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Anders
Sie guckten ihn schon wieder so an.
Gestarft wurde er mit diesen Blicken. Von allen. Von überall. Die Mädchen kicherten und drehten sich weg. Die Mädchen, die vor zwei Wochen noch rot wurden, nur weil er hinüber geschaut hatte. Die Mädchen, von denen er lastwagenweise Liebesbriefe bekommen hatte. Nur wegen dieser drei Worte.
Wenn Leonardo DiCaprio die sagte, waren doch auch alle begeistert.
Auch die Jungs wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Nicht einmal mehr Fußball spielen durfte er mit ihnen. Auch Einladungen zu Parties oder Geburtstagen bekam er nicht mehr. Vor zwei Wochen hatte er sich kaum noch davor retten können!
Vor zwei Wochen war alles anders gewesen. Er war so beliebt gewesen. Dachte, er hätte Freunde, die ihn genauso aktzeptieren, wie er ist! Aber diese drei Worte hatten alles zerstört.
Briefe bekam er trotzdem, der Inhalt war vielfältig, doch sie sagten alles das Gleiche: Sie verachteten ihn, machten sich über ihn lustig.
Oft dachte er sich:"Bald bin ich weg aus der Schule, dann muss ich niemanden von hier wiedersehen."
Aber das Gerede in der Schule war ja nicht einmal das Schlimmste. Selbst wenn er nach Hause ankam, durch die Küche ging, bekam er diesen verächtlichen, enttäuschten Blick von seinem Vater. Anfangs war er wütend geworden. Hatte herumgeschrien, warum denn gerade er? Warum könne er nicht einen normalen Sohn haben?
Inzwischen brüllte er nicht mehr.
Seine Mutter hatte geweint. Vielleicht wegen ihm, vielleicht wegen seinem Vater.
Auch sie weinte nicht mehr.
Sie legte ihm mitleidig eine Hand auf die Schulter. Mehr nicht.
Selbst von den eigenen Eltern nicht aktzeptiert zu werden. Das war die Hölle.
Ausgelöst von diesen drei Worten.
"Irgendwo muss es doch jemanden geben, dem es genauso geht wie mir. Der so fühlt wie ich."
Aber so ist es eben, wenn man anders ist.
Doch warum hatte er auch ausgerechnet ihm diese berühmten drei Worte gesagt?