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An'er Als

Monster-WG
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07.01.2018
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Anmerkungen zum Text

Hallo, liebe Wortkrieger und Wortkriegerinnen

Dies ist mein Beitrag zur ersten Hamburger Challenge. Die Vorgaben dafür waren "Picknick zu dritt" und "das erste Mal". Kann sein, dass ich das erste Mal ein bisschen vergessen habe. Sagen wir einfach: Für Kinder ist alles das erste Mal. :p

Edit: Leider ist es mir noch nicht gelungen, die Zitate so einzubinden, dass sie eindeutig als Zitate, inklusive Urheber/in, zu erkennen sind. Deshalb: Die im Text vorkommen "Sings" sind Kinder aus Asbest von Neonschwarz und Wünsch Dir was von Die Toten Hosen. ;) Reinhören lohnt sich.

Hamburger Grüße,
Maria

An'er Als

I. Tausch
Als Mausi noch meine Freundin war, hatte ich Mumm. Sie passte auf mich auf. Ich hatte zwei Freundinnen. An’em Tag besuchten Mausi und ich unsere annere Freundin Hoka. Für sich nix Besonneres, aber als ich am Morgen die Tür öffnete — ganz ohne Bang — und die Luft in’e Lungen sog, prickelte eine Hühnerhaut auf meinen Armen.
»Gude Luft«, sagte ich.
Mausi spitzte die Ohren. Sie schob die Schnauze an mir vorbei durch’en Türspalt, hielt die Nase in’en Wind. Und wuffte.
»Schnellschnell, Mausi. Zu Hoka.«
Während wir die Straße entlanglopten, färbte sich der Himmel weiß, und der Rad-Blau-Turm tauchte aus’em gelben Morgendunst auf. Die Schrift am Dach wurde sichtbar, Rad-Blau steht da. Zuminnest behaupten die Feuerkids das. Feuerkids und ihre Geschichten — die darf man nich’ glauben, nech? Feuerkids sind abergläubisch. Jedes Kid weiß das. Hoka wusste das auch.
»Da steht gar nich' Rad-Blau«, sagte sie früher einmal, als sie neben mir auf’em Dach eines Huuses hockte und zum Turm hinüberschaute. »Sonnern Radisson
Ich traf Hoka am großen Auto, in’em sie wohnte. Es war so groß, es hatte mehr als dreißig Sitze. Dreißig und sechzehn Sitze, ich hatte sie alle gezählt. Weiter als dreißig wusste ich nich', aber Hoka behauptete, es seien hunnertelf Sitze. Aber das ist Quatsch, denn hunnert, so viel weiß ich, das wären vielviele Sitze.
Das Auto fuhr schon lang nich' mehr, den Motor hatte Hoka weggegeben. Alles, was sie fand, tauschte sie gegen Essen, Süffel und anneren Krams.
An diesem Morgen hockte sie auf’er Erde vorm Auto. Sie sortierte Schrauben aus einer rostigen Kiste auf’m Boden.
»Hoi, Hoka«, sagte ich.
»Hoi«, sagte Hoka. Sie ließ den Blick schweifen von mir zu Mausi, dann zu Singsa an meinem Gürtel, Singsas Hörer, die ich mir um’en Hals gelegt hatte. Sie deutete mit’m grauen Finger auf Singsa. »Doch tauschen?«
Ich presste ihn an mich. »Nee. Gehen zur Als.«
Hoka erhob sich aus’er Hocke und wischte die Hände an’er Hose ab. »Nee«, sagte sie. »So Mumm haste nich'.«
»Mumm hab ich! Hab ich dir gesagt.« Ich reckte das Kinn. Wich Hokas Blick nich' aus. »Picknick an’er Als, das mach ich. Gehe auch zur Alsvilla! Hab ich dir Hand drauf gegeben.«
»Hand mit Spucke, haste«, sagte Hoka.
»Und du hast Hand mit Spucke gegeben, dass du Essen für Picknick gibst.«
»Gebe dir Essen, und holste mir Alswasser. Aber …« Hoka schüttelte den Dötz. »Geh nich’ zur Alsvilla. Da sind Spenster.«
»Denkste, ich hab keinen Mumm?«, fragte ich.
»Vorsichtig, Abra! Jo?« Hoka blickte mir tief in’e Augen.
Ich blickte auf’en Asphalt zu meinen Füßen. Ich hatte genug Mumm. Würd ich schon beweisen.
Hoka seufzte. »Warte.« Sie verschwand im Auto.
Ich kraulte Mausis Nacken. Durch’e Scheiben versuchte ich zu erkennen, was Hoka da tat, doch die Fenster waren blind vom Staub.
Schließlich kehrte Hoka mit einem gepackten Büddel und drei leeren Wasserschläuchen zurück. Den Krimskrams reichte sie mir. Die Wasserschläuche schlenkerten auf meinem Rücken, und der Büddel wog schwer an’er Schulter. Ich grinste, mein Herz flatterte.
Ein Picknick am Wasser wie in einer der Geschichten, die die Feuerkids vertellen. In’er Geschichte treffen sich drei Frauen an’er Als, und sie haben herrliches Essen dabei. Und auch ein heimnisvolles Süffel, das Bia. Ständig versuchte Hoka, Bia einzutauschen — das wollte jedoch niemand einem Kid geben. So herrlich stellte ich mir ein Picknick an’er Als vor mit Bia und genug Essen für drei Große Leute, dass ich Hoka davon vertellt hatte. Sie hatte mich ausgelacht. Gesagt, ich hätte nie genug Mumm, um an’e Als zu gehen.
Aber Mumm hatte ich. Jedes Kid wusste das. Damals.
»Da Bia drin?«, fragte ich.
»Wenn du Singsa gibst, gebe ich Bia«, sagte Hoka.
Ich riss die Augen auf. »Haste Bia?«
»’türlich nich'. Weißte doch.«

II. Feuerkid
Der Weg von Hokas Auto zum Mumpf war kurz. Von dort sah der Fluss kleiner aus, nur ein Rinnsel mitten im Mumpf. In einiger Entfernung erhob sich eine Mauer aus’m Modder, darauf ein Huus. Das Dach war vor langer Zeit heruntergekommen, und einige Balken ragten wie’e Zähne eines Geheuers in’en weißen Himmel. Die Alsvilla.
Niemand durchquerte den Mumpf, nie. Wer’s tat, kehrte nie zurück. Jedes Kid wusste das. Die Alsvilla fraß Menschen. Sie war die Bewacherin der Als. Aber ich ging trotzdem hin.
»Vor Spenstern haben wir Mumm, nech?«, sagte ich zu Mausi, sprach nur aus’m Mundwinkel.
Ich setzte einen Fuß in’en Mumpf. Der Boden war modderig, und ich sackte sofort ein, musste mir auf’e Unterlippe beißen, um nich’ zu schreien. Schmutziges Wasser sickerte in meine Schuhe.
Mausi lopte mir nach.
»Nich' stehenbleiben, Mausi«, sagte ich.
Die Luft roch tot. Ich atmete flach, presste die Zunge gegen’en Gaumen, ging schneller, rannte fast den ganzen Weg zum Huus.
Ich warf den Büddel oben auf’e Mauer und hob Mausi hoch. Ihr Fell war von Modder gesprenkelt. Nach ihr kletterte ich nach oben.
Im Schatten der Alsvilla roch es nich' mehr so schlimm, und wir hatten eine gude Aussicht über’n Mumpf und die Als. Auf’m Mauerrand lagen Tische und Stühle, verstreut, kaputt.
Früher, vielleicht vor Jahrhunnerten, das vertellen die Feuerkids, saßen hier Große Leute und genossen den Blick über die Als. Bei einem Eis. Ich lutsche gern Eis, und damals fragte ich mich, ob die Großen Leute die Eiszapfen direkt von’er Dachrinne der Alsvilla brachen. Im Winter hingen dort bestimmt leckere Eiszapfen.
»Kurze Pause«, sagte ich. Ich drehte Mausis Dötz zum Fluss. »Siehste, so ’ne gude Aussicht.«
Ich hockte mich auf’en Boden und steckte die Hörer in Singsas Seite. Einen Knopf pfriemelte ich in Mausis Ohr, den anneren in meins. Der Diskus, den ich in Singsas Bauch gefunden hatte, war ein bissken kaputt. Das erste Sing rauschte und knackte bloß, ich musste mehrmals auf’en Pfeilknopf an Singsas Oberseite drücken, damit ein Sing startete. Ich drückte immer gleich viermal.

»Funkelnde Augen auf mausgrauer Haut,
Irgendwer hat diese Stadt mit Schaufeln gebaut.
Die Bewohner der ersten Stunde,
Im Herzen gesund, nur verteert ist die Lunge.«

Ich spähte in’n Büddel. Atmete tief ein, den Duft, der mir entgegenschlug.
»Mausi, wir sind glückglücklich«, sagte ich.
Schinken, echter Schinken. Ein Stück Brot, genug für zwei Leute. Ich betastete es mit’n Fingern. Ein bissken hart, aber besser als alles, was ich die letzten Tage zu essen fand. Am Tag davor schnappte ein Wildhund Mausi einen Vogel vor’er Nase weg, und wir aßen beide nix. Mein Magengrummeln war lauder als das Sing.
Wir mussten nur noch das Alswasser besorgen, danach konnte es ein Picknick geben. Ein perfektperfektes Picknick.
Mausi fuhr zusammen. Sie machte einen Satz und war schon unter einem Tisch verschwunden. Ich hörte das Geräusch einen Moment später, ein Schleifen auf’m Steinboden. Es kam aus’m dunklen Inneren der Alsvilla. Mit einer Hand griff ich Singsa vom Stein, rupfte mit der anneren den Hörer aus’m Ohr und schlüpfte neben Mausi untern Tisch, presste mich an’en Körper der Hündin.
Das Schleifen wurde lauder, näherte sich. Doch Spenster. Spenster in’er Alsvilla.
Ich hielt Mausi das Maul zu.
Wir hörten annere Töne, nicht nur das Schleifen: ein Klingeln und Rasseln. Dazu der Geruch von Rauch und verbranntem Plastik.
Keine Spenster, gud, aber Feuerkids sind nich' besser. Sie bändigen das Feuer und teilen nich' gerne. Wenn sie Kids sehen, verjagen sie sie, manchmal, indem sie ihnen die Kleidung anzünden.
Das Feuerkid ging am Tisch vorbei. Vor sich her schob es eine Brenntonne.
Mausi witterte und stemmte sich gegen meinen Griff.
In wenigen Metern Entfernung verstummte das Schleifen. Ich drehte den Dötz, sah, dass das Feuerkid die Brenntonne umrundete. Ein Zischen und Murmeln, ein Knistern, mit’m das Feuer zum Leben erwachte.
Das Feuerkid schob die Tonne ganz nah an’e Mauer, stellte sich auf’en Mauerrand und blickte auf’e Als. Dann drehte es sich um in’e Richtung des Tisches, unterm wir lagen. Ich hörte Singsas Wispern aus’en hingeworfenen Hörern.

»Sie laufen jeden Tag am Abgrund entlang,
Ist ja auch klar, dass man abstumpft, verdammt.«

Ich schloss die Augen.
»Lassense den Hund nich’ los, ne?«, sagte eine Stimme, die Stimme eines älteren Jungen. »Wennse den Hund loslass’n, zünd ich ihn an, ne?«
Ich öffnete ein Auge. Mausi knurrte unter meiner Hand. Der Feuerjunge sprang von’er Mauer, beugte sich zu uns untern Tisch. Er hatte langes, rotes Haar, in’em funkelnde Euronen klapperten. Sein Gesicht war schwarz von Ruß. Er streifte den Feuerhandschuh ab.
»Kommense, ne? Ich beiß nich’.«
»Mein Hund beißt«, sagte ich.
Mausi knurrte erneut, und ich umklammerte ihr Maul fester. Der Junge zog ein Messer unter seiner Weste hervor.
»Kein Schiet, Kid«, sagte er. »Sonst mach ichse kalt.«
»Mausi. Schscht.« Ich streichelte Mausis Pelz. »Kein Schiet, jo.«
Ich ließ Mausis Maul los. Mausi wuffte laud und knurrte, doch sie blieb liegen.
»Bleib«, sagte ich. Dann kletterte ich unterm Tisch hervor.
Der Feuerjunge war größer als ich, aber das Messer zitterte in seiner Hand, der ganze Junge zitterte. Als hätte er schon lang keine Brenntonne mehr entzündet.
»Ich bin To«, sagte er. »Undse?«
»Abra.« Ich näherte mich der Brenntonne, dem Knisterfeuer. »Biste allein?«
Er zog die Nase kraus, zitterte noch ein bissken mehr. »Meine Freunne komm’n gleich.«
Ich streckte die Hände aus, hielt sie so nah an’e Wärme des Feuers, dass ich es grade noch aushalten konnte.
»Und was machense hier?«, fragte To. Er hielt immer noch das Messer in’er bebenden Hand.
Mausi zog unterm Tisch die Lefzen hoch, und ich warf ihr einen Blick zu, schüttelte den Dötz.
»Ein Picknick an’er Als«, sagte ich.
Einen Moment starrte To mich aus geröteten Augen an. Er lachte, bleckte die gelben Zähne. »Quatsch.«
»Haste nich' die Geschichte gehört von’en Frauen und dem Picknick an’er Als?«
»Die Geschicht’? Kid, war vor Jahrhunnerten. Große Leute. Keine Kids. War ’ne annere Als damals.«
»Weiß ich. Hatten auch Bia beim Picknick, nech?«
»Hamse Bia?«
»Nee. Die Großen geben keins.«
»Is’ besser, glaubense mir. Bia macht Große aus Kinners.«
»Hä?«
»Kinners, die Bia süff’n? Wer’n wie Große. Geruch, Stimme, Gang.«
»Haste schon Bia gesüffelt?«
Er leckte sich über die rissigen Lippen. »Jo. Aber mach ich nich’ mehr, nie. Würd ich nich’ woll’n, wenn ichse wär. Würd auch nich’ zur Als geh’n, ne? Die Eisenmänner leb’n in’er Als.«
»Die Eisenmänner?«
»Woll’nse nich’ kenn’n. Ich sach, machense Picknick hier.«
Ich presste den Büddel an’e Brust. Schinken und Brot, das reichte für Mausi und mich. Nich' für’n Jungen. »Nee, muss zum Wasser«, sagte ich.
Er betrachtete die Wasserschläuche, die von meinem Rücken hingen. »Holense Wasser?«
»Jo.«
Seine Nasenflügel weiteten sich. Er ließ das Messer sinken und machte einen Schritt auf mich zu, ergriff meine Hand. Seine Haut war kalt. »Bringense was mit?«
»Für meine Freundin.«
»Für mich? Kid, büdde.«
»Was willste damit? Kann man nich' süffeln.«
Er schüttelte den Kopf, die Euronen klimperten in’n filzigen Strähnen. »Nich’ süff’n, nee.«
»Was willste denn?«
»Kid … Büdde.« Er fummelte einen leeren Wasserschlauch von seinem Gürtel, hielt ihn mir hin. »Habense ‘nen Schlauch, machense den auch voll. Ich hab auch was fürse.« Er wies auf Singsa. »Braucht Batteries, ne? Kann ich geb’n. Tausch?«
Ich wechselte einen Blick mit Mausi. »Tausch.«
»Wasse auch tun, berührense nich’ das Wasser. Da sin’ Blaualgs drin.«
»Was ist das?«
Er zuckte die Achseln. »Niemand weiß das. Die Eisenmänner war’n Große Leute, bevorse im Wasser geschwomm’n sin’.«
Ich biss die Zähne aufeinanner. Blickte über die Mauer auf’n Fluss im Mumpf. Graue Grasbüschel bewuchsen das Ufer, und ich glaubte, eine Bewegung zwischen den Sträuchern zu sehen, zu weit entfernt, um mehr zu erkennen.
»Sie wurd’n sinnig«, sagte To. »Verlor’n den Verstand, kriech’n nur auf’m Bauch. Berührense nich’ das Wasser, vielleicht bemerkensese nich’. Und wasse auch tun – glaubense nix, wasse am Ufer seh’n.«
Ich blickte zurück zu Mausi und Singsa und murmelte: »Wer im Schlamm aufwächst, hat keine Angst vor dem Mumpf.«

III. Alswasser
Aus’er Nähe erschien das Wasser der Als blau. Ich blieb stehen und bewegte die Zehen in’en modderigen Schuhen. Die Dornen der Ufersträucher rissen an meiner Kleidung. Sie wuchsen dicht, ich fand keinen Weg mehr vorbei. Also hinnurch. Ein paar Ratscher an’en Hosenbeinen, nich' weiter schlimm, nech?
Mausi war zurückgefallen, mit bebenden Flanken stand sie zwischen’en Sträuchern und winselte.
Ich pfiff. »Mausi! Nich' stehenbleiben.«
Mausi wuffte, sie schlich weiter, den Dötz gesenkt.
Ein Platschen! Wie angewurzelt blieb ich stehen. Mit’m Satz schloss Mausi zu mir auf und verbarg den Dötz an meiner Hüfte. Durch’en Dunst versuchte ich, etwas zu erkennen — doch nix.
»Mumm, Mausi«, sagte ich. »Mumm, Abra.«
Ich kraulte Mausis Pelz, stapfte weiter, die letzten Meter zur Als.
Der Fluss war mehr als ein Rinnsel, ich konnte das annere Ufer im Nebel nich' erkennen. Auf’er Wasseroberfläche kräuselten sich grüne und blaue Schlieren. Wie die Regenbogenpfützen, die die Autos manchmal auf’er Straße zurückließen, aber heller. Duftender. Roch wie’s Fleisch eines Apfels.
Mein Mund war trocken, und ich fuhr mit’er Zunge den Gaumen entlang.
An’er Uferböschung wuchs weiches Gras. Ich ließ mich auf’n Po sinken und rutschte die Böschung hinunter zum Wasser.
Mausi wuffte auf’er Böschung.
Ich pfiff, doch die Hündin rührte sich nich'.
»Dann bleib oben!«, rief ich. »Schönschön hier.«
Ich setzte den Büddel ab, fingerte ihn auf. Packte das Essen aus, schluckte, um’e Mundhöhle anzufeuchten. Ich pfiff nochmal nach Mausi. Die blieb oben an’er Böschung stehen und wuffte. Würd schon kommen, wenn ich aß.
Ich steckte mir einen Knopf von Singsas Hörern ins Ohr.

»Der Himmel tief, der Dunst so dicht,
Sie seh’n die Sonne und den Mond hier nicht.
Taumeln und tanzen im Neonlicht,
Das Rauschen der Stadt ist ein Rausch für sich.«

Ich biss ein Stückchen vom Schinken ab, rupfte etwas Brot vom Laib. Ich kaute mit vollen Wangen, schmatzte, winkte Mausi zu.
Sie wuffte.
Ich atmete die duftende Luft ein und schloss die Augen.
Im Büddel war noch mehr drin, nich' nur Schinken und Brot. Eine Dose. Ich zog sie hervor. Sie war bemalt: Himmel, Wasser, darüber rote Schrift. Neben der Schrift eine Frau mit Fischschwanz. Es gab eine Lasche wie bei einer Konserve, und ich zog sie auf, hielt mir die Dose unter die Nase. Der Inhalt roch süß, prickelig.
»Bia«, hauchte ich. »Mausi!«, rief ich. »Bia!«
Mausi wuffte, doch sie blieb, wo sie war.
Ich hob die Dose an’e Lippen, erwartete das kühle Süffel im trockenen Mund.
Schwarz vor meinen Augen.

Ich schnellte hoch, bog den Oberkörper zur Seite und erbrach Schinken und Brot.
Ein kalter Wind riss an meinen Haaren, trieb die Nebelschwaden vor sich her, wirbelte sie hinauf in’en Himmel. Ich zitterte. Zitterte wie’er Feuerjunge.
Das Bia. Ich hockte zwischen der leeren Schinkenpackung und Brotkrumen auf’m Boden, der Büddel war leer. Keine Dose mit Fischfrauen darauf.
Eine Hallu. Nur eine Hallu.
»Mausi!«
Mein Blick fuhr zur Böschung. Keine Mausi, kein Wuffen.
»Mausi!« Meine Stimme hallte grell durch’n Nebel. Ich zitterte so sehr, der Pfiff gelang erst beim dritten Versuch. »Mausi!«
Ich räumte den Büddel ein, klemmte Singsa wieder an’en Gürtel, warf mir alles über. Die Beine weich, die Knie schlackelig, ich konnte kaum stehen. Mir war flau im Magen, der Mund so trocken, als hätt ich seit einem Tag nix mehr gesüffelt.
Die Wasserschläuche baumelten am Arm.
Ich blickte auf’e Als. Mein Teil des Tauschs war noch nich' erfüllt. Der Tausch muss erfüllt werden, immer. Jedes Kid weiß das.
Am Ufer fiel ich auf’e Knie, begegnete dem Blick meines Spiegelbildes. Das Wasser nich' berühren. Wie’s Wasser nich' berühren?
Ich schraubte den ersten Schlauch auf. Versenkte ihn im Wasser, achtete darauf, dass meine Fingerspitzen das Nass nich' berührten.
Der zweite Schlauch. Ich starrte in’en Nebel. Da! Ein seltsamer Schatten.
Nee. Ich schüttelte den Dötz, wollte die Hallus vertreiben. Nur ein Nebelschwaden, verwirbelt vom Wind.
Der dritte Schlauch. Die Hände bebten. Schmerz jagte durch meinen Dötz, dröhnte hinter’er Stirn, und ich blinzelte.
Ein Platsch auf’m Wasser!
Ich sprang auf. Weiße Sternchen explodierten vor’m Blickfeld. Am Flimmern vorbei erblickte ich einen Schatten. Hörte ein Schnaufen und Platschen. Etwas wälzte sich auf mich zu, ich glaubte, die blaue Haut zu sehen, den schweren Körper, der sich auf’m Bauch durchs Wasser wälzte.
Ich rannte. Rannte und rannte und rannte.
Dornen ratschten die nackte Haut an Beinen und Armen auf. Ich war blind und taub, spürte meinen dröhnenden Dötz erst wieder, als ich hinfiel und mir auf’e Zunge biss. Ich schmeckte Blut, ich übergab mich nochmal.
Riss die Augen auf. Vor mir der Mumpf, braun und stinkend. Ich blickte zurück. In etwa zwanzig Schritt Entfernung lag etwas im Schlamm.
Ich kämpfte mich hoch, wischte den Mund ab. Taumelte zurück. Zwanzig Schritt. Mausi lag auf’er Seite, das Fell modderverkrustet. Die Augen starr, Pusteln am Maul.
Ich fuhr mit’m Handrücken über meine trockenen Lippen, ertastete juckende Pusteln.
Ich schrie. Und rannte.

IV. Wunschzeit
Ich brauchte mehrere Versuche, um’e Mauer der Alsvilla zu erklimmen. Dann lag ich auf’m Steinboden, stierte mit aufgerissenen Augen in’en weißen Himmel.
Tos Tonne war heruntergebrannt. Die Terrasse menschenleer.
»To?«, rief ich, rappelte mich auf, taumelte zur Tür der Villa. »Ich hab Wasser.«
Keine Antwort.
Mein Hals tat weh, ich konnte nich’ mehr schreien. Ich stolperte in’e Dunkelheit, prallte gegen eine Wand und schüttelte den Dötz. Schmerzte immer noch. Ich verharrte, wartete darauf, dass die Augen sich an’e Dunkelheit gewöhnten.
Auch im Inneren der Villa standen Tische und Stühle, Überbleibsel der Großen Leute. Im Zwielicht erblickte ich eine Matratze, weit weg von’er Tür, eine erloschene Brenntonne, zahlreichen Krimskrams auf’m Boden. Die Stille drückte auf meine Ohren.
Ich tastete mich an Tischen und Stühlen vorbei, blieb vor’er Matratze stehen, schwankte auf’en Fußballen. Der Boden schien näher zu kommen. Ich streckte die Arme aus, bereit, einen Sturz abzufangen. Blieb aufrecht.
Der Feuerjunge lag auf’er dünnen Decke, Arme und Beine von sich gestreckt. Ich kniete mich neben ihn, betrachtete die Pusteln an seinem Mund, die aufgerissenen Murmelaugen.
Ein Wasserschlauch war auf’er Matratze ausgelaufen, von Tos Fingern umklammert.
Ich atmete flach. Am liebsten hätte ich nich' geatmet. Nie wieder.

Bei Einbruch der Dunkelheit erreichte ich das große Auto. Ich hatte mich auf’m Weg durch’e Stadt noch zweimal übergeben. Inzwischen war mein Magen leer, doch Hunger hatte ich nich’. Nur Schmerzen. In’en Armen und Beinen, im Magen und Dötz.
Ich sah einen Schatten, der sich hinter’n Fenstern des Autos bewegte. Ich stieß einen Pfiff aus.
Hoka erschien in’er Tür des Autos und sprang mit’m Satz von’er steilen Treppe. »Abra! Du hast’s geschafft! Dachte, du kommst nich' wieder!« Sie lief auf mich zu, legte mir die Hände auf’e Schultern. »Kid, hast Mumm! Komm rein, komm!«
Sie bugsierte mich vor sich her, hievte mich über die Treppe ins große Auto. Mir war schwinnelig, ich ließ mich auf einen Sitz fallen, versank im muffigen Stoff.
»Hier.« Hoka setzte sich neben mich und reichte mir einen Diskus. »Besorgt für dich. Kannste annere Sings hören.«
Ich stellte Singsa vor mir auf’n Boden, entnahm ihm den anneren Diskus, legte den neuen ein. Steckte mir einen Knopf ins Ohr und drückte ein paar Male auf’n Pfeil.

»Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft.«

»Dank«, sagte ich.
Hoka streckte die Hand nach’en Schläuchen aus, die von meiner Schulter baumelten.
Ich sprang auf, verlor das Gleichgewicht und musste mich an’er Rückenlehne eines Sitzes abstützen. Ich packte Singsa und taumelte nach draußen.
Hoka lopte mir nach. »Was?«, fragte sie, breitete die Arme aus.
»Nichnich’ atmen«, sagte ich.
Ich ließ die Schläuche vom Arm rutschen und riss die Stöpsel heraus.
»Abra!«
Ich hielt die Luft an. Ich griff die Schläuche am falschen Ende. Das Wasser platterte auf’en Asphalt, versickerte zwischen den Rissen in’er Straße.
Eine Hand traf mich an’er Brust, und ich stürzte zu Boden, schlug auf’n Asphalt. Schaffte es, nich' nach Luft zu schnappen.
Hoka fiel vor’er Pfütze auf’e Knie. »Nee, nee! Abra! Blödian! Weißte, was die Feuerkids tauschen für Alswasser?«
»Weiß ich«, sagte ich, wagte zwei flache Atemzüge. »Für Hallus tauschense ihr Leben. Sterben an deinem Tausch!« Ich rappelte mich auf und zeigte Hoka den bösen Finger. »Warum haste nichts gesagt?«
»Was gesagt?«
»Was Alswasser macht!«
»Abra«, sagte Hoka, streckte eine Hand nach mir aus.
Ich schlug sie weg. »Mein Leben tauschste nienich’!«
Hoka hockte auf’m Boden, öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus.
»Dachte, wir sind Freunne«, sagte ich.
»Sind wir.«
»Nee. Mausi war meine Freundin.«
Hoka presste die Lippen aufeinanner, ein Schimmern in’en Augen. »Abra …«
»Hast ihr Leben getauscht für Alswasser!«
Ich rotzte auf’en Boden, wandte mich ab. Ich humpelte na Huus, presste Singsas Hörer in’e Ohren.

»Ich glaube, dass die Menschheit mal in Frieden lebt
Und es dann wahre Freundschaft gibt.
Und der Planet der Liebe wird die Erde sein,
Und die Sonne wird sich um uns drehen.«

Seitdem bin ich allein. Und ich habe keine Freundin, die auf mich aufpasst.

 
Quellenangaben
"Kinder aus Asbest" von Neonschwarz (Album: Metropolis (2016))
"Wünsch dir was" von Die Toten Hosen (Album: Kauf mich! (1993))

Moin @TeddyMaria,

ich bin sehr begeistert! Du hast die Messlatte hinsichtlich Zeit, Thema gehalten (ich finde, "das erste Mal" ist unterschwellig prima drin) und Geschichtenaufbau ziemlich hoch gelegt. Nö, hier kommt jetzt noch kein konstruktiver Kommentar, nach dem ersten Lesen habe ich echt viele Fragezeichen im Kopf, da muss ich wohl konzentrierter ran. Also Geduld!

Kapiert habe ich schon mal, das knapp kühles Dosenbier einen tiefen Eindruck hinterlassen hat, Du sehr Geruchs affin bist und den Hamburgern eine herrliche Sprache zutraust. Ich liebe Deine Prots!
Den Ironman-Wettkampf und die Blaualgen so prima eingebaut zu sehen - wir hätten die echt als Wörterbörse vorgeben können, kriege ich auch nicht aus dem Kopf.

Weil Du es bist, brauche ich auf Rechtschreibung und Grammatik ja wohl kaum achten, aber den Vertipper

Sie ließ sie den schweren Beutel von der Schulter rutschen und sphäte hinein. Atmete tief ein, den Duft, der ihr entgegenschlug.
kriegst Du bestimmt schnell weg.

Ich arbeite an einem ordentlichen Kommentar, versprochen
Beste Wünsche
witch

Man Niklas, was sprecht Ihr denn in Bremen für ein Platt? Dötz ist wirklich sehr plattdeutsch

 

Hallo @TeddyMaria!

Ich lese los und fange gleich an zu kommentieren, denn ich muss dir sagen, dass ich total schwer in deinen Text reinkomme.

Der Himmel färbte sich weiß, und der Rad-Blau-Turm tauchte aus dem gelben Morgendunst auf. Die Schrift an seinem Dach wurde sichtbar, Rad-Blau stand dort.
=> Okay, dein Erzähler/Abra sieht, dass das da steht.

Zumindest behaupteten die Feuerkinder das.
=> Hä? Abra sieht das doch, das hast du mir erzählt!
=> Und schon weiß ich nicht mehr, was ich dir abnehmen soll. Was ist wirklich da? Und wenn was nicht wirklich da ist, warum wird es dann beschrieben, als wäre es da? Und warum soll ich das lesen, wenn ich mich nicht auf den Erzähler verlassen kann?

Heute traf Abra Hoka am großen Dings, in dem Hoka wohnte. Das Dings war so groß, dass es darin mehr als dreißig Sitze gab
=> Ähm, sorry, aber ich hasse deinen Text jetzt schon. Das ist nicht meine Art von Humor.

Sie war das einzige Kid

=> Ja, sorry, ich hasse deinen Text. Ich finde ihn aufdringlich. Ich habe den Eindruck, der Text soll eine groß angelegte Leseübung sein. Aufgabenstellung: Finde anhand der Umschreibungen heraus, was der Autor wirklich meint und übersetze es in die heute gebräuchliche Sprache.

Kurz runtergescrollt, die Dialogzeilen gesehen und schreiend weggelaufen.

Tja, sorry, TeddyMaria, aber das ist nichts für mich.


Grüße,
Chris

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey TeddyMaria

Hab ich sehr gerne gelesen - bis zum Schluss, wo sich anstelle einer Auflösung gezeigt hat, dass ich nichts kapiere.

Zunächst finde ich, dass das gut erzählt ist. Wie du das postapokalyptische Szenario einführst - zum Beispiel mit der Schrift "Rad-Blau", wo du deutlich machst, dass Abra nicht lesen kann -, finde ich gut gelungen. Sehr reduziert, nicht über den üblichen Weg der verfallenen Gebäude etc. und vor allem nicht über eine unsägliche Rückblende. Gut gemacht.

Dann die Sprachschöpfungen. Zum Teil sehr schön (Bia), zum Teil etwas aufgesetzt. Ist aber unheimlich schwierig. Welche Wörter kennt Abra, welche nicht? Auffällig ist, dass sie vor allem bei Substantiven Lücken hat, sie weiss nicht, wie man einen Bus nennt usw. Dafür kennt sie jegliche weit hergeholte Adjektive wie "modrig". Und der Mumpf hat mich genervt. Das Wort wiederholst du unsäglich oft. Aber dennoch, insgesamt ergibt sich ein stimmiges Bild, man gewöhnt sich auch daran, kommt rein, das ist weitgehend schon gut gelöst und als Idee natürlich überzeugend. (Falls du den Text nicht kennst: David Mitchell macht das in Cloud Atlas perfekt und noch viel radikaler als du hier. Schau da mal rein.) Witzig übrigens auch, dass Abra ihren Discman als Lebewesen betrachtet. Das fand ich sehr schön. Wie steht es eigentlich um dessen Batterien?

Die Spannung, der Aufbau gefällt mir ebenfalls gut. Auch das Motiv, dieses Picknick zu machen, weil Abra gehört hat, dass man das in der Vergangenheit getan und genossen hat. Finde ich gut als Aufhänger. Zum Teil hast du kleine Längen und Wiederholungen drin. Der Sumpf zum Beispiel ist "überbeschrieben", das ist zuweilen redundant. Und im Text wird unglaublich viel geatmet, ein und aus und flach und heftig.

Tja das Ende. Also, ich kann mir die ganze Tauschgeschichte nur dadurch erklären, dass sich die Feuerkinder mit dem Wasser umbringen wollen. Wasser gegen Leben als Tausch. Das erklärt, weshalb To tot ist, mit einem Wasserschlauch in der Hand. Er weiss ja, wie gefährlich das Wasser ist und wollte es trotzdem. Oder wird das Wasser als Waffe eingesetzt und er hat beim Hantieren damit einen Fehler gemacht? Woher hat er überhaupt das Wasser?
Hoka will auch von diesem Wasser. Am Ende giesst Abra das Wasser weg und sagt: Du tauschst nicht mein Leben gegen Wasser. Was bedeutet diese Aussage? Wie sollte dieser Tausch vor sich gehen. Hoka gibt Wasser und kriegt dafür was genau? Irgendwie, sorry, geht das Ganze für mich nicht auf. Vor allem bin ich auf diese Selbstmordhypothese - die vermutlich falsch ist und nicht deinen Intentionen entspricht - nur deshalb gekommen, weil ich mir das alles sonst nicht erklären kann. Falls aber die Selbstmordhypothese richtig ist, so bin ich nur darauf gekommen, weil ich alles andere ausgeschlossen habe. Schliesslich gibt es andere und einfachere Wege, sich umzubringen. Das ist natürlich nicht gut für die Geschichte. Oder aber ich hab dreiundzwanzig Hinweise überlesen. Oder aber ich bin schlicht zu blöd.
Was ich übrigens wenig überzeugend fand, ist die Tatsache, dass Abra zwar eine Sekunde lang heftig auf den Tod des Hundes reagiert, dieser danach aber keine Rolle mehr spielt. Ich gehe davon aus, dass das ihr einziger und nächster Gefährte gewesen ist. Das sollte schon noch nachhallen. Vielleicht trägt sie ihn mit nach Hause, begräbt ihn, denkt zumindest an ihn?

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo, @N. Ostrich

Danke für den Ice Breaker und die nachträglichen Geburtstagswünsche. Ich freue mich auch, dass die Geschichte Dir generell gefällt. Ich glaube, an Deiner Verwirrung am Ende sieht man eine Sache, wegen der ich auch ein wenig besorgt war: Die Idee zur Geschichte ist einfach vom Himmel gefallen, ich habe sie aufgeschrieben, eine Woche gefeilt und dann direkt hochgeladen. Das klingt nach viel Feilen, aber normalerweise feile ich mindestens einen Monat. Ich wurde ja zur Unperfektheit ermutigt, und das übe ich momentan.

Und normalerweise fallen meine Ideen auch nicht einfach vom Himmel, sondern ich plane genau, worüber ich schreibe. Hier habe ich schon gemerkt, dass ich eine Reihe von Einfällen einbringe, die teilweise nur recht lose mit der eigentlichen Handlung verknüpft sind. Die Musik zum Beispiel und das Mumpf-Geräusch könnte man restlos streichen, weil sie nichts zur Handlung beitragen. Wenn ich einen Monat gefeilt hätte, hätte ich das wahrscheinlich auch getan, aber ich habe mir gesagt, dass ich mal was wage und meine Idee in ihrer Gänze präsentiere, bevor ich sie rigoros eindampfe, wie ich das normalerweise tue.

Was mir nicht aufgefallen ist, was man auch restlos streichen kann, da es nichts zur Handlung beiträgt, sondern eigentlich nur „nette Einfälle“ sind, das sind Bia und die Großen Leute. Das fällt mir jetzt erst auf, wo ich lese:

Tauscht man jetzt irgendwas gegen Bia? Oder Alswasser gegen Leben? Verwendest du Bia und Alswasser synonym? Was es auch ist, die Großen Leute sind überflüssig. Belass es doch bei den Feuerkindern. Übrigens, warum heißen die eigentlich so? Was haben sie davon, wenn sie irgendwelchen Kids das Leben nehmen?

Bia ist Bier. Alswasser ist Wasser aus dem Fluss. Also definitiv nicht das gleiche wie Bier. Vielleicht verwirrend, wenn man aus dem Norden kommt, wo Radler als „Alsterwasser“ bezeichnet wird, eine Verbindung, die ich durchaus absichtlich gezogen habe. Denn natürlich werden Bia und Alswasser als Drogen gehandelt. (Ergänzung: Das Ende scheint generell Müll zu sein. Ich werde im Kommentar an Peeperkorn erklären, wie ich mir das alles denke.)

Die Feuerkinder sind Kinder, die das Feuer beherrschen. Ihr wesentliches Merkmal sind die Brenntonnen. Und zu der Frage, „warum sie Kids das Leben nehmen“, ein Zitat aus dem Text:

Sie bändigten das Feuer und teilten nicht gerne. Wenn sie Kids sahen, verjagten sie sie, manchmal, indem sie ihnen die Kleidung anzündeten.

Im Text steht nirgendwo, dass Feuerkinder Kids töten. Sie verjagen sie bloß, weil sie im Vergleich zu den Kids besser situiert sind (wegen der Brenntonnen und ihren besseren Kontakten zu den Großen Leuten). Im Prinzip teil ja aber kein Charakter der Geschichte gerne, das ist ja quasi auch die Moral von der Geschicht‘: Alles wird mit kleinstmöglichem Verlust getauscht. Selbst Abras vermeintliche Freundin Hoka nimmt Abras Tod für ein gutes Geschäft in Kauf. Die Feuerkinder sind nicht anders. Das ist alles.

Die Großen Leute sind natürlich Erwachsene. Deshalb geben sie auch kein Bia an Kinder. Eigentlich logisch. Mir fällt aber auf, dass Du recht hast, denn …

Was es auch ist, die Großen Leute sind überflüssig.

Stimmt. Die braucht man wahrscheinlich nur im Sinne von geheimnisvollen Vorfahren, die in dieser zerstörten Welt Eis gegessen und gepicknickt haben. Ich werde sie streichen. Konsequenterweise sollte ich auch das Bia streichen, dann sollte es keine Verwirrung mehr geben, denn das hier:

Du beginnst sehr früh damit, neugierig zu machen. Du gibst dir Mühe, die Welt aussehen zu lassen, als wäre sie tief. Aber du beantwortest keine der Fragen, die du selbst stellst.

... ist, so denke ich, einfach der Tatsache geschuldet, dass die Idee vom Himmel gefallen ist. Ich habe mir diesmal nicht bewusst „Mühe gegeben“, etwas tief aussehen zu lassen. Ich habe das einfach aufgeschrieben und es mir gegönnt, die ganze Welt hier zu präsentieren und nicht erst alles zu streichen, was man nicht unbedingt braucht. Weil ich inzwischen auch glaube, dass solche Details wie das Mumpf-Geräusch und die Musik einer Welt auch Leben einhauchen, die ansonsten nicht mehr ist als ein sorgfältig gespannter Spannungsbogen.

Nebenbei erwähnt, es ist ziemlich fies von Dir, einen Kommentar später detailliert nachzuarbeiten. Ich wollte ihn einfach beantworten, wie ich ihn zuerst gelesen habe, und da ist mir aufgefallen, dass er sich sehr verändert hat. Würde ich an Deiner Stelle nicht machen, dabei könnten den Autor/inne/n wichtige Dinge durch die Lappen gehen. Einfach einen neuen Kommentar schreiben (das sage ich nicht, weil ich kommentargeil bin, einfach der Übersichtlichkeit halber).

Nachdem ich mir das Ganze ein weiteres Mal durchgelesen habe, komme ich auch zu dem Entschluss, dass du zu sehr zeigst. Du hast sehr viele Verben im Text, vieles wird so beschrieben, wie es ist. Mir fehlen die Gedanken und Gefühle. Du beschreibst viele Gerüche, aber vorallem Gefühle sind sehr selten.

Nun zum zweiten großen Kritikpunkt. Ich weiß nicht, ob ich da mitgehe. Mein Problem ist, dass ich hier erst vor einem halben Jahr gelernt habe, konsequent zu zeigen, anstatt zu tellen. Das heißt, ich habe immer noch große Angst davor, zu tellig zu sein, und inzwischen empfinde ich auch Texte als sehr stimmungsvoll, die eben den Leser/inne/n anhand von Handlung vermitteln, was innendrin passiert. „zu sehr zeigen“, das erscheint mir persönlich absurd. Aber ich prüfe das auf jeden Fall. Mir fällt auch auf, dass ich mir weniger Gedanken gemacht habe als sonst, was innendrin passiert.

Meine Fresse, auf keinen Fall möchte ich den Eindruck vermitteln, ich hätte das einfach so runtergeschrieben. Aber normalerweise überarbeite ich eine Geschichte mindestens zehn Mal, bevor ich sie hier hochlade. Diesmal waren es vielleicht fünf bis sieben Male. Diesmal habe ich mich aber auch einfach inspiriert gefühlt. Es ist einfach ein völlig anderes Feeling, mit dem ich das hier geschrieben habe.

Die Geschichte in Kapitel aufzuteilen ist eine weise Entscheidung bei der Länge und macht auch ordentlich was her!

Ja. :cry: Sie ist lang. Habe mich bemüht zu kürzen, habe auch schon zehntausend Zeichen eingedampft. Ich finde auch, dass 25.000 Zeichen zu viel sind für eine Geschichte, die online gepostet wird. Ich sehe, mit Deiner Hilfe wird es mir gelingen, noch etwas knackiger zu werden.

Dass Mauzi ein Hund ist, das wird echt zu spät erwähnt. Solltest du der Komik wegen aber drinlassen.

Na ja, ich bin ja so humorlos. Habe es jetzt schon am Anfang erwähnt.

Generell mutet dein Text sehr magisch und mysteriös an. Auch hat man das Gefühl, sich in einer Welt mit Hintergrund zu befinden.

Das freut mich sehr. Wie gesagt, diesmal habe ich echt in einer Stimmung geschrieben, während ich sonst immer alles erzwinge. Dass dabei nicht „nur“ Quatsch rauskommt, erleichtert mich. Ich hoffe, mich des Quatsches noch entledigen zu können.

Übrigens liebe ich Gedichte! Die sind dir ganz toll gelungen!

Ups. Die sind nicht von mir, sondern aus meinem Inspirationslied. Mist. Normalerweise versuche ich, die Künstler/innen, bei denen ich mich gedichtemäßig bediene (was ich häufig tue), namentlich auszuweisen. Hier geht es nicht, weil Abra eben nicht lesen kann, was auf dem Diskus steht, deshalb also nicht wissen kann, wie die Künstler/innen heißen. Ich dachte aber, wenn man Die Toten Hosen erkennt … Ich weiß, Neonschwarz sind nicht so bekannt, dafür aber extrem Hamburgisch. Hier ist der Sing, den Abra hört: Kinder aus Asbest

Fischfrauen? Öhm.

What’s the matter? Ich weiß, ist mehr eine Fischverkäuferin. Aber trotzdem ... Nixe kommt nicht infrage. "Frau mit Fischschwanz"?

Den restlichen Krimskrams habe ich ohne weiteres Rumgeheule eingearbeitet. Ich werde mich jetzt nochmal an die Details setzen, aber das braucht Zeit. Freue mich, dass Du Spaß hattest in meinem Hamburg. :D

Vom Himmel gefallene Grüße,
Maria

Hallo, @greenwitch

Willkommen in der Challenge! Da habe ich mich durch Deinen Text hier dazu ermutigen lassen, mal mit Pseudodialekt zu spielen. Und durch die „Hamburger Challenge“ zum Spiel mit regionalem Kram.

ich finde, "das erste Mal" ist unterschwellig prima drin

Gut, dass Du das so siehst. Ich hatte schon Angst, Ärger zu bekommen. Beim nächsten Mal sollten wir nicht zwei Aspekte vorgeben. Das war echt schwer.

nach dem ersten Lesen habe ich echt viele Fragezeichen im Kopf, da muss ich wohl konzentrierter ran.

Grrr. Ich sehe schon, ich muss hier nochmal aufräumen. Falls Du Hilfe willst: Ich werde das Ende weiter unten im Kommentar erklären. Und außerdem die Geschichte überarbeiten. Sorry für die Fragezeichen!

Kapiert habe ich schon mal, das knapp kühles Dosenbier einen tiefen Eindruck hinterlassen hat, Du sehr Geruchs affin bist und den Hamburgern eine herrliche Sprache zutraust. Ich liebe Deine Prots!
Den Ironman-Wettkampf und die Blaualgen so prima eingebaut zu sehen

Ich hatte ein bisschen die Sorge, zu selbstreferentiell zu sein. Dass das bei Dir zieht, ist natürlich klar, denn ich beziehe mich ja auf einen Tag, an dem Du dabei warst – und über den die Kids in „Jahrhunnerten“ noch sprechen werden.

Vertipper ist ausradiert. Danke für Deinen Besuch!

Hamburger Grüße,
Maria

Hi, @Chris Stone

Ich weiß echt nicht, was ich mit Deinem Kommentar anfangen soll, denn …

Ja, sorry, ich hasse deinen Text.

… Hass ist schon ein echt starkes Gefühl. Und eben vor allem ein Gefühl. Was soll ich dagegen sagen? Was soll ich dagegen tun?

Ich habe den Eindruck, der Text soll eine groß angelegte Leseübung sein. Aufgabenstellung: Finde anhand der Umschreibungen heraus, was der Autor wirklich meint und übersetze es in die heute gebräuchliche Sprache.

Hm, ja, ich hatte vorab ein kurzes Gespräch über den Tag „Mundart“ hier im Forum, wo es hieß, dass Mundart eben auch bedeutet, dass ein Teil der Leserschaft vom Verständnis ausgeschlossen wird. Ich persönlich bin keine Dialektsprecherin (zumindest keine starke), aber ich liebe es, herauszufinden, was Dialektsprechende sagen wollen. Wenn man so will, kann man aber allen Dialektsprechenden und -schreibenden vorwerfen, dass sie „umschreiben“, anstatt Hochdeutsch zu schreiben. Trotzdem findet diese Art von Literatur eine breite Leserschaft (zu der auch ich gehöre). Meine Theorie dazu ist, dass die richtigen Wörter eine Welt erlebbar machen können. Dass Dialekt nun einmal „authentisch“ klingt, kann ich hier als Argument nicht anführen, schließlich ist das hier nur ein Pseudodialekt, der in diesem Sinne nicht authentisch sein kann, aber die Sprache ist für mich Teil des Worldbuildings.

Ja, vielleicht verzichte ich noch aufs Dings, aber das …

Kurz runtergescrollt, die Dialogzeilen gesehen und schreiend weggelaufen.

… verbuche ich als Geschmackssache. Das ist auch der Grund, aus dem ich immer noch überlege, Mundart doch noch zu taggen. Damit Leute, die beim Anblick von Nicht-Hochdeutschen Zeilen schreiend weglaufen, den Text gar nicht erst anklicken müssen. Tut mir leid, Dich so unvorbereitet erwischt zu haben.

Hä? Abra sieht das doch, das hast du mir erzählt!

An der Zeile habe ich versucht zu feilen, schließlich bemühe ich mich darum, aus jedem Kommentar etwas mitzunehmen. Aber … Abra sieht die Schrift. Abra denkt, dass da „Rad-Blau“ steht. Abra teilt Dir drei Wörter weiter mit, dass sie das nur denkt, weil ihr andere Leute das erzählt haben. Ich weiß nicht, diese Anmerkung finde ich ziemlich kleinkariert. Wahrscheinlich würde es Dir besser gefallen, ich würde statt „Rad-Blau stand dort. Zumindest behaupteten die Feuerkinder das“ schreiben „Die Feuerkinder behaupteten, dort stünde Rad-Blau.“ Hm. Habe ich mir notiert, und ich denke darüber nach. Ist mir aber eigentlich zu komplex mit dem Konjunktiv.

Es tut mir leid, dass ich Dich so abschmettern muss. Aber zu kommentieren, während man gerade vor Hass glüht, ist halt … Na ja, ich persönlich schaffe es als Kritikerin nicht, in einer solchen Stimmung konstruktiv zu sein, und lasse so etwas deshalb auch. Ich nehme Deine Gefühle einfach als Rückmeldung so mit.

Gehasste Grüße,
Maria

Hi, @Peeperkorn

Wie schön, dass Du hier bist. Ich freue mich immer sehr, von Dir zu lesen.

Zunächst finde ich, dass das gut erzählt ist. Wie du das postapokalyptische Szenario einführst - zum Beispiel mit der Schrift "Rad-Blau", wo du deutlich machst, dass Abra nicht lesen kann -, finde ich gut gelungen. Sehr reduziert, nicht über den üblichen Weg der verfallenen Gebäude etc. und vor allem nicht über eine unsägliche Rückblende. Gut gemacht.

Und es gefällt Dir (erstmal). Da habe ich ja schon einmal ein paar Luftsprünge gemacht. Genau so habe ich mir das gedacht.

Aber dennoch, insgesamt ergibt sich ein stimmiges Bild, man gewöhnt sich auch daran, kommt rein, das ist weitgehend schon gut gelöst und als Idee natürlich überzeugend. (Falls du den Text nicht kennst: David Mitchell macht das in Cloud Atlas perfekt und noch viel radikaler als du hier. Schau da mal rein.)

Denn den Wolkenatlas kenne ich natürlich, tatsächlich ist es eines meiner Lieblingsbücher. Ich habe es gar nicht extra aus dem Regal gehört, bevor ich diese Geschichte geschrieben habe, aber es kann sein, dass ich während des Schreibens manchmal an den Wolkenatlas gedacht habe. ;) Ich bin gerade am Überlegen, ob ich, statt weniger mit reduzierter Sprache zu arbeiten, besser mehr davon mache, denn …

Auffällig ist, dass sie vor allem bei Substantiven Lücken hat, sie weiss nicht, wie man einen Bus nennt usw. Dafür kennt sie jegliche weit hergeholte Adjektive wie "modrig".

… das ist natürlich die ganz große Frage, die ich mir auch immer wieder gestellt habe, welche Wörter Abra kennt, welchen Satzbau sie benutzen kann. Aber so, wie ich nun mal ticke, habe ich diese Frage hauptsächlich auf die Dialoge bezogen. Zuerst habe ich versucht, ganz ohne Pronomen durch die Dialoge zu kommen, das war dann aber doch too much. Da zeigt sich mal wieder: An den Dialogen feile ich stets ewig, das macht mir auch sehr viel Spaß. Das Drumherum bekommt immer weniger Liebe ab. :cry: Vielleicht sollte ich wirklich Dramen schreiben.

Witzig übrigens auch, dass Abra ihren Discman als Lebewesen betrachtet. Das fand ich sehr schön. Wie steht es eigentlich um dessen Batterien?

Ha! Äh … Batterien. Tja. Wird nachgereicht.

Größere Baustellen sind also hier:

Der Sumpf zum Beispiel ist "überbeschrieben", das ist zuweilen redundant.

Ich habe mindestens eine Woche lang versucht, den Text zu kürzen, an dem Kapitel aber tatsächlich kaum was gemacht. Das nehme ich als nächstes in Angriff. Auch das mit dem Mumpf werde ich prüfen. Dafür brauche ich etwas Zeit, beziehungsweise, die nehme ich mir einfach.

Das viel größere Problem ist wohl das Ende. Mein Freund meinte beim Lesen des ersten Entwurfs schon, es fühlte sich an, als hätte er das Ende nur überflogen, obwohl er es genau gelesen hat. Das liegt wohl an mir: Oft will ich einfach zum Ende kommen.

Also: Das mit dem Leben ist nicht wörtlich gemeint. Das Alswasser ist giftig, die Dämpfe lösen ziemlich tolle Halluzinationen aus, wie Abra es ja selbst erlebt. Deshalb wird Alswasser als Droge gehandelt und ist den Feuerkindern eine Menge wert. Hoka, die Tauschhändlerin, will ans Alswasser kommen, um es an die Feuerkinder zu verkaufen. Die Nebenwirkungen aber sind heftig, man kann daran auch sterben. Deshalb meint Abra, dass Hoka den Tod ihrer Kund/inn/en in Kauf nimmt, dass die Feuerkinder also auf lange Sicht ihr Leben verlieren und dass Hoka trotzdem diesen Tausch eingeht.

Viel bedeutender für Abra ist in ihrer Situation jedoch, dass sie Hoka für eine Freundin gehalten hat. Diese setzt sie allerdings einer großen Gefahr aus, riskiert sogar Abras Leben für ein Geschäft. Anstatt, dass sie Abra über den wahren Wert des Alswassers in Kenntnis setzt und sie warnt, lässt sie sie, um den Preis gering zu halten – Schinken und Brot gegen drei Portionen Alswasser –, ins offene Messer laufen und riskiert dabei natürlich Abras Leben. Abra wiederum hat ihrer Freundin vertraut und muss schließlich erkennen, dass sie im Tausch betrogen wurde.

Ich … äh … ja, sehe ein, dass ich da verkackt habe. Werde mich darum bemühen, das Problem zu beheben. Ich denke, das wesentliche Problem ist, dass ich dem Ende nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet habe. Nach der Rückmeldung meines Freundes habe ich es lediglich detaillierter gemacht, anstatt auf das Wesentliche näher hinzuweisen. Ich habe also erkannt, dass es ein Problem gibt, allerdings am falschen Ende gearbeitet.

Hoffe, das ist so schlüssig. Und natürlich hoffe ich noch viel mehr, dass ich es schaffen werde, das umzusetzen. I’ll make it work!

Was ich übrigens wenig überzeugend fand, ist die Tatsache, dass Abra zwar eine Sekunde lang heftig auf den Tod des Hundes reagiert, dieser danach aber keine Rolle mehr spielt. Ich gehe davon aus, dass das ihr einziger und nächster Gefährte gewesen ist. Das sollte schon noch nachhallen. Vielleicht trägt sie ihn mit nach Hause, begräbt ihn, denkt zumindest an ihn?

Und das wird auch erledigt. Habe da auch drüber nachgedacht, aber … Ja, wie gesagt, ich kann gar nichts anderes sagen, als dass ich schon vorher die Rückmeldung bekommen habe, dass mit dem letzten Kapitel was nicht stimmt, ich aber die falschen Maßnahmen ergriffen habe, um das Problem vor dem Hochladen zu beheben. Diese Rückmeldungen konnte mein Freund auch gar nicht geben, weil tatsächlich er derjenige war, der die Handlung quasi „in Auftrag gegeben“ hat. :D Das heißt, er wusste, worum es geht.

Wie gesagt: Ich mach schon. Danke, dass Du hier warst, Peeperkorn. Das war wie immer augenöffnend. Gerade fällt mir wieder die Sprache ein, und ich glaube, ich muss das wirklich mit mir ausmachen, ob ich radikaler oder weniger radikal sein will. Da sind sich die Rückmeldungen hier ja auf jeden Fall nicht einig.

Gott, ich könnte ewig so weiterdenken. Ich denke mal weiter, beende aber diesen Monolog. Danke für die vielen Anregungen!

Endliche Grüße,
Maria

 

Hallo @TeddyMaria,

ich freue mich immer sehr über neue Geschichten von dir. Langweilig wird es mit dir ja nie. Und dann hab ich mich erst gar nicht getraut was zu schreiben, weil ... ja, ich komme echt schwer in die Geschichte. Und das tut mir irgendwie leid, weil ich weiß, mit wie viel Herzblut du immer bei der Sache bist.

So wie ich es deiner Antwort entnommen habe, planst du schon zu überarbeiten und zu kürzen. Deswegen werde ich jetzt einfach nur ein paar Dinge erwähnen, vielleicht hilft es ja noch.

Abra sog die Morgenluft tief in ihre Lungen. Rost, sanfte Bitterkeit. Sie rollte den Geschmack auf der Zunge, Gänsehaut prickelte auf ihren Armen.
Atmosphärisch ist der Einstieg gut gelungen, aber eignet er sich wirklich als Leserfänger? Ich finde da solltest du mehr in die vollen gehen.

Mausi spitzte die Ohren.
Mhh, meinst du Mausi stellt die Ohren auf? Denn Ohren spitzen, also genauer hinhören, wäre ja dann nicht mehr Abras Perspektive. Die weiß ja nicht, ob Mausi das macht.

unter steinernen Überhängen der Huusen
Also ich habe hier das Bild von Steilklippen vor Augen, die sich dem Meer entgegenlehnen und Abra und Mausi laufen am Strand entlang. Aber Huusen sind wohl Häuser ...?

Sie presste Singsas Plastikgehäuse fest an ihre Seite, Singsas Hörer hatte sie an ihrem Gürtel festgeknotet.
Ich muss sagen, dass mir diese neue Sprache nicht gefällt.

Ich glaube, unter Saya hast du eine Diskussion darüber geführt wie Science Fiction Leser Geschichten lesen und wie andere. Vielleicht ist es tatsächlich so, dass SF Leser erstmal mehr hinnehmen, sich schneller auf eine Welt einlassen, auch wenn sie vielleicht nicht alles verstehen.
Ich mag das nicht. Ich denk dann, ich bin doof, oder ich habe einen Hinweis verpasst. Gehe zurück lese noch mal. Denke drüber nach und bin frustriert.
Keine Ahnung, ob unter den bisherigen Kommentatoren SF Leser dabei waren – wäre auch irgendwie mal interessant zu wissen.

Feuerkinder waren abergläubisch. Jedes Kid wusste das.
Also es sind FeuerkiNder aber ansonsten Kids, ohne n? Merkwürdig.

Das Dings war so groß, dass es darin mehr als dreißig Sitze gab. Dreißig und sechzehn Sitze, Abra hatte sie alle gezählt.
Okay, das Ding ist ein großer Raum mit Sitzplätzen, vielleicht ein Lehrsaal oder ein Theater?

Das Dings fuhr schon lange nicht mehr, den Motor hatte Hoka eingetauscht.
Oh, das Dings ist wohl ein Bus.

Mausi blutete fürchterlich und wäre fast gestorben.
Woher weiß Abra, dass Mausi fast gestorben wäre? Einen Tierarzt gibt es wohl nicht. Also vielleicht eher: Mausi blutete fürchterlich und es dauert lange, bis sie wieder laufen konnte.

Schließlich kehrte Hoka mit einem gepackten Beutel und drei leeren Wasserschläuchen zurück.
Den Beutel bekommt Abra. Was passiert mit den Schläuchen?

G

esagt, sie hätte niemals genug Mumm, um an die Als zu gehen.
Hier ist Mumm Mut?

Vor Gespenstern haben wir Mumm, nech?
Vor Gespenstern haben wir Mut? Also keine Angst?

Und so langsam bin ich erschöpft und mein Hirn verkrampft. Ich finde es unfassbar anstrengend, der Geschichte zu folgen und dabei noch die Wörter und die Sprache zu verstehen. Die Geschichte tritt gefühlt in den Hintergrund. Es geht um die lustigen Wörter und Dialoge, um die verwirrenden Geschichten über die Vergangenheit und lustige Verwirrungen, wie Sahneeis und Eiszapfen.
Aber um was geht es sonst? Um ein Picknick am Fluss? Ist Abra in Gefahr? Ich kann nicht wirklich einordnen, was echt ist und was nur ein Gerücht.

Vielleicht bin ich einfach der falsche Leser für deine Geschichte. Ich schau aber bestimmt noch mal rein, wenn du sie etwas überarbeitest hast. Ich bin gespannt was du draus machst.


Liebe Grüße,
NGK

 

Ah, eine Droge. Daran habe ich gedacht, liebe TeddyMaria, keine Ahnung, weshalb ich das wieder verworfen habe. Ich denke, da braucht es nicht viel. Die gewünschte Wirkung des Wassers mal ansprechen oder aussprechen. Die Nebenwirkung ebenfalls (insofern ist die Selbstmordhypothese ja gar nicht so daneben) und schwupps hast du das Problem gelöst, denke ich.
Danke für die Klärung, hat mich beschäftigt. Ich bin sicher, dass das ein ganz feiner Text wird.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @TeddyMaria!

Ja, nimm meine Gefühle einfach als Rückmeldung mit. Ich erwarte ganz und gar nicht, dass du meinetwegen deinen Text änderst. (Dass man mit einem Text derartige Gefühle auslösen kann, ist für einen Schreiber sicherlich nicht schön, aber ich finde es wichtig, dass der Schreiber auch das erfährt. Ich bin kein Anhänger der ich-bin-ehrlich - aber-nur-wenn-ich-nette-Sachen-sagen-kann-Fraktion.)

Jetzt muss ich noch kurz was sagen:

Damit Leute, die beim Anblick von Nicht-Hochdeutschen Zeilen schreiend weglaufen
=> Mir geht es nicht um Mundart oder nicht. (Ick bün 'ne Plattdüütsche, Hummel Hummel, Mors Mors.)
(Allerdings bin ich der Meinung: Wenn Mundart, dann ganz, nicht nur verschämt in Dialogen.)

Wenn man so will, kann man aber allen Dialektsprechenden und -schreibenden vorwerfen, dass sie „umschreiben", anstatt Hochdeutsch zu schreiben.
=> Das sehe ich anders. Plattdeutsch ist zwar eine Sprache, kein Dialekt, aber auch Dialekte sind für mich keine "Umschreibungen" sondern die Sprache des Herzens, der Heimat, der Seele.

aber ich liebe es, herauszufinden, was Dialektsprechende sagen wollen.
=> Und hier ist genau das Problem, das ich mit deinem Text habe. Ich will Geschichten lesen. Die Wörter lesen, mich auf den Inhalt der Geschichte einlassen, ohne zu stocken und zu stolpern.

Auf deinen Textinhalt kann man sich erst einlassen, wenn man herausgerätselt hat, was die Umschreibungen zu bedeuten haben. (Einige Leute lieben so was, finden das amüsant, andere hassen das. Sorry.)

Grüße,
Chris

 

„In den verschiedenen Etagen
Redeten die Leut verschiedne Sprachen:

Die ganz oben
Sprachen gehoben,
Die in der Mitt’
Sprachen Durchschnitt
und die gerad noch satt
Redeten einfach platt.

Die aber in den Gossen lagen
Schwiegen & träumten von bessern Tagen.“
Babbel aus „Kadingirra oder Bab-ilim ist überall“​


“Now days, ah, house, ah, inside, washi clothes machine get, no? Before time, ah, no more, see? And then pipe no more, water pipe no more.“ (Das ist Pidgin, dies hier: „Damals gab es im Haus keine Waschmaschine und kein Leitungswasser wie heutzutage.“ die deutsche Übersetzung)
aus „Die Sprachen der Kreolen“, im Dossier „Die Evolution der Sprachen“ im Spektrum der Wissenschaft, ND 2/2007, S. 79

»Is’ besser, glaubense mir. Bia macht Große aus Kinners.«

Ca. 14 Seiten Standardmanuskript zu 60 Zeichen/Seite und 30 Zeilen/Seite unter der guten alten Type (Courier 12 pt.) der Schreibmaschine, wenn sich mein System nicht verzählt hat in den ca. 25.000 Zeichen,

liebe Maria,

was soll es da für Probleme geben? Und wie das so ist, trotz einer an sich verabscheuten Schublade, „SF“, riecht der notorische und gar bald letzte Fußgänger und Handy-Verweigerer (bin halt unerreichbar) und Hundeliebhaber den Hund und beim Dings fällt‘m nich so sehr der Vetta aus Dingsda, sonnern sein leibhafdigger Vadder ein, der – immer, wenn‘m ‘n Wort/Name nich parat wa‘ – gerne „Dings[da]“ „Dingenskirchen“ sachte und dann fuhrn mer mitm Loyd Komplastbomba (Hörfehler von mir mit sechs oder sieben, in Wirklichkeit „Leukoplastbomber“, ein Loyd 400, wahrscheinlich aus Pappe - lehnte sich der untergewichtige Friedel dagegen, war ‘ne Dülle drin - und seinem Nachfolger Loyd 600) nach Dingden zum Onkel Fritz – generationsübergriffig wurde jeder Erstgeborene „Friedrich“ genannt – nun rate mal, was ich bin - und etwas weiter nordwestlich - auf niederländischer Seite - Dinxperlo nicht nur des billigen Kaffees halber …

Das lehrte den kleinen Mann, es müss ein Ding(ens) geben! Aber was hätt‘ und tät' das außer vielleicht dem

… am großen Dings, in dem Hoka wohnte. Das Dings war so groß, ...
, dass Dingenskirchen überall sei, sein kann.

Die Als gibt es tatsächlich (warum offshore sich noch nicht gemeldet hat?) und sogar einen Komparativ als Bach, der Alserbach“. Aber der reale Name wird nicht gemeint sein, vielmehr die vergleichende (dieses Gewässer ist größer/kleiner als [der] jenis-sei) oder „als“ zeitliche ( als der Als austrocknete …) Konjunkton (früher, als Kaiser Adolf noch für Ordnung sorgte) -

Du merkst schon, der liest „einfach runner“ und gibt Zeile für Zeilen und schreibt auf, was er näherungsweise denkt.

Denn plötzlich dämmert mir, das ist nicht SF – wie es die sieben Wirtschaftswaisen für ein Jahr im voraus betreiben - wann hätten die je die kommende Wachstumsrate korrekt vorausgesagt (sie werden behaupten, sie hätten sie nach wissenschaftlichen Modellen berechnet – ich behaupte, da kann man auch Kaffeesatz lesen) – das ist unsere Zukunft buchstäblich „als“ Status Nascendi, wenn mit den Füßen, pardon, der Zunge und dem Finger abgestimmt wird, wie unsere Sprache aussehen wird - Kindersprech, Pidgin (s. o.) und etwas raffinierter, Kreolisch, wenn wir nicht ganz dank emoys(en) nebst Verwandtschaft in die neo-ägüptische vereinfachten Zeichentabellen zurückfallen, comics.

Bei den Slumbewohnern Brasiliens geht die Durchschnittsgröße zurück, in den USA wird mit „Entsetzen“ festgestellt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung – Gradmesser zivilisatorischen Fortschritts - um ein Jahr gesunken ist, gleichzeitig träumen die oberen Zehntausend vom ewigen Leben als Prothesengott (vgl. Jaron Lanier: Der „High-Tech-Frieden“ braucht eine neue Art von Humanismus (unter https://www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media.php/1290/Friedenspreis 2014), aber auch in den Blättern für deutsche und internationale Politik 11/2014

Und noch etwas: Derzeit wird in einem „Jahrhundertprojekt“ (man weiß es also schon im zwoten Jahrzehnt(!) dieses wunderbaren frischen Jahrtausends) die „Emscher“ renaturiert. Die Emscher ist ein Flüsslein, das Jahrtausende zwischen Ruhr und Lippe gemächlich nach Westen dem Rhein entgegenmäanderte mit schönen Auenwäldern links und rechts, mit der Industrialisierung und der Verwandlung des Potts zur Metropole aber zur Köttelbecke (wörtl. übersetzt ins nhd. „Scheißbach“) wurde - ein kostengünstigeres Abwasser konnte es gar nicht geben als ein natürliches, dass dann aber zur Beschleunigung des Wasserflusses begradigt wurde.

Und de erste Schnitzer folgt nach lesefreundlich kurzen hier:

Heute war es so[...]weit.
(ist ja nicht die Konjunktion …), und gleich die Frage hierzu
Feuerkinder waren abergläubisch. Jedes Kid wusste das.
Warum hie „Kinder“ und dort neudetusch“Kids“?(eigentlich ein Beweis, dass es keine Kindergärten mehr gibt in der Erzählung) Feierkids – wär das nix? - nicht nur des Reimes wegen.

»Da steht gar nicht Rad-Blau«, sagte Hoka einmal, als sie neben Abra auf dem Dach eines Huus hockte und zum Turm hinübersah
Ich wusste es, der Genitiv („Huuses“) liegt begraben unter dem Geschichtshaufen der Sprachgeschichte und freut sich, das im Pott seinem Mörder schon der Garaus gemacht wird.
Kannze mich glauben!)

Hoka piff ebenfalls zwischen den Zähnen —
ehlt was oder nicht?
»Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft.«
Ein bissken Utopie muss sein

Eine Hand traf sie an der Brust, und sie stürzte zu Boden, schlug auf den Asphalt. Schaffte es, nicht nach Luft zu schnappen.
Hoka fiel vor der Pfütze auf die Knie. »Nee, nee! Abra!« Sie trat nach Abra.
Geht das auf Knien?

So viel oder wenig vom

Friedel

 

Hallo, @Nichtgeburtstagskind

Ich freue mich immer sehr über Deinen Besuch. Ist ja auch toll, dass Du immer da bist, obwohl ich am Anfang oft so viel Leid verursache. :D Tut mir sehr leid. Aber ich sehe schon, hier gibt es was zu tun, und Du siehst mich mit hochgekrempelten Ärmeln in den Startlöchern stehen.

(Leider stehe ich da auch deshalb mit hochgekrempelten Ärmeln und Schweißflecken auf dem Shirt, weil diesen Monat noch 40 Stunden Hiwi-Job abgeleistet, eine Wahlversammlung vorbereitet und ein weiteres Nebenprojekt gestartet werden wollen. Deshalb bin ich in dieser Geschichte bisher nicht so aktiv, wie ich es gerne wäre. Immerhin, nie wieder Klausuren.)

Atmosphärisch ist der Einstieg gut gelungen, aber eignet er sich wirklich als Leserfänger? Ich finde da solltest du mehr in die vollen gehen.

Hab ich auch drüber nachgedacht, und Du bist nicht die einzige, die das so sieht.

To-Do-Listen-Punkt 1: Anderen Einstieg wählen

Mhh, meinst du Mausi stellt die Ohren auf? Denn Ohren spitzen, also genauer hinhören, wäre ja dann nicht mehr Abras Perspektive. Die weiß ja nicht, ob Mausi das macht.

Ich denke eher, dass „die Ohren spitzen“ etwas ist, das Tiere tun. Auf Menschen übertragen bedeutet das, das sie genau hinhören, aber so wie ich diese Floskel mein Leben lang benutzt habe, liegt ihr Ursprung tatsächlich in einer sichtbaren Handlung. Zu der Menschen leider nicht in der Lage sind. Also, wenn Mausi ein Mensch wäre, hättest Du sicher recht. Ist sie aber nicht.

Vielleicht ist es tatsächlich so, dass SF Leser erstmal mehr hinnehmen, sich schneller auf eine Welt einlassen, auch wenn sie vielleicht nicht alles verstehen.
Ich mag das nicht. Ich denk dann, ich bin doof, oder ich habe einen Hinweis verpasst. Gehe zurück lese noch mal. Denke drüber nach und bin frustriert.

Ich weiß gar nicht, ob das SF-spezifisch ist. Ich glaube einfach, es gibt Leute, die vorwärts suchen, und Leute, die rückwärts suchen. Ich suche immer vorwärts. Wenn ich mich verfahre (im Auto oder auf dem Fahrrad), fahre ich so lange weiter, bis ich wieder weiß, wo ich bin (meistens eine blöde Idee). In Geschichten funktioniert diese Strategie ganz gut. Ich finde ja, es gibt nichts Nervigeres als Leute, die beim Filmegucken die ganze Zeit fragen: „Hä, warum ist das so?“ (Das sind die Rückwärtssuchenden. Meine Mutter gehört dazu.) Und ich sage: „Mama, ich sehe das auch zum ersten Mal. Wir müssen einfach abwarten, das kommt bestimmt noch.“ (Das nenne ich mal Vorwärtssuchen.)

Und ich glaube, das Problem, das ich beim Schreiben habe, ist eben, dass ich eine radikale Vorwärtssucherin bin. Ich stapele beim Rezipieren von Geschichten alle Fragezeichen auf einen großen Haufen und suche nach weiteren Hinweisen. Nicht in dem, was ich schon weiß, sondern in dem, was ich noch erfahren kann, also weiter im Text. Und ich glaube, so schreibe ich auch. Weil ich persönlich es gar nicht schlimm finde, ein paar Fragezeichen mitzuschleppen, glaube ich, dass meine Leser/innen das auch nicht schlimm finden werden.

Zwei Probleme gibt es da wohl. Erstens: Es gibt Leute, die diesen Haufen Fragezeichen im Schlepptau schrecklich finden. Und diesbezüglich muss ich mich noch sensibilisieren, damit diese Leute nicht alles fallenlassen und weglaufen. Zweitens: In diesem Text gibt es, glaube ich, keine Auflösung.

To-Do-Listen-Punkt 2: Ende überarbeiten

Also es sind FeuerkiNder aber ansonsten Kids, ohne n? Merkwürdig.

Fand ich persönlich nicht schlimm, aber ich werde es überarbeiten. Da hänge ich nicht dran. Außerdem hat Friedel da ja einen rausgehauen.

Woher weiß Abra, dass Mausi fast gestorben wäre? Einen Tierarzt gibt es wohl nicht. Also vielleicht eher: Mausi blutete fürchterlich und es dauert lange, bis sie wieder laufen konnte.

Für mich ist das der Tonfall, in dem hier erzählt wird. Natürlich weiß Abra das nicht, aber sie geht davon aus. Das ist ihre Perspektive. Ich stelle mir den Tonfall kindlich-naiv vor, dazu gehören für mich Dramatisierungen. Ich werde versuchen, den Tonfall konsequenter zu bearbeiten, das gehört zu einem ganz großen To-Do-Listen-Punkt, den ich woanders einfügen werde.

Hier ist Mumm Mut?

Duden sagt: Mumm = 1) Entschlossenheit und Tatkraft, wenn es darum geht, sich zu einem Wagnis aufzuraffen, 2) körperliche Kraft. Ersteres trifft genau, was Abra meint. Sie benutzt den Begriff ein bisschen freier, wie das Gegenteil von Angst. Aber weißt Du: Egal. Es geht nicht darum, dass ich das hier erkläre. Das ist so eine Eigenart des Textes, mit der ich mich deutlich intensiver auseinandersetzen muss.

Aber um was geht es sonst? Um ein Picknick am Fluss? Ist Abra in Gefahr? Ich kann nicht wirklich einordnen, was echt ist und was nur ein Gerücht.

Ich glaube, es gibt schon etwas, um das es geht. Ich habe mich halt für eine etwas eigenwillige Verpackung entschieden.

Der riesengroße To-Do-Listen-Punkt schwebt schon zwischen uns. Ich sage schonmal: Ich sehe es gerade kommen, dass ich bis zum Ende des Jahres an dieser Geschichte feilen werde. Aber Du weißt ja, was für ein detailverliebter Sprachnerd ich bin. Ich glaube, ich habe mich mit dem Thema einfach noch nicht intensiv genug auseinandergesetzt. Darauf habe ich aber gerade auch richtig, richtig Bock. Diesbezüglich braucht die Geschichte noch ein feineres Gewand.

Und natürlich wollen wir nicht nur über die Verpackung sprechen, denn ich habe ja auch ein Thema. Dies ist ja eine Geschichte über Freundschaft und Vertrauen, beziehungsweise eher über Geschäftspartnerschaften und Manipulationen. Ich glaube, ich habe hier etwas noch sehr, sehr Rohes präsentiert (ein bisschen angetrieben von der Deadline, aber auch, weil ich gerade so viel Spaß hatte wie sonst selten). Also hocke ich mich jetzt nochmal hin, hoffe, dass der Spaß erhalten bleibt.

Vielen Dank, dass Du da warst, NGK. Ich will nicht den Eindruck erwecken, nur rumzuheulen und mich zu rechtfertigen. Wie gesagt, tatsächlich bin ich gerade ziemlich begeistert von der Arbeit, die ich mir aufgeladen habe. Und Du hast nochmal sehr gute Stellen rausgegriffen, um zu sagen, was es zu tun gibt. Ich habe jetzt ein genaueres Bild und ich hoffe, eine Überarbeitung präsentieren zu können, die zu lesen ebenfalls Spaß macht.

To-Do-Listen-Punkt 3: Sprache entwickeln (was auch immer das am Ende bedeuten wird). 3a) „Der Wolkenatlas“ nochmal lesen. Buchtipp!

Spaßige Grüße,
Maria

Hi, @Peeperkorn

Ich denke, da braucht es nicht viel. Die gewünschte Wirkung des Wassers mal ansprechen oder aussprechen. Die Nebenwirkung ebenfalls (insofern ist die Selbstmordhypothese ja gar nicht so daneben) und schwupps hast du das Problem gelöst, denke ich.

Buh, ich hasse es, Dinge auszusprechen (also, im RL finde ich das super, aber in Geschichten …). Aber es ist natürlich die einfachste Lösung. Vielleicht geht es ja auch mit einem „Ansprechen“.

Ich bin sicher, dass das ein ganz feiner Text wird.

Ich habe tatsächlich auch gerade richtig Lust drauf. Danke für diese Worte, das pusht ordentlich.

Ausgesprochene Grüße,
Maria

Hi, @Ronja

Auf eure Texte freue ich mich auch schon. Und tatsächlich hat auch die Deadline mich ein bisschen dazu bewegt, schneller hochzuladen als sonst.

Gut gefallen haben mir die Gedichte, der Dialekt (bin ein Hamburger Deern) und die Dialoge.

Das freut mich. Ich liebe es ja auch, Dialoge zu schreiben. Mit der Sprache bin ich noch unentschlossen. Ich schwanke dazwischen, es radikaler oder weniger radikal zu machen.

Aber ich finde es gut, wenn wir mal über Inhalt sprechen, denn der soll ja nicht in Vergessenheit geraten.

Der Einstieg gefällt mir auch nicht so gut.

"Heute war es soweit."
Mit dem Satz würde ich anfangen. Er macht neugierig. Der gefällt mir gut.


Steht auf der To-Do-Liste: Einen anderen Einstieg wählen. Ich überlege auch die ganze Zeit, ob ich direkt bei Hoka anfangen und mit einem Dialog starten kann. Das wäre vielleicht nicht schlecht, dann passiert was, dann wird direkt das Feld abgesteckt, und man hat nicht so ein „Vorgeplänkel“. Vorgeplänkel ist ja auch blöd.

Possesivpronomen, da könntest du viellicht auch mal kritisch drüber schauen.

Aaargh. Da habe ich schon die ganze Zeit dran gesessen, weiß ja, dass das eine Schwäche von mir ist. Habe bereits jedes zweite Possessivpronomen aus dem ersten Entwurf gestrichen. Ja, da war ich wohl leider noch nicht kritisch genug. Ist notiert.

Danke für die Detailanmerkungen! Die habe ich in meiner Arbeitsversion korrigiert, aber weil ich hoffe, heute Abend noch ein bisschen was schaffen zu können, noch nicht hochgeladen. Wird die Tage aktualisiert. War aber schon eine sehr große Hilfe. Details sind immer gut.

Danke für Deinen Besuch!

Detaillierte Grüße,
Maria

Hi, @Chris Stone

Hier wurde ja bereits „Der Wolkenatlas“ erwähnt, ich weiß nicht, ob Du das Buch kennst. Da wird ja sehr radikal mit dieser postapokalyptischen Sprache umgegangen. Ich hatte überlegt, noch radikaler zu werden, dabei aber an Dich gedacht und überlegt, weniger radikal zu werden.

Gut, dass Du nochmal wiederkommst. Ich habe das Gefühl, dass wir da eigentlich schon aus einer ähnlichen Perspektive draufschauen. Übrigens glaube ich auch, dass niemand, der nur dann ehrlich ist, wenn er/sie was Nettes zu sagen hat, lange bei Wortkrieger bleibt. :lol: Also ist das schon klar. Ich war nur etwas verärgert bei Deinem ersten Kommentar, weil ich zwar mit Kommentaren, die mir sagen, dass der Text blöd ist und dass dies und jenes zu verbessern wäre, was anfangen kann, aber nicht viel mit „Alles ist scheiße“-Kommentaren. Umso besser, dass Du nochmal wiederkommst. Denn, wie gesagt, ich habe den Eindruck, dass wir da noch auf einen Nenner kommen können.

Allerdings bin ich der Meinung: Wenn Mundart, dann ganz, nicht nur verschämt in Dialogen.

Okay, ich muss zugeben, ich bin Leserin von Christine Nöstlinger. Da Du Dich ja für Kinderbücher interessierst (glaube ich), kennst Du sie sicher. Bei Nöstlinger ist der Text halt mit Dialektwörtern gespickt (einige meiner Kinderbuchausgaben haben hinten ein Lexikon, aber das habe ich auch nie benutzt, weil ich mich immer so gefreut habe, wenn ich erkannt habe, was „der dreiteilige Alibert“ ist, aber diesbezüglich gehen unsere Ansichten anscheinend wirklich auseinander – das akzeptiere ich natürlich). Das war also das, was ich im Kopf hatte. Also eine eher moderate Art.

Ich glaube, ich habe mich mit dem Thema tatsächlich nicht intensiv genug auseinandergesetzt. Ich werde mich da also nochmal hinsetzen und weiterarbeiten.

Dreiteilige Grüße,
Maria

Hi, @Friedrichard

Wie schön, dass Du da bist. Immer wieder eine Freude. Und diesen Kommentar zu lesen, war mir tatsächlich eine sehr große Freude.

Die Als gibt es tatsächlich (warum offshore sich noch nicht gemeldet hat?) und sogar einen Komparativ als Bach, der Alserbach“. Aber der reale Name wird nicht gemeint sein, vielmehr die vergleichende (dieses Gewässer ist größer/kleiner als [der] jenis-sei) oder „als“ zeitliche ( als der Als austrocknete …) Konjunkton (früher, als Kaiser Adolf noch für Ordnung sorgte) –

Mist, ich wollte vorher mal nachschauen, denn natürlich ist in diesem Text die „Alster“ gemeint, genauso wie der Radisson-Blu-Turm, der den Park Planten un Blomen überragt, ebenso wie der Alsterpavillon, in dem sich eine Kette breitgemacht hat – da macht sich der Niedergang bemerkbar.

Denn plötzlich dämmert mir, das ist nicht SF

Du sagst es.

Bei den Slumbewohnern Brasiliens geht die Durchschnittsgröße zurück, in den USA wird mit „Entsetzen“ festgestellt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung – Gradmesser zivilisatorischen Fortschritts - um ein Jahr gesunken ist,

Und irgendwann sind unsere Nachkommen alle Kids oder … pardon.

Warum hie „Kinder“ und dort neudetusch“Kids“?(eigentlich ein Beweis, dass es keine Kindergärten mehr gibt in der Erzählung) Feierkids – wär das nix? - nicht nur des Reimes wegen.

Fire Kids? Feierkids, Feuerkids, ach ja. Ich denke darüber nach. Da lohnt es sich noch.

Ich wusste es, der Genitiv („Huuses“) liegt begraben unter dem Geschichtshaufen der Sprachgeschichte und freut sich, das im Pott seinem Mörder schon der Garaus gemacht wird.

Hoppla. Oder: Guter Einwand. Ich will mir ja noch sehr viel mehr Gedanken über die Sprache machen, notiere mir also mal den Genitiv-Einfall. Und tue so, als wäre das Absicht.

Die Schnitzer habe ich in meiner Arbeitsversion ausradiert und hoffe, ich komme noch dazu, heute die leicht angepasste Version hochzuladen. Aber da kommt noch etwas Größeres auf mich zu, und ich stürze mich mal in die Arbeit.

Übrigens bin ich super happy, dass Du hier warst. Den Kommentar zu lesen, war ein Fest, und ich kann Dir eigentlich nur zustimmen. Und ein bisschen erschaudern vor Ehrfurcht vor diesen wirklich guten ergänzenden Einfällen, die Du mir hinwirfst. Die habe ich eifrig aufgesammelt (aka notiert) und versuche, etwas daraus zu machen. (Du erlaubst doch?) :D

Feiernde Grüße,
Maria

 

Übrigens bin ich super happy, dass Du hier warst. Den Kommentar zu lesen, war ein Fest, und ich kann Dir eigentlich nur zustimmen. Und ein bisschen erschaudern vor Ehrfurcht vor diesen wirklich guten ergänzenden Einfällen, die Du mir hinwirfst. Die habe ich eifrig aufgesammelt (aka notiert) und versuche, etwas daraus zu machen. (Du erlaubst doch?

Claro este,

Maria,
warum solltestu nicht dürfen?

Friedel

 

Hi, Friedel

Claro, ich mach einfach. Die Trivialitäten habe ich inzwischen ausgebessert. An den größeren Kram mache ich mich dann die Tage.

ehlt was oder nicht?

Übrigens habe ich das erst gar nich' gecheckt. Das kommt davon, wenn man am Anfang Dinge streicht. Bin ich ein Schussel. :lol:

Gute Nacht,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo TeddyMaria!

Was mir an der Geschichte gefällt: Das Dystopische, die Sehnsucht der Protagonistin nach dem früheren Leben und wie sie deshalb ihr Picknick am Fluss durchzieht, auch wenn absolut gar nichts dafür spricht, hier ein entspanntes Essen zu sich zu nehmen. Das hat was sehr Rührendes. Hier davon zu sprechen, dass Abra wenig Gefühle zeigt, ist Unsinn, denn diese Sehnsucht danach, wie es früher einmal war, wird in ihren Handlungen sehr deutlich oder anders gesagt: Das ist es eigentlich, was die Geschichte vorantreibt. Ich finde sie sehr spannend, da kann man nicht aufhören zu lesen, auch die Dialoge im Dialekt finde ich gut gemacht und passend.

Was das Alter von Abra betrifft, das finde ich echt schwierig: Einerseits wirkt sie wie ein noch ziemlich kleines Kind mit diesen lautmalerischen bzw. verhunzten Wörtern, die sie verwendet. Auf der anderen Seite ist ihre Einschätzung der ganzen Ereignisse und ihre Reaktion darauf am Ende doch sehr erwachsen. Sie durchschaut, wie Hoka sie manipuliert hat, sie weiß, was Drogen sind und was ein Vertrauensbruch ist. Auch vermittelt mir die Geschichte irgendwie den Eindruck, dass die Kids immer Kids bleiben und die Großen Leute schon immer groß waren. Aber um das einschätzen zu können, ist das zeitliche Fenster, das der Text zeigt, wahrscheinlich zu kurz.


Das ist eine sehr gute Geschichte, die ich gerne gelesen habe.

Gruß
Andrea

 

Hi, @Andrea H.

Es wird Dich bestimmt nicht überraschen, dass ich Deinen Kommentar sehr gerne gelesen habe. Du sprichst einige Dinge an, die mir wichtig sind.

Hier davon zu sprechen, dass Abra wenig Gefühle zeigt, ist Unsinn, denn diese Sehnsucht danach, wie es früher einmal war, wird in ihren Handlungen sehr deutlich oder anders gesagt: Das ist es eigentlich, was die Geschichte vorantreibt.

Ich bin erleichtert, dass Du mit dem Zeigen gut klarkommst. Das ist etwas, wie ich sehr gerne schreibe, was ich erst kürzlich für mich entdeckt habe. Und ich finde es wunderschön, wie Du sagst, dass es eben die Sehnsucht nach etwas Vergangenem und Unbekanntem ist, das Abra und auch die Handlung vorantreibt. Nicht dass ich es mir als Motiv nicht genauso gedacht hätte, aber das hast Du wirklich herzergreifend ausgedrückt. Vor allem freut es mich, dass es so ankommt.

Ich finde sie sehr spannend, da kann man nicht aufhören zu lesen, auch die Dialoge im Dialekt finde ich gut gemacht und passend.

Danke für das Lob. Ich liebe ja das Schreiben von Dialogen. Momentan fürchte ich, dass ich mal wieder den restlichen Text ein wenig vernachlässigt habe, vor allem sprachlich. Da möchte ich in nächster Zeit eifrig nachjustieren. Wie stark diese Nachjustierung ausfallen wird, das muss ich noch mit mir ausmachen.

Was das Alter von Abra betrifft, das finde ich echt schwierig: Einerseits wirkt sie wie ein noch ziemlich kleines Kind mit diesen lautmalerischen bzw. verhunzten Wörtern, die sie verwendet. Auf der anderen Seite ist ihre Einschätzung der ganzen Ereignisse und ihre Reaktion darauf am Ende doch sehr erwachsen.
Und ich finde es super, dass Du das ansprichst. Tatsächlich hatte ich in einem ersten Entwurf eine Andeutung darauf, dass To schon ein Teenager ist und Abra nicht, diese aber bewusst wieder entfernt. In meiner Inspirationszeile aus dem Sing, das Abra hört, heißt es: „Innerlich Kind, äußerlich krass alt.“ In meiner Vorstellung ist es eher umgekehrt. Wie Friedel schon anmerkte, sinken unter schlechten Lebensbedingungen Körpergröße und Lebenserwartung, und deshalb …

Auch vermittelt mir die Geschichte irgendwie den Eindruck, dass die Kids immer Kids bleiben und die Großen Leute schon immer groß waren.

… sehe ich das genauso. Abgesehen davon, dass auch die Großen Leute mal Kinder gewesen sein müssen, egal wie diese Welt aussieht, aber so etwas hat Abra vermutlich noch nie gesehen. Denn wer würde sein Kind schon in ihre Welt schicken wollen?

Aber um das einschätzen zu können, ist das zeitliche Fenster, das der Text zeigt, wahrscheinlich zu kurz.

Jetzt weißt Du ja, was ich mir dabei gedacht habe. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube eigentlich auch nicht, dass das eine Frage ist, die der Text beantworten muss. Es ist eher ein faszinierender oder auch erschütternder Aspekt dieser Welt, den man als Leserin für sich entdecken darf, aber nicht muss.

Ich freue mich aber, dass Du diese Frage aufwirfst. Ich finde es selbst derart faszinierend, dass ich mich wirklich zusammenreißen musste, um dem in der Geschichte keinen übermäßig großen Raum zu bieten. Denn momentan gibt es noch viele Dinge, die mich an dieser Welt faszinieren, und ein paar davon müssen wahrscheinlich noch rausfliegen.

Na ja, ich feile mal weiter. Ich sage einfach Bescheid, wenn der zweite Schliff fertig ist, und versuche, nichts zu verschlimmbessern (darin bin ich nämlich gut). :D

Kindliche Grüße,
Maria

 

Es is wie Pa gesagt hat, wenn man das Ei inner Hand wärmn tut, kommt n schönes Mädchen raus un spricht in ner alten Sprache wo kein Lebendicher versteht, nee, un auch nie verstehn wird. S is kein Clever wo du brauchen kannst, weil es tötet keine Konapiraten und leere Bäuche fülln tuts auch nich, aber an manchen Abends wecken meine Verwanten un Brüder das Geistermädchen auf un kucken zu wie sie schwebt un schimmert. Wunderschön is sie, un sie macht die Kleinen staunen un ihr Flüstern wiegt unsre Babbas in n Schlaf.
(Aus »Der Wolkenatlas« von David Mitchell)

Liebe Wortkrieger und Wortkriegerinnen (especially @N. Ostrich, @greenwitch, @Chris Stone, @Peeperkorn, @Nichtgeburtstagskind (mit special Thanks), @Ronja, @Friedrichard und @Andrea H.)

Hier ist das erste volle Makeover von „An’er Als“. Ja, wie ihr sicher sofort gesehen habt, hat sich sogar der Titel verändert. Denn ich habe nochmal den Wolkenatlas aufgeschlagen, der mich halbwegs unbewusst inspiriert hat, sodass ich ihn vor dem ersten Schreiben nicht aufgeschlagen habe. Falls ihr diese Möglichkeit nicht habt, dieses wundervolle Buch aufzuschlagen, schaut mal oben. Dabei ist mir sofort die Problematik ins Auge gestochen:

Die Sprache im Wolkenatlas ist viel radikaler, das kann sie aber auch problemlos sein, weil es sich beim Mittelteil, von dem ich spreche, um einen Monolog handelt. Das heißt, verkorkste Sprache kann man total gerechtfertigt unterbringen.

Trotzdem habe ich entschieden, mich zu radikalisieren, also radikaler zu werden, was die Sprache angeht. Zwei wesentliche Maßnahmen habe ich ergriffen: Verkürzungsregeln entwickelt, um nicht nur ein paar Nomen abzuwandeln, sondern auch den Duktus. Wenn ich ganze Vokabeln verändert habe, habe ich versucht, Wörter zu wählen, die hoffentlich Bilder erzeugen oder zumindest einem Teil der Leserschaft bekannt sein dürften. Also nicht „Dings“, sondern zum Beispiel „Modder“. Ich hoffe, dass das Ganze dadurch von einer Leseübung zu einer lebendigen Sprache avanciert. Vielleicht nervt es aber auch einfach nur noch mehr. (Let me know!)

Ich zweifle diesbezüglich auch stark am Text, habe überlegt, eine weitere Version in Hochdeutsch anzubieten. Andererseits glaube ich, das will ich gar nicht.

Auch inhaltlich habe ich nochmal draufgeguckt. Ich habe versucht, expliziter auf drei Dinge hinzuweisen: Warum Abra erst zur Alsvilla geht und später dorthin zurückkehrt, was das Alswasser tut und warum Abra am Ende so wütend auf Hoka ist. Ich möchte das an dieser Stelle ungern erklären, sondern hoffe, dass ihr die Antwort auf diese Fragen inzwischen problemlos im Text findet. Also, vielleicht nicht ganz, ohne die eigenen Gehirnzellen ein wenig anzustrengen, denn Holzhammer will ich immer noch nicht machen. ;)

Außerdem habe ich die Mumpfwanderungen gekürzt und hoffe, dass es jetzt weniger überladen wirkt, das Wesentliche eher zum Vorschein kommt.

Also: Ich hoffe ganz viel. Ob es geklappt hat, würde ich gerne von euch wissen. Lasst mir gerne eine Rückmeldung da, ich freue mich und gelobe Besserung in allem, wo meine Hoffnungen sich noch nicht erfüllt haben. ;)

Ich freue mich drauf!

Eure Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Maria

Mir gefällt, wie du arbeitest, und mir gefällt die Idee, die Geschichte radikaler zu erzählen.

Seltsamerweise habe ich jetzt aber damit mehr Mühe als in der ersten Version. Das liegt daran, dass ich mich nun die ganze Zeit frage, wer mir das alles eigentlich erzählt. Das fragt man sich normalerweise nicht - obwohl man durchaus könnte, vor allem bei personalem Erzählen, in deren Rahmen ja zwar in der dritten Person aber dennoch aus der Perspektive der Protagonisten berichtet wird. Das ist eine seltsame Weise, eine Geschichte zu erzählen, wenn man es sich genau überlegt. Und doch funktioniert es normalerweise. Hier tut es das für mich nicht, zu eigentümlich ist die Sprache des Erzählers.

Ich sehe da zwei Alternativen: 1. Du schreibst das Ganze als Ich-Erzählung. Du hast ja erwähnt, dass Mitchell es einfacher gehabt hat. Könntest du dir auch einfacher machen. 2. Als zweite Möglichkeit sehe ich, dass du den Erzähler / die Erzählerin als Nebenfigur ins Spiel bringst. Das fände ich reizvoll.

Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob die Perspektive wirklich der Grund ist, weshalb es hakt. Vielleicht sind es auch Sätze wie die folgenden beiden:

In sicherer Entfernung blieb sie stehen und hielt Mausi mit’m Fuß zurück.

Der steinige Boden der Stadt wich brauner, nasser Erde, die sich bis zum Ufer der Als erstreckte.

Die habe ich mal so random rausgesucht und sollen zeigen, dass du zuweilen Satzstrukturen verwendest, die einem elaboriertem Sprakduktus entsprechen (Der steinige Boden wich brauner Erde). Das beisst sich dann sehr mit den Vereinfachungen und sprachlichen Rückbildungen, die du ansonsten drin hast und die dadurch auch etwas forciert wirken. Wenn du den Text von Mitchell anschaust, den zu zitiert hast: Dort ist alles vereinfacht, vor allem auch die Syntax, und das durchgehend.

In den Dialogen machst du das super, die sind und bleiben klasse. Aber die Erzählstimme, die bricht ständig und das wirft mich raus.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo, @N. Ostrich

Schön, dass Du wieder hier bist. Mehrmalige Besuche in verschiedenen Arbeitsschritten sind schließlich besonders erhellend.

Mir gefällt es so trotzdem viel besser als vorher. Man versteht auch alles. Zum Glück hast du es nicht übertrieben. :lol: Meine beiden Lieblingswörter sind: Spenster und Geheuer!

Puh. Und ich habe mich auch gefreut, dass Du so schnell da warst, um das zu sagen. Freut mich unglaublich, dass es Dir gefällt. Ich werde jetzt weiter in diese Richtung arbeiten. Als nächstes ist wohl die Syntax dran (ich schrieb ja bereits irgendwo, dass ich bereit bin, noch ein paar Monate dran zu feilen).

Der Anfang ist viel besser geworden, der war vorher etwas langatmig. Wie hast du es nur übers Herz gebracht, so großflächig umzuschreiben?

Ich bin sehr stark für "Kill your Darlings". Früher habe ich einfach alles sofort rausgeschmissen, wenn es jemand angemerkt hat, inzwischen versuche ich, mehr zu mir zu stehen. Aber am Ende kommt doch immer alles raus. Zum Beispiel habe ich gestern spontan in meiner letzten Geschichte noch Traum und Gedicht entfernt, zwei Elemente, die ich immer wichtig fand, wo mir aber viele Leute geraten haben, sie zu löschen. (Habe ich hier bei WK noch nicht ergänzt, nur so eine Nebeninformation.) Ich glaube nämlich, das Zauberwort heißt "Abstand". Und deshalb entferne ich vielleicht in ein paar Monaten noch den Rad-Blau-Turm. :cry:

In meinem ersten Beitrag habe ich kritisiert, dass sehr lange unklar war, dass Mausi ein Hund ist. Das hast du sehr elegant gelöst, indem du gleich zu Beginn seine Schnauze erwähnst und ihn bellen lässt.

Ja, das habe ich mir zu Herzen genommen. ;)

Das Original war noch etwas mager, jetzt gibt es mehr Fleisch. Mit anderen Worten: Mehr Dialog, mehr Bilder - eben das, was man gerne liest.

Ich habe das Gefühl, es sind weniger Bilder geworden ... Habe zumindest nochmal 3.000 Zeichen eingespart. Aber ich bin immer überrascht, wie sehr sich Veränderungen in den Augen eines Lesers niederschlagen. Das kann man selbst oft gar nicht so einschätzen, und deshalb sind wir ja auch hier.

Leider hast du meinen liebsten Moment aus der Mumpfwanderung entfernt. Es war in meinen Augen sehr charmant, wie du die Geräusche und die kleinen Schritte beschrieben hast. (Mumpf. Mumpf Mumpf Mumpf ... jap, so ähnlich!)

Ja, auch ein Darling, der gehen musste. Freue mich, dass Du mir verzeihst. Die Sings bleiben, keine Sorge.

Das Wasser ist ein Halluzinogen, richtig? Das würde zu den Feuerkids, also zu den Jugendlichen gut passen.

Ja. Schon. Was Abra wiederum mit Hallus meint, sind "Halluzinationen". Übrigens ein Wort, das direkt aus meinem eigenen Sprachgebrauch entnommen ist. Ich habe das mal in irgendeinem populärwissenschaftlichen Psychologie-Buch gelesen und fand das echt zum Schreien. Zum Glück kann man in meinem Alltag häufiger mal "Hallu" sagen – und jede/r versteht es.

Sind die Blaualgen der Grund? Können die sowas in deinem Hamburg?

Das Wasser ist giftig. Und vielleicht liegt das an den "Blaualgs". ;) Vielleicht sind das aber auch einfach nur Geschichten, die Feuerkids erzählen, die man besser nicht glauben sollte. Denn vielleicht sind die Feuerkids Kids, die einfach nur keinen Plan davon haben, wovon sie sprechen. Möglicherweise wissen sie genauso viel (hust, wenig) über Blaualgs wie ich.

An der allgemeinen Deutung der Situation ändert das aber nichts, also notiere ich, dass jetzt die Inhalte und Zusammenhänge verständlicher geworden sind. Gud!

Vielen Dank für Deinen neuerlichen Besuch.

Hallu-Grüße,
Maria

Hi, @Peeperkorn

Habe ich Dir schon gesagt, wie sehr ich es bewundere, wenn Du bei anderen um die Ecke kommst, und – Zack! – etwas sagst, was kaum jemand so genau benennen kann, was aber so sehr hilft, die Geschichte so viel besser zu machen? Genauso einen Kommentar wollte ich immer haben. Und jetzt fühle ich mich ein bisschen so, als hätte ich Peeperkorn-Potenzial verschwendet, denn das erste, was ich dachte, als ich Deinen Kommentar las, war: "Mist, er hat's gemerkt."

Seltsamerweise habe ich jetzt aber damit mehr Mühe als in der ersten Version. Das liegt daran, dass ich mich nun die ganze Zeit frage, wer mir das alles eigentlich erzählt. Das fragt man sich normalerweise nicht

Denn das ist das erste, was mir aufgefallen ist, als ich den Wolkenatlas aufgeschlagen habe. Dass dort Erzähler und Prot identisch sind, also natürlich die gleiche Sprache benutzen. Das hat mich im Übrigen dazu veranlasst, die Geschichte eine ganze Woche lang nicht anzurühren, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich das lösen soll. Womöglich habe ich also doch kein Peeperkorn-Potenzial verschwendet, denn Du weißt ja, wie das geht:

1. Du schreibst das Ganze als Ich-Erzählung. Du hast ja erwähnt, dass Mitchell es einfacher gehabt hat. Könntest du dir auch einfacher machen. 2. Als zweite Möglichkeit sehe ich, dass du den Erzähler / die Erzählerin als Nebenfigur ins Spiel bringst. Das fände ich reizvoll.

Und ich weiß nicht, wie ich so sehr auf'm Schlauch stehen konnte (ich hab übrigens voll den Knacks weg vom Schreiben in'er solchen Art). Ich habe zwischendurch versucht, die Geschichte ins Präsens umzuschreiben, weil ich dachte, dass es so "unmittelbarer" wird. Das war aber kacke und arbeitet ja auch am Problem vorbei. :lol: Du siehst also, ich habe es doch nicht ganz geschafft, das Problem allein zu begreifen, denn natürlich ist eine Ich-Erzählerin die Lösung des Problems. Das wäre wirklich einfach.

Danke fürs Augenöffnen! Manchmal begreife ich selbst nicht, wie doof ich eigentlich sein kann ... Na ja, wir sind ja alle bei WK, weil man nicht alles selbst im Blick haben kann, weil die Erfahrung oder das Wissen fehlt oder man manchmal auch einfach zu tief drin steckt.

Auch ich fände es total reizvoll, eine Nebenfigur erzählen zu lassen. Ich bewundere Autor/inn/en, die so etwas tun. Allerdings habe ich damit drei Probleme:

1) Ich will nicht so viel Personal in der Geschichte. Es ist ja jetzt schon: Abra, Mausi, Hoka, Singsa und To. Finde ich ziemlich viel. Die Lösung wäre natürlich, eine der schon vorhandenen Figuren die Geschichte erzählen zu lassen.

2) Wer aber käme dafür infrage? Mausi und To sterben im Verlaufe der Geschichte, die sind also raus. Das Ganze von Singsa, einem Walkman, erzählen zu lassen, wäre total Psycho. Zumal ich überhaupt nicht weiß, wie ein Walkman sprechen würde! Wahrscheinlich nochmal ganz anders als Abra. Abra könnte die Geschichte auch erzählen, dann wäre es wie im Wolkenatlas, aber dann wäre eine Rahmenhandlung nicht schlecht, und man würde natürlich wissen, dass sie zumindest mit dem Leben davonkommt. Bleibt also Hoka. Das war auch mein erster Gedanke, als ich Deinen Kommentar las.

Hm ... Ich bin mir nicht sicher, wie gut das ist. Das hätte einen Vorteil: Wir könnten mehr Aufschluss darüber erhalten, dass Hoka Abras Vertrauen missbraucht. Das hätte aber auch einen Nachteil: Wenn Hoka nicht den/die Leser/in betrügt, dann erhalten wir sehr schnell Aufschluss darüber, dass sie Abras Vertrauen missbraucht.

3) Das ist so ein persönliches Problem von mir: Ich frage mich bei Nebenpersonen als Erzählerinnen immer, woher die das alles wissen können. Weil, öfters ist das ja so ... der/die Nachbar/in, der/die die Geschichte erzählt. Wie können die Dialoge so haargenau wiedergeben, wenn die gar nicht dabei waren? Ist das nicht eigentlich auch total seltsam? Löst man das, indem man zu Anfang sagt:

Ich will euch 'ne Geschicht' erzählen. Die Geschicht' über meine Freundin Abra und ihr Picknick an'er Als. Aber wisst ihr ja, was wir Kids über Geschichten sagen: Glaubste nich' alles, was man dir erzählt, ne?

Und ist das nicht auch super plumb? Wahnsinn, das habe ich noch nie gemacht, und deshalb habe ich gerade Lust, es zu tun. Okay, ich werde mich aber, so denke ich, erstmal eine Woche eingraben, bevor ich mich dazu aufraffen kann. Das ist so eine große Aufgabe! Ich bin begeistert und verängstigt zugleich. Und ich sollte irgendein Beispiel finden. Also erstmal Bücherregal durchwühlen.

Die habe ich mal so random rausgesucht und sollen zeigen, dass du zuweilen Satzstrukturen verwendest, die einem elaboriertem Sprakduktus entsprechen (Der steinige Boden wich brauner Erde). Das beisst sich dann sehr mit den Vereinfachungen und sprachlichen Rückbildungen, die du ansonsten drin hast und die dadurch auch etwas forciert wirken. Wenn du den Text von Mitchell anschaust, den zu zitiert hast: Dort ist alles vereinfacht, vor allem auch die Syntax, und das durchgehend.

Hast recht. Vollkomm'n recht. Was soll ich dazu noch sagen, außer dass ich jetzt ganz tief durchatme und anfange, den gesamten Text durchzubügeln. Oder weitermache mit'm Durchbügeln? Habe ich Dir schon gesagt, dass ich das Gefühl habe, dass ich mindestens bis zum Ende des Jahres an dieser Geschichte sitzen werde – und dass ich da aktuell sogar richtig Lust drauf habe?

Also: Danke für diesen Kommentar. Ich bewundere Dich wirklich dafür, wie Du das immer machst, in so kurzer Zeit so hammermäßige Dinge auf den Punkt zu bringen. Und jetzt, wo ich mich mit der Idee der Erzählerin ein wenig auseinandergesetzt habe, habe ich auch diesbezüglich richtig Lust, was zu tun. Danke! I'll make it work.

Erzählerische Grüße,
Maria

Hi, @Manlio

Willkommen in meinem Hamburg. Deine Frage lässt sich schnell beantworten:

schreibst du hier in einem bestimmten, bekannten Dialekt?
Oder hast du dir hier eine eigene Phantasiesprache ausgedacht?

Die Geschichte spielt, wie der andere Tag verrät, in einem zukünftigen Hamburg. Da ich das zukünftige Hamburg nicht kenne, habe ich mir eine Sprache ausgedacht. Sie befindet sich auch noch in Arbeit, als nächstes nehme ich die Syntax in Angriff.

Kurz zum Mundart-Tag, denn der ist hier neu: Zuerst habe ich nach Rücksprache mit dem Mod-Team "Mundart" nicht getaggt, weil gesagt wurde, dies könne Leser/innen abschrecken. Im Verlaufe der ersten Kommentare bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass die Geschichte eine Art "Warnhinweis" gebrauchen könnte. Deshalb habe ich den Tag jetzt ergänzt. Aber da scheiden sich wohl die Geister. :(

Fantastische Grüße,
Maria

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi, @Manlio

Mundart und Science-Fiction, eine Kombination, die mir bisher unbekannt war.

Ich wurde ziemlich stark inspiriert vom Mittelteil des "Wolkenatlast" (der ziemlich ausschließlich wegen dieses Mittelteils mein Lieblingsbuch ist). Und davon, dass wir diese Hamburger Challenge hatten, und ein wenig von Neonschwarz, die Denglisch zelebrieren und sehr viele Hamburger Anspielungen machen.

Ähm, du schreibst die Geschichte, bevor die Sprache fertig ist?! Warum entwickelst du die Sprache nicht erst mal sauber zu Ende? Das Unterfangen ehrt dich ja, aber wozu dieser Work in progress?

Weil das gar nicht der ursprüngliche Plan war. Ursprünglich wollte ich einige Verfremdungen benutzen, vor allem von Orten in Hamburg. Zum Beispiel eben die Als. Die Dialoge habe ich dann so benutzt, um die postapokalyptische Welt zu zeichnen, in der einfach alles den Bach runtergegangen ist, auch die Sprache.

Die Idee, das ganz radikal umzusetzen, also vom ursprünglichen Plan abzukommen, ist erst bei der Besprechung mit den Wortkrieger/inne/n richtig aufgeblüht. Da habe ich so mitgenommen: Weniger oder mehr, aber eben nicht so mittel, wie es ganz zu Anfang war.

Also: Ich bin eine Novizin. Ich sehe nicht immer alle Probleme und Entfaltungsmöglichkeiten sofort. Und deshalb denke ich immer: Das ist super, das lade ich so hoch. Aber dann macht mich nach dem Hochladen jemand darauf aufmerksam, dass dies und jenes noch viel besser wäre. Oder eine Möglichkeit, den Text weiterzuentwickeln, die ich selbst gar nicht richtig wahrgenommen habe.

So ist doch das Wortkriegern, oder? Ein Work in Progress. Es ist doch eine Schreibwerkstatt und keine Präsentierplattform für perfekte Texte. Natürlich wünschte ich, ich könnte perfekte Texte präsentieren. Kann ich aber nicht. Und deshalb läuft das jetzt halt so.

Wahrscheinlich wäre es andersherum besser gewesen, aber wie gesagt: Shit happens. Auf die Idee bin ich selbst nicht so richtig gekommen. Ich finde sie aber gut, deshalb lasse ich mich darauf ein.

Perfekte Grüße,
Maria

 

„Es ist diesem Dialekt sonderbar mitgespielt worden von den Sprachgelehrten. Hatte Grimm ihn in Französisch und Hochdeutsch untergehn lassen, so geben ihm Neuere eine Ausdehnung, die von Dünkirchen und Amsterdam bis an die Unstrut, Saale und Rezat, wo nicht gar bis an die Donau und durch Kolonisation ins Riesengebirge reicht. Während selbst ein Philolog wie Moritz Heyne aus einer in Werden angefertigten Handschrift des Heliand eine altniederfränkische Sprache konstruiert, die |495| fast reines, sehr gelind fränkisch angehauchtes Altsächsisch ist, schlägt Braune alle wirklich niederfränkischen Dialekte ohne weiteres hier zum Sächsischen, dort zum Niederländischen. Und endlich beschränkt Arnold den Eroberungsbezirk der Ripuarier auf das Gebiet nördlich der Wasserscheide von Ahr und Mosel und läßt alles südlich und südwestlich gelegene, zuerst von Alamannen, später ausschließlich von Chatten (die er auch zu den Franken schlägt) besetzt sein, also auch alamannisch-chattisch sprechen.

Reduzieren wir vorerst das fränkische Sprachgebiet auf seine wirklichen Grenzen. Thüringen, Hessen und Mainfranken haben absolut keinen andern Anspruch, dazugerechnet zu werden, als daß sie zur Karolingerzeit unter Francia mit einbegriffen wurden.

...“ aus: Friedrich Engels, „Anmerkung: Der fränkische Dialekt“ in: „Fränkische Zeit“, MEW Bd. 19, statt Auflage: „http://www.mlwerke.de/me/me19/me19_474.htm#Kap_III“, S. 494 f.

Moin,

Maria,

hab mal angefangen mit einem „Wörterbuch zum Alsviller Dia- oder „Soziolekt“ zunächst von „an’em Abra“ bis „aufeinanner“, an denen zugleich auffällt, dass allein das „d“ verschluckt wird („anneren Krams“) und gelegentlich durch ein beschleunigendes n ersetzt wird, aber nur, sofern aufs d ein e folgt (belegt durch „an die Als“ - an einen Akt der grammatischen Emanzipation will ich nicht glauben. Bezügl. der Apostrophierung frag ich mich, ob nun eher das d oder das n ausgelassen werde, obwohl Lautschrift gegen das d spräche [‘annǝm], das eh fehlt („an’er Hose“) , folgt kein d, erfolgt auch keine Verkürzung, siehe etwa „an ein Kid“, obwohl – jetzt spricht der Ruhrpottler an der rheinfränkisch-sächsischen Sprachgrenze, Nord und Osten, Sächsisch – Westfälisch, Südwesten, Westen Niederrheinisch, Fränkisch) da geht nahtlos „an‘n oder annen Kind“ und jeder weiß, dass es nicht „an das“ Kind bedeutet, stände da sonst "annet Kind".

Dieses verschluckte d mit bleibendem Folge-e findet sich noch in „nix Besonneres“ oder „hunnertelf“ (auch ohne elf) – insofern also konsequent – bis etwa „Zumindest“ auftaucht, wo man nach der bisher entwickelten Regel – d vor e weg! - erwarten dürfte/könnte ein „zuminnest“, oder bei »Sondern Radisson.« „sonnern ...“ Natürlich weiß der Liebhaber des Wolfes und seiner Derivate um die Grenzen dieses, sagen wir mal, Dialektes in nascendi, dass diese Verkürzung auch Furcht und Schrecken verbreiten kann, wenn wir eines Tages in einen Haufen unseres besten Freundes treten, einen Hunnehaufen.

Ein Kunstdialekt ist schwierig durchzuhalten, was z. B. Schauspieler auf der Bühne von sich geben, ist oft ein Kunstdialekt, denn nicht nur die Einheimischen sollen ihn verstehen. Im Ländlichen lässt sich heut noch die von Ort zu Ort unterschiedlichen Ausdrucksweise erkennen und die berühmte Benratherlinie - die formale Grenze zwischen dem harten k und dem weichen ch, ik und ich, Krimhild und Grimhild, Kudrun und Gudrun) in Folge der zwoten germanistischen Lautverschiebung ist sehr grob. Das kuriose, hier im Pott hat dies ein Rheinpfälzer geschafft: Jürgen von Manger (geboren in Koblenz), dessen Schwiegermuttermörder eine wunderbare Studie zum Ruhrlatein liefert.

Wie sacht der Berchbauer (aussterbende Art im Pott) so schön:

Glück auf!

Friedel

 

Hi, @N. Ostrich

Wenn man alles rauskürzt, was keinen Bezug zum Ende hat oder die Handlung nicht maßgeblich vorantreibt, sieht's ganz schnell ganz mager aus in der Welt der Worte. Deine Kurzgeschichte lebt schließlich davon, dass man sich fühlt wie in einer kohärenten Welt, in der der es noch Lücken gibt, die zu eigenen Ideen anregen. Sonst cuttest du dir ganz schnell die Magie weg.

Ja, das sagst Du der Richtigen. :) Ich habe vor ein paar Monaten noch immer einfach ALLES rausgekürzt, was nicht total relevant war, und weiß inzwischen auch, dass das ganz viel killt, was irgendwie auch wichtig ist. Gerade bei dieser Geschichte. Und deshalb: Ja! Momentan stehe ich auch noch total hinter dem Rad-Blau-Turm.

Es war nur ein Beispiel dafür, wie sich eine Geschichte verändern kann, wenn ich ein bisschen Abstand zum ersten Schreibprozess habe. Zeitlichen Abstand. Das kann keine/r von uns hier richtig beeinflussen, was passiert, wenn man sich erstmal emotional von manchen Stellen gelöst hat. Und wie lange dieser Prozess dauert.

Schön, dass Du Dich zur Erzählstimme äußerst. Ich habe bisher immer nur Erzählstimmen benutzt, die dicht bei der Perspektive des Prots waren, deshalb ist das was ganz Neues für mich, und ich freue mich natürlich über Gedanken dazu.

Vielleicht ist er fantasievoll und denkt sich was aus. Vielleicht ist er aber auch eher lästernder Natur und zieht über ihn her.

Das war das, was ich mit dem rasch hingeworfenen Anfang, den ich mir da spontan überlegt habe, andeuten wollte: Dass die Erzählstimme quasi zugibt, dass auch sie nur die Stimme eines Menschen ist. Der sich eben Dinge ausdenkt. Zu Deiner Kritik daran komme ich gleich.

Dein Erzähler kann aber auch ein auktorialer Erzähler sein, neben dem Ich-Erzähler die beliebteste Wahl. Somit weiß er einfach, was passiert, weil er allwissend ist.

Ich weiß schon, was ein auktorialer Erzähler ist. :lol: Ich habe ihn nur noch nie benutzt, weil ich auch beim Lesen damit immer Schwierigkeiten habe.

Was hält dich daovn ab? Fehlt dir beim auktorialen Erzähler vielleicht die Rechtfertigung, warum er wie die Charaktere in der Geschichte einen Dialekt hat? Weil der Ich-Erzähler und der Protagonist (logischerweise) die selbe Person sind und da die Rechtfertigung gleich mitgeliefert wurde?

Das ist ein Grund, weshalb ein auktorialer Erzähler das Problem nicht lösen würde. Ich meine, er bräuchte halt einen Hintergrund, damit gerechtfertigt wäre, dass er verkorkst spricht. Und sobald er einen Hintergrund hat, ist er eine Figur, die eine Geschichte erzählt, und ich will den Erzähler die ganze Zeit schütteln und fragen: Woher weißt Du das alles?

Zwei Sachen, wegen denen ich den auktorialen Erzähler nicht mag: Er weiß alles, und er ist nie überrascht. Gerade dieses Foreshadowing finde ich echt doof. Natürlich würde eine Figur, die die Geschichte von außerhalb erzählt, ein wenig wie ein auktorialer Erzähler agieren. Eben ein auktorialer Erzähler mit eigener Hintergrundgeschichte. So wie Hitchcock in "Die drei ???". Das heißt, ich fuchse mich da jetzt mal rein. Es ist nicht so, als wäre es mir generell total unangenehm, das zu machen. Ich finde, das klingt nach einer Herausforderung, die Spaß machen könnte.

Also danke, dass Du Dich da nochmal einbringst.

Du kannst mir bestimmt folgen. Wie bereits erwähnt, mag ich an deiner Geschichte die Magie und die Glaubwürdigkeit. Beides geht mit diesem einleitenden Satz verloren und das fände ich sehr schade.

Aaah. Ich muss sagen, ich musste es mehrmals lesen, um zu checken, was Du sagen willst. Meinst Du also, dass dadurch, dass ich hier die Rechtfertigung für „Woher weiß die das alles?“ geliefert habe: Vielleicht denke ich mir das alles nur aus, liebes Publikum! Und dass dadurch eben die „Glaubwürdigkeit“, also der Glaube des Publikums daran, dass das alles echt passiert ist/passieren wird, verloren geht?

Puh. I got it. Wie gesagt, wenn es einen solchen Hinweis auf die Fehlbarkeit des Erzählers nicht gäbe, würde ich mich halt immer fragen, woher eine Person, die bei der Begegnung zwischen Abra und To nicht dabei war, so genau weiß, was die beiden gesagt haben. Es ist das, was ich mich immer frage, wenn ich solche Texte lese. Ich weiß nicht, ob das nur eine persönliche Marotte von mir ist, also …

Ich muss nachdenken. Ich gehe mich erstmal einbuddeln. Vielen Dank auf jeden Fall für die Denkanstöße.

„Woher weißt Du das?“-schreiende Grüße,
Maria

Hi, @Manlio

Ich schicke Dir eine PN, sonst wird mir das zu OT. ;) Bin gerade ein wenig geladen.

Viele Grüße,
Maria

Hallo, @Friedrichard

Wusste ich doch, dass das direkt auf’m Seziertisch landet. Übrigens hat mich dieser Apostroph ganz ‘sinnig gemacht, denn ich weiß ja, dass man bei manchen zusammengezogenen Wörtern ohne Apostroph schreiben darf (fürs und aufs usw.), bei manchen wiederum wäre es doch wirklich stark gewöhnungsbedürftig. Wobei bei einem Kunstdialekt womöglich jede Art von Apostrophierung erlaubt sein dürfte, sofern ich es vereinheitliche. Habe also zwischendurch alles ohne Apostrophe geschrieben, und das sah dann echt doof aus … Das also zum Struggle.

Ein Kunstdialekt ist schwierig durchzuhalten, was z. B. Schauspieler auf der Bühne von sich geben, ist oft ein Kunstdialekt, denn nicht nur die Einheimischen sollen ihn verstehen.

Ich habe ja mal an einer Aufführung von „Die Wupper“ von Else Lasker-Schüler mitgewirkt. Genau hier im südöstlichen Niedersachsen. War sehr spannend, und bei manchen Wörtern wussten wir bis zum Ende nicht, was sie konkret bedeuten (viele davon wurden von der Regie gestrichen).

Und das mit dem Künstlichen ist immer echt schwierig, denn sobald ich eine Problematik behoben habe, tritt eine annere auf, und plötzlich stehe ich da mit tausenden roten Fäden in der Hand und hoffe, dass mir bloß keiner herunterfällt. So muss man auch beim Korrekturlesen aufpassen wie ein Schießhund – was Du glücklicherweise tust.

bis etwa „Zumindest“ auftaucht, wo man nach der bisher entwickelten Regel – d vor e weg! - erwarten dürfte/könnte ein „zuminnest“, oder bei »Sondern Radisson.« „sonnern ...“

Hoppla. Habe ich korrigiert.

Auch bei „Hund“ und „Freund“ habe ich drüber nachgedacht, aber ich denke, weder das Wort „Hunde“, noch „Freunde“ taucht im Text auf, und deshalb können wir ja getrost weiter an der nd+e-Regel festhalten, zumal ich persönlich mich darin geübt habe, den Text laut zu lesen, und alles, was meine Zunge tun wollte, ins geschriebene Wort zu quetschen versucht habe. Und versuch mal „Freunnin“ zu sagen. Das kommt mir zuminnest nich‘ spontan über die Lippen. Vielleicht mit ein bisschen mehr Bia. Dann könnte das was werden.

annen Kind

Ich habe auch überlegt „anner Als“ usw. zu verwenden. Vom Lautlesen macht es zuminnest bei mir keinen Unnerschied, zuminnest würde mir nienich‘ einfallen „Aner Als“ (mit langem A) zu sprechen. Wobei ich dabei voraussetze, dass alle Leser/innen sprechen wie ich, und gerade wenn wir über Dialekte sprechen, ist das womöglich ein fataler Trugschluss.

Huiui. Ich geh mich ma weiter einbuddeln. Danke für Deine Einwänne.

Besonnere Grüße,
Maria

 

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