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Anas Rat

Seniors
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15.03.2008
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Anas Rat

Rat und Ana / Telefongespräch​

„Wer ist da?“, fragte er.
"Rat, bist du das?“, fragte sie
„Wer zur Hölle sind Sie?“
"Ich bins, Ana.“
„Ana“, sagte er, "was zur Hölle wilst du?“
"Ich, ich brauche jemanden ...“
„Und“, fragte er. „Hat sich niemand besseres gefunden?“
„So meinte ich das nicht.“
„Nein, natürlich nicht. Du hast noch nie gewusst, was deine Worte ausdrücken. Du sagst das eine und meinst das andere.“
„Ich brauche Hilfe, ich brauche dich.“
„Verstehe.“
„Du verstehst?", fragte Ana.
„Sprich bitte Klartext: Was willst du?“
„Moment, Moment, setz mich bitte nicht unter Druck ...“
„...“, Rat wartete.
„Ich brauche jemanden, der mich im Leben festhält. Es hat so weh getan, alles ist weg, nur der Schmerz ist geblieben und drängt mich raus.“
„Wenn du dich wichtig machen willst …“, murmelte er.
„Nein! Das tue ich nicht mehr. Ich habe lange überlegt, ob ich dich anrufe, aber ich weiß sonst keinen.“
„Schon gut“, sagte Rat. „Konnte ich mir auch nicht vorstellen. Ist mir rausgerutscht.“
„Macht nichts.“
„Und“, fragte er. „Was glaubst du, was ich jetzt tun soll?“
„Komm her. Sei bei mir.“
„Nein“, sagte er. „Ich will das nicht mehr - dich zu sehen und all das seltsame Elend.“
Rat hielt den Mund und hörte eine Weile zu. „Okay“, sagte er dann. „Einen Versuch ist es wert, ich sage es ja ungern, aber du hast recht, das bin ich dir schuldig.“ Er hörte wieder ein paar Takte zu.
„Ein Tag“, sagte er. „Wenn ich in der Zeit nichts erreiche, verschwinde ich wieder. Ich habe keine Zeit zu verschwenden.“

Rat und Ana / in ihrer Küche​

„Du hast gesagt, er würde dich rausdrängen“, sagte Rat. „Der Schmerz würde dich aus dem Leben drängen. Das klingt nach einer komischen Nummer – so warst du früher nicht.“
„Doch“, sagte sie „Du hast es nur nicht wahrgenommen.“
„Okay“, sagte er. „Mir ist auf der Herfahrt schon aufgefallen, dass ich kaum was von dir weiß. Wahrscheinlich weil du so furchtbar langweilig warst. Aber darum geht es gerade nicht“, sagte Rat. „Warum bin ich hier? Wahrscheinlich, um dein Leben zu ändern.“ Er lachte. „Klingt nach herausragend schlechter Reality-Show, ist aber lediglich schlechte Realität. Beginnen wir mit etwas, das du aus dem Stegreif ändern solltest: Deine Frisur gefällt mir nicht.“
Ana sah ihn überrascht an, sie war offensichtlich zu keiner Antwort fähig. Ihr offener, verletzlicher Gesichtsausdruck machte ihn wütend. Rat unterdrückte das Gefühl und konzentrierte sich.
„Du musst hier weg“, sagte er. „Einfache Regel zum Merken: dein neues Leben braucht eine neue Stadt, neue Fassaden und Gesichter. Eine andere Geschichte.“
„Hab ich doch versucht“, sagte sie. „Drei Monate in Anderswo, kompletter Absturz. Ich war so verloren. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr die Einsamkeit meine Seele auffrisst. Ich bin da anders als du, ich halte das nicht aus.“
Rat drehte sich eine Kippe und stellte beim Anzünden fest, dass er an diesem Tag schon mehr geraucht hatte, als sonst in einer ganzen Woche. “Versuchen ist nichts wert“, sagte er, „es spielt keine Rolle, was du versuchst. Niemand will wissen, was versucht worden ist. Du sollst die Dinge gelingen lassen. Wenn du hier bleibst, wirst du bald wieder liegen und zittern und kotzen. Nach Hilfe kriechen, wenn du noch kannst. Du bekommst dein Leben nicht auf die Reihe.“
„Was soll ich denn machen?“, fragte sie. „Hier sind wenigstens welche, die mit mir was zu tun haben wollen. Für die anderen bin ich Dreck, der letzte Abschaum. Du weißt, wie das ist.“
Rat schlug die Faust auf den Tisch. Ana erschrak. „Tu das nicht“, sagte sie, den Blick zu Boden gesenkt. „Jag mir keine Angst ein.“
„Fuck!“, rief er, die Stimme dunkel vor unterdrückter Wut. „Wach auf! Das hier kotzt mich an“, sagte er.
„Das ist mein Leben“, sagte sie, tonlos. Dann, mit etwas Leben in der Stimme: „Warum bist du überhaupt hier, warum willst du mir helfen?“
„Wir beide. Das war doch was Besonderes.“
„Allerdings ... du hast meinen ersten Druck gesetzt ...“
Rat runzelte die Stirn. „Ich …“, begann er. „Ja“, sagte er.
„Nimm mich in den Arm.“
„Was soll das?“, fragte er.
Sie stand auf, ging um den Tisch, legte ihren Kopf auf seine Schulter und umarmte ihn.
„Ich brauche jemanden, der mich hält“, sagte sie. „Und mir sagt, ‚es ist nicht deine Schuld.‘“
„Das geht nicht …“, murmelte er.
„Bleib heut nacht bei mir.“
„Das wird nicht gehen. Mir ekelt vor dir. Seit du mich umarmst, stehen mir die Haare zu Berge.“
Ana löste die Umarmung. „Verstehe“, sagte sie und ging wieder zu ihrem Stuhl. Sie setzte sich und begann leise zu weinen.
“Scheiße“, sagte Rat. „Hör auf damit ... ich habs nicht so gemeint.“
Sie schüttelte den Kopf. „Du hast es genauso gemeint - und es stimmt. Ich bin ekelerregend.“
„Nein, nein“, sagte Rat, ging zu ihr und nahm sie in den Arm. Ana stieß ihn weg.
„Manchmal träume ich davon, so hässlich zu sein wie ich mich fühle“, sagte sie. „Dann wäre ich nicht begehrenswert und niemand würde mich ficken wollen.“
Er sagte nichts, hockte nur neben ihr und sah sie an. „Ich wünschte, ich wäre tot“, sagte sie.
„Viel zu früh am Tag, um so was zu sagen“, sagte Rat. Auf der Küchenuhr zeigten zwei schwarze Zeiger auf weißem Grund die Zeit: zehn nach fünf.
Rat überlegte, wie viel echter Todeswunsch in diesem Satz steckte und fand, dass sich das schlecht einschätzen ließ. „Ich muss jetzt los“, sagte er. „Mir einen Überblick verschaffen. Wenn was ist, ruf an.“ Er schrieb seine aktuelle Nummer auf einen Zettel. „Und bring dich nicht um! Ich bin hergekommen, um etwas Gutes zu tun. Versau mir das nicht.“

Rat & Pip / Fixertreff​

„Heroin! Koka!“, rief einer. „Brauchste Schorre?“, wurde Rat angequatscht. „Flunis! Stadas!“
Rat suchte einen Weg durch die Menge von vielleicht dreißig Gestalten, die vor der Drogenbörse standen, handelten und konsumierten. Ein durchtrainierter Tätowierter taumelte mit der Spritze in der Hand über den Platz und fragte, ob ihm jemand einen Schuss setzen könnte, er wäre zu breit, um die Ader zu treffen. Ein Auge war halbgeschlossen, das andere ganz. Blutrinnsale rannen den linken Arm herab und vereinigten sich vor dem Handgelenk, bevor sie gemeinsam zu Boden tropften.
„Verpiss dich“, sagte Rat, schob den Tätowierten beiseite und ging zu einem Rastamann, der einem ungefähr zwanzigjährigen Weißen sagte, er solle eine Pfeife rauchen, um zu beweisen, dass er kein Zivi sei. Rat wartete, bis einer der ungeschickten Versuche, die Pfeife anzuzünden, gelang, und sagte „Ey Pip. Heutzutage dürfen auch Zivis konsumieren.“ Der drehte sich um.
"Shiiiit, Rat", sagte Pip. "It’s an abso-fucking-lutely surprise! Dich hab ich bestimmt zwei Jahre nich mehr gesehn ..."
"Sechs Jahre, um etwas genauer zu sein", sagte Rat.
"Hört, hört", sagte Pip. "Du musst mir unbedingt ein bisschen deiner kostbaren Zeit opfern." Pip kuckte auf sein Handy. "Lass uns Kaffee trinken“, sagte er. „Zehn Minuten noch. Ich mach hier Schicht von vier bis sechs."
"Ich weiß", sagte Rat. "Deswegen bin ich hier."
"Yeah", sagte Pip. "Hast dich erkundigt. Kennst mich sicher bereits besser als ich mich selbst. Ganz der Alte, ha!"
Ein dicker Mann um die fünfzig zubbelte Pip am Arm. "Was?", fragte Pip. Der Dicke hielt ihm fünfzehn Euro hin. "Nee. Zwanzig kostet es, zwanzig. Für fünfzehn kriegste nix. Haste noch zwei Euro, kuck mal nach. Zwei Euro mehr und du kriegst was. Kuck mal nach." Der Dicke durchsuchte seine Taschen, beförderte tatsächlich einiges Klimpergeld zu Tage und beglotzte die Münzen auf seiner offenen Handfläche. Rat sah, dass es ungefähr sechs Euro waren. Pip nahm alles. Der Dicke sagte etwas, im müden Brummelton des dauernd Gemobbten. Pip legte ihm ein Kügelchen auf die leere Hand und winkte ihn weg. "Verzieh dich", sagte er. "Mach schon!" Der Dicke kuckte beleidigt, trollte sich aber ohne ein weiteres Wort. Rat zündete eine Kippe an und hörte mit halbem Ohr, wie Pip „Cocaine, Cocaine! Right here, right here!“ sein Zeug unter die Leute brachte. In den letzten zehn Minuten wechselte Stoff für hundertzwanzig den Besitzer. "Ausverkauft", sagte Pip zu einer großgewachsenen Prostituierten mit haselnussbraunen Augen, die aussah, als staunte sie immerzu. "Sorry, morgen wieder."
"Wir gehen dort rüber", sagte Pip zu Rat und zeigte auf einen Abschnitt der Straße ein paar hundert Meter weiter. "Bei den Containern stehen zur Zeit ständig Zivis. Was treibt dich eigentlich", fragte er, "zurück zum Tatort?"
"Ana", sagte Rat. "Ich bin hier, um ihr zu helfen."
Pip verzog das Gesicht. "Hässlich, was mit dem Mädel zuletzt abging ..."
"Was meinst du?", fragte Rat.
"Was weißt du?", fragte Pip.
"Praktisch nichts", sagte Rat. "Sie scheint nicht so ganz bei sich zu sein, faselt von Schmerzen, die sie rausdrängen ..."
"Auf der Szene kursiert ein Sexvideo mit ihr", sagte Pip. "Von ihr, Mark und seinen Assikumpeln. Wenn sie mal keine Kohle hat, bläst sie oder lässt sich durchbumsen."
"Freiwillig oder unfreiwillig?", fragte Rat.
„So breit wie die sind …“
"Mark ... der kleine Tekker?"
"Jep, genau der", sagte Pip. "Macht mittlerweile auf Hustler, vertickt dies und das, kleines Business. Wenn die Mädels nicht zahlen können, bietet er Stoff im Tausch gegen Naturalien."
"Das hast du gerade nicht gesagt", sagte Rat. „Diese kleine Ratte.“
"Die Zeiten sind rauer geworden", sagte Pip.

Sie saßen am See und tranken Kaffee, Pip öffnete seinen Siegelring und schnupfte den Inhalt. „Du nimmst das Zeug selbst?“, fragte Rat.
„Oh, yeah! Motherfuckers belauern einen auf Schritt und Tritt, da muss man fit sein!“
„Ein Wirt sollte besonders vorsichtig sein mit seinem Alkohol“, sagte Rat. „Aber das ist dein Bier. Mir ist etwas anderes wichtig: Ich will, dass du Ana keinen Stoff mehr verkaufst.“
„What the fuck! Von mir kriegt sie kein Nanogramm. Ich will Geld, kein Sex. Außerdem vertick ich nichts an labile Gestalten wie Ana eine geworden ist, das macht nur Ärger.“
„Okay“, sagte Rat. „Ein einfaches ‚okay‘ hätte gereicht.“
„Ist das dein glorreicher Plan – ihre Quellen auszutrocknen?“
„Bullshit“, sagte Rat. „Fürchte ich auch. Weißt du was Besseres?“
Eine Weile sagten sie nichts, ein paar Jogger kamen vorbei.
"Und", fragte Pip, "was machste als nächstes?"
"Erst mal Mark besuchen und dafür sorgen, dass das aufhört. Ihm deutlich machen, was es für seine Lebensqualität bedeuten würde, wenn er Ana weiterhin zur Nutte macht."
"Oh, my man", sagte Pip. "Ich mag, wenn irgendwer hier an irgendwen anderes denkt. Nicht nur an Stoff und Kohle. Aber Mark ist eigentlich nicht das Problem. Sie sucht sich wen anders, wenn bei ihm nix mehr geht. Genug Typen tauschen Stoff gegen Sex."
"Mark ist nur einer von Vielen", sagte Rat. "Das Problem ist ihr freier Wille, der keiner ist."
Pip zuckte die Achseln, spuckte aus und lachte. "Mark wird Augen machen", sagte er. "Der macht vor seinen Homies auf richtig dicke Hose."
"Wenn er kooperativ ist", sagte Rat, "erwähne ich nicht, dass er meinen Haushalt für ein Gramm Dope pro Tag geschmissen hat."
"Er war der kleinste Pimmel von allen. Damals hing auch noch Mäxchen immer bei dir rum ... vor zehn verdammten Jahren! Haste zu dem noch Kontakt?"
"Sporadisch", sagte Rat.
"Man sagt, er holt den Stoff direkt von den Clans. Kein Verschnitt, feinstes Pulver ..."
"Ja", sagte Rat. "Und?"
"Fuck, Rat, my man! Du must mir ne Connection machen! Ich kenn ihn zwar noch von damals, aber er mich nicht."
"Nee", sagte Rat. "Geschäftemacherei ist nicht mehr meins. Ich will eigentlich gar nicht hier sein. Und wenn ich nicht das Gefühl hätte, Ana etwas schuldig zu sein, wäre ich nicht hier."

Rat bei Mark​

Elfstöckige Hochhäuser standen dicht an dicht vor dem dramatischen Hintergrund schwerer Regenwolken. ‚Nach Hause kommen‘, dachte Rat und spürte die beunruhigende Präsenz der Schusswaffe an seinem Beckenknochen. An einen Ort zurückkehren, wo alles selbstverständlich ist, wo sich die Regeln nicht ändern.
Im Fahrstuhl standen außer ihm drei Kids, auf ihren schiefen Caps waren die Embleme von NBA-Teams gedruckt. Einer hatte ein Handy dabei, aus dem Kollegah rappte. … ticke ich gelbe Paste aus Amphetamin-Drogenküchen / an Junkies auf dem Schorestrich … Im siebten Stock stieg Rat aus, die letzte Kollegah-Line Mutterficker das ist Kokamusik, ich komme zieh die Gun und sorg für den totalen Krie… wurde von der schließenden Fahrstuhltür abgeschnitten. 'Endlich Schluss mit diesem Müll', dachte er. Es war ihm unangenehm, dass sich die letzte Liedzeile grob mit seinen eigenen Absichten deckte. Appartement 704. Bunte Goa-Aufkleber pappten von draußen an der Tür, Mark the Dark war mit Edding auf das Holz geschrieben. Rat klopfte.

Wenig später fragte jemand, wer da stände. Rat sagte seinen alten Szenenamen und hörte, wie der auf der anderen Seite der Tür weitergegeben wurde. "Rat!" Der Spion wurde heller und wieder dunkel, als sich die Augen an ihm abwechselten. "Mark", sagte Rat. "Wir müssen reden."
Mark öffnete die Tür. Rat sah die gleiche bleichgesichtige Pickelfresse wie vor sechs Jahren.
"Du hast dich kaum verändert", sagte er.
"Mhm", machte Mark und schlurfte durch den Flur.

Im abgedunkelten Wohnzimmer saßen vier weitere Personen. Zwei spielten Playstation; einer zählte Pillen und Scheine, eine Hochschwangere saß auf einem Sessel und rauchte mit geschlossenen Augen eine Filterzigarette. Rat sah auf seine Armbanduhr. 19:44. "Rück rüber", sagte er zum Zähler und drängelte ihn beiseite, achtete nicht auf dessen Beschwerde, zog ein silbernes Etui aus der Tasche und nahm eine Zigarette. "Mach mal keinen Stress hier", sagte der.
"Nicht mehr als nötig", sagte Rat und zündete die Kippe an.
Mark holte einen Schminkspiegel unter seinem Sessel hervor, machte mit einem Cuttermesser aus einem Häuflein weißen Pulvers drei Linien, zog mit zitterndem Röhrchen zwei davon; die dritte und deutlich größere reichte er Rat. Der schüttelte den Kopf, wiederholte, dass er nur reden wolle und hob seinen Pullover, damit Mark einen Blick auf das werfen konnte, was in diesen Kreisen als finales Argument verstanden wurde.
"Gefall ich dir so sehr?", fragte Rat. "Du kuckst ja gar nicht mehr weg ..." Mark starrte ihn mit unbewegtem Gesicht an, seine linke Augenbraue flatterte. "Nervös?“, fragte Rat, “ … machst dir sicher Gedanken … überlegst wegen Ana ... hast du das Video zufällig hier?“
Die Schwangere öffnete die Augen und sah Rat an, in ihren Augen funkelte es. 'Katzenaugen', dachte Rat.
„Mark sieht zwar aus wie dritte Generation Inzest“, sagte er. „Aber dass mein Auftauchen mit dem, was ihr mit Ana getrieben habt, zusammenhängt, müsste sogar ihm klar sein ...“
„Deine Ana ist ne Mordsschlampe“, lächelte die Schwangere und pustete aus.
„Du“, sagte Rat. „bist nicht gefragt.“
„Mark“, sagte er. „Mark the Dark.“

Rat zog die Pistole aus seinem Hosenbund und legte sie auf den Tisch. „Es geht um dieses Video. Es geht darum, dass du Ana vergewaltigt hast“, sagte er. Eine Weile sagte niemand ein Wort.
„Ich weiß von keinem Video“, sagte Mark. „Den Sex wollte sie. Ana hat mich gefragt …“
„So etwas befürchtete ich“, sagte Rat und nahm noch einen Zug. „Ich bin bereit, diese Schusswaffe zu nutzen. Mach dir keine Illusionen …“
Rat drückte die Kippe im überquellenden Aschenbecher aus. "Immer diese Druffibuden", sagte er. "Sauställe ... bei mir sah das damals anders aus, was, Mark?"
"Was willst du?", fragte er.
„Zuerst will ich nicht angelogen werden. Pip hat von diesem Film erzählt.“
„Ohhhh shit, my man Pip!“, imitierte Mark Pip. „Wenn der unbelievable Obersnacker himself das erzählt, ist es natürlich the fucking truth!“
„Halt den Ball flach, Kleiner. Auf jeden Fall hast du sie für ein paar Gramm Dope gefickt.“
„Das geht dich doch nen Scheißdreck an!“, rief Mark.
„Hör zu“, sagte Rat. "Du lässt in Zukunft die Finger von Ana. Wenn ich von der nächsten Schwanzlutscherei gegen Naturalien höre, wird es deine letzte gewesen sein."
"Fick dich", sagte Mark. "Nur weil es zufällig deine Ex-Schlampe ist! Tu doch nicht, als ob du ein Engel gewesen wärst."
„Halt besser die Klappe, Mark“, sagte die Schwangere.
„Meine Durchsage ist: Das nächste Mal wird dein Letztes gewesen sein. Ist das angekommen?“, fragte er.
„Wir sitzen alle im selben Scheißboot“, sagte Mark. „Vergiss das nicht, wenn du in mein Haus kommst, um mich zu bedrohen. Glaubst du, ich hätte Angst vor einer Kugel? Ja, ich hab sie gefickt. Soll ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben? Wie oft hast du mich gefickt und gedemütigt vor meinen Leuten? Und jetzt kommst du Penner hier an, machst auf Tarantino und willst mir Angst machen? Ich scheiß auf dich, Mann.“
„Große Worte, kleiner Mann“, sagte Rat. „Sie sind registriert. Da steckt was Wahres drin. Aber wenn du dich nicht an die Ansage hältst …“ Rat tippte mit der Fingerspitze gegen die Waffe. „Verstanden?“, fragte er. „Ich frage nicht noch einmal.“
Mark nickte.
"Mir schwebt noch eine andere Frage vor", sagte Rat. "Wisst ihr nicht, wie man Typen nennt, die Mädels für Geld klarmachen müssen?"
"Die wollen das doch", sagte leise der Zähler. "Sie bieten sich an. Nimmst du das Angebot nicht an, gehen sie zum Nächsten, bei dem es ihnen vielleicht nicht so gut ergeht ..."
"Verstehe", sagte Rat. "Ihr tut ihnen einen Gefallen ... " Er steckte die Pistole zurück in den Hosenbund und ging.

Ana​

Ana sah auf die Uhr und überlegte, wie lange sie bereits allein am Tisch saß; dass es mehr als zwei Stunden waren, konnte sie nicht herausfinden, weil sie nicht wusste, wann Rat gegangen war. Bis sie darauf kam, dass ihre Überlegung ohne Startpunkt keinen Abschluss finden könnte, waren weitere Minuten vergangen.
Sie strich über ihr Gesicht und entfernte den salzigen Rest der Tränenspur, gleichgültig und nebenbei; es war nicht sie, die geweint hatte. Ana nahm ein Kartoffelschälmesser und schnitt in ihre Handfläche. Auf der Straße bellte ein Hund.
Tiere hatte sie immer geliebt, vielleicht tat sie es noch; sie war immer voller Liebe gewesen, konnte es wirklich sein, dass alles für immer verschwunden war? Ana blutete auf den Küchenfußboden und sah einem Mann hinterher, der mit einem großen schwarzen Hund spazieren ging. Ich sehe dem Mann nicht hinterher, dachte sie, ich sehe den Hund an.
Sie blickte als hohle Statue auf die Welt. Ich habe ihn geliebt, echote es in ihr. Ana erinnerte, wie er gerochen, was er gesagt und wie er geschaut hatte - was in ihm vorgegangen war – sie wusste so viel mehr über ihn, als er je über sie gewusst hatte.
Über sich wusste sie vor allem, dass sie Schuld hatte, schuldig war; es war ihre Verantwortung, all das Misslungene und Missratene. Mit Hingabe hatte etwas in ihr der inneren Hässlichkeit Gestalt gegeben. Ana war alles, wovon ihre Vorstellung Du sollst nicht lautete. Anas Glaubensbuch war eine Sammlung von Verboten und diese Verbote betrafen ausschließlich ihre eigenen Handlungen; sie fand sich manchmal arrogant, weil sie sich strenger bewertete als ihre Mitmenschen. Mit zweierlei Maß messen. Aber sie konnte es nicht abstellen. Wenn sie sich erinnerte, sah sie die Hässlichkeit, ihre Verderbtheit.
Warum war sie äußerlich immer noch so schön? Gab es auf einer Welt, die so lügnerisch sein konnte, überhaupt etwas Wahres? Da fiel ihr Rat ein. Manchmal hasste sie ihn, weil er sie dort hineingezogen hatte. Dabei hatte sie ihn erpresst: Wenn du mir das Zeug nicht besorgst, gehe ich zu dem und dem. Sie dachte das gar nicht, Überlegung reihte sich an Überlegung, fiel von irgendwo in sie hinein. Das war nicht ihr Leben, das waren nicht ihre Gedanken. Doch wer steckte in diesem Körper? Sie strich ihre Kurven entlang, über ihre Brüste und die Hüfte; dass die Haut immer noch so porzellanen war, die Brüste so fest. Als wäre sie achtzehn. Ihr Körper log. Doch was macht das schon, fragte sie sich. Mein schöner lügender Körper bedroht mich nicht. Ich stecke nicht darin.

Rat und Mäxchen​

„Sieh dir das an“, sagte Mäxchen und zeigte sichtlich zufrieden den Ausblick von der Dachterasse. „Nett“, sagte Rat.
„Hier ist alles eins A“, sagte Mäxchen und ging die enge Wendeltreppe hinunter zur Küche, einem minimalistischen Raum voller weiter Flächen aus weißer Verkleidung und blitzendem Chrom. „Jobs‘ feuchte Träume“, sagte Rat.
„Perfekte Kombination aus Design und Funktionalität“, sagte Mäxchen. Er öffnete und schloss eine Schublade, um das elegante Klicken hören zu lassen, mit dem sie einrastete. „Die Wände sind extrem schallisoliert, hier dringt kein Laut nach außen. Wenn sich die Pussy beim Rudelfick die Seele aus dem Leib schreit, bekommt das niemand mit. Die Nachbarn sind sowieso die meiste Zeit des Jahres unterwegs, besonders jetzt. Wer verbringt schon den Winter in Deutschland, wenn er die Wahl hat?“, fragte Mäxchen. „Darf ich dir etwas anbieten? Weißes, Braunes? Reinheitsgrad 86 beziehungsweise 38 Prozent.“
Rat sah zum Kaffeeautomaten. „Braun mit weiß“, sagte er. „Milchkaffee.“
Mäxchen verzog das Gesicht. „Du bist leider etwas zu früh“, sagte er. „Morgen kommt ein Techniker. Die Tücken des Objekts.“
„Okay“, sagte Rat. „Ein Wasser bitte, falls sich der Hahn bedienen lässt.“
Mäxchen lachte ein falsches Lachen, das wie das Bellen einer Hyäne durch die weitestgehend leeren Räume des Penthouses klang.

„Ich bin wegen Ana hier“, sagte Rat. „Du musst verhindern, dass sie hier in der Stadt an irgendwelche Drogen kommt.“
„Bist du irre geworden?“, fragte Mäxchen. „Du könntest den obersten Warlord in Afghanistan auf deiner Seite haben und trotzdem nicht verhindern, dass sich eine einzelne Person Stoff holt. “
„Irgendetwas musst du tun können …“, sagte Rat. „Fast alles, was hier im Viertel verkauft wird, geht durch deine Hände. Alle Pips und Marks kaufen von deinen Leuten.“
„Nein“, sagte Mäxchen. „Ich will nichts dagegen tun. Mäxchen handelt nur in eigenem Interesse. Und das Leid anderer berührt mein Wohlbefinden nicht, mit Sklavenmoral braucht mir keiner kommen. Du solltest es mir nachtun - lass sie vor die Hunde gehen.“
„Das kann ich nicht hinnehmen“, sagte Rat.
„Wie meinst du das?“, fragte Mäxchen.
„Es klingt in deinen Ohren vielleicht albern“, lachte Rat. „Aber ich erwarte von dir ein gewisses Bemühen in dieser Sache.“ Er ging zum Fenster und schob den Vorhang ein Stück beiseite. Auf dem Bürgersteig patrouillierte eine schwarzhaarige Straßennutte. „Was ist eigentlich mit diesen Zigeunern?“, fragte er. „Die sind überall im Quartier.“
„Absolute Dilettanten“, sagte Mäxchen. „Bisher kommen aus dem Ostblock nur die C-Gangster, um ihre Mädels laufen zu lassen – das interessiert hier niemand, ist ja ein Sperrgebiet. Deutsche arbeiten hier nicht, außer Drogennutten auf eigene Faust und Gefahr. So viel kann man mit Prostitution gar nicht verdienen, dass es den ständigen Ärger mit der Polizei lohnte.“
„Und die lassen die Finger von anderen Geschäften?“, fragte Rat. Ein Herr in Anzug mit freundlichem Großvatergesicht blieb bei dem auf achtzehn gestylten Mädchen stehen und sprach sie an.
„Sie versuchen es ab und zu, dann lassen wir ihre Pusher verprügeln und haben wieder eine Weile Ruhe. Anders geht es nicht, die wirst du nicht mehr los. Der Westen ist für viele immer noch das Paradies.“
„Dass du die in deinem Revier rumlaufen lässt. Du warst doch immer so ein Macht- und Gebietsgläubiger …“, sagte Rat.
„Die Zigeuner-Zuhälter sitzen den lieben langen Tag in meinen Spielhallen und füttern die Automaten mit der Kohle, die ihre Mädchen fürs Beinebreitmachen kriegen …“

„Was weißt du von einem Sexvideo?“, fragte Rat, „in dem zu sehen sein soll, wie Pip gegen Anas Willen mit ihr schläft.“ Mäxchens Augen blitzten, die Entdeckung eines fast vergessenen Schatzes. Als er Rats forschenden Blick wahrnahm, wendete sich Mäxchen ab, gestikulierte entschuldigend und nahm einen ankommenden Ruf entgegen. Er spuckte kurze, abgehackte Sätze in das Telefon. So träumen Maschinen, dachte Rat und überlegte, was jetzt zu tun wäre.
Er schob den Vorhang wieder vor das Fenster. Bei der Bewegung drückte der Stahl seiner Pistole gegen seinen Unterbauch. Rat drehte sich um. Mäxchen war aufgestanden, ging im kleinstmöglichen Kreis, blickte zu Boden und spuckte Maschinensätze.
Rat zog die Pistole zum zweiten Mal an diesem Tag, visierte Mäxchens Schädel an, während er Schritt für Schritt auf ihn zuging. „Hey“, sagte er leise. Als Mäxchen aufsah: Klick.
Die Pistolenkugel trat knapp über dem rechten Auge ein und fetzte ein gutes Drittel des Schädels weg, blutige Knochenfragmente spritzten auf Rats Gesicht und Hemd. Mäxchens Körper wurde herumgeschleudert und fiel auf den Glastisch, der mit dem trockenen Knack berstenden Eises brach; das Mobiltelefon hatte er noch in der Hand. Der unsichtbare Gesprächspartner füllte die Stille mit Sätzen voller multipler Ausrufe- und Fragezeichen. Klick. In Rats Ohren summten überforderte Trommelfelle.
Trotzdem fühlte er die Ruhe im Auge des Sturms und den Wunsch, diese Ruhe bis zum Ende aller Tage spüren zu können. Aber der Sturm wird weiterziehen, wer zu lange wartet, wird von den Winden des Wechsels in der Luft zerrissen werden. Er zwang sich zu überlegen, was der Mord an einem neureichen Geschäftsmann, dem Beziehungen zum Milieu nachgesagt wurden, für ein Medienecho hervorrufen könnte. In welche Richtung die Polizei ermitteln wird. Mäxchen hatte viele Feinde gehabt, das bedeutete viele falsche Fährten.
Rat steckte die Pistole in den Hosenbund, ging in das Badezimmer und wusch Gesicht und Hände. Obwohl weder seine Fingerabdrücke noch seine DNA in einer Datenbank gespeichert waren, wischte er die Armatur des Waschbeckens ab, und ging durch die Wohnung, um alle Flächen zu reinigen, auf denen er Abdrücke hätte hinterlassen haben können. Was in so einem Fall zu tun war, hatte er aus TV-Krimis. Er war auf diese Situation nicht vorbereitet gewesen, man würde sehen, ob populärkriminologische Medienbildung ausreichte, um die Spuren zu verwischen. Rat zog einen hochgeschlossenen schwarzen Kurzmantel und ein Paar braune Lederhandschuhe an, setzte einen Hut auf und ging durch den Hintereingang auf eine schmale Gasse. Mäxchen war ein Profi, dachte er, und Profis sorgen für gute Fluchtwege; Profis, dachte er, sorgen für schallisolierte Wände; Profis, dachte er, glauben an alles zu denken.
Ein paar Straßen weiter überquerte er eine Fußgängerbrücke und warf die Tatwaffe in den Kanal.

Ana und Rat

Ich bin ein Schatten im Rauschen der Welt, dachte sie. Was ich tue, ist gleichgültig; gleichgültige Taten haben keine bedeutenden Folgen. Ana sah verwirrt auf ihre blutenden Handflächen und fragte sich, was an diesem Bild nicht stimmte. Sie fand keine Antwort, wunderte sich über die Frage und legte das Kartoffelschälmesser weg.
Aber auch Schatten, dachte sie, sollten ihre Wohnung sauber halten. Sie begann Geschirr abzuspülen, Reinigungskonzentrat biss in die offenen Wunden. Das Handtuch war tiefrot, als sie mit Abtrocknen fertig war, ihre Hände brannten. Sie stellte den letzten Teller in den Hängeschrank und seufzte zufrieden. Wieder was geschafft.
Ana setzte sich an den Tisch und überlegte, was sie jetzt tun sollte. In ihrem Kopf passierte buchstäblich nichts, der war nur Echoraum für das Ticken der Wanduhr. Sie sah auf ihre Hände und fragte sich, was geschehen war. Ihre Erinnerung hatte sie im Stich gelassen. Wo die letzten Stunden hätten abgespeichert sein sollen, war Leere.
Ihre Ma sagte, wenn sie sich so fühlte, sollte sie etwas für sich tun. Hatte es immer wieder gesagt. Lies den Zettel. Das war ein Automatismus geworden. Wenn du leer bist. Hatte sie immer wieder gesagt. Tu dir Gutes. Das war ein Automatismus geworden. Wenn du dich so fühlst, hatte ihre Ma immer wieder gesagt: öffne die Schublade und lies den Zettel. Es ist ein Zauberzettel, er wird dir helfen. Wenn du dich so fühlst. Hatte sie gesagt. Tu dir. Automatismus. Gutes. Ana öffnete die kleine Schublade im Küchentisch und holte Mas Zettel heraus. Du bist nicht schuld, stand obenauf. Das hatte ich ganz vergessen, dachte Ana. Ich habe es verbockt, alles habe ich versaut. Deswegen bin ich ganz allein, darum will niemand bei mir sein. Okay, eine kommt manchmal, doch schüchterner Gast, kommt sie nur, wenn ich allein bin. Man muss freundlich zu ihr sein, um sie nicht zu verschrecken. Ich werde sie begrüßen. „Ich freue mich sehr“, sagte Ana, „dass sie da sind.“ Dann sah sie wieder auf den Zettel. Du bist nicht allein, stand noch darauf. Nein, dachte sie, das stimmt. Manchmal kommt Einsamkeit, dann bin ich nicht mehr allein. Ich will freundlich zu ihr sein, sie soll sich wohlfühlen. Ana kannte Einsamkeit als unsteten Geist, der kam und ging wie er wollte. Das gefiel ihr nicht. Aber Reisende soll man nicht aufhalten, sondern freundlich zu ihnen sein, damit sie wiederkommen. Gerade ist sie wiedergekommen, sitzt Ana gegenüber, lächelt schüchtern und sagt „Tod ist ein Schrumpfkopf mit abgeschabten Wiederkäuerzähnen, der auf die Gelegenheit wartet, seine Hauer in unsere Hälse zu graben.“
„Wir wissen nicht, was der Tod ist“, widersprach Ana und lächelte. „Aber mein Rat wäre, Tod als ein freundliches Mädchen mit einer Blume im lockigen offenen Haar zu verstehen. Das uns irgendwann zum ewigen Tanz holen wird. Sie will uns nichts Böses.“
Sie hörte, wie ein Stein gegen das Fenster traf. Rat, dachte sie, wie früher. Sie hatten achtgeben müssen, dass ihre Ma sie nicht erwischte, als sie in ihrer Jugend heimlich Nächte miteinander verbrachten. Eine gute Erinnerung. Goodland.

„Was machst du nur?“, fragte er in der offenen Tür. Sie lächelte scheu. Was hatte sie bloß wieder falsch gemacht? Rat nahm sie bei der Hand und mit ins Badezimmer.
„Wann hast du das getan?“, fragte er.
„Ich … weiß nicht“, sagte sie und runzelte die Stirn.
„Mensch Ana, kann man dich nicht mal fünf Minuten allein lassen?“, fragte er.
„Fünf Minuten?“, fragte sie.
„War nur mal eben um den Block, spazieren“, sagte er. „Hab ich doch gesagt, bisschen Kopf freikriegen, nachdem wir dieses schwierige Gespräch über deine Probleme hatten …“
„Probleme?“, fragte sie, sah auf ihre Hände und lächelte verlegen. „Oh ja“, sagte sie. „Sieht ganz so aus.“
„Hier muss doch irgendwo ein Verbandskasten sein“, überlegte Rat laut und durchsuchte das Badezimmermobiliar. „In einem ordentlichen Haushalt wird der wohl nicht fehlen.“
Im Schränkchen unter dem Waschbecken fand er den weißen Kasten mit dem roten Kreuz in der Mitte. Und erzählte, während er ihre Hände verband, worüber sie sich die letzten Stunden durchaus hätten unterhalten und was sie in der Zeit hätten getan haben können. „Wir haben über das Geschenk des Lebens gesprochen, über seine Vergänglichkeit. Darüber, dass du dich nicht aufgeben darfst und immer wieder aufstehen musst.“ Er lachte. „Wir haben furchtbare Phrasen gedroschen, merke ich gerade“, sagte er. „Aber sie sind wahr, verstehst du?“ Das hielt er für einen möglichen Gesprächsverlauf und wer weiß, vielleicht war es nicht so falsch. Sie sah ihn mit großen Augen und leerem Gesicht an und nickte eifrig. „So, jetzt bist du geheilt!“, lachte Rat. „Bis zur Hochzeit wird nichts mehr zu sehen sein. Komm, ich mach uns einen Früchtetee.“ Rat gab ihr einen Kuss auf die Wange und nahm sie bei der Hand. In der Küche kochte er Wasser, legte Teebeutel in zwei bauchige Becher und Spekulatius und Dominosteine auf einen Teller.
„Du hast mich gebeten bei dir zu bleiben, weißt du?“ Ana knabberte an einem Keks und nickte.
„Ich habe zugestimmt, dass ich an deiner Seite und für dich da sein werde. Erinnerst du dich?“, fragte er und sah auf seine Uhr. „Für erst einmal weitere 24 Stunden“, sagte er. „Die in ungefähr 18 Stunden und 33 Minuten beginnen. Ich habe die Anfahrtszeit nicht berechnet, weil du meine erste Liebe bist. Erinnerst du dich noch, wie wir vor einer Stunde über …“
Im Laufe der Erzählung kehrte das Leben in ihre Mimik zurück. Rat fragte die erzählte Geschichte immer wieder nach und bemerkte, wie der fiktive Abend mit jedem erinnerungsbildenden Satz mehr zu ihrer erlebten Wirklichkeit wurde.

 
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Hallo Kubus

Über weite Strecken hat mir deine Geschichte sehr gut gefallen. Die Figuren sind interessant, die Dialoge sehr nah an der Realität, der Stil packend. Vor allem gefällt mir deine Liebe zum Detail, man merkt, da steckt viel Arbeit drin - gleichzeitig habe ich nie das Gefühl, dass du abschweifst oder Überflüssiges erzählst.

Dies hat dazu geführt, dass ich die Geschichte flüssig und ohne Unterbrechung gelesen habe. Ja, an manchen Stellen hat sie mich regelrecht gepackt, und trotz ihrer Länge von ca. 15 Seiten wäre ich Rat gerne noch weiter durch seine Welt voller skuriller Figuren gefolgt, in seiner verzweifelten Hoffnung, Ana (oder sich selbst?) zu retten.

Dies sind die stärksten Teile der Geschichte - die Besuche und Gespräche mit Pip, Mark und Mäxchen. Immer etwas verschwommen bleiben für mich Rats Motive, auch die von Anas Mutter. Ich spüre, da war etwas in der Vergangenheit zwischen den Personen, das ich aber nicht so recht greifen kann. So frage ich mich, weshalb sich die Mutter zur Rettung ihrer Tochter ausgerechnet an den Mann wendet, der sie offenbar da hineingezogen hat. Die Motive von Rat sind da schon klarer - es war die grosse Liebe - aber er wirkt auf mich in anderen Szenen zu vernünftig und rational, um nur aus solchen doch eher "romantischen" Gründen zu handeln. Das passt nicht so ganz, finde ich. Vielleicht tut er es auch, um sein Gewissen zu beruhigen - das würde eher passen, da er sich der Sinnlosigkeit seines Vorhabens ja durchaus bewusst ist. Also tut er es eher für sich als für Ana, die er ja vermutlich nicht retten kann, oder zumindest nicht auf diese Weise.

Das bringt mich zum nächsten Punkt, zu Mäxchen - er scheint ja ne große Nummer zu sein, und ausgerechnet den bringt Rat (der ja kurz zuvor noch bekräftigt, nicht einmal einen Köter ohne triftigen Grund zu töten) quasi ohne Vorwarnung um. Klar, Mäxchen verweigert seine Hilfe, und natürlich hängt er irgendwie in der Video-Sache mit drin - aber ist das der triftige Grund? Auch hier vermute ich, da gibt es mehr in der Vergangenheit, irgendwelche Gründe, die unter der Oberfläche zu finden sind - ich hab sie jedenfalls nicht entdecken können. Die eigentlichen Motive für diesen Mord bleiben für mich im Dunkeln.

Nicht so gut gefallen mir die Stellen mit Ana - sie sind auch eindringlich, fallen aber in dieser Geschichte aus dem Rahmen, finde ich. Da wird auch vieles angedeutet - ja, irgendwie hab ich das Bild einer heruntergekommenen Abhängigen vor Augen; aber es ist so zwiespältig, auf der einen Seite schneidet sie sich seelenruhig die Haut auf, registriert das kaum, auf der anderen Seite sinniert sie über Schuld, innere Hässlichkeit, äussere Schönheit und Wahrheit - das wirkt auf mich nicht, als kämpfe sie ums Überleben, als sei sie so fern jeder Realität, wie es dann auch das Ende wieder suggeriert. Ist schwierig, ich kann diese Teile nicht so recht deuten, dir nur meinen Eindruck als Leser widergeben: Ich fand sie ziemlich verwirrend und werde aus Ana nicht so recht schlau.

Davon abgesehen aber wirklich eine tolle Geschichte mit vielen interessanten Figuren. Und immerhin hab ich auf 15 Seiten auch einen Fehler gefunden:

Aber das mein Auftauchen mit dem,

dass

Sonst aber einwandfrei.

Viele Grüsse.

 

Hey Kubus,

ich habe diese Geschichte nicht gelesen, es ist jetzt die dritte Geschichte von dir, die ich gerne lesen will, aber aus diesem Grund hier nicht kann.

Rat und Anas Ma / Telefongespräch
Nicht die Kapitelüberschriften ärgern mich, sondern diese Namen, ich scheine jedesmal, wirklich jedesmal darauf allergisch zu reagieren, weil die Namen so übertrieben artifiziell sind. Kannst du nicht ganz normale Namen benutzen? Anstatt Ana, Rat, Art, Fixy, Pixy.
Sind die Namen echt essentiell für die Aussage deiner Texte oder ist das was zu machen? Wahrscheinlich wird dieser Kommentar gelöscht, keine Ahnung, aber ich wollte dir das sagen. Vielleicht bin ich ja nicht die Einzige im kg.de-Universum, die eine tiefe Abneigung gegen deine Figurennamen hegt. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass ich die einzige bin. :D

JoBlack

P.S. Und gucken, nicht kucken! GGGGucken!

 

Ei guude Kubus!

Ich war auf eine verwirrende Geschichte eingestellt, da ich schon in der Telefonszene erste Lücken mit eigenen Gedanken füllen musste und du außerdem dazu neigst, mich zu verwirren. Aber alles was danach kam, war ungewohnt geradlinig und logisch. Bis zu diesem Mord, der für mich aus heiterem Himmel kam, da er irgendwie sinnlos erscheint. Ich verstehe nicht die Motivation von Rat, Mäxchen zu töten. Sicher hat er in deinem Kopf einen Grund gehabt, aber ich konnte nichts davon lesen. Zu Beginn scheint Ana Rat nicht unbedingt viel Wert zu sein, so wie er mit ihr redet:

„Das wird nicht gehen“, sagte er. „Mir ekelt vor dir.“
„Seit du mich umarmst“, sagte er, „stehen mir die Haare zu Berge.“
Das würde ich übrigens lieber direkt hintereinander lesen, denn so dachte ich zuerst, dass jetzt Ana spricht. Aber immerhin hast du gezeigt, dass sich Rat in der Pflicht sieht:
Einen Versuch ist es wert, ich sage es ja ungern, aber Sie haben recht, das bin ich ihr schuldig.“
Weshalb? Aber es ist nicht ganz klar, dass er sich so sehr verpflichtet fühlt. Er begeht einen Mord ... Wurde mir nicht ganz klar, auch nicht, warum, er nur 24 Stunden Zeit hat und auch sagt:
„Wenn ich in 24 Stunden nichts erreiche, ist das Thema für mich durch, so leid es mir tut. Ich habe keine Zeit zu verschwenden. “

Eine Sogwirkung auf mich hatte die Geschichte definitv. Die Charaktere sind schon sehr typische Gestalten und man kennt das alles schon irgendwo her, aber: What the fuck? Wenns eben so ist, warum sollten die in der Druffibude plötzlich Karten anstatt Playstation spielen und muss man aus dem Rastamann einen Glatzkopf machen, nur damit man kein Klischee bedient? Ich weiß es nicht, aber sicher werden es einige sagen. Okay, bisschen individueller hätte dieser Pip schon sein dürfen ...

Nochmal zurück zur zweiten Szene:

„Ich brauche jemanden, der mich hält“, sagte sie. „Und mir sagt, ‚es ist nicht deine Schuld.‘“
„Das geht nicht …“, murmelte er.
Wenn ich das so lese, dann könnte ich mir auch vorstellen, dass nicht Ekel der Grund ist. Vielleicht hat Rat Angst, noch Gefühle für Ana zu haben, will deshalb nicht berührt werden. Vielleich liebt er sie noch und will bloß nichts mit ihr zu tun haben, damit er clean bleiben kann. Liebe wäre auch ein Motiv für den Mord. Da Mäxchen ja auch vom Rudelfick geredet hat und irgendwie komisch reagiert hat, wusste Rat eben instinktiv, dass Mäxchen dabei war. Ja, wahrscheinlich sogar Kammeramann oder sowas war.

Ein durchtrainierter Tätowierter fragte Umstehende, ob sie ihm eine Injektion setzten, er wäre zu breit, um die Ader zu treffen. Sein eines Auge war halbgeschlossen, das andere ganz. Der linke Arm blutete aus mehreren Einstichstellen. Er taumelte.
Das sehe ich ganz deutlich vor mir. Einfach formuliert und treffend.

Pip kuckte auf sein Handy. "
Du hast es immerhin durchgezogen, hast immer kuckte geschrieben und ich glaube, dann ist das in Ordnung, auch wenns falsch aussieht, obwohls ja eigentlich so klingt...

„Ein Wirt, der den eigenen Alkohol trinkt“, sagte Rat. „Na ja, ist dein Bier.
Den Vergleich find ich schlecht, weil ich einfach zu viele Wirte kenne, die ihren eigenen Alkohol trinken.

vertick ich nichts an labile Gestalten wie Ana eine geworden ist, das macht nur Ärger.“
„Okay“, sagte Rat. „Ein einfaches ‚okay‘ hätte gereicht
Da könnte man auch wieder die Vermutung haben, dass er sie noch liebt. Oder aber die Schuld wegen des ersten Drucks ist so groß und er kann nicht hören, dass sie eine labile Gestalt genannt wird.


im müden Brummelton des dauernd Gemobbten
nee, weiß net

unregistrierten Schusswaffe
nee, weiß net. Einfach Waffe oder Knarre käme saftiger.

Zwei spielten Playsie
Das passt nicht zur Erzählstimme, die kurz vorher von einer unregestriertebn Schusswaffe spricht.

„So etwas befürchtete ich“, sagte Rat und nahm noch einen Zug. „Ich bin bereit, diese Schusswaffe zu nutzen. Mach dir keine Illusionen …“ Das klingt auch unwahrscheinlich ...

Nimm es nicht persönlich, ohne zwingenden Grund würde ich auch keinen Straßenköter abknallen
Demnach muss es einen zwingenden Grund für den Mord geben??

Okay, also Mäxchen ist auch ein Abziehbild und das ist für mich in Ordnung, so sind sie eben. Aber ich habe das Gefühl, was überlesen zu haben, weil ich den Momenmt nicht mitbekommen hab, wo sich Rat entschließt ihn zu killen.

Mäxchens Augen blitzten, die Entdeckung eines fast vergessenen Schatzes.
okay, das ist die Stelle. Also sieht Rat ihm an, dass er es getan hat und killt ihn deshalb. Und vorher hat Pip gesagt, es sei Mark gewesen, damit Rat seinen Konkurenten auschaltet und Mark hat gesagt, er wüsste nichts, weil er ANgst vor Mäxchen hat. Oder so ähnlich.

Ana setzte sich an den Tisch und überlegte, was sie jetzt tun sollte.
In ihrem Kopf passierte buchstäblich nichts, der war nur Echoraum für das Ticken der Wanduhr.
Es war nicht die Leere der Verlorenheit, wie sie ein selbstbewusster Stern angesichts der Entfernungen im Universum spürt; sondern die Leere der weiten Ebenen eines unbekannten Kontinents, von der man nicht wissen kann, was sie einem bringen wird.
Bei mir wäre der erste Satz viel stärker angekommen, wenn danach nichts mehr gekommen wäre.

Im Laufe der Erzählung kehrte das Leben in ihre Mimik zurück. Rat fragte die erzählte Geschichte immer wieder nach und bemerkte, wie der fiktive Abend mit jedem erinnerungsbildenden Satz mehr zu ihrer erlebten Wirklichkeit wurde.
Und hier erfindet sich Rat also gerade sein Alibi. Gut gelöst, gutes Ende.

Insgesamt eine unterhaltsame Geschichte, die geradlinig erzählt wird. Rat lässt mich etwas ratlos zurück und ich weiß nicht, warum er so ist. Er ist irgendwie ein Knäuelkopp, der so Bruce Willis Züge hat, aber warum er zb. am Anfang sagt, Ana sei langweilig gewesen oder warum er keine Zeit hat und so eine coole Sau ist, das kommt bei mir nicht ganz an. Ist aber auch nicht so schlimm. Für mich war das dann schon mehr Unterhaltung, die du hier geschrieben hast.


Liebe Grüße


Lollek

 
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Hey Ihrs! Danke erst mal fürs Feedback, mach ich mich gleich mal an die Details, ich fang von unten nach oben an, so wies mir angezeigt wird.

Herr Lollek eh, das finde ich grad ne gute Durchsage, dass die Story diesmal nicht so labyrinthisch war, dass sie dich verwirrte, aber dafür Sogwhirlung. Ey Karamba!

Ich verstehe nicht die Motivation von Rat, Mäxchen zu töten. Sicher hat er in deinem Kopf einen Grund gehabt, aber ich konnte nichts davon lesen. Zu Beginn scheint Ana Rat nicht unbedingt viel Wert zu sein, so wie er mit ihr redet:

das ist so das irrationale Moment von Rat, würd ich sagen. hab da ja genau das gemacht, was ich an deiner Geschichte mal kritisierte: einfach jemanden erschießen lassen. aber wie das auch zu der Diskussion unter deiner letzten Geschichte passt: Das Gegenteil ist genauso wahr, so sinngemäß nach Kafka. zumindest bei Geschichten ist das ein legitimer Standpunkt.
zuerst war da kein Mord in der Geschichte, aber dann erinnerte ich mich an Asterix' Idee, die bösen Dealer einfach mal literarisch fertigzumachen. ich hab mir dann ein bisschen Mühe gegeben, Mäxchen von den kleinen Händlern abzuheben, und eine Figur zu generieren, die dem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht. ist für mich auch eine maskierte symbolische Geschichte.

Vielleicht hat Rat Angst, noch Gefühle für Ana zu haben, will deshalb nicht berührt werden. Vielleich liebt er sie noch und will bloß nichts mit ihr zu tun haben, damit er clean bleiben kann. Liebe wäre auch ein Motiv für den Mord. Da Mäxchen ja auch vom Rudelfick geredet hat und irgendwie komisch reagiert hat, wusste Rat eben instinktiv, dass Mäxchen dabei war. Ja, wahrscheinlich sogar Kammeramann oder sowas war.

guter Punkt, ist das vorstellbar? wenn es das ist, finde ich das einen guten Punkt. ursprünglich mischte sich in dieser Szene der Erzähler wesentlich stärker ein und bot eine Erklärung, aber ne Freundin hat das vorlektoriert, bevor ich es der Qualität erwartenden KG-Öffentlichkeit präsentierte und daraufhin hab ich das rausgenommen. scheint die richtige Entscheidung gewesen zu sein.

Du hast es immerhin durchgezogen, hast immer kuckte geschrieben und ich glaube, dann ist das in Ordnung, auch wenns falsch aussieht, obwohls ja eigentlich so klingt...

seit nem Jahr ungefähr schreib ich das so, weil mans eben so spricht. Sprache ist lebendig,

Den Vergleich find ich schlecht, weil ich einfach zu viele Wirte kenne, die ihren eigenen Alkohol trinken.

ja, das ist falscher Volksmund, fällt mir grade auf. eigentlich heißt der Spruch doch, ein Wirt, der selbst sein bester Kunde ist. muss ich gleich mal anpassen, danke. so wie das da steht ist das nicht gemeint. aber wenn ich das änderte, müsst ich Pips Konsum umschreiben, sonst passte das an dem Ende nimmer. puh, muss mal kucken

Oder aber die Schuld wegen des ersten Drucks ist so groß und er kann nicht hören, dass sie eine labile Gestalt genannt wird.

interessant!

Das passt nicht zur Erzählstimme, die kurz vorher von einer unregestriertebn Schusswaffe spricht.

inkohärent, ja. das ist ein Problem, weil doch echt jeder den ich kannte, der seine Zeit verzockt, von Playsie spricht.

„So etwas befürchtete ich“, sagte Rat und nahm noch einen Zug. „Ich bin bereit, diese Schusswaffe zu nutzen. Mach dir keine Illusionen …“ Das klingt auch unwahrscheinlich ...

Natürlich ist das unwahrscheinlich, ich verstehe das als Tarantino-Style. Rat die coole Sau mit paar weicheren Momenten.

Demnach muss es einen zwingenden Grund für den Mord geben??

ist keine schissenwaftliche Arbeit! nee, Alder, meine Figuren dürfen irrational sein. wobei das bei Rat eben die Ausnahme war, soweit ich das sehe

Bei mir wäre der erste Satz viel stärker angekommen, wenn danach nichts mehr gekommen wäre.

okay. ist für mich auch schwierig mit Ana, ich wollte die so weit jenseits der Alltagsrealität ansiedeln, dass sie ohne die allzumenschliche Angst vor dem Tod, ihr eine andere Seite abgewinnen kann. dieses Bild auch als Vorbereitung für Anas späteren Rat, Tod nicht als Bedrohung zu verstehen.

Gut gelöst, gutes Ende.

Yeah!

Herzlich, Kubus

He Frau JoBlack, das ist ja mal ne Ansage, dass du die Geschichte wegen der Namen nicht lesen kannst. immerhin bis kucken scheinstes ja doch geschafft zu haben ;) erinnert mich daran, dass hier mal jemand meinte, er könnte eine Geschichte nicht lesen, weil die Dialogpartner nicht durch Zeilensprung getrennt sind. ich nehm euch das nicht ab, echt, so was kommt für mich eher wie ein Erziehungsversuch rüber. Gegen solche bin ich nicht völlig immun, aber ziemlich resistent. Figurennamen hängen für mich vom Setting ab - in meiner zuletzt geposteten Geschichte hießen die Figuren zB Robert, Markus und Lise ... also! Anas Rat hat Bezüge zu Gift, da hieß ein Mädchen Ana, die jetzt eine Frau ist. Rat ist die andere Seite des zarten Art, auf diese so schicke wie sinnige Buchstabendreherei hat mich fiz gebracht, die das glaub ich bei Banksy gesehn hat. also wär ja schade, deine Komms sind interessant und erfrischend, das ist ne seltene Mischung, aber dafür mach ich aus meinem Rat keinen Horst :)

Und gucken, nicht kucken! GGGGucken!

nee, diese Schreibweise ist ein Irrtum, spielt keine Rolle, dass das jeder so schreibt, Sprache ist ein Virus und die Deutschen sind in dem Fall alle mit dem weichen G angesteckt - aber halb so schlimm, damit kann man alt werden :D

Hey Schwups

da stehen viele wohlgesetzte Lobesworte in deinem Komm, ich danke dir dafür; die Dialoge sind das A und O in dieser Geschichte, mir drängte sich auch deswegen der Vergleich zu einem Theaterstück auf; und ja, ich habe ziemlich lange an den Details gefeilt, in der Szene recherchiert, Impressionen aus dortiger Alltagsrealität und der Literatur gesammelt - Lyrik von Cummings und einen Namen, den Siri Hustvedt verwendete, umgeformt. Wobei ich das Gedicht mit dem Tod grad nicht mehr finden kann. Eins meiner Liebsten, wenn jemand was weiß, bitte Bescheid sagen. :)

Ich spüre, da war etwas in der Vergangenheit zwischen den Personen, das ich aber nicht so recht greifen kann.

das haben meine Geschichten öfter, Schuld oder Nichtschuld lassen sich auch schwer greifen, denke ich. wenn man da tiefer bohrt, wird es meistens nicht klarer; wenn man das Thema meidet, schwebt es diffus im Raum. ist meine Erfahrung

Vielleicht tut er es auch, um sein Gewissen zu beruhigen - das würde eher passen, da er sich der Sinnlosigkeit seines Vorhabens ja durchaus bewusst ist.

seine Bewusstheit in dieser Hinsicht ist für mich in dieser Geschichte ein wichtiges Anliegen. die ganze Zeit gehts darum, Ana zu helfen, aber es scheint keinen Weg zu geben, wegen ihrem "freien Willen". er ist sich dessen bewusst, sein ganzes Tun sind nur Ersatzhandlungen, über denen in meiner Lesart immer der Geier Hoffnungslosigkeit kreist ...

Nicht so gut gefallen mir die Stellen mit Ana - sie sind auch eindringlich, fallen aber in dieser Geschichte aus dem Rahmen, finde ich. Da wird auch vieles angedeutet - ja, irgendwie hab ich das Bild einer heruntergekommenen Abhängigen vor Augen; aber es ist so zwiespältig, auf der einen Seite schneidet sie sich seelenruhig die Haut auf, registriert das kaum, auf der anderen Seite sinniert sie über Schuld, innere Hässlichkeit, äussere Schönheit und Wahrheit - das wirkt auf mich nicht, als kämpfe sie ums Überleben, als sei sie so fern jeder Realität, wie es dann auch das Ende wieder suggeriert. Ist schwierig, ich kann diese Teile nicht so recht deuten, dir nur meinen Eindruck als Leser widergeben: Ich fand sie ziemlich verwirrend und werde aus Ana nicht so recht schlau.

Danke für die Eindrücke! ich bin mit ihrer Introspektion für meinen derzeitigen Stand zufrieden, doch schlau werde ich aus ihr auch nicht. aber das Bild ist für mich recht stimmig, das, was da steht, habe ich zeigen wollen


wird gleich geändert. Mist, ich finds grad nicht. Ein größerer Ausschnitt wär gut gewesen.

Vielen Danke fürs Kommentieren, Meckern und Gutfinden &

beste Grüße in die Runde,

Kubus

das mit Kafka ließ mir jetzt keine Ruhe, also meine unbekümmerte Auslegung beruht auf diesem Satz: "Sag nichts dagegen, gewiß, Du kannst alles widerlegen, aber zum Schluß ist garnichts widerlegt. (Kafka)" okay, jetzt sollten wir alle gut schlafen können

 

Hallo Kubus

Mit dem Stück überraschtest du mich, es sind Handlungen, die überschaubar bleiben und auch immer wieder Spannung erzeugen. Nicht so, dass mir der Ablauf immer flüssig zu lesen war, da ist auch diese mir fremde Szenen-Sprache, doch durchgehend ineinandergreifend.

„…“, sagte sie[PUNKT]

Da kam ich doch arg ins Grübeln. Wie würde ich Sprachlosigkeit ausdrücken?

Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr die Einsamkeit meine Seele auffrisst.

Ah, der Geist Fassbinders (Angst essen Seele auf) schwingt aufblitzend mit.

„Und bring dich nicht um! Ich bin hergekommen, um etwas Gutes zu tun. Versau mir das nicht.“

Köstlich!

"Das hast du gerade nicht gesagt", sagte Rat. „Diese kleinen Ratte.“

Da hat sich Rat doch glattwegs einen Versprecher im Plural geleistet.

Auch wenn mir Rats Motiv, vor dem Persönlichkeitsbild das du über ihn offenlegtest, etwas widersprüchlich scheint, schaffte er es damit mir sympathisch zu wirken. Ana fand ich gut skizziert, nur an einem Punkt kamen mir erhebliche Zweifel, ihr Körperbild. Eine Drogensüchtige auf dem untersten Ast ist, soweit ich dies zu sehen bekam, vom Elend gezeichnet. Das Körperbild dann eben nicht mehr so, wie sich Ana erblickte, oder nahm sie die Realität da auch diesbezüglich nicht mehr wahr?

Der Ausklang schenkte dann, auch wenn es ein brüchiges Alibi sein wird, einen Moment wie ein Lichtblick.

Doch, eine besondere Geschichte ist es, die du einbrachtest, einen Einblick in eine hoffnungslose Gesellschaftsschicht. Mir war es interessant sie zu lesen und von Unterhaltungswert.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Alder,

Anas Rat hat Bezüge zu Gift, da hieß ein Mädchen Ana, die jetzt eine Frau ist.
manchmal ist man doch blind... Gift ist, meiner Meinung nach, die allerbeste Geschichte von dir. Ich liebe die und ALLE SOLLEN SIE LESEN! LEST GIFT VON KUBUS!!!! natürlich hab ich das gecheckt, dass es irgendwie andocken könnte, aber dann dachte ich: ach nee, der hieß ja nicht RAt, sondern Art (Kunst) und war auch eine ganz zarte Person und deshalb hab ich die Idee gleich wieder abgehakt. Dass Rat nun die andere Seite von Art ist.. darauf kam ich nicht. Sag mir eins. Wurde er von Art zu Rat, weil das in Gift mit ihm passiert ist? Das am Schluss, wo ich fast heulen musste ...Hat das Gift die Buchstaben des Namens und die Seele deines Charakters umgedreht? Du bist schon einer, Herr Würfel ...

Lollek

 
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He Lollek, für mich gibt es keinen allwissenden Autor, der die Deutungshoheit hätte, meine Bezüge sind ebenfalls zusammengereimt. aber ich würde nicht sagen, dass es so einfach ist, da ist ein fettes Ding passiert und dann wurde Art jemand anderes - das klingt für mich zu sehr nach Holywood. Art ist ein gläubiger Träumer, der ungeachtet seiner Erfahrungen bestimmte Ideale hochhält und verfolgt und damit immer wieder auf die Fresse fällt. Rat ist schon als Gegenfigur konzipiert, ein rationaler Charakter, der stets handlungsfähig ist und in den Geschichten anscheinend regelmäßig den zerfasernden schwächeren Figuren hilft. fällt mir gerade auf, weil ich Caps'n'Cans wegen deines Posts wiedergelesen habe, in dieser Geschichte ist er entstanden. vor fast genau einem Jahr. damals brauchte ich einen Gegenentwurf zum weichen Träumer, der handeln konnte, während Art still litt. du hast Caps'n'Cans sogar gelesen, sehe ich gerade! Rat hat sich in der Zwischenzeit ziemlich stark verändert, nicht unbedingt zu seinem Vorteil, aber ich halte ihn für noch wiedererkennbar. Art existiert für mich weiterhin, ich versuche auch immer mal wieder was mit ihm zu skizzieren, aber ich fühle ihn zur Zeit nicht, deswegen taucht er nicht auf.

Ahoi!

Hallo Anakreon, das sind gute Nachrichten, schließlich habe ich an dieser Geschichte schon ein Weilchen gefeilt und mir auch über die Konzeption Gedanken gemacht. Habe hier ein Buch über Textwissenschaft rumliegen und auch mal reingekuckt, weil einige der hiesigen Schreiber immer wieder meine Konzeption bemängelten und ich für mich entschieden habe, auf die insistierenden Stimmen zu hören und zu prüfen, inwieweit ich gezielt und geplant schreiben kann/ will. ich glaube, das ist nicht mein Ding. ich kann nicht sagen, das ist mein Thema und dies soll der Schluss meiner Geschichte sein und den Raum dazwischen füllen. mit dem Versuch eines klassischen Aufbaus bin ich zuletzt baden gegangen. ich will auch nicht, dass meine Geschichten konstruiert wirken, die sollen leben!
ich muss Leben erleben und Impressionen sammeln und irgendwann kommt der Punkt, an dem die Geschichte in mir fertig ist und aufgeschrieben werden kann. dazu passt dieser szenische Aufbau.
und dass du und andere die Geschichte spannend fanden und Schwups sie trotz der Länge in einem Rutsch weggelesen hat, das freut mich sehr, gibt mir Bestätigung und Wind unter meinen Flügeln. ich schreibe ja vor allem für den Fame auf KG.de und für die konzentrierten Zuhörer auf Lesungen.

Köstlich!

Bei dir kann ich sicher sein, dass du einige Gags würdigst, die sonst untergehen würden. Das ist schön, scheinbar teilen wir ein paar Humorfelder.

Da hat sich Rat doch glattwegs einen Versprecher im Plural geleistet.

Okay, ich kuck gleich mal nach. Vllt find ich den von Schwups gefundenen Fehler ja jetzt ...

Eine Drogensüchtige auf dem untersten Ast ist, soweit ich dies zu sehen bekam, vom Elend gezeichnet. Das Körperbild dann eben nicht mehr so, wie sich Ana erblickte, oder nahm sie die Realität da auch diesbezüglich nicht mehr wahr?

ja, das kann sein, also gestörte Selbstwahrnehmung würde bei ihr jetzt nicht so sehr überraschen. aber Anas reales Vorbild ist in meinen Augen eine schöne Frau, die vor allem innerlich gezeichnet ist. ich hab sie allerdings krass überzeichnet.

Der Ausklang schenkte dann, auch wenn es ein brüchiges Alibi sein wird, einen Moment wie ein Lichtblick.

ja ist kein Krimi, mir sind auch so verschiedene andere Schwachstellen hier bewusst, wenn man da mit dem gesunden Menschenverstand rangeht. ich habe mich dagegen entschieden, zu versuchen, die Geschichte wasserdicht zu machen, weil darauf nicht mein Fokus lag.

Doch, eine besondere Geschichte ist es, die du einbrachtest, einen Einblick in eine hoffnungslose Gesellschaftsschicht.

ja, so verstehe ich die Figuren auch, als hoffnungslos. ich zerbreche mir in letzter Zeit häufiger den Kopf darüber, was man tun kann, um zu helfen, aber ich finde keinen Weg, Sucht und Selbstzerstörungswille sind irrationale aber starke Triebfedern. die Geschichte ist auch Ausdruck dieser Überlegungen.

Danke fürs Kommentieren und viele Grüße,
Kubus

 
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Hallo Kubus,

irgendwie kommt mir zweierlei in den Sinn: Deine Geschichten wachsen (itzo 15 MS-Seiten einzeilig unter Cicero / TNR 12 pt.) und hängen miteinander zusammen, wenn ich auch hier auf dem hämorrhoiden-zerstörenden Stuhl bei den Söhnen Osmans keine Details aufzeigen kann, dass ich behaupte: Du schreibst eine einzige Geschichte ... Ich werd drauf zurückkommen und grüße schon mal das Personal!

Nur noch für Jo: wie schon bei den Alten mit Grimhild und Krimhild, Gudrun und Kudrun, so gibt's in der Tat heut' noch landschaftliche Unterschiede im gucken und kucken ...

Das soll's dann für heute hierzu sein. Ausgedruckt und daheim beim Winterbock angeschaut ...

Gruß

Friedel

 
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Hallo Cube,

mich stören die Namen nicht, aber die Inquit-Formeln schon ein bisschen. Was hat es mit diesem konsequenten "sagte er" in jedem Satz auf sich?

Sie stand auf, ging um den Tisch, legte ihren Kopf auf seine Schulter und umarmte ihn.
„Ich brauche jemanden, der mich hält“, sagte sie. „Und mir sagt, ‚es ist nicht deine Schuld.‘“
„Das geht nicht …“, murmelte er.
„Bleib heut nacht bei mir“, sagte sie.
„Das wird nicht gehen“, sagte er. „Mir ekelt vor dir.“
„Seit du mich umarmst“, sagte er, „stehen mir die Haare zu Berge.“
.

Hätte ich so geschrieben:

Sie stand auf, ging um den Tisch, legte ihren Kopf auf seine Schulter und umarmte ihn. „Ich brauche jemanden, der mich hält. Und mir sagt, ‚es ist nicht deine Schuld.‘“
„Das geht nicht …“
„Bleib heut nacht bei mir.“
„Das wird nicht gehen. Mir ekelt vor dir. Seit du mich umarmst, stehen mir die Haare zu Berge.“


Und dann im ersten Kapitel natürlich. Spätestens nach dem dritten "(...)" ist doch klar, dass hier nur einer zu Wort kommt. Und trotzdem schreibst du
jedesmal "sagte er". Ist doch redundant.

„Was hat sie getan?“, fragte er.
„…“
„Was haben die mit ihr getan?“, rief er.
„…“
„Wenn Sie mich verarschen wollen …“, murmelte er.

Jetzt echt? Also ich würde 80-90 % dieser Formeln streichen.


Ansonsten ja ... überraschend klar erzählst du in dieser Geschichte. So ganz haben die introvertierten Anna- Stellen auch nicht bei mir gefunkt. Da hat Lollek eine Stelle herausgepickt:

Ana setzte sich an den Tisch und überlegte, was sie jetzt tun sollte.
In ihrem Kopf passierte buchstäblich nichts, der war nur Echoraum für das Ticken der Wanduhr.
Es war nicht die Leere der Verlorenheit, wie sie ein selbstbewusster Stern angesichts der Entfernungen im Universum spürt; sondern die Leere der weiten Ebenen eines unbekannten Kontinents, von der man nicht wissen kann, was sie einem bringen wird.

Da finde ich auch. Was danach kommt ist zu viel und nimmt die Wirkung. Und ist halt wieder redundant. Du suchst eine schöne Umschreibung für Kopfleere, und findest auch eine mit "Echoraum für das Ticken der Wanduhr", aber das reicht dir nicht, jetzt willst du die Leere näher beschreiben (sprich verdeutlichen, klarer machen), also stellst du der Leere, die selbstbewusste Sterne empfinden, die Leere, die man angesichts weiter Ebenen empfindet, gegenüber. Und das ist einfach nur endlos abstrakt und das Bild verschwimmt dann.
(Oh Mann, der Leere, die Leere.. deutsche Grammatik hey.. Macht es eigentlich einen Unterschied, was zuerst kommt? Man kann auch die Leere der Leere gegenüberstellen, oder?)

Ihre Ma hatte gesagt, wenn sie sich so fühlte, sollte sie etwas für sich tun. Hatte es immer wieder gesagt. Lies den Zettel. Das war ein Automatismus geworden. Wenn du leer bist. Hatte sie immer wieder gesagt. Tu dir Gutes. Das war ein Automatismus geworden. Wenn du dich so fühlst, hatte ihre Ma gesagt, öffne die Schublade und lies den Zettel. Es ist ein Zauberzettel, er wird dir helfen. Automatismus. Ana öffnete die kleine Schublade im Küchentisch und holte Mas Zettel heraus. Du bist nicht schuld, stand obenauf.

Das fand ich allerdings gut.

Und so manch andere Stelle auch. Ich fands eigentlich gut, dass er Maxy einfach erschießt. Hat mich überrascht, aber ich fands schon irgendwie schlüssig. Also wenn man wegen einer Frau da ist, und Maxy weigert sich, dir/ihr zu helfen und dann nebenbei erzählt, dass man die Pussies beim Rudelfick nicht schreien hören kann, weil die Wände schalldicht sind ... also wenn man dann noch eine Waffe bei sich hat und sonst niemand da ist, da kann man schon auf solche Ideen kommen.

Also ich fand die Geschichte schon gut, es liest sich flüssig und unterhaltsam. Mir fehlt vielleicht noch das Besondere, also irgendein neuer Aspekt, die besondere idee. So ist es eine relativ normale Dorgenstory, gut erzählt, mit kleinen kubistischen Ausflügen hier und da.


MfG,

JuJu

 

So träumen Maschinen, dachte Rat …
und die Poesie der Anfangszeit ist dahin, denk ich.
Elfstöckige Hochhäuser standen dicht an dicht vor dem dramatischen Hintergrund schwerer Regenwolken,
und vielleicht muss es dann dazu kommen
Die Schuld war so frisch wie am ersten Tag, nein, sie war präsenter; fein herausgearbeitet. Ana …
ist es unter einem solchen Thema –
das Dich seit Langem bewegt -
angemessen, auf Grammatik / Form zu achten?, frag ich mich zudem,

„Deine Ma erzählte, dass du manchmal weg bist“, sagte Rat. „‘Mitten im Gespräch flieht sie zu einem inneren Ort‘, war die Formulierung ihrer Wahl“, sagte er. „Das hattest du früher nicht.“
„Doch“, sagte sie „Du hast es nur nicht wahrgenommen“,

lieber Kubus,

und ich vielleicht auch.

Du hast Dich zu einem Berichterstatter eines bestimmten, dunklen Milieus entwickelt, das in seiner Individualisierung und Trennung zwischen Produzent, Dealer und Konsument die realexistierende "Markt"Wirtschaft auf den Gipfel treibt. Was z. B. noch spielerisch in Caps'n'Cans mit den Namen und Buchstabenpuzzle geschieht (z. B. Art = Rat) geht nun verschütt’, dass das Zitat

„Du musst hier weg“, sagte er. „Einfache Regel zum Merken: dein neues Leben braucht eine neue Stadt, neue Fassaden und Gesichter. Eine andere Geschichte“,
wie ein selbstgegebener RATschlag wirken muss.

Und dann begreif ich erst Jos kucken-Schelte und leiste Abbitte - wiewohl die landschaftlichen Unterschiede bestehen, die verschwinden ja nicht dadurch. Ist der Wortschatz eingeschmolzen?
Eine Orgie des Kuckuckenfucken …

Pip kuckte auf sein Handy

Haste noch zwei €, kuck mal nach. Zwei € mehr und du kriegst was. Kuck mal nach …

Der Dicke kuckte beleidigt, …

Prostituierten mit haselnussbraunen Augen, die kuckte, als staunte sie immerzu.

"Du kuckst ja gar nicht mehr weg ..."

Ich kucke dem Mann nicht hinterher, dachte sie, …

usw. usf.

Verbleibender Kleinkram - den es bei Geschichten der Länge immer geben wird, da ist keiner vor gefeit:

„Wer ist da?“, fragte er.
„…“, sagte siePUNKT
„Was zur Hölle wollen Sie?“

… wiedergutzumachen.“
Ja, im gesprochenen Wort sieht man’s nicht. Nun gut: Wiedergutmachung, was also etwas wieder gut machen soll, gibt’s. Aber gibt’s das auch als Infinitiv-Konstruktion?, k. A.

… stellte beim Anzünden …
German Gerund, Anpassung an Jargon Nr. 1

Du weißtKOMMA wie das ist.“

„Bleib heut nacht bei mir“, sagte sie.
Nacht i. d. F. Substantiv, nicht Adjektiv.

Sein eines Auge war halbgeschlossen, das andere ganz.
Anpassung an einen Jargon Nr. 2 und sicherlich nicht die letzte. Als wörtl. Rede wär’s durchgegangen, so wunder ich mich …

Der Dicke sagte etwas, im müden Brummelton des dauernd Gemobbten.
Kleist? Nee, aber im Ernst: Komma weg!

"Mhm", machte Mark und schlurfte durch den Flur.
Erwähnenswert? Reichte nicht ein knurren oder brummen? Comic und / oder Kindskram …
wie hier:
„Ohhhh shit, …
Und weiterhin
„Hey“, sagte er leise. Als Mäxchen aufsah: Klick.
Und noch mal:
… Ausrufe- und Fragezeichen. Klick. In Rats Ohren …
Comic …
Kindskram! Mit dem Höhepunkt
Die Pistolenkugel trat knapp über dem rechten Auge ein und fetzte ein gutes Drittel des Schädels weg, …
Na, das ist ma’ präzis! Da folgt dann noch – durchaus poetisch, wie ich finde –
Aber der Sturm wird weiterziehen, wer zu lange wartet, wird von den Winden des Wechsels in der Luft zerrissen werden.
Comic meets Seeräuberromantik! Die Vitalienbrüder – die ja in Wirklichkeit eine Art Greenwoodforrest wider die hanseatischen Geld- und Pfeffersäcke bildeten, wenn auch nicht unbedingt Wohltäter der Witwen und Waisen, Rat - der Rächer der Fixer, Wixer und Gegerbten …

Das nächste Mal wird dein Letztes gewesen sein.
Letztes hier aufs Mal bezogen: Adjektiv
So wat musste ja kommen:
Dachterasse –
gönn ihr noch’n r

Außer ein paar Penthouses …
Spricht MAN wirklich so? Mag der Genitiv noch so sein (wenn denglish, und sei’s pidgin, dann mit Genitiv Apostroph), aber Plural? Mir klingt’s beim modernsten Plappern immer wie Penthäuser (was natürlich nahe beim Karthäuser ist).

… das Bellen einer Hyäne …
Bellen Hyänen? Sind keine Wolf-Derivate (wohl aber die Hyänenhunde, die aber Wildhunde und keine Hyänen sind)

Sie hörte, wie jemand einen Stein gegen das Fenster warf. Rat, dachte sie, wie früher.
Das kenn ich, ist aber falsch: Sie hört Stein gegen Scheibe stoßen, nicht, dass jemand ihn wirft. Es bleibt bloße Vorstellung und Erinnerung – an alte Zeiten.

.., wie der fiktive Abend mit jedem erinnerungsbildenden Satz mehr zu ihrer erlebten Wirklichkeit wurde.
May be. Für mich aber doch ein schöner Schlussstrich:
Ich bin ein Schatten im Rauschen der Welt, dachte sie. […] Aber auch Schatten, dachte sie, sollten ihre Wohnung sauber halten …

Gruß und gute & erfolgreiche Lesung wünscht

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedel,

Poesie kommt und geht, ich denke nicht dass sie dahin ist, irgendwann ist Art wieder am Start und dann darf auch wieder poetisch gedacht und gelebt werden. Aber dafür braucht man Zeit, die ich mir zur Zeit nicht nehmen will.

Diese Milieugeschichten sind meine Herzensangelegenheit, ich fühle mich auch durch die große Zahl an Pseudomilieugeschichten herausgefordert, die immer noch den Buchmarkt überschwemmen. Ich möchte unter anderem zeigen, dass man für das, was man da finden kann, einen bestimmten Preis bezahlt. Und jede Geschichte in dieser Welt ist auch eine Untersuchung über die Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die dort herrschen. Über die Normen und Werte der Schattenkultur, denn die gibt es natürlich auch dort.

Und dann begreif ich erst Jos kucken-Schelte und leiste Abbitte - wiewohl die landschaftlichen Unterschiede bestehen, die verschwinden ja nicht dadurch. Ist der Wortschatz eingeschmolzen?

du hättest mir das Kucken nicht rauszitieren müssen, ich weiß dass ich es ausnahmslos so schreibe, das liegt schlicht daran, dass ich es so sage und höre. es ist stets der Kuckuck und nie die Gans, wie Shakespeares buckliger Verwandter sagen könnte.

wie ein selbstgegebener RATschlag wirken muss.

Ein Schlag, den sich Rat versetzt? Warum sollte er das tun? Mir scheint es, als hätte er die Lage vollkommen unter Kontrolle, abgesehen vom Mord und seiner Hilflosigkeit natürlich.

"Sein eines Auge war halbgeschlossen, das andere ganz."
Anpassung an einen Jargon Nr. 2 und sicherlich nicht die letzte. Als wörtl. Rede wär’s durchgegangen, so wunder ich mich

Ich mich auch, sag bitte deutlich, wo du die Anpassung siehst.

Na, das ist ma’ präzis! Da folgt dann noch – durchaus poetisch, wie ich finde –

hehe, ja nee is klar .... das Poetische ist bereits gestrichen, war mir zu dramatisch

Rat - der Rächer der Fixer, Wixer und Gegerbten …

ein Raubritter zur traurigen Gestalt, der nicht mal den Mut zur Lächerlichkeit hat.

Danke fürs Vorbeischauen, den Erfolgwunsch und die Fehlersuche. Ein paar habe ich bereits korrigiert. bin mal gespannt, ob die Dachterrasse jetzt richtig abgespeichert bleibt.

Du hast Dich zu einem Berichterstatter eines bestimmten, dunklen Milieus entwickelt, das in seiner Individualisierung und Trennung zwischen Produzent, Dealer und Konsument die realexistierende "Markt"Wirtschaft auf den Gipfel treibt.

von der volkswirtschaftlichen Seite betrachtet ist es ein Markt, das habe ich mit "Drogenbörse" ja angedeutet, dieser Ort erinnert in seiner Funktion an die frühen Börsen. allerdings ein erschreckend schlecht organisierter Markt, der ein paar skrupellose Typen, die etwas weniger dumm sind als der 08/15-Dealer, sehr reich macht. viel mehr kann man dazu nicht sagen.
interessanter finde ich die Frage, was die Leute dorthin treibt. Vergessen lässt sich auch anders finden, Flucht vor sich selbst geht ebenfalls ohne diese erbärmlichen Begleiterscheinungen. die Rauschmittel können es eigentlich nicht sein, weil die normalerweise von sehr schlechter Qualität sind. die haben weit weniger als zehn Prozent Wirkungsgrad oder teilweise ist da gar nichts Illegales drin. es klingt absurd, aber der Hartedrogenmarkt der offenen Szene scheint mittlerweile eine Placebo-Szene zu sein. trotzdem kosten die Mittelchen schweineviel Geld, was zu den verschiedenen Hässlichkeiten der Beschaffungskriminalität führt. wenn es nur um den Rausch ginge, wären die Konsumenten mit legalen Rauschmitteln wesentlich besser bedient. in dieser Form aber ist die Drogenszene absurd und insofern vielleicht doch ein Ausdruck unseres delirierenden Wirtschaftssystems.

Hi Juju,

aber die Inquit-Formeln schon ein bisschen. Was hat es mit diesem konsequenten "sagte er" in jedem Satz auf sich?

ist eine KG.de-Marotte. mir wurde das hier so oft angekreidet, dass ichs irgendwann einfach geändert habe, weil ich nicht mehr darüber reden wollte. ist aber Quatsch, ich habe schon ein paar Formeln abgeändert, fiel mir beim Lautlesen auch auf, wie überflüssig und störend das klingt.

jetzt willst du die Leere näher beschreiben (sprich verdeutlichen, klarer machen), also stellst du der Leere, die selbstbewusste Sterne empfinden, die Leere, die man angesichts weiter Ebenen empfindet, gegenüber. Und das ist einfach nur endlos abstrakt und das Bild verschwimmt dann.
(Oh Mann, der Leere, die Leere.. deutsche Grammatik hey.. Macht es eigentlich einen Unterschied, was zuerst kommt? Man kann auch die Leere der Leere gegenüberstellen, oder?)

ja, das geht. je nachdem, was du zuerst im Satz stehen haben willst. das dürfte dann eher inhaltliche Gründe haben. ich habe den Vergleich gestrichen.

Also ich fand die Geschichte schon gut, es liest sich flüssig und unterhaltsam. Mir fehlt vielleicht noch das Besondere, also irgendein neuer Aspekt, die besondere idee. So ist es eine relativ normale Dorgenstory, gut erzählt, mit kleinen kubistischen Ausflügen hier und da.

mhm, okay. klingt wie solide erzählt, das macht mich nicht glücklich, aber ich freue mich über die ehrliche Rückmeldung. immerhin scheint es mir diesmal gelungen zu sein, meine Geschichte stringenter zu erzählen, das verbuche ich als technischen Erfolg und einige fanden sie sehr spannend, das soll ja nicht untergehen.

Danke fürs Feedback und viele Grüße,
Kubus

 

Poesie kommt und geht, ich denke nicht dass sie dahin ist, irgendwann ist Art wieder am Start -
nicht, dass ich unruhig geworden wäre,

lieber Kubus,

aber das zu lesen freut mich dann doch.

Diese Milieugeschichten sind meine Herzensangelegenheit,
was ich mir gedacht hab (mischte sich sonst jemand derart ein?).
ich fühle mich auch durch die große Zahl an Pseudomilieugeschichten herausgefordert, die immer noch den Buchmarkt überschwemmen
- und beschämend erfolgreich sind, was mich an anderer Stelle zu einer etwas andern Milieustudie verführt hat ..., wobei ich weniger ethno-/soziologisch als satirisch vorgehe.

es ist stets der Kuckuck und nie die Gans,
ist schön gekontert. Ich fürchtete schon, Du kenntest kein sehen, schauen, blicken etc. mehr, sondern nur noch den Kuckuck.

Ich mich auch, sag bitte deutlich, wo du die Anpassung siehst.
Sein eines Auge war ...
klingt sehr nach verkindlichter Sprache, es ginge doch "Ein Auge war halbgeschlossen, das andere ganz."

Gruß

Friedel

PS: Wie war die Lesung?

 

klingt sehr nach verkindlichter Sprache, es ginge doch "Ein Auge war halbgeschlossen, das andere ganz."

Ja, klar. Dass ich das nicht gesehen habe, danke!

- und beschämend erfolgreich sind, was mich an anderer Stelle zu einer etwas andern Milieustudie verführt hat

mit Frau Bruni, Speedy Sarkozy und Houellebecqkg die? die allgegenwärtige Übersexualisierung ist ein geiles Thema! außerdem hab ich von dem französischen Star-Autor vor kurzem drei oder vier Bücher gelesen und fühle mich jetzt als Fachmann in allen Fragen, die ihn betreffen.

Wie war die Lesung?

waren so ungefähr dreißig zottelige Typen und alternative Mädels, von denen eine sogar strickte! Hahaha, es lebe das Klischee. schienen vor allem welche zu sein, die im Gängeviertel leben und "arbeiten". die haben alle konzentriert zugehört und am Ende kräftig geklatscht. irgendein Typ ganz vorn hat immer bei den falschen Stellen gelacht. am schönsten finde ich, wenn man die Pausen zwischen den Sätzen dehnt und merkt, wie still es ist, dass man das Ohr der Zuhörer erobert hat.

Viele Grüße
Kubus

 

Hallo,

Ana sitzt also allein zu Hause und Sie befürchten, dass sie sich etwas antun wird. Sie wissen aber schon
Hier sind zu viele „sie“s.
Der ganze Einstieg ist problematisch. Auf vielen Ebenen. Erstmal die Dynamik, da spricht einer und wir hören ihn sprechen und wahrscheinlich hört er ja auch genau so lang zu, aber weil wir nicht lesen, was der andere sagt, ist die Dynamik eben nicht: Sprechen – Pause, zuhören – Sprechen, sondern nur Sprechen, Sprechen, Sprechen.
Also ein „…“ füllt für den Leser kein Zeitfenster aus. 1

Zweitens hat der Einstieg das Problem, dass Rat nicht zu dem anderen am Telefon spricht, sondern auch zum Leser. Man hört ja manchmal Telefongespräche mit und meistens ist es so, dass eine einseitige Kommunikation stattfindet. Einer spricht und der andere gibt nur Geräusche der Bestätigung von sich, er signalisiert also „Ich bin da, ich höre zu“, das ist dann meistens so ein „MMmhm – Mach Sachen – Jaja – Ach? Echt? – gruschelknuschelmuschel“.
Was man so gut wie nie macht ist das zu wiederholen, was der andere sagt und es dann zu verneinen. Also wie hier:

Natürlich sind das Verwahranstalten. Nein, helfen würde ihr das wahrscheinlich nicht.
Ana sitzt also allein zu Hause und Sie befürchten, dass sie sich etwas antun wird.
Einen Versuch ist es wert, ich sage es ja ungern, aber Sie haben recht, das bin ich ihr schuldig.
Logisch war das mit dem Leidtun eine Phrase
Das mag man mal machen, aber … es ist eine unelegante Art. Diese Situation, dass man nur eine Hälfte eines Gesprächs als Leser mitbekommt, ist ja häufig da, und es treten da fast immer dieselben Probleme auf.

Und worüber Juju sich beschwert hat mit dem „sagte er“ und du meintest dann, das sei eine Marotte von kg.de – da fühl ich mich angesprochen. Es geht darum, dieses „sagte er“ zu setzen, wenn der Leser sich fragen könnte: Wer spricht denn da gerade? Wenn überhaupt nur einer spricht, dann braucht man das natürlich nicht.
Das ist auch keine Marotte von kg.de, sondern es ist einfach so, dass sich der Leser in einem Text nie fragen sollte: Wer hat das denn grade gesagt? Das ist ein Albtraum, den gilt es zu vermeiden. Wie man das hinkriegt, ist Sache des Autors. Aber zu glauben, der Leser sei jederzeit so sehr im Text, dass er das schon merkt, und dieses „sagte er“ sei ja so hässlich – das finde ich ist eine falsche Einstellung. Darum hab ich das oft angemerkt. Es ist ein wichtiges Ziel für jeden Autor den Leser ständig im Text zu halten – ich denke, da sind wir uns einig – und deshalb sollte er sich nicht fragen: Wer sagt das grade?
Es gibt natürlich auch den Ansatz, den Leser aus dem Text draußen zu halten, dass er ihn ganz langsam und konzentriert liest, ihm ständig klar ist, dass es hier Kunst ist und Entfremdungseffekte, da will man es dem Leser extra schwer machen, in einen Text einzusteigen. Das ist eine andere Schule zu schreiben, ein anderer Ansatz – bin ich kein Fan von, da bin ich dann auch der falsche Kritiker. Das geht, das kann man machen, das ist auch legitim, aber tjo, die meisten Leute halten die Leser ja aus Unvermögen aus einem Text raus, da muss dann schon verdammt viel zu gucken sein, damit sich das lohnt.

Dich hab ich bestimmt zwei Jahre nich mehr gesehn ..."
"Sechs Jahre, um etwas genauer zu sein", sagte Rat.
Das fand ich gut, sonst ist mir das zu stilisiert oft. Das Gespräch zwischen Ana und Rat – das ist mir zu viel … gibt’s ein Gegenteil von Understatement? Overstatement. Die Leute sagen, was sie denken und fühlen. Was hab ich als Leser da noch für eine Aufgabe?

Der Dicke hielt ihm fünfzehn € hin.
Man schreibt ja extra „fünfzehn“ und nicht 15 aus denselben Gründen, warum man „Euro“ schreibt und nicht nur €. Damit das Gehirn das Wort liest und nicht erst Zeichen in ein Wort übersetzen muss. Das ist die Idee hinter „Zahlen immer ausschreiben, Abkürzungen vermeiden“. Fünfzehn € ist sehr seltsam.

"Ausverkauft", sagte Pip zu einer großgewachsenen Prostituierten mit haselnussbraunen Augen
Sieht man ihr das an? Woran sieht man das? Kennt er sie von früher? Entwickelt man einen Blick dafür? Und das „Prostituierte“ ist auch so ein höfliches Wort, der Dicke war ja auch dick, und nicht übergewichtig.

Was treibt dich eigentlich", fragte er, "zurück zum Tatort?"
Nicht die inquit-Formel so Horatio-Cane-mäßig setzen. So als Pointe. Das ist schon knifflig immer, wird dem Spiegel oft vorgeworfen, dass er sie viel zu früh setzt: „Was“, fragt der Kommisar nun, „haben Sie denn da gesehen?“. Genau so blöd wäre aber auch: „Was haben Sie denn da“, fragte der Kommisar nun, „gesehen?“(So spricht Peter Kloeppel in der Switch-Satire immer).

"Fuck, Rat, my man! Du must mir ne Connection machen! Ich kenn ihn zwar noch von damals, aber er mich nicht."
Ich frag mich immer; wenn man so spricht, dann hat man das doch aus Filmen. Also der Typ hier hat doch bestimmt New Jack City gesehen, nur wenn man New Jack City gesehen hat, wie kann man sich dann Kokain reinballern? Denken die dann „Woah, ist ja kein Crack, geht schon“ – also der Habitus ist doch aus diesen Filmen, oder? Der war ja nicht in der Bronx und hat bei irgendwelchen Crack-Dealer das Gelaber abgeschaut. Es ist sehr seltsam.
Ich bin da auch zu spießig für, glaube ich, ich kenne keinen, der so harte Drogen genommen hat. Ich weiß nicht, wie „authentisch“ das alles ist. Auf mich wirkt es – in der Sprache, nicht in der Sache – schon lächerlich. Als Kinder Cowboy und Indianer gespielt, und mit Mitte 20 spielt man einen Dealer in der deutschen Provinz und sagt: „Er ist jetzt Hustler, fuck mann, du musst mir ne Connection machen!“
Als jetzt diese Nazis tot in dem Wohnwagen gefunden wurde, war mein erster Gedanke: Scheiße, die haben Breaking Bad gesehen und nachgespielt. Ganz seltsame Form von Kunst imitiert Leben imitiert Kunst haben wir in der Verbrecher/Drogen-Szene da laufen, glaub ich zumindest.

auf ihren schiefen Caps waren die Embleme US-amerikanischer Basketballteams gedruckt.
US-amerikanische Basketballteams = von NBA-Teams einfach … ich finde US-amerikanisch ist als Ding schon nicht mehr zeitgemäß; und US-amerikanische Basketballteams gibt es wie Sand am Meer, aber man interessiert sich nur für die Profi-Vereine.

die letzte Kollegah-Line Mutterficker
Ist jetzt keine Kritik an dem Text, ich hab neulich mal gelesen, woher das Wort „Mutterficker“ kommt, Das geht darauf zurück, dass Sklavenbesitzer ihren Sklavenbestand durch Züchtungsprogramme erhalten wollten (richtig schöne Eugenik-Scheiße), so dass Schwarze wirklich gezwungen wurden mit ihren Müttern zu schlafen, und die armen Teufel wurden dann mit der Bezeichnung „Mutterficker“ von anderen Sklaven beleidigt. Das Wort wird heute kulturell natürlich ganz anders verwendet, aber wenn man sich vorstellt, was das deutsche Äquivalent zu so einer Beleidigung wäre … seit ich das weiß, sehe ich dieses „Motherfucker“ mit anderen Augen.
Wieviele Leute, die das Wort verwenden, wissen was da dran hängt? Gruselig.

Vergiss das nicht, wenn du in mein Haus kommst, um mich zu bedrohen.
Das ist auch so was, das kann man doch nur aus diesen Filmen haben. Du kommst in mein Haus! Du kommst in MEIN HAUS! Das hat man in Deutschland doch nicht, dass das eigene Haus so heilig ist. Das ist gar nicht unser Denken, glaube ich.

Aber ich bin ein Feigling. Allein schaffe ich es nicht, mein Leben zu beenden. Bitte, hilf mir. Ich scherze nicht. Du wirst jetzt sicher sagen, das Leben ist lebenswert und ich soll die Zähne zusammenbeißen und was aus meinem Leben machen, dass es jeden Tag eine neue Chance gibt und so. Das habe ich mir jahrelang gesagt, mittlerweile kann ich es nicht mehr glauben.“
Das klingt so gestochen. Ich scherze nicht. Das Leben ist lebenswert. Da hört man so dieses hannoveranische richtig raus. Warum sagen in dem Text eigentlich ständig alle Leute was sie fühlen?
Und warum ist er so cool, jemanden zu fragen, ob er ihn tötet, wenn er sagt, er sei ein Feigling.
Die Leute klingen so komisch in diesem Text. Vorhin war eine coole Szene, als er meinte: Ach so, ihr tut ihnen also einen Gefallen“ – aber sonst. Druffibude. Ich weiß nicht.
Was hat er jetzt damit erreicht? Er geht da hin und zeigt den Leuten, dass er eine Pistole hat und sagt: Lasst es bleiben. Und die sagen: Wenn nicht wir, geht sie woanders hin. Und er weiß das auch vorher, dass die nicht ihr Problem sind. Ich weiß nicht. Die Pistole ist ja auch nur ein Statussymbol, niemand denkt wirklich, dass er wen abknallt. Ist ja nur sein Ruf, seine Reputation, die ihm die Türen überall öffnet. Ich weiß nicht. Das Problem ist wohl, dass er das Problem mit Ana lösen muss, indem er sich mit Ana auseinandersetzt, und weil er das nicht kann, schweift er umher, aber wäre es nicht besser, die Geschichte würde sich darauf konzentrieren, und nicht ständig zeigen, wie diese Szene so ist? Ich weiß nicht, mir kommt es vor, als würde die Geschichte schon ziemlich einen auf dicke Hose machen, und die Konzeption gibt das nicht so her.

Ana erinnerte
Hamburger Marotte, erinnern ist reflexiv, man erinnert sich.

Mit einem Mal füllte seine Präsenz ihr Inneres, sie selbst, die sich nur anhand der Schuld wahrnahm,
Wer denkt das? „die sich nur anhand der Schuld wahrnahm“? Wem ist das in der Geschichte zuzuordnen? Ist das Ana? Oder ist das ein Erzähler, der jetzt zum ersten Mal auftrat. Oder möchtest du als Autor gerne den Satz loswerden, weil er so schön trifft? Die letzten zwei Möglichkeiten wären beides handwerkliche Probleme.

Der letzte Absatz ist sehr schön. Der davor mit Mäxchen ist ein einziges Klischee. So wie die ganze Geschichte halt leider in der Wahl dieser Szenarien schon etwas klischeehaftes hat.
Da kommt der Held zurück wegen seiner alten Liebe, dann gibt es ein Relikt, das aufgespürt werden muss, einen Gral, dann gibt es 3 Figuren aus seiner Vergangenheit, die genau so 3 Punkte auf einer Linie sind – arm, mittel und reich. Und bei keinem hat er irgendwas zu tun und damit er dann doch was tut, erschießt er den Reichen. Völlig seltsame Lösung dieser Reise. Und das Ende, der gordische Knoten wird dann zerschnitten durch eine Technik, die in der Geschichte bis dahin gar keine Rolle spielt, sondern er merkt, wenn er dem Mädchen nur das sagt, was sie hören will, reicht das. Es ist eine Lüge, die so gern geglaubt wird, dass sie viel schöner als die Realität ist.
Wie passt das zusammen? Ich weiß es nicht. Es sind Versatzstücke, die sich hier rumscharen, es ist auch wenig von Bedeutung in der Geschichte, find ich.
Also vier Fünftel treiben einen Plot voran, der mit der Lösung und der Problematik der Geschichte nichts zu tun hat.
Die Frau ist süchtig und macht sich kaputt, das ist das Problem der Geschichte. Es ist nicht zu lösen, das weiß jeder und das sagt ihm jeder dieser drei Kontakte: Es ist nicht zu lösen, indem du irgendwas an den Umständen änderst, sondern du musst dich mit Ana auseinandersetzen.
Und der Held will das nicht, weil der Held sein eigenes Leben hat und weil ihn Ana nervt und ekelt. Und wie er dann auf die Lösung kommt, das gibt die Geschichte doch nicht her. Warum knallt er Max ab? Weil es dem gut geht? Weil er sich keine Illusionen darüber macht, wer er ist? Weil Max in der Geschichte keinerlei Verantwortung für sein Tun übernimmt? Das tun die anderen Figuren aber auch nicht. Pip tut das nicht, und der Typ in der Druffibude auch nicht. Das Video, dieser Gral, den er sucht, verliert dann in der Geschichte auch immer mehr an Bedeutung, bis es gar nicht mehr so richtig interessiert. Wer war schon drauf? Wesen Schuld ist das?
Es werden auch nicht so viele kluge Sachen in dem Text gesagt. Es ist z.B. ein typisches Thema solcher Filme, dass man starke, kluge Frauen an die Nadel bringt, sie unterwirft, kaputt macht und – wenn sie fertig sind – dann will man sie nicht mehr. Das ist ein ganz ekliges Motiv in diesen Filmen – ich kann das schon gar nicht mehr sehen, ich muss da immer wegschalten schon. Und hier taucht das ja auf und keiner hat dazu was zu sagen. Die sagen: Na ja, wenn sie kommt, dann ist das halt so, sonst geht sie woanders hin. Der Gedanke, den jemand wie mäxchen doch haben müsste, wäre so etwas wie: Die Leute wollen starke Frauen, dann nehmen sie sie mit nach Hause, geben ihnen Geld, die gebären ihnen ihre Bälger, sie werden total ausgelaugt und dann wenn sie 35 sind, suchen sich die Männer eine Neue. Ist das nicht dasselbe?
Also dass der Text hier an diese Thematik, die bekannt ist, mal mit einem anderen Anspruch rangeht, das hätte ich mir gewünscht. Dass man diese Manierismen mal durchleuchtet, diese Motive der Kultur.
Und von diesem Habitus, vom Kopieren der Äußerlichkeiten, kann sich der Text nur im letzten Absatz lösen. Mit dieser guten Lüge. Es ist dann auch wieder ironisch, in einer Welt, in der jeder weiß, wie er mit Dramen umzugehen hat, weil er das aus dem Fernsehen kennt, dass er sich schon davor ekelt, so ein langweiliges Gespräch zu führen. Dann heißt es immer „Ja, es ist Kitsch, aber es ist auch wahr!“ Das Leben ist lebenswert, du kannst neu anfangen.
Und das arme Mädchen hat ja nichts in ihrem Kopf außer „Na, meine Titten sind noch schön straff“ und ständig Bilder, wie mies sie ist und wie leer und öde und traurig, da denke ich mir auch: Wo soll denn Freude her kommen, wenn nicht aus dem eigenen Kopf? Depressive Menschen, da kann ja ein rot leuchtender Vogel ins Zimmer geflattert kommen, und es ist für sie überhaupt kein Grund zur Freude. Deshalb wird das auch alles furchtbar schief gehen, das wäre der Text, der hier hinter steckt. Wie kann ich denn einen depressiven Junkie, der glaubt, er braucht mich für sein Glück, glücklich machen? Die denkt doch: Jetzt ist Rat wieder mit mir zusammen, jetzt wird alles toll. Das denkt auch die Mutter. Tja … ist das so? Ist Liebe stärker als eine Depression? Wir haben gelernt „Nein“, das war das bittere Ergebnis der Ansprache von Theresa Enke damals – ja, ich weiß, Fußball ist spießig, und Depression auch. Ist Liebe stärker als die Sucht? Tjo, das wär das Thema für die Geschichte gewesen.
So ist dieses Intermezzo, diese Gralssuche, - tja. Es macht den Hauptteil der Geschichte aus, so richtig hat mir das nichts gegeben. Ich seh da keinen Typen im weißen Anzug, der sein Viertel kontrolliert und ein schönes Leben hat. Ich seh da einen Typen, der denkt, er muss so leben wie ein Gangster, den er aus dem Fernsehen kennt. Ich kann das nicht ernst nehmen .Für mich hat Mäxchen als Figur nicht das Format, dass er mich interessieren würde, dass ich irgendwas, was er in der Geschichte tut, ernst nehmen kann. Es ist hier ein Thema in der Geschichte, das mich interessiert, der ganze Mittelteil lenkt davon ab, und ich fürchte, die Geschichte räumt diesen Fragen, die mich interessieren, nicht genug Platz ein. Die Fragen wären: Muss Rat mit einer Frau zusammen sein, die er nicht will, weil es die Moral ihm gebietet, Verantwortung zu übernehmen?
Muss Rat einer Moral folgen, nur damit er nicht so ist, wie die anderen, die ihn ekeln?
Kann Ana glücklich werden, wenn sie das kriegt, von dem sie denkt, dass sie es braucht, um weiter zu leben, oder macht sie sich da nur was vor?
Und das sind eben auch ganz klassische Fragen. Es geht ja vielen so, dass sie so was sagen, wenn nur das, dann aber das, dann würden sich alle Probleme der Welt für mich lösen, als hätte man einen Knoten durchschlagen! Und wie ist es? Wie sieht’s bei den Menschen so aus, was sind die Bedingungen ihrer Existenz? Wie funktionieren sie so? Das sind Sachen, mit denen man sich als Autor halt auseinandersetzen muss. Und das ist manchmal furchtbar kitschig. Und gerne würde man so Gespräche einfach überspringen und dem bekifften Leser nachher sagen, er hat das ja alles gelesen, und könne sich nun nicht mehr dran erinnern.
Und bei der Geschichte hier ist es so, wenn sie eigentlich das machen müsste, schießt sie lieber Leuten unters Auge und lässt schwangere Frauen rauchen und Katzenaugen haben und gefährlich zischen.

Gruß
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Quinn,

An so etwas wie ein Zeitfenster dachte ich beim Schreiben nicht, ich wollte einen originellen Einstieg, der neugierig macht, ohne zuviel zu verraten. Die Wiedergabe des Gehörten ist natürlich behäbig und dass es konstruiert wirkt, kann ich nachvollziehen. Wobei man die Worte des anderen in einem Gespräch mit der Absicht wiederholen kann, dem Gegenüber bewusst zu machen, was eben gesagt wurde. Also ich denke, das kann eine Funktion sein.

Wegen der Verwendung der Inquit-Formeln, Wie und Wo - deswegen hast du mir auch geschrieben, warst aber bei weitem nicht der einzige. Das war vor einem oder eineinhalb Jahren vielleicht, ich hab mich gewundert, wieviel Gewicht man auf die Formeln legt. Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass 'sagte er' generell hässlich ist. Es kommt immer auf die Geschichte an. Ich bin den Text und die verschiedenen Figuren mit einer Freundin vor der letzten Lesung durchgegangen und beim Lautlesen wirkten die Inquits sehr störend. Das war wenigstens mir vorher nicht aufgefallen.
Deine Beispiele machen das sehr schön anschaulich. Wenn man die falsch setzt, wirken sie unfreiwillig komisch. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass man denen Spannung erzeugen kann, man gibt dem Leser einen Moment, die erste Satzhälfte zu verdauen und vielleicht fragt er sich in dem Moment, wie es weitergehen wird.
Und diese Schule des Schreibens, in der ein Autor gegen den Leser zu schreiben scheint, löst in mir widersprüchliche Gefühle aus. Es kann effektives Hirnjogging zu sein, sich in so eine Schreibe hineinzulesen und sie wie eine fremde Sprache zu entziffern lernen. Andererseits mag ich nicht, dass sich die Autoren vor allem selbst zu feiern scheinen. Das ist aber Geschmackssache. Man kann da auch zwischen Texten trennen, die aus Freude am Verschlüsseln so kompliziert geschrieben sind und welchen, die sehr schwierig sind, weil die behandelten Themen einen fordernden Schreibstil erforderten. Dazu fallen mir auch Beispiele ein, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Ich orientiere mich normalerweise an Gedanken Marke 'besser komplizierte Sachen einfach sagen, als einfache Sachen kompliziert machen.' Bloß keine sich selbst feiernde Elfenbeinturm-Schreiberei, das gilt wenigstens für meine Schreibe. Ich habe da ja so Tendenzen, deswegen bin ich da so sehr gegen, glaube ich.

Die Leute sagen, was sie denken und fühlen. Was hab ich als Leser da noch für eine Aufgabe?

Hm, okay. Ich verstehe den Einwand. Möglicherweise habe ich zuviel gewollt und deswegen den Dialogzeilen zu viel Gewicht zugemutet. Ich sehe so viele Seiten an dieser Thematik, und von denen wollte ich keine auslassen. Dabei heißt schreiben ja auch verzichten und fokussieren. Ja, okay.

Damit das Gehirn das Wort liest und nicht erst Zeichen in ein Wort übersetzen muss ... Fünfzehn € ist sehr seltsam.

ja, überzeugt. interessant.

Und das „Prostituierte“ ist auch so ein höfliches Wort, der Dicke war ja auch dick, und nicht übergewichtig.

hab überlegt, was ich da nehme. zufrieden bin ich nicht. Nutte will ich auf keinen Fall schreiben. Sexarbeiterin charakterisiert den Typ drogenabhängige Straßenprostituierte in meinen Augen nicht, weil ich unter diesem Terminus eher ausgebuffte Selbständige verstehe, wie sie hier zB auf der Reeperbahn unterwegs sind. Das sind aber grundlegend andere Frauentypen, viel aggressiver und präsenter.

also der Habitus ist doch aus diesen Filmen, oder? Der war ja nicht in der Bronx und hat bei irgendwelchen Crack-Dealer das Gelaber abgeschaut. Es ist sehr seltsam.

ja genau so hab ich mir das gedacht. Dass er halt den Habitus kopiert, die Sprüche und das Getue, wie man es aus zig Medien kennen könnte, wenn man sich für das Thema interessiert. ich glaube in diesen Parallelwelten werden diese Simulacren aus verschiedenen Gründen so krass kopiert. erst mal ist es mittlerweile möglich, sich auf verschiedensten Kanälen fast ausschließlich mit der medialen Realität seiner Wahl zu umgeben. Musik, das ganze Gangsta-Rap-Zeug, Filme und Serien sowieso, Breaking Bad ist ein Beispiel, Computerspiele, GTA - die reproduzieren allesamt die gleichen oder sehr ähnliche Lebensziele. sei hart, verdien viel Geld, verkauf Drogen aber lass dich nicht erwischen, sei ein Hustler. schöne Frauen, schnelle Autos und so.
absurd ist daran, dass wir in Deutschland zum Glück ein völlig anderes Setting haben, dass es hier in der Form gar nicht möglich ist, so ein Leben zu führen. aber was man tun kann, ist deren Sprache, Gestik und Wertvorstellungen zu kopieren, das geschieht ja auch unbewusst. zum anderen durchmischen sich die Leute in der Szene nicht mit anders tickenden Menschen, wie man es normalerweise schon durch Job, Studium bspw zu tun gezwungen ist. so können sich inzestiöse Habitus-Inseln bilden, auf denen sie eben ihre Vorbilder und sich gegenseitig kopieren. diese Line von Kollegah ist auch ein Beispiel - "zieh ich meine Gun" - der scheint auch zu der Rapschule zu gehören, die Ami-Images schlicht übernimmt. also dieses Underdog-Ding wird ja auch hierzulande reproduziert. wie hat das denn vor der Mediendiktatur mit den Vorbildern funktioniert? gab es da klarere Ideale und Idole oder ist das so eine früher-war-alles-besser-Vorstellung?

Ich bin da auch zu spießig für, glaube ich, ich kenne keinen, der so harte Drogen genommen hat. Ich weiß nicht, wie „authentisch“ das alles ist. Auf mich wirkt es – in der Sprache, nicht in der Sache – schon lächerlich.

ich halte dich nicht für spießig. das ist für mich eindeutig negativ konnotiert, aber ich glaube nicht, dass es an sich was Gutes oder Schlechtes ist, solche Leute zu kennen. ich kenne von früher welche und habe in den letzten Monaten ein paar gezielte Besuche gemacht und viele Impressionen bekommen. das war teils sehr anstrengend und unerfreulich, auch weil ich mich diesem Leben und den Menschen immer noch verbunden fühle. vllt quillt die Geschichte daher so vor Gefühl über - schlichtes verarbeiten, ziemlich unprofessionell.
lächerlich ist sehr schlecht für die Geschichte, aber für mich gut das zu wissen. kann ich nachjustieren.

US-amerikanische Basketballteams = von NBA-Teams einfach … ich finde US-amerikanisch ist als Ding schon nicht mehr zeitgemäß; und US-amerikanische Basketballteams gibt es wie Sand am Meer, aber man interessiert sich nur für die Profi-Vereine.

Okay, das übernehme ich. Da kenn ich mich kaum aus. Wie meinst du, dass US-amerikanisch als Ding nicht mehr zeitgemäß ist. auf die Leitkultur bezogen oder schlicht auf die Verwendung in diesem Kontext.

Wieviele Leute, die das Wort verwenden, wissen was da dran hängt? Gruselig.

ja, das ist es. manche interessiert vielleicht, was dran hängt, um im Zweifel noch fiesere Dinger loszulassen und maximalen Schaden anzurichten. Aggro-Rap ist ein sehr hässliches und brutales Riesenbaby, aber das eigentlich Schlimme ist, dass es dabei so stumpf und unoriginell ist.

Das hat man in Deutschland doch nicht, dass das eigene Haus so heilig ist. Das ist gar nicht unser Denken, glaube ich.

Nein? Wenigstens äußert sich das bei uns nicht so. Sprüche dieser Art kommen meines Wissens aus Amerika-affinen Medien, das denke ich auch. Mi casa, su casa.

Was hat er jetzt damit erreicht? Er geht da hin und zeigt den Leuten, dass er eine Pistole hat und sagt: Lasst es bleiben. Und die sagen: Wenn nicht wir, geht sie woanders hin. Und er weiß das auch vorher, dass die nicht ihr Problem sind. Ich weiß nicht. Die Pistole ist ja auch nur ein Statussymbol, niemand denkt wirklich, dass er wen abknallt. Ist ja nur sein Ruf, seine Reputation, die ihm die Türen überall öffnet. Ich weiß nicht. Das Problem ist wohl, dass er das Problem mit Ana lösen muss, indem er sich mit Ana auseinandersetzt, und weil er das nicht kann, schweift er umher, aber wäre es nicht besser, die Geschichte würde sich darauf konzentrieren, und nicht ständig zeigen, wie diese Szene so ist? Ich weiß nicht, mir kommt es vor, als würde die Geschichte schon ziemlich einen auf dicke Hose machen, und die Konzeption gibt das nicht so her.

souverän gesehen und benannt, das ist spannend zu lesen. dieses auf dicke-Hose-machen sollte nicht in der ersten Reihe stehen, obwohl ich schon darauf spekulierte, dass der Stil dafür sorgt, dass die Leser dabei bleiben. das ist eine etwas seltsame Sache, weil ich Attitüde generell und speziell das Gangstarapzeug sehr kritisch betrachte. und Rat ist in meinen Augen ein attitüdenhafter Charakter, ich habe ein paar Brüche eingebaut, aber von Weitem gesehen wirkt der vielleicht zu glatt.
es geht für mich in erster Linie um diese Sucht-Szenen-Thematik, dazu wollte ich einiges sagen (lassen) und nebenbei ein paar ungesehene Impressionen vermitteln, und damit das Ganze spannend ist, habe ich dieses Drumherum konstruiert.

Der davor mit Mäxchen ist ein einziges Klischee. So wie die ganze Geschichte halt leider in der Wahl dieser Szenarien schon etwas klischeehaftes hat.

Das ist hart. Jemand hat so was Ähnliches konkret zu Stellen und Dialogzeilen gesagt, die ich für besonders realitätsnah halte. Aber das bedeutet ja nichts, es könnte auf einer wahren Begebenheit beruhen und wenn das im Text nicht so wirkt, bedeutet es nichts.
Mäxchens Penthouse ist original, in dem hab ich vor kurzem gearbeitet, aber er selbst ist als einzige Figur komplett ausgedacht, ich kenne leider keinen Drogen-Großhändler.

Ich seh da keinen Typen im weißen Anzug, der sein Viertel kontrolliert und ein schönes Leben hat. Ich seh da einen Typen, der denkt, er muss so leben wie ein Gangster, den er aus dem Fernsehen kennt.

wie kommst du darauf? also Pip wäre eher so ein Charakter, dem ich das zuschreiben würde. ich will damit nicht sagen, dass man Mäxchen so nicht sehen kann, aber mich wundert, dass du das ausgerechnet über ihn sagst. Klischee-Kritik kann ich bei ihm verstehen, das jetzt weniger. Das Thema an sich, die Imitation von den Kunstprodukten, die Filmrollen und Rapstars bspw sind, ist und bleibt für mich Motiv.

Wie sieht’s bei den Menschen so aus, was sind die Bedingungen ihrer Existenz? Wie funktionieren sie so? Das sind Sachen, mit denen man sich als Autor halt auseinandersetzen muss. Und das ist manchmal furchtbar kitschig.

Okay, ich verstehe. ;-)

Muss Rat mit einer Frau zusammen sein, die er nicht will, weil es die Moral ihm gebietet, Verantwortung zu übernehmen?
Muss Rat einer Moral folgen, nur damit er nicht so ist, wie die anderen, die ihn ekeln?
Kann Ana glücklich werden, wenn sie das kriegt, von dem sie denkt, dass sie es braucht, um weiter zu leben, oder macht sie sich da nur was vor?

die wirken nicht nur wie klassische, sondern auf den ersten Blick auch wie große Fragen. ich würde so eine Geschichte wahrscheinlich sogar sehr gerne lesen, aber noch kann ich die nicht schreiben. ist aber in Arbeit.

Vielen Dank für den Kommentar, ich hab ja danach gefragt, und Grüße,
Kubus

 

Okay, das übernehme ich. Da kenn ich mich kaum aus. Wie meinst du, dass US-amerikanisch als Ding nicht mehr zeitgemäß ist. auf die Leitkultur bezogen oder schlicht auf die Verwendung in diesem Kontext.
Nur das Wort "US-amerikanisch". Mit amerikanisch bezeichnet man umgangssprachlich immer etwas aus den USA. Aber dann haben einige gemerkt, dass das politisch unkorrekt ist, weil man mit "amerikanisch" ja auch einen Brasilianer meinen könnte, und hat dieses "Us-amerikanisch" eingeführt, um ein politisch-unkorrektes, stark usa-zentrisches Wort einzudämmen.
Aber das funktioniert so richtig, weil wir von einem Kanadier nicht als "Nordamerikaner" denken, sondern einfach als Kanadier. Und bei einem Mexikaner kämen wir nie auf die Idee, den als "Amerikaner" zu bezeichnen (Bei einem Peruaner oder so ... Südamerikaner würden wir da sagen). Wir haben aber im Deutschen eben kein Wort für einen Staatsbürger der USA, außer "Amerikaner", wir nennen sie nicht "Vereinigte-Staatler".
Und das US-Amerikaner wirkt heute künstlich und nicht mehr zeitgemäß, finde ich, das meinte ich nur.


Ich hab noch mal über die Geschichte nachgedacht, und es ist erstaunlich, wie sehr sie im Aufbau den Motiven aus der Gralssuche folgt, diesem König der Fischer-Mythos in der Parzival-Variante.
Dazu gehört: Ein verwundeter Held, der sich einem König verpflichtet fühlt, der leidet. Er begibt sich auf eine Reise, um den Gral zu finden. Der Gral ist das einzige, das den König retten kann. Es ist eine lange, anstrengende Reise, auf deren Weg der Held erst zu dem Mann wird, der den Gral am Ende der Geschichte erlangen kann.

Diese Motiv-Folge wurde oft verwendet, die wurde auch häufig und clever adaptiert (Ich hab mal gelesen, es gibt sogar ein Baseball-Buch, das diesem Mythos folgt). Das ist auch so eine Ur-Form zu erzählen, die Struktur einer Geschichte, die immer funktioniert.
Und hier in der Geschichte passt das Muster eigentlich wunderbar, es ist sogar die clevere Variante drin, dass der Held erkennt, dass nicht der eigentliche Gral (die Videokasette) wichtig ist, sondern nur seine eigene Transformation, wenn man so will. Das einzige, was ich nicht sehe, ist: Wie findet die Transformation im Helden statt? Das ist das einzige, das hier wirklich fehlt.
Wenn du das im Auge hättest beim Schreiben - oder vielleicht sehe ich es nur nicht - dann wäre das eine wunderbare Geschichte. Wenn man am Ende der Geschichte verstehen würde, warum der Rat von der letzten Seite in der Lage ist, Ana nun zu helfen, was da mit Rat passiert ist im Laufe der Geschichte, dann hätte die Geschichte echt gewonnen, glaub ich.

 

Hallo Kubus,

hab keine Kommentare gelesen, wird sich also bestimmt einiges überschneiden.


„Ana sitzt also allein zu Hause und Sie befürchten, dass sie sich etwas antun wird.“

Das ist für meinen Geschmack zu dick aufgetragen. Hört sich zu sehr danach an, als würde das für den Leser dastehen. Warum sollte Rat das noch einmal wiederholen? Überhaupt, ich verstehe nicht ganz, weshalb Du die Stimme der Mutter hier ausblendest – zumal das bei einem späteren Telefongespräch nicht mehr der Fall ist. Ich meine, es ist schon klar, für den Leser ist das spannender, er muss diesen Dialog zur Hälfte selbst konstruieren, aber es wirkt gleichzeitig auch sehr künstlich.

„Logisch war das mit dem Leidtun eine Phrase“, sagte er. „Ich kenne das Prinzip Reue nur aus der Theorie ... Schicken Sie mir ihre Adresse, ich packe meine Sachen und fahre los.“

Hier im Prinzip das Gleiche. Ich kenne das Prinzip Reue nur aus der Theorie ... Sagt jemand so etwas mal eben so? Ich hatte den Eindruck, als hättest Du Rat das in den Mund gelegt. Damit der Leser einen kleinen Leitfaden für Rats Weltsicht hat.

„Allerdings“, sagte sie, „ ... du hast meinen ersten Druck gesetzt ...“

Auch ziemlich krass. Hier war ich mir allerdings nicht sicher. Meint sie das als Vorwurf, würgt sie ihn absichtlich ab? Immerhin redet er ganz sicher nicht von ihrem ersten Druck ... Aber irgendwie würde das nicht zu ihr passen, so wie Du sie zeichnest – zumal sie ihn ja erpresst hat, wie man später erfährt. Andererseits könnte es natürlich auch bedeuten, dass für sie das tatsächlich das Besondere an ihrer Beziehung ist, vermutlich ist es so gemeint? Ana bleibt zu vage für mich, um das beantworten zu können.

Er schrieb seine aktuelle Nummer auf einen Zettel.

Das „aktuell“ würde ich wirklich streichen, das ist störend.

die dritte und deutlich größere reichte er Rat.

Schönes Detail! Das ist mir überhaupt an mehreren Stellen aufgefallen, die Details. Das hat mir gefallen.

"Gefall ich dir so sehr?", fragte Rat. "Du kuckst ja gar nicht mehr weg ..." Mark starrte ihn mit unbewegtem Gesicht an, seine linke Augenbraue flatterte. "Nervös?“, fragte Rat, “ … machst dir sicher Gedanken … überlegst wegen Ana ... hast du das Video zufällig hier?“
Die Schwangere öffnete die Augen und sah Rat an, in ihren Augen funkelte es. 'Katzenaugen', dachte Rat.
„Mark sieht zwar aus wie dritte Generation Inzest“, sagte er. „Aber dass mein Auftauchen mit dem, was ihr mit Ana getrieben habt, zusammenhängt, müsste sogar ihm klar sein ...“
„Deine Ana ist ne Mordsschlampe“, lächelte die Schwangere und pustete aus.
„Du“, sagte Rat. „bist nicht gefragt.“
„Mark“, sagte er. „Mark the Dark.“

Diese Szene, ich weiß nicht ... Vielleicht würde mir das gefallen, wenn es comichafter wäre. Überzeichneter, schon eine Spur ins Lächerliche. Hier sehe ich nur einen Abklatsch einer Szene, wie man sie aus tausend Filmen kennt.

Und dann mein Hauptkritikpunkt: Die Sprache! Ich finde mich, glaube ich, vor allem deshalb nie so ganz in diesem Text zurecht, weil ich die Sprache der Figuren so unpassend finde. Egal, ob es Art selbst ist, die abgetakelten Figuren bei der Drogenbörse, oder Mark – ich sehe überall Gymnasiasten, die auf Gangster machen. Mir ist klar, dass Art absichtlich so gezeichnet ist, dass er ein Charakter ist, der sich vielleicht ganz bewusst von den anderen abgrenzen will, der eigentlich intellektuell veranlagt ist, aber an manchen Stellen wird er überzeichnet, wenn er zum Beispiel sagt: „Ich bin bereit, diese Schusswaffe zu nutzen. Mach dir keine Illusionen …“
Das ist keine eigene Sprache, die Dein Protagonist da spricht, das ist etwas implantiertes, das kommt mir einfach falsch vor. Hier fehlt der Geruch der Gosse. Ich habe zwar gemerkt, dass schon der Versuch da ist, den Figuren eine individuelle Sprach zu geben, aber ich finde, dass es nicht so gut gelungen ist. Alle drücken sich so schrecklich gewählt aus, zu korrekt, zu blass. Wir haben ja schon über unendlicher Spaß gesprochen. Da gibt es doch die Szene, wo diese Junkies miteinander rumhängen und einer von denen an einer Überdosis stirbt (während es ihm den Augapfel aus dem Schädel drückt) – eine ziemlich eklige, harte Szene. Aber nicht nur aufgrund dessen, was sich dort abspielt, sondern aufgrund der Sprache. Ich glaube das ist der Hauptgrund, weshalb ich das noch im Gedächtnis habe. Wallace erfindet eine Gossensprache, die irgendwie genauso brutal, schmerzhaft und gnadenlos ist wie die ganze Szene an sich. So funktioniert das irgendwie. Und ich glaube, dass dieser Text viel eindrücklicher wäre, wenn die Figuren, was die Sprache angeht, glaubhafter wären.

Hier noch ein Beispiel:

„Ich will nichts dagegen tun. Mäxchen handelt nur in eigenem Interesse. Und das Leid anderer berührt mein Wohlbefinden nicht, mit Sklavenmoral braucht mir keiner kommen. Du solltest es mir nachtun - lass sie vor die Hunde gehen.“

Das hat mich amüsiert. Diese Stelle ist so unglaublich klassisch. Das könnte im Wallenstein stehen, das könnte, ach was weiß ich, Kohlhaas sagen. Nee nicht wirklich, mir fällt gerade kein Stück ein, wo es um einen ähnlichen Konflikt geht – aber der Konflikt ist natürlich schon klassisch, und die Sprache an dieser einen Stelle auch.

Ich denke wirklich, wären die Figuren, rein von ihrer Sprache, glaubhafter, würden sich ganz viele Stellen, über die ich gestolpert bin, harmonischer einfügen. Ich meine beispielsweise, wenn Skar Art bittet ihn zu töten. Das kommt so aus dem Nichts, weil ich die Motivation dieser Peson nicht verstehe. Du müsstest mir eine Welt zeichnen, die („vor dem dramatischen Hintergrund schwerer Regenwolken“) so trostlos und für diese Figuren so ausweglos ist, dass ich solche Szenen auch als echt empfinden kann. Und das könnte mit einer anderen Sprache schon deutlich besser funktionieren. Aber was mir ausgesprochen gut gefallen hat, war die Szene "Ana und Rat" am Ende. Das war hohes Niveau, aber leider ist das nicht konstant im gesamten Text. Er kommt mir so durchwachsen vor, ganz seltsam irgendwie.

Grüße

Hal

 
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Hallo Hal,

hab keine Kommentare gelesen, wird sich also bestimmt einiges überschneiden.

das finde ich sehr gut, weil dann einige Eindrücke, wenn sie sich überschneiden, was hier mehrmals der Fall war, ein ganz anderes Gewicht bekommen.

Ich beginne mal frei mit dem Sprachproblem. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass die Sprache in der Geschichte nicht gelungen ist. es ist ja so, dass die meisten Figuren eine von der Straßenszene abgehobene Sprache verwenden, das ist natürlich Absicht und erhebt keinen Anspruch auf Authentizität. ebenso wenig auf Originalität, dessen bin ich mir bewusst, aber ich finde diesen Mix von Halbwelt-Setting und ausgesuchter Klugscheißer-Sprache prinzipiell attraktiv, und ich habe auch eine Vorstellung davon, was es bedeutet, so eine Geschichte zu schreiben, aber trotzdem war mir das während des Schreibens unangenehm, jetzt glaube ich das liegt daran, weil das in der Sache so eine unkritische Übernahme vom Tarantino-Stil ist. und bei ziemlich vielen kommt sie noch dazu wie eine schlechte Imitation an, also Gymnasiasten in Gangsterklamotten, diese Assoziation wollte ich nun wirklich nicht hervorrufen. für mich war diese Geschichte eine ernste Angelegenheit, die ich attraktiv verpacken wollte.

Und für wen die Sprache hier nicht funktioniert, für den funktioniert die Geschichte nicht. Die läuft ja fast ausschließlich über Dialoge. Ich glaube Rat muss so hochgestochen sprechen, damit er die zum Teil recht differenzierten Ansichten bspw seines Moralverständnisses benennen kann, und natürlich auch, um möglichst krasse Fallhöhen zwischen Schlausprache und Gossensprache zu haben.
Ich bin leider nicht ganz sicher, warum die Sprache für die KG-Fraktion, die der Geschichte ihre Sprache nicht abnimmt, nicht funktioniert. Sie wirkt unglaubwürdig und deswegen überzogen und deswegen teilweise lächerlich, aber sie wirkt scheinbar nicht so überzeichnet, dass sie schon wieder Spaß macht. Das ist so mein Resumee.

Wenn ich aber eine Sprache erfinde, die der Szenensprache, wie ich sie erlebe, ähnelt, kann ich meine Leute fast nichts sagen lassen, weil die meisten Wortschätze in diesem Umfeld sehr beschränkt sind, und ebenso die Gedanken, die meistens nicht über das Naheliegendste hinauskommen, was wohl an dem Lebensstil der Junkies liegt.

Wenn die Sprache aber noch mehr überzeichnet wird, entwickelt sie sich Richtung pynchonscher Klamotte, das will ich auf keinen Fall.

Auf jeden Fall ist es glaube ich ganz wichtig, was du sagst: Dass eine Sprache erfunden werden muss - Man muss eine Sprache erfinden, die sich an die Straßensprache anlehnt, Ticks und Angewohnheiten sind wichtig, verschleifte, verstümmelte und verschluckte Worte. kaputte Grammatik, aber auch der typische Duktus, ob der jetzt hart oder hochgestochen ist oder einfach nur mal arm. Foster Wallace hat das stellenweise sehr gut hinbekommen, da sind wir uns einig, aber auch "Cash" von Richard Price finde ich da sehr gelungen - also in meinem Fall die Übertragung ins Deutsche.

Meine Sprache hier ist eher eine theatralische, die riecht nicht nach Gosse, sondern nach Autor, der durchs 'Bat-Land' fahren will.

Hier im Prinzip das Gleiche. Ich kenne das Prinzip Reue nur aus der Theorie ... Sagt jemand so etwas mal eben so?

Nein, normalerweise nicht. Das ist das theatralische in dieser Geschichte.
Ich stelle mir vor, dass sie ihm vorher entgegnete, er würde nichts bereuen, habe noch nie etwas bereut!
Und seine Antwort wäre dann eine ironische. So stelle ich mir das vor.

Auch ziemlich krass. Hier war ich mir allerdings nicht sicher. Meint sie das als Vorwurf, würgt sie ihn absichtlich ab? Immerhin redet er ganz sicher nicht von ihrem ersten Druck ...

ja krass sollte es sein. aber nicht nur um der Krassheit willen, sondern auch der Vollständigkeit halber, weil das ihre Beziehung eben auch ausmacht. ganz deutlich wird mir auch nicht, wie sie das meinen könnte.
aber es ist vorstellbar, dass eine erste Liebe dieses zerstörerische Element hat, und wenn man das dann zig Jahre später zur Sprache bringt und jemand über diese Zerstörung nicht hinausgekommen ist, wie könnte sich diejenige fühlen, was könnte sie mit so einem Hinweis zum Ausdruck bringen wollen? Oder es ist nur eine wortgewordene Erinnerung, wenn sie vorher ganz bei ihm war und sich überlegte, was ihre 'ersten Male' waren und dann ergänzt sie schlicht.

Aber irgendwie würde das nicht zu ihr passen, so wie Du sie zeichnest – zumal sie ihn ja erpresst hat, wie man später erfährt.

mir war wichtig, dass Verantwortung und Schuld eben nicht nur bei ihm liegt. ich meine er trägt ja schon den Löwenanteil, das ist ihm auch bewusst, aber es macht ihm wenig aus. dazu soll die menschenfängerische, über den Dingen stehende Art passen, die ich ihm auf den Leib schreiben wollte. und dazu passt mE seine Sprache ausgezeichnet.

die Details. Das hat mir gefallen.

finde ich enorm wichtig. dass die Feinstrukturen in einer Geschichte stimmen.

Diese Szene, ich weiß nicht ... Vielleicht würde mir das gefallen, wenn es comichafter wäre. Überzeichneter, schon eine Spur ins Lächerliche. Hier sehe ich nur einen Abklatsch einer Szene, wie man sie aus tausend Filmen kennt.

ja, diese Szene kann ihre medialen Herkünfte nicht verleugnen. wie auch einige andere, das zu leugnen wäre albern. aber ich dachte, ich könnte das effektiv ins textliche übertragen. und dazu noch genug neues mitbringen, um es über das schlichte Imitat hinauszuheben.

Da gibt es doch die Szene, wo diese Junkies miteinander rumhängen und einer von denen an einer Überdosis stirbt (während es ihm den Augapfel aus dem Schädel drückt) – eine ziemlich eklige, harte Szene. Aber nicht nur aufgrund dessen, was sich dort abspielt, sondern aufgrund der Sprache. Ich glaube das ist der Hauptgrund, weshalb ich das noch im Gedächtnis habe.

ich nehm mir das Ding für die Zugfahrt morgen mit, werd das mal nachlesen. aber im allgemeinen glaube ich zu seinen Geschichten, dass sein besonderer Stil da ne ganze Menge Wirkung ausmacht. nicht sehr auf Eleganz bedacht, und, wie schon mal geschrieben, häufig dachte ich das wäre die unlektorierte erste Version, der Satzbau allein wirkte bisweilen sehr roh und brutal. wenn ich an U.S. denke, fallen mir seine unelegant aneinandergeklatschten Monstersätze ein, die bisweilen so unglaublich viel Kraft auf engem Raum produzieren. aber genug davon, das bin ja nicht ich. :D ich habe mich hier um Schönheit und Kraft bemüht, ich habe gefeilt und gekürzt.

Du müsstest mir eine Welt zeichnen, die („vor dem dramatischen Hintergrund schwerer Regenwolken“) so trostlos und für diese Figuren so ausweglos ist, dass ich solche Szenen auch als echt empfinden kann. Und das könnte mit einer anderen Sprache schon deutlich besser funktionieren.

ferrum lands / land: ing crstz!rtw / pika chu pika (vielleicht mit solchen Elementen?) also jetzt keine ausschließlich trostlose und ausweglose Welt, die literarische Welt meiner Wahl wäre das auch, aber aber nur zu Tiefpunktzeiten, ansonsten vor allem verrätselt, sich ins Absurde verwirbelnd, eine Atmosphäre voller Seltsamkeiten, deren Bilder einen innehalten lassen und den Leser wundern machen, was er da gerade betrachte, die sich dem Verständnis entzieht und den Betrachter fragen lässt, ob er sich jetzt fürchte oder traurig wäre. so wie manche neueren Bilder von Neo Rauch.
aber noch mal zu dieser Geschichte: wahrscheinlich arbeite ich mit dieser theatralisch aufgesetzten Sprache gegen die Atmosphäre. das ist sehr interessant.

danke für den Kommentar, den fand ich sehr hilfreich,
Grüße,
Kubus

Hallo Quinn,

danke für die Kurzfassung des Mythos und das Aufzeigen des Transformations-Problems. das ist beides sehr spannend. aber eins von beiden ist außerdem gerade mein Problem. und führt über diese Geschichte hier hinaus, zu dem Thema Charaktere, die sich infolge eines bewältigten Konflikts bspw wandeln, die ihre Überzeugungen ändern und sich auf eine Weise verhalten, die vorher nicht zu ihnen gepasst hätte. darüber reden wir schon ein bisschen länger und vor allem durch dein wiederholtes Thematisieren ist mir das ebenfalls Thema geworden.
in 'Tricks' habe ich das mal ausprobiert und war mit dem Ergebnis sehr unzufrieden. in 'Anas Rat' kann ich mir keine Wandlung vorstellen, was vielleicht an der spezifischen Charakterzeichnung liegt. das hiesige Ende beinhaltet in meinen Augen auch keine echte Wandlung, sondern Rats kleinstmögliches Zugeständnis, das durch den spöttischen Ton nah am Rand der Grausamkeit ist. was ich am Rande interessant finde: diese Geschichte ist ja hier sehr gemischt aufgenommen worden und unsere Damen haben dazu geschwiegen (Jos Vorbeischauen war ja leider sehr kurz); im Real Life waren die Frauen, die das gelesen haben, begeistert bis fasziniert.

ich danke auch dir noch einmal,
und Grüße,
Kubus

 
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Hallo Kubus,

Du sagts, diese Geschichte haengt mit "Gift" zusammen. Das ist auch deutlich erkennbar. Ich werde sie deshalb auch an "Gift" messen, das mir, wie Du weisst, ja sehr ans Herz gegangen ist. Und das, wie ich weiss, auch Dir sehr am Herz liegt.
Die Anlage von Rat als Gegenbild zum feinfuehligen Art gefaellt mir gut. Es stoert mich gar nicht, dass man Rat zwar folgen, aber nicht in ihn reingucken kann - das erscheint mir folgerichtig. Es ist auch gut, dass Du das nicht konsequent durchhaeltst. Also, dass Rat sich zum Schluss doch um Ana kuemmert, ist wichtig und schoen.
Besonders das hier:

„So, jetzt bist du geheilt!“, lachte Rat. „Bis zur Hochzeit wird nichts mehr zu sehen sein. Komm, ich mach uns einen Früchtetee.“

Also ich seh das so: Im Grunde ist Rats Dilemma ja, dass er so ein cooler handlungsfaehiger Macher ist. Denn im Grunde gibt es nicht zu machen. Er kann Ana nicht vor sich selbst retten, indem er loszieht und Sachen regelt. Das einzige was er tun kann, und was jetzt wichtig waere, ist da sein und Tee kochen und Pflaster kleben. Aber das kapiert er nicht und um seine Hilflosigkeit zu ueberspielen, rennt er los, verbietet Drogenabgabe und erschiesst Maexchen. Insofern kann ich dieses eher unglaubwuerdige Cowboytum akzeptieren.

Das ist zumindest der Aspekt dieser Geschichte, der mich interessiert. Dieses ganze Gangsta-Zeug hingegen ist mir relativ schnuppe und z.T. (Yuppie-Loft), doch arg klischeehaft. Das ist mir alles nicht genuegend auf das oben beschriebene Dilemma zugespitzt.
Mit der Mutter hast Du Dir meiner Meinung nach mal wieder einen Kropfcharakter geschaffen. Es waere doch emotional viel aufruehrender, wenn Ana selbst um Hilfe bittet und er erst nicht so recht will. Vielleicht bin ich ein bisschen ein Konzentrations-Fetischist, was so ein Figurenensemble angeht. Aber die Mutter erscheint mir unnuetz (ausser als Schreiberin des Zettels).

Und trotz dieses verschutteten, potentiell anruehrenden Konflikts erreicht mich dieser Text nur sehr selten. Die Schlussszene ist schoen und auch Anas Schubladending. Generell haben mir die Ana-allein-Stellen gut gefallen. Aber Juju hat da schon recht, man muesste da schon mal so ein bisschen ausduennen. Oft beschreibts Du ein Gefuehl ein mal richtig gut, und dann noch zwei mal schwaecher. Das bringt's nicht. Du baust deine Gefuehlsholzklotzchen so hoch, bis der Turm einstuerzt.

Und jetzt kommt die Hauptkritik und der Punkt in dem sich dieser Text so sehr von "Gift" unterscheidet: Du verraetst Dein Herzenthema mit verkopften, selbstverliebten Stilspielereien. Das macht mich fast ein bisschen boese, weil ich es echt schade finde. Schade auch, weil andere Dich bereits drauf hingewiesen haben, und Du trotzdem noch dran festhaeltst. Es geht um die garstigen inquits, die ja offenbar der reinen Sturheit entspingen. Die sind soooo haesslich. Und nein, sie erzeugen keine Spannung, sondern Ueberdruss. Ich kann doch das Satzende eh schon eine Viertelsekunde spaeter lesen. Und wenn ich als Leser dadurch besonders gefordert werden soll, dann nervt es mich gleicht doppelt, dass ich da wie ein Tanzbaerchen vom Autor am Nasenring herumgefuehrt werden soll (erinnert mich ein bisschen an die Leerstellendiskussion - ist hier aber schlimmer, weil viel haesslicher und unnoetiger). Der Einstieg ist auch echt ungluecklich mit diesem kastrierten Dialog mit der Kropfmutter. Und zu guter Letzt die ueberkandidelte Sprache - gut das hast Du bereits eingesehen, aber so aender es doch auch! Es macht die Geschichte kaputt.
Inquits, Einstiegsmonodialog und Kunstsprech sind nicht schick sondern eitel und erzeugen, voellig kontraproduktiv fuer die Geschichte Distanz, Distanz und Distanz. Das lenkt ab von der zarten zwischenmenschlichen Geschichte, die doch so erzaehlenswert ist. Und deshalb kommt die Geschichte fuer mich auch nicht an "Gift" ran, weil sie in der derzeitigen Form nicht ans Herz gehen kann. Weil sie sich in Stil und Coolness verzettelt. Hinzu kommt, dass ich an "Gift" auch den zarten Humor so sehr geliebt habe, der alles nur noch trauriger gemacht hat. Hier hab ich keinen Humor gefunden, oder moeglicherweise coolen Gangsta-Humor uebersehen, der mir eh nichts kann.

So, bitte sehr, die gewuenschte weibliche Meinung ;)

Frohes Neues,

fiz

P.S.: Der Titel ist super!

 

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