Anekdote zur Senkung der Schülermoral
Anekdote zur Senkung der Schülermoral
Im Vorhof an einer ganz durchschnittlichen Schule, in einem ganz durchschnittlichen Städtchen und in einem ganz durchschnittlichen Bundesland befindet sich ein durchschnittlicher Schüler und zieht genüsslich an seiner Zigarette. Der Schüler ist ganz durchschnittlich gekleidet, er hat eine rote Baseballkappe, ein feines Lacoste Hemd und eine superbe Levis Jeans. Alles in allem: Ein ganz durchschnittlicher Schüler.
Jedoch ist er nicht alleine. Ein Mann gesellt sich zu ihm. Es ist ein älterer Herr mit einer Nickelbrille, einem Trenchcoat und etwas abgenutzten Schuhen. Der Mann stammt im Gegensatz zu dem Schüler aus keinem durchschnittlichen Gebiet, denn er kommt aus dem Igluland. (Igluland=Zusammenschluß von Bayern, Baden-Würtemberg und Hessen)
Während der Schüler ganz lässig und cool an seiner Kippe zieht und durch seine stylische Matrix 2003 Sonnenbrille in die scheinende Sonne blickt, steht der ältere Herr etwas verlegen herum und räuspert sich. Es sei dahingestellt was er nun hat, denn der Schüler zeigt keine Reaktion, er würdigt den älteren Herrn mit keinem Blicke.
Es gibt noch eine Auffälligkeit an diesem Herrn, es scheint dass er eine Tasche bei sich trägt. Wenn man genau hinguckt, erkennt man sogar einen italienischen Reiseführer drinnen, das Titelbild ist ein Wahrzeichen einer kleinen Stadt, auch Pisa genannt.
Auch unser Kumpel der Schüler zeigt nun Interesse an dem fremden Mann. Er geht zu ihm hin, zieht an der Zigarette und fragt: „Hey Sie! Was ist denn das, was sie in der Tasche haben?“
Der Mann, der etwas perplex und überrascht ist, erwidert erstaunt: „ Guten Tag junger Mann. Zu ihrer Frage: Das ist ein Reiseführer. Ich fahre bald in Urlaub. Ich gehe nämlich in Rente, bzw. ich muss in Rente gehen. Befehl ist Befehl. Ach, die Sozis. Im Igluland wär’ so was nicht passiert. Aber nein, diese alten Pfaffen müssen ja alles verändern und auf den Kopf stellen.“
Der Schüler blickt den fremden Mann verdutzt an und geht einen Schritt zurück. „Mann, ich hab sie nicht nach ihrer Lebensgeschichte gefragt. Und was machen sie hier? Wir sind hier in Deutschland, nicht in Spanien, ich…“
Der Schüler wird von dem Mann unterbrochen. „Es ist Italien. Sagen sie…besuchen sie denn keine Bildungsanstalt?“
„Bildungsanstalt? Hören sie Kumpel, tun sie nicht so als ob ich’n Prolet wär und geben sie nicht mit ihrer Super-Hyper-Bildung an. Und benutzen sie gefälligst Wörter die ich kenne.“
Der Mann putzt seine Nickelbrille und lächelt nervös. „Oh ja, das waren Zeiten als ich Leuten wie Ihnen diese Wörter beigebracht habe. Das war vielleicht eine schöne Zeit. Vielleicht die schönste Zeit meines Lebens.“ Dem Schüler fällt die Kippe aus dem Mund und er schaut sein Gegenüber verblüfft an. So verharren die beiden Individuen einige Sekunden lang, der verblüffte Schüler und der schüchtern lächelnde ältere Mann. „Na, wieso hat es denn Ihnen jetzt die Sprache verschlagen? Haben sie Leute wie mich etwa niemals gesehen?“
Der Schüler schluckt nervös und schüttelt mit dem Kopf. Er distanziert sich vom Fremden und geht in das Schulgebäude mit hastigen Schritten zurück. Bald ist er hinter einer Tür verschwunden.
Der fremde Mann, der auch neugierig wie alle seiner Artgenossen ist, folgt dem Geflohenen in das Gebäude. Moose, Moder, ein übler Geruch, obszöne Wandbemalungen verleihen dieser „Hütte“ etwas von einem Komposthaufen. Nichtsdestotrotz scheint es so zu sein, dass der ältere Mann im Trenchcoat die Gegend bestens kennt. Er schreitet sicher und souverän auf dem Pfad in den Pavillon.
Fast hat er den Jungen eingeholt, der panisch vor etwas davonläuft. Der sanftmütige Pädagoge aber( er ist es nämlich) lächelt einfach weiter und bleibt dann vor einer großen Tafel stehen. Es ist schon eine Erscheinung, inmitten von leeren Sälen, Toiletten und Besprechungszimmern. Die Tafel ist sehr dunkel, doch ganz oben pappt daran ein Zettel auf dem etwas mit Großbuchstaben steht. Der sanftmütige Pädagoge betrachtet einige Minuten diese Tafel. Und sagt nichts.
Nachdem er eine gewisse Zeit so dastand, hörte er hinter sich eine Stimme. Er drehte sich um.
„Sie haben das Schild vor langer Zeit aufgestellt. Ich sehe die schwarzen Flecken auf dem weißen Pap…Pap…“ Er blickt beschämt zu Boden. „Ich habe es vergessen. Das Ding auf dem die Flecken sind.“ Der ältere Mann mit den freundlichen Augen sagt mit einer wohlklingenden Stimme: „Papier mein Freund. Das Wort das sie suchen, es ist Paier.“
Die Augen des Schülers gehen auf. Er schnippt mit den Fingern und jubelt. „Genau! Papier! Jaa! Ich kann mich erinnern!“ Er hält kurz ein und denkt nach. „Ja, diese Flecken. Sie sehen so gerade aus. Aber wieso, das hab ich auch vergessen.“
Der Pädagoge nickt verständnisvoll. „Es sind Buchstaben. Es sind Zeichen die die Grundlage für unsere Schrift bilden. Sie helfen und zu kommunizieren.“ Wie ein kleines Kind schaut der Schüler seinen Lehrer mit lebhaften Augen an. „Buchstaben. Kommunizieren.“
„Ja, genau. Erzähl weiter, was war denn damit?“
Die freundliche Stimmung wurde jetzt sichtlich getrübt. „ Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass dieses Schild schon sehr lange dasteht. Ich konnte aber niemals herausfinden was es bedeutet. Wissen Sie es vielleicht?“
Der Lehrer wusste, dass diese Frage kommen würde. Aber was bleibe denn übrig zu antworten? So entschied er sich die Wahrheit zu sagen. Aber zuerst musste er sichergehen.
„Sag mal Junge, bist du denn allein hier? Wo sind die anderen Schüler, die Eltern…die Lehrer?“
Der Junge guckt sich um und zuckt mit den Schultern. „Ja die sind ausgewandert. Ins Igluland. Zuerst wollten sie eigentlich nach Finnland gehen, aber die Finnen ließen sie nicht in ihr Land. So mussten sie notgedrungen eine „nationale Lösung“ treffen. Fragen sie aber nicht was es heißt, ich weiß es…“
„Schon gut. Aber nun zu deiner Frage. Komm näher, ich flüstere dir die Antowort ins Ohr.“
Und er tat es. Und nachdem er es getan hatte, da nahm er die Hand des Schüler, der nun mit seiner roten Baseballkappe, seinem Lacoste Hemd und seinen Levis Jeans ganz klein wirkte. Und die beiden gingen aus dem vermoderten Gebäude hinaus und entfernten sich vom Vorhof einer durchschnittlichen Schule, in einem durchschnittlichen Städtchen in einem durchschnittlichen Bundesland.
Und nur ein große Tafel mit einem kleinen Schild mit schwarzen Flecken blieb übrig. Und diese Flecken bedeuteten, wenn man sie liest, einen ganz bestimmten Satz.
DIE SCHULE IST TOT! ES LEBE DIE SCHULE