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Anderson
Ein heftiger Donner riss ihn aus dem Schlaf. Er war froh darum, denn sein Traum war zurückgekommen. Philipp schaute auf die blauen LED-Leuchten seines Radioweckers. Ein Uhr Zwanzig. Der Regen prasselte an das Fenster seines Apartments.
Philipp stand auf. Er hatte einen schlechten Geschmack im Mund, wie so oft ging er ins Bad und putzte sich die Zähne.
Philipp hatte eine große Wohnung, und er konnte sie sich leisten. Bei dem Geld was er bekam!
Mein Vater sagte immer, bekommen und verdienen ist ein Unterschied. Selten bekommt jemand das, was er verdient. Und damit hatte er Recht. Das Abri Blanc, war ein teueres Hotel, das er sich aber nicht selbst ausgesucht hatte.
Philipp schlurfte zum Waschbecken und lies das Wasser an. „Licht.“ Die Deckenstrahler wurden langsam heller, genauso wie er sie eingestellt hatte.
Als er fertig war, schaltete er das Licht aus und ging wieder ins Schlafzimmer. Ein Uhr fünfundvierzig. Sicher wäre in der Stadt bereits eine Menge los, sogar bei diesem Unwetter, dachte er. Es donnerte wieder stark und Phil fuhr zusammen.
Per Knopfdruck fuhr der Rollladen nach oben. Philipp öffnete das Fenster.
Ein sanfter Südwind wehte ins Zimmer. Irgendwie erfrischend.
Philipp setzte sich auf den Boden. Draußen auf dem Balkon plätscherte es. Der Regen machte ein dipsendes Geräusch, wo er auftraf. Phil saß gerne hier.
Nur in Boxershorts und Unterhemd bekleidet sah er über die Stadt, die Lichter Caldonias, die Stadt, die er zugleich mochte und zugleich verfluchte.
Er war an diese Stadt gebunden. Seit zwei Jahren saß er hier fest. Er hatte schon so etwas wie ein geregeltes Privatleben hier gefunden, aber trotzdem.
Wie war er nur hierher geraten? Philipp Anderson war Erdenbürger. Er war auf der Erde geboren, hatte dort eine normale Ausbildung genossen, war sogar begabt gewesen. Sein Ziel war es, Künstler zu werden. Es folgte eine Ausbildung an der Akademie der hohen Künste. Dann der Niedergang- seine Noten wurden von Mal zu Mal schlechter, er war dem Druck einfach nicht gewachsen. Seine Eltern hatten große Stücke auf ihn gesetzt.
Dann blieb ihm nichts anderes übrig. Phil wechselte auf die Polizeischule – Vereinte Sternenpolizei.
Dort traf er einen der fähigsten jungen Polizisten und sein Leben begann sich zu ändern.
Er hatte Spaß gehabt, es gefiel ihm richtig. Phil schloss neue Freundschaften. Doch länger als drei Jahre hielt es nicht. Philipp wurde unehrenhaft entlassen.
Seine Arbeit als Polizist wird wohl nie mehr in Anspruch genommen werden, dachte er.
Die Träume kamen fast jede Nacht, seit einigen Jahren. Er sah sich, wie er das Gebäude stürmte. Philipp konnte nicht auf Verstärkung warten. Er hatte eigenmächtig gehandelt!
Phil sah sich, wie er angeschossen wurde und wie er fiel. Er fiel mehrere Stockwerke hinab.
Der Wind blies einige Regentropfen ins Zimmer und sie strichen über Phils kräftige Oberarme. Er wischte sie nicht ab, Phil bewegte sich gar nicht. Er sah immer noch wie gebannt auf die Stadt herab.
Stille. Phil hörte ein leises Geräusch. Durch das Fenster drang ein wenig, fahl blaues Licht, doch der Rest des Raumes lag im Schatten. Ein leises Atmen. Philipp drehte langsam seinen Kopf. Da war jemand in seinem Zimmer! Das Atmen wurde lauter.
Seit Philipp für Botschafter Kayne arbeitete, war er sehr vorsichtig gewesen. Was war nun?
“Kommen sie heraus.“, sagte Phil rau. Dann griff er langsam an seine Jacke, die er gestern über den Stuhl gehängt hatte. Er ging vorsichtig vom Fenster weg.
Plötzlich flammten zwei klitzekleine, grüne Lichter grell auf, dann wurden sie dunkler und Verschwammen wieder mit den Schatten.
“Licht.“, sagte Philipp. Er hob seine Sig mit der rechten Hand ausgestreckt und stützte sie mit der Linken ab. Das Licht ging an. Das Zimmer war leer.
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Es war die Art von verruchtem Pub, in das man zwar leicht hineinkam, aber wohl umso schwerer wieder hinaus. Keine einfache Bar, doch er fühlte sich hier heimisch. Man kannte ihn, aber ließ ihn in Ruhe, genau das was Philipp mochte.
Allerdings war es an diesem Abend etwas anders. Es war derselbe Pub, derselbe Barkeeper, Frank, dieselben dunkle und muffige Stimmung, und es waren sogar dieselben Gäste.
Es hing, wie immer, dichter Zigarettenqualm in der Luft, ein süßlicher Duft einer ihm unbekannten Marke. Doch sie schienen sie alle zu rauchen. Alle bis auf ihn.
Die Wände waren kahl und nackt. Sie schimmerten in einem gelblichen Ton und warfen ein kühles, gleichmäßiges Licht auf den glänzenden Ecktisch, an dem Philipp saß.
Er trug ein dunkelblaues Hemd, schwarze Hosen und passend dazu schwarze Lederstiefel.
Vor ihm stand ein Glas Cherimoya-saft, an dem er immer wieder genippt, aber nie richtig getrunken hatte. Philipp hatte ein ungutes Gefühl. Er beobachtete die wilden Kerle an den Nebentischen, die mit ihren Heldentaten prahlten. Er hörte den Gesprächen zu, studierte sie. Es erinnerte ihn an seine eigene Vergangenheit, an seine Freunde und was er mit ihnen erlebt hatte.
Ein hünenhafter Riese saß an der Bar und erzählte gerade seinen beiden Kameraden, dass er alleine sechzehn Räuber zur Strecke gebracht hätte.
„Dann drehte ich mich herum, verpasste dem letzten einen Haken, der ihn garantiert zwölf Meter oder mehr…-“
Weiter kam der Riese nicht. Er hielt in seiner Erzählung inne und auch die anderen Gäste schauten zur Tür. Das Stimmengewirr verstummte abrupt, um zu sehen, wie Marvin Kayne den Raum betrat. Marvin schnippte eine Zigarette in die Ecke, blies den Rauch aus der Nase und schritt geradewegs auf Philipp zu- Die Gespräche gingen weiter. Phil nippte an seinem Saft. Er schmeckte cremig und intensiv nach Ananas und Banane. Aber da war noch irgendetwas.
Kayne setzte sich zu Philipp an den Tisch.
“Guten Abend, Mr. Anderson“, sagte er, sehr betont und mit einem Lächeln auf den Lippen.
Philipp schaute keineswegs erfreut, auf. Papaya, ich glaube es schmeckt noch wie Papaya.
„Nennen sie mich Phil.“ Philipp blickte Marvin bewusst in die Augen,
doch der hielt Stand. Er beobachtet mich, dachte Phil. Das war heute einer seiner Leute, da bin ich mir sicher.
„Willkommen zurück, Phil.", erwiderte Marvin etwas trotzig, trotzdem amüsiert. Er schien seine Gedanken zu lesen und lächelte.
“Worum geht es diesmal?“, fragte Philipp eintönig. Marvin schob ihm einen weißen Umschlag herüber. Philipp nahm ihn und packte ihn übertrieben langsam aus.
„Jetzt werden sie Gelegenheit haben, einen der ganz Großen zu erledigen.“, sagte Marvin, sehr überzogen, wie Philipp später feststellte.
Er zog ein Foto aus dem Umschlag. Es zeigte seinen alten Freund, Jack Hart,
Auf diesem Bild mochte er etwas älter sein, doch Phil erkannte ihn sofort. Warum er?
Laut sagte er: "Ich kenne ihn."
Marvin war nicht verwundert und er redete gleich weiter.
"Sie werden mir ihre Loyalität beweisen. Erledigen sie ihn. Und lassen sie es wie ein Schlag der Rebellen aussehen.“ Was will er?
Philipp trank einen Schluck, um sich zu beruhigen.
“Er wird hierher kommen. Nach Caldonia, um eine Audienz mit dem König zu verlangen.
Soviel ist sicher: Es darf nicht zu dieser Unterredung kommen, haben sie mich verstanden, Phil?"
„Kein Problem. Ich regle das, Mr. Kayne."
„Sie sind der Beste, Phil. Schaffen sie das, woran ihre Vorgänger gescheitert sind.“
Kayne stand auf. „Ach, und Phil?“
“Ja, Mr. Kayne?“
“Nennen sie mich Marvin.“ Damit machte er kehrt und verließ den Pub.
Draußen hatte es erneut zu regnen angefangen und die Tropfen prasselten gegen die große Scheibe, es wurde dunkel und kalt. Philipp Anderson betrachtete das Bild noch weitere fünf Minuten. Dann schob er das Bild zurück in den Umschlag, nahm seine Jacke und ging, um zu zahlen.
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