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Anfang vom Ende - Ende vom Anfang

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26.03.2002
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Anfang vom Ende - Ende vom Anfang

Worauf hatte er sich da eingelassen? Er wußte selbst nicht, was er erwarten sollte. Er wollte leben, spüren, daß sich in seinem Bauch noch etwas regen kann. Die drei Telefonate, die er vorher mit ihr geführt hatte, waren alle sehr nett, doch auch zu unverbindlich und der Reiz bestand sowieso in dem, was noch kommen würde. Wie sie aussah, daran konnte er sich nur noch schemenhaft erinnern: blond, Locken und dünn, zudem mit einem besonders freundlichen Lächeln gesegnet. Allerdings wußte er nicht mehr, ob sie mehr war als hübsch, ob sie Ausstrahlung besaß und schön genannt werden konnte. Die sympathische Wärme, die er damals verspürte, als er sie in dem dunklen Anmachschuppen ansprach, kurz bevor er gehen wollte, verblaßte in seiner Erinnerung und es erschien ihm so als hätte er sie dem Alkohol zuzusprechen.
Was er wollte, war also mehr; er mochte die Eindrücke von vor ein paar Monaten bestätigt wissen. Die Telefonate waren angenehm unverkrampft, auch wenn ihm dabei jedesmal ein flaues Gefühl beschlich, doch sie schluckte seine Sorgen weg. Wenn er aufgelegt hatte, mußte er sich nur kurz zwingen das Gespräch zu verdrängen und schon war er befreit.

Nun stand er also am vereinbarten Treffpunkt und seine Freundin saß vermutlich gerade im Büro und ärgerte sich an diesem ersten Frühlingstag arbeiten zu müssen. Bei seinen vorherigen Rendezvous war er ungleich aufgeregter, aber er fühlte sich dreckig und hatte das Gefühl sich im nächsten Moment zu beschmutzen.
Obwohl sie versprach pünktlich zu sein, war sie noch nicht da. Er schaute in die Richtung aus der sie kommen mußte und versuchte in der Menschenmenge blondes Haar zu erhaschen. Kurz hoffte er, sie würde nicht kommen, aber das konnte nicht sein, zu viel Wert hatte sie auf dieses Treffen gelegt, was ihm besonders geschmeichelt hatte. Bevor er auch nur ein blondes Haupt sah, stand sie plötzlich fast vor ihm und ging noch die wenigen Schritte, die noch fehlten, auf ihn zu. Das war der Moment, in dem sich der Weichzeichner in seinen Augen einschaltete und er ihre Bewegungen, die nicht auffallend elegant waren, in Zeitlupe sah. Die Wärme stellte sich automatisch ein und unter normalen Umständen hätte er sie jetzt umarmt wie eine gute alte Freundin, aber in ihm kämpfte nach wie vor die Kritik, die allein ihm selbst galt. Er sah ihr in die Augen und versank kurz aber heftig. Als er wieder zu sich kam, spürte er ihre Hand in seiner. Nach Luft japsend, versuchte er eine möglichst unverkrampfte Begrüßung, die sie, sicherlich nicht minder aufgeregt, freundlich erwiderte.
Als sie in dem Café saßen, daß sie vorgeschlagen hatte, atmete er innerlich immernoch tief ein und aus und versuchte zu klären, wovon er gerade Zeuge wurde. Wie so oft beobachtete er sich selbst ohne etwas erkennen zu können. Er hätte sie küssen können, er sah ihr auf den Mund, in die Augen. Er sog sie auf, als müßte er sich die nächsten drei Jahre an jede Einzelheit in ihrem Gesicht erinnern können, er wollte noch lange von ihr zehren. Die dünnen Haare waren gefärbt. Ihre zarte, blasse Haut war durchzogen von blauen Äderchen, daß man sie am liebsten gleich eingecremt hätte, um sie zu schützen. Die dünnen Arme wirkten so zerbrechlich und ihre schmale Nase paßte so wunderbar in ihr Gesicht. Er hatte den Eindruck, als könne er nur noch schauen.
Sie stellte Fragen und immer wieder mußte er mit sich kämpfen: ist es fair, alles zu erzählen? Sie stellte die Fragen durchaus interessiert und sein Mißtrauen schwand mehr und mehr. Er genoß den Augenblick, wie sie ihm gegenübersaß, wie der noch kühle Frühlingswind beide frösteln ließ, bis sie sich ihm zur Seite setzte. Aber alles war gleichzeitig so dumpf. Als würde er im Dunkeln tappen, ertasteten seine Sinne unsicher und doch empfindlich wie ein Seismograph die Situation. Er wünschte sich in dem Café sitzen zu können, wie all die anderen auch, aber er war hier etwas Besonderes, stand im Mittelpunkt, denn er war schmutzig und ab und zu mußte er mitkriegen, wie tausend Augen auf seinen Stuhl blickten. Doch wenn er ihr in die Augen schaute, die so hübsch und gleichzeitig doch so warm waren und so überaus freundlich, und sie aufblickte, dann befand er sich für den Bruchteil einer Sekunde mit ihr in einer dichten Röhre, er am einen, sie am anderen Ende. Er ahnte, dies war der Anfang vom Ende und er wollte erst viel später weinen, denn es würde ein bitteres Ende sein.
Ein paar Stunden später, beschlossen sie zu bummeln. Im Kaufhaus war er sich für Momente sicher, mit seiner Frau zu schlendern. Immer wieder wollte er „Liebling“ sagen und flüchtete sich in Floskeln, die seiner Verlegenheit entsprangen und vor allem seinem Selbstschutz, denn das alles ging bislang zweifelsfrei viel zu schnell. Er wollte nun alles über sie wissen, auch das aufsaugen. Daß es umgekehrt genauso war, machte ihn glücklich. Er fühlte sich sicher und sein Selbstvertrauen entglitt ihm zeitweise.
Er müsse nun doch gehen. Sie wußte warum, wollte es aber nicht wahrhaben. Seine Gefühle spielten wunderbar leichte Kapriolen und immer wieder ihre Augen, die alles so leicht erschienen ließen. Allererste Vorboten von Eifersucht mußten beide bereits verbergen, was ihm durchaus gefiel, ihn aber weiter besudelte.
Ob er sich denn nochmal melde? Keine Frage. Und ohne Not, was ihn sehr ärgerte, gab er alles zu. Alles, war in diesem Fall ohne Frage zu viel. Sie berührte ihn kurz und fand es „süß“ und das war der Moment, in dem er wußte, daß war das Ende vom Anfang, aber es war einfach zu spät. Was ihm nun blieb, waren zwei Wege und er würde sie fragen, welchen er denn nun gehen solle.

 

Hi Caesar!
Da hast du ja ne tragische Geschichte Geschrieben! :eek:
Aber sie gefällt mir erstaunlich gut!
Ich muss ehrlich sagen, dass ich sowas Ähnliches, wie in der Geschichte auch schon erlebt habe! :(
Ist nen schwieriges Tema. Hast du aber wirklich gut umgesetzt!
Was mir auch gefällt sind die Verdinglichungen von menschlichen Tätigkeiten und ähnliches!

Als würde er im Dunkeln tappen, ertasteten seine Sinne unsicher und doch empfindlich wie ein Seismograph die Situation.
Cooler Vergleich finde ich! :D

Mach weiter so!

Turni :cool:

 

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