- Anmerkungen zum Text
Der Text war ursprünglich für einen Wettbewerb gedacht. Aber ich mich verlesen hatte und jener damit nutzlos wurde, dachte ich mir, ich schmeiße ihn rein und hole mir ein paar Meinungen ab.
Anfang oder Ende?
Diese Geschichte, meine Geschichte, könnte der Anfang meines Endes sein. Aber wer war ich schon, um das zu hinterfragen? Ich tat jeden Tag aufs Neue diese eine Sache, welche ich am besten konnte. Zu etwas anderem war ich nicht vorgesehen.
Somit marschierte ich auch an diesem Tag hinaus in den düsteren Wald. Die Sonne hatte ihren Weg über den Himmel erst begonnen. Neugierig fielen die ersten Strahlen über den Horizont. Doch sie drangen kaum durch den Nebel, welcher zwischen dem Geäst hing.
Schwer legte er sich wie ein Mantel um mich. Ließ mich frieren. Durchweichte meine langen blonden Haare und den Bart an meinem Kinn. Ein Glück, dass das Leder meiner Kleidung Feuchtigkeit nicht derart einfach aufsog.
Mein stahlblauer Blick wanderte zwischen den Bäumen. Vorsichtig setzte ich einen Schritt vor den anderen. Wollte meine potenzielle Beute nicht aufschrecken. Nicht erneut. Dafür verbrachte ich bereits zu viel Zeit damit ihn zu jagen.
Ihn.
Er symbolisierte zweifelsfrei den Anfang meiner Geschichte. Er war es gewesen, welcher mich aus meiner Heimat gerissen hatte. Mich hinaus in eine Welt gezerrt hatte, welche mir völlig unbekannt war.
Eine Frage huschte durch meinen Kopf. Wenn er der Anfang war, wer war wohl mein Ende? Hastig schüttelte ich den Kopf. Nicht das beste Thema, wenn man sich auf eine Jagd konzentrieren sollte.
Meine hochentwickelten Sinne verschmolzen mit meiner Umgebung. Nichts und niemand würde meinem Blick ausweichen können. Ich war mir dessen sicher. Vielleicht zu sicher?
Ich war für die Jagd geboren worden. Nein, geschaffen worden. Durch ein Ritual beherrscht von Magie. Bis heute verstand ich nicht so recht, wie jenes funktionierte, doch es ließ mich atmen. Also hörte ich auf Fragen zu stellen.
Das Knacken eines Astes riss mich aus meinen Gedanken. Mein Blick verfolgte das Geräusch. Ließ mich herumfahren.
Und da stand er. Das dunkle lange Haar bewegte sich in der Morgenluft. Die grasgrünen Augen waren stur auf mich gerichtet. Seine bloße Präsenz war eine Beleidigung für mich. Die Art und Weise wie er einfach nur dort stand. Mich von oben bis unten betrachtete. Nicht einmal eine Waffe in den Händen hielt.
„Ich habe dich gesucht“, sprach er. Verengte seine Augen dabei zu Schlitzen. Er wirkte wütend. Aber worauf? Hatte er mich doch in diese Falle gelockt.
Ein amüsiertes Schnauben entfuhr mir. „Wolltest du mir die Jagd vereinfachen?“ Ich versuchte, meine Stimme zu kontrollieren. Doch meine innere Unruhe ließ sie beben.
Ich wusste nicht, wie ich auf seine Anwesenheit reagieren sollte. Hass traf auf Liebe. Vertrauen auf Verrat. Ich wusste nicht, ob ich mit ihm sprechen wollte. Oder den Waldboden sofort mit seinem Blut bedecken wollte.
„Ich bin der Bessere von uns. Du würdest einen Kampf nicht gewinnen können.“ Sein Gesicht zeigte keinerlei Emotionen. Ich fragte mich, ob ich ihm wirklich so unwichtig war, wie er tat. Oder ob er im Inneren dasselbe Gefühlschaos erlitt.
„Ich habe die vergangenen Jahre viel trainiert. Du irrst dich.“ Denn das war meine Bestimmung gewesen. Mein selbsterdachtes Ziel. Besser, als er zu werden.
„Dann lass es uns beenden.“ Seine linke Hand wanderte seinem dunklen Gürtel entlang. Bis sie sich um den edlen Griff seines Schwertes legte. „Hier und jetzt.“
Anfang oder Ende?
Wer kannte sie nicht? Die glorreichen Geschichten eines Helden. Das Gute, welches stets über das Böse siegte. Mit diesem Gedanken im Kopf zog auch ich mein Schwert. Unheilvoll funkelte es im Licht der fahlen Sonne.
Ich war fest davon überzeugt, der Gute zu sein. Das Alpha und das Omega. Mit mir würde diese Geschichte beginnen. Und mit mir würde sie enden.
Immer wieder wiederholte ich diese Phrase in meinem Kopf, während die Schwerter aufeinanderprallten. Das Metall gab ein Geräusch von sich, als würde es kreischend um Hilfe rufen. Zerriss damit das Schweigen des Waldes.
Er war schnell. Seine Bewegungen waren perfekt aufeinander abgespielt. Er parierte ebenso stark wie er angriff. Doch ich war besser. Ich musste besser sein.
In einem Moment der Unachtsamkeit wurde der Schnitt gesetzt, welcher alles beenden sollte. Beendete einen Kampf, welcher nur wenige Sekunden gedauert hatte.
So schwach war ich gewesen.
Meine Hand wanderte zu meiner zerrissenen Brust. Ein tiefer Schnitt hatte das Fleisch zerfetzt. Blut floss. Schien nicht mehr aufzuhören.
Ein stechender Schmerz machte sich in mir breit. Als hätte er meinen Körper in Flammen gesetzt. Raubte mir den Atem. Verschnürte meine Kehle.
Meine Knie trafen den feuchten Boden, während meine Hände versuchten, an jeder Stelle meines Körpers gleichzeitig zu sein. Eine schlang sich um meinen Hals. Als würde es mir dadurch leichter fallen zu atmen. Die andere wagte den mickrigen Versuch, die Blutung zu stoppen.
Das war es also? Er sollte nicht mein Anfang sein? Sondern mein Ende?
„Ich sagte dir, dass du den Kampf nicht gewinnen kannst.“ Er betrachtete mich von oben herab. Mein Blut verklebte seine dunklen Haare. Tropfte von der silbernen Klinge seines Schwertes. „Das nächste Mal solltest du auf mich hören, Bruder.“
An diesem Tag fand ich den Tod. Doch in letzter Sekunde hatte ich eine Sache gelernt. Der Anfang und das Ende waren unwiderruflich miteinander verbunden. Und nur meine eigene Arroganz hatte dazu geführt, dass mein Anfang zugleich mein Ende wurde. Ich wurde zum Alpha sowie zum Omega. Innerhalb weniger Sekunden.