.

Seit diesem Zeitpunkt darf ich mir die wöchentlichen Berichte über die Therapiefortschritte des Kleinen anhören, gespickt mit dem fachlichen Kommentar meiner Ehefrau: „Die Psychologin versteht ihn einfach nicht!“ Ich schweige dazu lieber. Nachdem unser Neffe die zweite Klasse überspringen durfte, gilt er als „hochbegabt“ und ist die intellektuelle Hoffnung der Familie, meine fundierten Bedenken werden hingegen mit einem „Du magst ihn ja sowieso nicht“ weggefegt. Während der Rest der Familie sich schon über die geeignete Universität für den Jungen streitet, rechne ich fest damit, dass er bei seinem ersten Hafturlaub mit blutverschmiertem Messer vor unserer Wohnungstür steht.

Mir persönlich ist es egal, ob das kleine Genie nur ein mangelhaftes Sozialverhalten zeigt oder hyperaktiv ist. Auf jeden Fall sollte man ihn in die Nähe anderer Kinder nur mit Zwangsjacke und zwei Mann Bewachung lassen, da er sonst pitbullartig auf diese losgeht. Erst neulich musste meine Frau ihn als nächste erreichbare Verwandte vom Turnunterricht abholen, da er gleich zu Beginn einem Kind das Auge blau schlug und für den Rest der Stunde neben dem plärrendem Opfer auf der Bank sitzen durfte.

„Wir wollen doch heute zum Zoo fahren? Darf mein Neffe mit?“ Ich rolle die Augen, aber meine Frau hat ihn bereits telefonisch eingeladen, also bleibt mir nur ein wortloses Schmollen übrig. Auf dem Spielplatz entzieht sich meine Frau ihrer Aufsichtspflicht durch einen vorgetäuschten Toilettengang, während ich mich abseits stelle. „Ist das ihr Kind, dass meinen Jungen von der Rutsche geworfen hat?“ fragt mich eine tränenüberflutete Mutter, ich verneine energisch. Natürlich erinnert sich mein Neffe in diesem Moment an unsere verwandtschaftlichen Beziehungen, auch wenn er mich sonst penetrant wie einen Fremden behandelt, und läuft freudestrahlend mit einem "Hallo Onkel" auf mich zu.

Nachdem wir in allen nahe gelegenen Freizeitparks, Schwimmbädern und Tierparks Hausverbot bekommen haben (zumindest in den letzteren soll sich die Population inzwischen wieder erholt haben), beruhigt sich die Situation ein wenig. Auch rufen nicht mehr so häufig Bekannte an und fragen mich völlig verängstigt, ob meine Frau denn etwa ihren Neffen zum Treffen mitbringen wolle.
Meine Frau hat sich inzwischen dazu entschlossen, ihn nicht mehr so oft allein in ihrem Auto mitzunehmen, nachdem mein Neffe sich während einer Fahrt mehrfach den Sicherheitsgurt um seinen Hals legte und nach einem plötzlichen Bremsmanöver ungesund blau anlief. Aber er muss ja wissen, was er tut, schließlich ist er das Genie.

Nur ab und zu kommt noch ein flehentliches „Ich habe meinen Neffen so lange nicht mehr gesehen, darf er mal zu uns kommen?“
Da ich kein Unmensch bin, trage ich den Termin rot unterstrichen in meinen Kalender ein und arbeite einfach an dem Tag länger. Die türkische Putzfrau, die um 21.00 Uhr mein Büro säubert, kennt dies schon und bringt mir einen heißen Tee. „Ah, Neffe nix gut“ sagt sie mitfühlend und ich nicke müde.

Kürzlich verkündete meine Frau stolz, ihr Neffe sei jetzt zu einer Stadtranderholung weggeschickt worden. Meine Bemerkung, ich würde es gut finden, wenn man meinen Neffen wegschickt, damit sich der Stadtrand erholen könne, wurde nur mit einem verweinten „Ich vermisse ihn so“ beantwortet. Ich zückte meinen Terminkalender: „Wann?“

 

Hallo Joh!

Ich bin zwar kein Onkel, aber ich habe trotzdem Deine Geschichte recht amüsant gefunden! :)

Ja, ich hab mir auch schon öfter gedacht, daß so ein hochbegabtes Kind wohl öfter mehr eine Qual als ein Segen ist. Meistens bleiben sie menschlich ziemlich hinten, was aber bestimmt auch an den Eltern liegt, daran, wie sie damit umgehen.

Die Geschichte würde ich allerdings erst bei "Eigentlich hätte ich ja gewarnt sein müssen" beginnen, also ich fände es besser ohne dieser Einleitung, in der Du jeden zum Onkel machst... ;) :)

Liebe Grüße,
Susi

 

Hallo Joh,

nette kleine Geschichte über verwandtschaftliche Beziehungen. Leider weist diese Geschichte Mängel auf.

Zum einen fehlt mir ein wenig der rote Handlungsfaden in deiner Geschichte. Es ist zwar so, dass sich das Thema konsequent mit diesem kleinen Kerl beschäftigt, aber es handelt sich eher um eine Ansammlung von einzelnen Ereignissen, die ein wenig hilflos nebeneinander gereiht wurden.
Mir fiele dazu ein, dass du eine Handlung ersinnen könntest, diese erzählst du und bringst wie hineingeflochten all die kleinen Andekdötchen dazwischen, die jetzt in deiner Geschichte untergebracht sind.
Mit anderen Worten, du schweifst von der eigentlichen Handlung immer mal wieder ab, erzählst, was noch alles passiert ist und führst dann den Handlungsstrang konsequent bis zum Ende weiter.
Das wäre mein Vorschlag, aber eben nur ein Vorschlag, du mußt es ja keineswegs so sehen und schon gar nicht so machen.:)

Dann habe ich so ein wenig Kopfschmerzen wegen des satirischen Gehalts dieser Geschichte. Eigentlich erzählst du nur ein wenig ironisch, was es so an verwandtschaftlichen Miseren zu erdulden gibt. Das ist, wenn überhaupt allenfalls eine Realsatire.
Für mich ist dies hier eine Geschichte, die gut in die Abteilung Humor paßt, aber bitte, damit möchte ich dich nicht aufgefordert haben,um ihre Verschiebung nachzusuchen.

Lieben Gruß
lakita

 

Deine Geschichte gefällt mir wahnsinnig gut!! Bin zwar wiblich und selbst fürs Tante sein noch ein wenig zu jung, kenne aber auch so ein Exemplar, bei mir ist es das Patenkind meiner Mutter. Besonders die Beschreibung der Mutter trifft es auf den Punkt - sie ist genau so, wie du es schreibst. Danke für diese tolle Geschichte, habe mich königlich amüsiert!

 

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