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Anders

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19.10.2003
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Anders

Maja hat schon früh gemerkt, dass sie anders ist. Eigentlich schon, seit sie das Gymnasium besucht hat. Heute ist wieder einer der Tage, an denen sie darüber nachgrübelt, während ihre Augen aus dem Fenster blicken, ohne etwas wahrzunehmen.
Es ist gar nicht schlimm, sich von der Mehrheit der Menschen zu unterscheiden, denkt sie. Ihre alten Klassenkameraden, die zwar in Cliquen aufeinander hockten, aber nicht über Gesprächsthemen wie Mode, Popstars und vielleicht noch das aktuelle Kinoprogramm hinauskamen, bedeuteten ihr nie viel. Anders zu sein als sie, war für Maja eher eine Genugtuung und Selbstbestärkung.
Doch da gab es auch noch die anderen Menschen, die ihr sehr wohl etwas bedeuteten. Die auch über Mode, Popstars und das aktuelle Kinoprogramm sprachen. Aber auch über ihre Gefühle und Befürchtungen, über Ideale, Prinzipien, Illusionen und Erfahrungen. Diese Menschengruppe spielte in Majas Leben schon viele Jahre eine wichtige Rolle. Häufig saßen sie gemeinsam zusammen und diskutierten, überlegten, kritisierten, lachten. Das waren oft schöne Abende. An deren Ende schmiegte sich Maja oft zufrieden in ihre Bettdecke und dachte noch einmal an die anregenden Gespräche, bevor sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.
Manche Tage endeten anders.
Maja rutscht unruhig auf ihrem Stuhl hin und her und beißt sich nachdenklich auf die Unterlippe.
Sie denkt an die Abende, an denen die Stimmen der Freunde plötzlich nur noch von weitem an ihr Ohr gedrungen sind. Dann kam sie sich vor, als sei sie jemand, der den Gesprächen verbotenerweise lauschte und gar nicht wirklich dazugehörte. Bald darauf stellte Maja fest, dass die Gespräche auch ohne sie weiterliefen und sie bemerkte, dass sie auf einem Mal keine passenden Worte mehr fand, die an dieser Stelle einzubringen geeignet waren. Doch das schien niemandem aufzufallen, denn die Diskussionen gingen munter weiter.
Das waren die Momente, in denen sie spürte, dass sie anders war. Sie lachte mit, wenn die anderen lachten, aber ihr war nicht wirklich danach zumute. Auch jetzt, wenn sie darüber nachdachte, fühlte sie die Einsamkeit, die sie schwer in ihren Stuhl drückte.
Erzählten ihre Freunde von ihren jüngsten Erfolgen, so versuchte Maja manchmal sich doch mit einzuschalten. Auch sie hatte Erfolge – es war eine Möglichkeit wieder Anschluss an die Gespräche zu finden. Doch sie merkte, wie sie sich dann zu sehr in den Mittelpunkt stellte. Oft gingen ihre Gesprächspartner schnell zu anderen Themen über. Entweder, weil das Maß an Anerkennung, dass sie erwartete, kurz gesagt übertrieben war. Oder weil es zu ihren Worten einfach nichts mehr hinzuzufügen gab. Maja wusste nicht genau, woran es lag. Sie empfand die Themenwechsel jedoch immer als ein Abwürgen ihrer Worte. So fühlte sie sich noch mehr ausgegrenzt.
Wurde sie wirklich ausgeschlossen? Oder war sie einfach anders? Waren ihre Wahrnehmung, ihr Empfinden zu extrem?
Maja hasste diese Abende. An diesen Tagen wälzte sie sich im Bett von einer Seite auf die andere. Doch der Schlaf ließ auf sich warten. Sie fragte sich, warum ihr in solchen Situationen plötzlich die Worte fehlten und sie nicht wirklich in der Lage war zu lachen. Genauso wie jetzt, als sie versucht, die Gedanken zu bremsen, indem sie sich schlafen legt. Doch je dringlicher dieser Wunsch wird, desto mehr nimmt sie ihr Anderssein wahr, verdrängt die Müdigkeit.
Vielleicht wacht sie morgen auf und ihre Sorgen sind verschwunden. Es gibt diese Tage. Womöglich würde sie morgen beim Einkaufen der Unterhaltung zweier Frauen über Kochrezepte und Kleidung lauschen und es genießen, sich von ihnen abgrenzen zu können.
So sehr sie auch darauf hofft, macht sie sich doch keine Illusionen. Zwar konnte einiges darüber hinwegtäuschen, aber es war nicht immer angenehm anders zu sein. Denn Anderssein geht immer auch mit Einsamkeit einher. Das ist es, was sie auch an diesem Abend wieder spürt. Mit diesem Gefühl, das Maja in ihrem Bett gerade voller Wucht packt und ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagt, übermannt sie schließlich der Schlaf. Wie er es mit allen Menschen tut.

 

Hi

Erstmal was Grundsätzliches, ich denke, dass die Erzählweise aus der dritten Person hier nicht viel bringt, so liest sich der Text für mich wie ein Tagebucheintrag, der sich durch die Umgehung der Ich-Perspektive als Geschichte verkleidet. Viele trauen sich auch nicht, in der Ich-Perspektive zu schreiben, wenn ihnen das Thema zu persönlich ist, aber oft wird es gerade dadurch für den Leser etwas seltsam...

Dein Stil liest sich flüssig, ein, zwei Kommas haben noch gefehlt, aber die Worte passen alle.

Allerdings hätte es mir besser gefallen, z.b. die Szene, wo sie mit den Freunden zusammensitzt, etwas genauer beschrieben bekommen zu haben (Args, ich hoffe, die Zeit stimmt). Mit so einem kleinen Ausschnitt kann man ja auch eine Aussage rüberbringen. Dann hättest du außerdem etwas deutlicher herausarbeiten können, warum sie denn nicht lachen kann.

Was mir auch nicht so gefallen hat, ist dass deine Geschichte meiner Meinung nach so in die Richtung "Hilfe, die anderen sind alle so banal, nur ich bin tiefsinnig" driftet, was die Protagonistin nicht unbedingt sympathischer macht ;)

Die Tatsache, dass alle Menschen irgendwann müde werden, ist zwar ein netter Schluss, aber nicht wirklich aussagekräftig, schließlich müssen wir auch alle essen, arbeiten etc.

Nächstes Mal vielleicht keine weitere Geschichte über das ach so einsame Anderssein, sondern einfach eine etwas andere Geschichte, das sind nämlich meist die besten ;)

Liebe Grüße
Christoph

 

Zu Wolkenkinds Ausführungen möchte ich noch hinzufügen, dass du bei solchen Geschichten immer aufpassen musst, dass du nicht in Selbstbemitleidungsphrasen hineinfällst. Das ist nämlich das ausgelutschteste, was es gibt. Gott sei Dank, hast du die Grenze nicht überschritten.

 

Hallo Jingles, hallo Wolkenkind!

Zum Teil habt entweder ihr Textpassagen falsch interpretiert, oder ich habe mich schlecht ausgedrückt... Na gut, da muss ich wohl die Schuld bei mir suchen...Ich wollte meine Protagonistin eigenltich nicht so beschreiben, dass sie sich als tiefsinniger als den Rest der Menschheit empfindet. Genausowenig wollte ich damit Selbstmitleid ausdrücken. Ich muss wohl nochmal darüber nachdenken, wie ich das besser hinbekomme.
Dass die Erzählweise aus der dritten Person nicht so gut ankommt, habe ich eigentlich auch selbst so empfunden. Interessant, dass es anderen auch so geht.
Danke, euch beiden, für die Rückmeldung!

Ciao, Sonja

 

Hi Sonja,

ich muss mich den beiden anschliessen, was die Erzählperspektive betrifft.

Allerdings muss ich sagen, dass ich es nicht ganz so zerreissen würde wie Christoph.
Das Thema an sich ist gar nicht schlecht gewählt. Natürlich kann man sich da leicht in Selbstmitleid verlieren, aber immerhin kann ich (natürlich nur ich persönlich, wie siehts mit den anderen aus?) mich damit ganz gut identifiezieren.
Es ist also ein Thema das den Leser leicht einführt.
Obgleich es auch (jetzt dreh ich mich wieder rum) relativ banal ist.

Was mich ein wenig gestört hat, ist die Tatsache, dass deine Geschichte scheinbar auf eine Pointe oder einen Knackpunkt hinarbeitet, der aber nicht kommt. Du baust vor allem am Schluß unheimlich Spannung auf ("Was ist denn jetzt so anders an ihr?") die du aber nicht auflöst.

Ich denke, dass das das Hauptproblem ist. Der Vorrangegangene Rest liegt eigentlich immer im Entscheidungsbereich des Autors, wie du schreibst und worüber.

Alles in allem ein netter Text.

LG, Olaf :)

 

Hallo Trixi,

lass mich auch noch meinen Senf dazu geben, wobei es mir so ähnlich ging wie Wolkenkind: Es erinnerte mich stark an einen Zusammenfassung mehrerer Tagebucheinträge.
Ein Tipp: Versuch doch mal, den wichtigsten Aspekt herauszuarbeiten und ihn in Handlung aufzulösen. In Deiner Geschichte wird zu viel behauptet und zu wenig gezeigt. Beispiel:

Erzählten ihre Freunde von ihren jüngsten Erfolgen, so versuchte Maja manchmal sich doch mit einzuschalten. Auch sie hatte Erfolge – es war eine Möglichkeit wieder Anschluss an die Gespräche zu finden. Doch sie merkte, wie sie sich dann zu sehr in den Mittelpunkt stellte. Oft gingen ihre Gesprächspartner schnell zu anderen Themen über. Entweder, weil das Maß an Anerkennung, dass sie erwartete, kurz gesagt übertrieben war. Oder weil es zu ihren Worten einfach nichts mehr hinzuzufügen gab.
Das ist eine narrative Zusammenfassung. Hier wird viel behauptet, aber kaum etwas gezeigt. Kurzgeschichten leben aber von Aktion (damit meine ich nicht "Action" im Sinne eines Hollywood-Reißers, sondern Handlung). Deine Protagonistin könnte sich z.B. mit einer ihrer Freundinnen unterhalten, ihre Standpunkte erläutern. Die Freundin widerum könnte dagegenhalten. Ihre Sicht der Dinge darstellen. Dann hättest Du einen Konflikt, Du hättest eine Protagonistin und eine Antagonistin. Und Dialog. Vielleicht eskaliert das Gespräch? Vielleicht reagiert die Freundin ungehalten, springt auf, läuft weg? Ich weiß es nicht, es wäre Deine Geschichte.
Du könntest z.B. ein offenes Ende gestalten. Wird die Freundschaft trotz der unterschiedlichen Auffassungen Bestand haben?

Wie gesagt, sind nur so n paar Ideen. Ich glaube aber, dass Geschichten, die in Handlung aufgelöst werden, beim Leser einfach besser ankommen.

Liebe Grüße
George

 

Hey George,
danke für deine konkreten Anmerkungen. Ich denke, ich kann sie ganz gut nutzen. Werde es jedenfalls versuchen.

Liebe Grüße,
Sonja

 

Hallo Trixi,

ich kann mich eigentlich nur meinen vorausgegangenen Kritiken anschließen. Traurig bin auch ich,über den Schluß Deiner Geschichte, meiner Meinung nach zu schnell, auf irgendetwas hab ich zur Erklärung dieses Anderstseins doch erhofft.
Trotzdem schön geschrieben, hab nicht aufhören können Sie zu lesen.

Grüssle Morpheus

 

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