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Ana

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05.10.2015
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Ana

Der Raum ist gross und kahl. Die Wände sind weiss gestrichen, der Fussboden besteht aus kleinen Kacheln. In der Mitte stehen ein grosser Tisch aus Metall und zwei Klappstühle. Zwei Mädchen sitzen einander gegenüber, sie blicken sich gegenseitig starr in die Augen, ohne zu blinzeln. Vor ihnen auf dem Tisch liegt eine Sanduhr. Ansonsten ist der Raum leer.
Das Mädchen auf der rechten Seite beugt sich vor und stellt die Uhr auf. Beide beobachten, wie der Sand langsam durch die Öffnung rieselt. Es ist kein Geräusch zu hören, die Stille liegt wie ein schwerer, erdrückender Mantel über dem ganzen Raum. Eine Weile lang sagt keine der Beiden etwas, schliesslich seufzt das Mädchen auf der linken Seite laut auf.

„Da geht sie hin.“
„Wer?“
„Die Zeit.“

Das Mädchen auf der rechten Seite lächelt spöttisch, erwidert aber nichts. Stille senkt sich wieder über den Raum. Nach einer Weile ergreift das Mädchen auf der linken Seite wieder das Wort.

„Kümmert dich das denn gar nicht?“
„Mir ist es egal.“
„Natürlich ist es dir egal. Dir ist alles egal.“
„Du bist mir nicht egal.“
„Du lügst.“

Das Mädchen auf der linken Seite blickt feindselig. Trotzig hebt es das Kinn. Es fixiert einen Punkt auf der Wand vor ihm und vermeidet jeglichen Augenkontakt. Nichts rührt sich ausser dem Sand, welcher unaufhörlich nach unten rieselt. Nach einer Weile beugt sich das Mädchen auf der rechten Seite vor. Seine Stimme ist sanft.

„Was ist los?“
„Ich hasse dich.“
„Nein, das tust du nicht. Ich bin deine Freundin.“
„Du machst mich kaputt. Du tötest mich.“
„Aber nur, weil du es zulässt.“

Das Mädchen auf der linken Seite verstummt unsicher und blickt zu Boden. Das andere Mädchen fährt fort.

„Ich beschütze dich. Ich mache dich zu etwas Besonderem, etwas Wertvollem. Du solltest mir dankbar dafür sein.“
„Bin ich auch.“
„Schau, wie schön du jetzt bist. Wie dünn und leicht du jetzt bist. Willst du etwa sagen, dass das nicht das ist, was du immer gewollt hast?“
„Es ist das, was du immer gewollt hast.“
„Es gibt kein Du und kein Ich. Du bist ich. Wir sind Wir. Verstehst du das denn nicht?“

Das Mädchen auf der linken Seite schweigt. Mit den Fingern zeichnet es unsichtbare Muster auf der Tischfläche nach. Schliesslich nickt es zögernd.

„Doch, ich verstehe es.“
„Wir gehören zusammen, das weisst du.“
„Ja.“
„Wegen mir hast du aufgehört zu essen. Das wolltest du doch.“
„Ja.“
„Ich bin schon längst ein Teil von dir. Du kannst mich nicht einfach so aufgeben.“
„Ich weiss.“
„Gut.“

Das Mädchen auf der rechten Seite wirkt zufrieden. Es steht auf und läuft um den Tisch herum. Vertraulich legt es dem anderen Mädchen die Hand auf die Schulter und beugt sich zu ihrem Ohr.

„Kannst du dich noch daran erinnern, wie dich die anderen früher ausgelacht haben? Was haben sie dir immer gesagt?“
„Böse Wörter. Hässlich, dick.“
„Und schau dich jetzt an. Wie du dich verändert hast. Die anderen bewundern dich. Sie wollen so sein wie du.“
„Meinst du?“
„Ja.“

Das Mädchen auf der linken Seite stützt sich auf die Tischplatte und vergräbt den Kopf in seinen Händen. Lange Zeit sagt sie nichts. Im oberen Teil der Sanduhr ist inzwischen fast kein Sand mehr übrig geblieben. Schliesslich hebt das Mädchen seinen Kopf.

„Ana?“
„Ja, mein Schatz?“
„Die Ärzte sagen, dass ich sterben werde.“
„Du wirst nicht sterben.“
„Aber was, wenn doch?“
„Für mich lohnt es sich zu sterben.“

Ana streichelt dem anderen Mädchen sanft über die Schulter. Sie beugt sich noch weiter vor.

„Steh auf.“

Das Mädchen auf der linken Seite steht auf und wendet sich Ana zu. Reglos stehen die beiden voreinander. Sie mustern sich abwartend. Dann gehen sie langsam auf einander zu und umarmen sich. In ihrer Umarmung scheinen sie ineinander zu verschmelzen, ihre Umrisse werden unscharf und verschwimmen schliesslich ganz. Übrig bleibt ein einziges, zusammengekauertes Mädchen auf dem Boden. Sie wirkt dünn und zerbrechlich, ihre Rippen und Schulterblätter stehen spitz hervor. Sie hat ihre schmalen Arme um sich geschlungen und summt beruhigend vor sich hin, bis sie immer leiser und leiser wird. Schliesslich verstummt sie ganz.

Neben ihr, auf dem Tisch, fällt das letzte Sandkorn durch die Uhr.

 
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Liebe(r) lenk,

'Magersucht' scheint in dieser Woche das Thema bei den Wortkriegern zu sein. Du hast sicherlich auch den Text von Tintenfisch gelesen.

Dein Text erinnert mich sehr stark an einen Leserartikel in Zeit-Online, in dem das Phänomen ‚Ana’ beschrieben wird:

http://www.zeit.de/community/2015-03/magersucht-anorexie-gedanken
Anas gefährliche Umarmung

In der schlimmsten Phase meiner Magersucht habe ich sogar mit ihr gesprochen. Meine Form der Essstörung, Anorexie, wird auch Ana genannt. Also habe ich Ana gebeten, immer bei mir zu bleiben, immer für mich da zu sein. So oft wurde ich schon verlassen, so oft schon habe ich Menschen verlassen, die mir Schlechtes angetan haben. Doch man kann und will nicht immer allein sein in seinem Leben. Irgendwann sehnt sich jeder nach Liebe, nach Wärme, nach Zuneigung, und nach etwas oder jemandem, der für einen da ist. Sicherheit, Halt, Kontinuität. Ana hat mir all das gegeben. Am stärksten war sie in meinen schwächsten Momenten. Wenn ich sie brauchte, war sie da, und ich brauchte sie eigentlich immer. Immer mehr und immer häufiger. Ständig. Ihre Umarmung tat mir gut. Und je mehr ich mich auf Ana verließ, je mehr ich mich in sie und ihre starken Arme fallen ließ, desto weniger brauchte ich noch die Nähe oder Zuneigung von anderen. Ich entfernte mich von fast allen Menschen aus meinem Umfeld – und kam Ana und ihrem Wahnsinn näher und näher. Zwischen uns wuchs eine Liebe, eine Hassliebe.

Wie es scheint, hast auch du dich mit diesem Phänomen beschäftigt, denn dir gelingt ein eindringlicher und glaubhafter Dialog zwischen den beiden Seiten der Prot. Beide Ichs bringst du dem Leser nahe, machst sie spürbar und erfahrbar.

Ich kannte Ana aus dem obigen Zeit-Artikel und wusste deshalb recht bald, um was es ging. Aber ich glaube, für einen Leser, der diese Voraussetzung nicht hat, kommt die Schluss-Szene, und damit die Auflösung, wirklich überraschend.

Gut gefällt mir auch das Element der Sanduhr, das sich durch den gesamten Text zieht. Die Sanduhr als Symbol der Vergänglichkeit und des Todes – sehr schön.

Ein paar Kleinigkeiten:

Nicht ganz glücklich war ich mit der häufigen Wiederholung: Das Mädchen auf der linken Seite – Das Mädchen auf der rechten Seite. Aber ich habe auch keinen Vorschlag, wie sich die Unterscheidung besser hinbekommen ließe.

die beiden - immer klein

aufeinander zugehen

Das Mädchen auf der linken Seite stützt sich auf die Tischplatte und vergräbt den Kopf in seinen Händen. Lange Zeit sagt sie nichts.

Wir machen das immer gerne, aber eigentlich müsste der richtige Bezug ‚es’ sein.

Dein Text hat mir gefallen und ich habe ihn gerne gelesen.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo lenk,

Der Raum ist gross und kahl. Die Wände sind weiss gestrichen, der Fussboden besteht aus kleinen Kacheln. In der Mitte stehen ein grosser Tisch aus Metall und zwei Klappstühle.
Diese drei Sätze sind der Anfang deiner kleinen Geschichte. Sie verraten, außer dass du höchstwahrscheinlich Schweizer/in bist, nur, wie der Raum aussieht. Finde ich recht langweilig.
Gerade der Anfang muss einen zum Weiterlesen animieren, sonst macht die Maus einmal Klick und schon ist man bei der nächsten Geschichte.

Warum beginnst du nicht sofort mit dem ersten Dialog und beschreibst dann den Raum? Das macht es doch sofort viel spannender.

„Da geht sie hin.“
„Wer?“
(ZEILENWECHSEL) „Die Zeit.“
Der Raum ist gross und kahl. Die ...

Ansonsten habe ich nichts zu meckern, außer dass die vielen Zeilenwechsel nicht nötig sind, außer siehe oben und hier:
„Bin ich auch.“
(ZEILENWECHSEL) „Schau, wie schön du jetzt bist. Wie dünn und leicht du jetzt bist. Willst du etwa sagen, dass das nicht das ist, was du immer gewollt hast?“

Hat mir gefallen. :)
Viel Spaß hier noch.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Danke für die Rückmeldungen! Haben mir sehr geholfen :) GoMusic: Stimmt zwar, aber mir ist trotzdem nicht ganz klar warum du von dieser Raumbeschreibung darauf schliessen kannst, dass ich Schweizer/in bin :lol:

Grüsse, lenk

 

Hallo Lenk,

verraten haben es die vielen"Doppel-S", wo man auf der anderen Seite der Berge das "scharfe S", also "ß", verwendet :-)

LG, GoMusic

 

Hallo lenk,
ich möchte mich maria.meerhaba anschließen. Deine Rückmeldungen erscheinen mir recht dürftig - teilweise bleiben sie ganz aus. Dieses Forum lebt vom Austausch und eben auch davon, dass man sich mit den Kritiken auseinandersetzt und sie damit würdigt.

Gruß
barnhelm

 

maria.meerhaba und barnhelm
Ich hab das jetzt umgehend nachgeholt! Tut mir Leid, dass ich nicht immer auf die Kritiken eingegangen bin :( Ich habe zum einen nicht realisiert, dass das hier so schlecht aufgenommen wird, und wusste zum anderen auch nicht, wie genau ich auf negative Kritik reagieren soll. Ich werde aber in Zukunft immer darauf eingehen!

Gruss, lenk

 

Hallo lenk!

Ich möchte dir nur kurz sagen, dass bei den Wortkriegern viele es auch schlecht aufnehmen, wenn ein Autor hier nur seine Texte postet und auf Kommentare wartet, aber niemals selbst Kommentare zu Texten anderer verfasst. Geben und nehmen, weißt du?

Grüße,
Chris

 

Hallo Chris
Ich habe mich bis jetzt ehrlich gesagt nicht getraut, die Texte anderer zu kritisieren, da ich selbst gerade erst mit Schreiben angefangen habe. Die meisten hier sind ja schon ziemlich lange dabei und wissen viel besser, auf was es bei einem Text ankommt. Kann das aber gerne ändern.
Gruss, lenk

 

Hallo lenk!

Für mich ist das größte Problem an der Geschichte, dass man die Protagonistin nicht kennenlernt. Sie ist ein total anonymes "Mädchen", nicht mal einen Namen hat sie. Sie ist fremd und bleibt fremd. Sie braucht ein Gesicht! (Das Gesicht der Flüchtlingskrise ist ein toter, kleiner Junge, dessen Gesicht man nicht mal zu sehen bekommt. Dieses Bild hat sich in unzähligen Köpfen festgefressen.) Dein Mädchen braucht ein Gesicht, also eine Persönlichkeit.
=> Interessant finde ich, dass maria in ihrem Kommentar von "zwei Protagonistinnen" spricht. (Das ist keine Kritik an dich, maria!) Auch etwas, worüber du nachdenken solltest, lenk: Ich sehe ein Mädchen, maria zwei. Ist also deutlich genug, was du schreiben wolltest, lenk? Oder kannst du umschreiben/umändern, damit das, was du erzählen willst, ein wenig klarer rüberkommt?

Barnhelm hat es schon angesprochen: den Text "Gewinner" von Tintenfisch, der ebenfalls das Thema Magersucht hat. Falls du ihn noch nicht gelesen hast, dann hole das nach. Überlege mal, was Tintenfischs Text hat, das deinem fehlt.

"Ich habe mich bis jetzt ehrlich gesagt nicht getraut, die Texte anderer zu kritisieren, da ich selbst gerade erst mit Schreiben angefangen habe"
=> Trau dich. So wie du als Schreibanfänger dich traust, hier Texte der Kritik auszusetzen, kannst du dich sicher auch trauen, zu anderen Texten deine Meinung zu sagen.

"Die meisten hier sind ja schon ziemlich lange dabei und wissen viel besser, auf was es bei einem Text ankommt."
=> Und alle haben irgendwann den ersten Kommentar verfasst. Dabei geht es auch gar nicht um eine umfassende Textanalyse, sondern einfach nur um deine Meinung. Was gefällt dir, was nicht? Du hast doch sicher eine eigene Meinung? Musst sie nur in den Kasten unter dem Text tippen, fertig.

Dazu noch:
"und wusste zum anderen auch nicht, wie genau ich auf negative Kritik reagieren soll."
=> Sieh Kommentare nicht als "positiv" oder "negativ" an, sondern als Möglichkeit, Meinungen anderer kennenzulernen. Und als Möglichkeit, aufgrund anderer Meinungen über deinen Text nachzudenken, herauszufinden, was du mit dem Text sagen willst, wo du mit dem Text hinwillst (und wie du ihn, auf dieses Ziel hin, verbessern kannst).

Grüße,
Chris

 

Hey lenk,

bin nur grad darüber gestolpert:

Ich habe mich bis jetzt ehrlich gesagt nicht getraut, die Texte anderer zu kritisieren, da ich selbst gerade erst mit Schreiben angefangen habe. Die meisten hier sind ja schon ziemlich lange dabei und wissen viel besser, auf was es bei einem Text ankommt.

Das versteh ich und das hab ich mir am Anfang auch gedacht (denk ich mir manchmal immer noch, weil ich auch noch nicht so lang hier dabei bin). Aber ich glaube, man freut sich über jeden Kommentar, egal von wem er kommt und kann damit etwas anfangen.

Liebe Grüße,

Tintenfisch

P.S. Jetzt seh ich grad, dass Chris gleichzeitig was ähnliches geschrieben hat. ;) Aber egal, jetzt hast du halt gleich die doppelte Ermunterung :D

 

Hallo zusammen
maria.meerhaba
Danke für kommentieren, ich hab beim durchlesen einige Denkanstösse gekriegt :)

Und beide erhalten nur diese Rollen, ohne eine facettenreiche Persönlichkeit zu haben, die ein Mensch haben sollte.

Chris Stone hat das ja ebenfalls kritisiert, ich werde da wohl noch einiges überarbeiten müssen, damit die Prost glaubwürdiger werden :)
Man kann natürlich sagen, dass die beiden Prots selbst zwei verschiedene Facetten von ein und derselben Person darstellen. Das rechte Mädchen ist die Magersucht selbst, während das linke Mädchen ihr "Opfer" ist. Und ich wollte in dem Text ja vor allem über Magersucht an sich und nicht über das Mädchen selbst schreiben. Ich verstehe aber gut, dass das der Geschichte ihre "Lebendigkeit" nimmt und sie dann aufgesetzt wirkt.

Schreib mal einen längeren Text, so wirklich schön lang mit mindestens sieben bis acht Seiten

Danke für den Tipp, mir geht halt bei längeren Texten immer sehr bald die Puste aus, aber ich werde versuchen :) Das Ende hab ich extra offen gelassen, aber wie barnhelm schon gesagt hat, steht die Sanduhr für den Tod. Somit wäre es naheliegend, dass sie am Ende stirbt.

@ Chris Stone

Ist also deutlich genug, was du schreiben wolltest, lenk?

Ja, hab auch grad gemerkt, dass der "Plot" meiner Geschichte vielleicht nicht klar genug dargestellt wurde. Ich will aber auch nicht, dass das ganze dann zu offensichtlich wird, man muss da wohl genau die richtige Mitte finden :hmm:

Den Text von Tintenfisch habe ich noch nicht gelesen, werde das aber gleich nachholen. Und vielen Dank für eure Ermunterungen, ich werd mich dann wohl mal trauen meinen Senf dazuzugeben :D

Gruss, lenk

 
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doppelt brauchts nicht fw

 
Zuletzt bearbeitet:

"Die Zeit geht nicht, sie stehet still,
Wir ziehen durch sie hin;
Sie ist die Karawanserei,
Wir sind die Pilger drin.

..."Gottfried Keller​


Für mich ist das größte Problem an der Geschichte, dass man die Protagonistin nicht kennenlernt. Sie ist ein total anonymes "Mädchen", nicht mal einen Namen hat sie. Sie ist fremd und bleibt fremd. Sie braucht ein Gesicht!

Hallo Chris Stone,

"entfremden" kann ich Dir das Mädchen nicht, schon gar nicht ein Gesicht geben, aber Ana ist zunächst mal ein hebr/aramäischer Männername (eines Schwiegervaters des Esau) und vllt. eine Variante des weibl. Vornamens Anna, der hebr. Hannah. Der bedeutet zunächst mal Gnade (hebr. Namen haben das so an sich, dass sie religiös angehaucht sind), aber auch Anmut und Liebreiz, womit - wenn man denn nicht Namen für Schall und Rauch erklärt - schon mal eine persönliche Eigenschaft ohne großartige Beschreibung gegeben wäre. Nennen wir das die helle Seite des Mädchens, dass da mit der verrinnenden Zeit - symbolisiert durch die Sanduhr - spielt.

Hallo lenk,

jetzt mischt der sich wieder ein! So ist das manchmal mit dem Schreiben, dass etwas hineingelesen werden kann, was der/die Autor/in so gar nicht auf dem Schirm hatte. Und wenn ich schon mal dabei bin, soll's denn auch weiter verfolgt werden. Die kürzest mögliche Interpretation steht ja schon im ersten Absatz hier oben drüber.

Der Raum ist ...
Warum die Beschreibung, fragt da einer. Weil es um Zeit geht und die Zeit ist nix ohne den Raum, ob in einer Zelle, der Sanduhr, einer Kammer, unterm Himmelszelt oder im großen und ganzen leeren (Welt-)Raum. Denn ohne Raum keine Veränderung, die wir als Zeit-Ablauf wahrnehmen

Eine Weile lang sagt keine der eiden etwas,
"beide" klein, grundsätzlich, hier vor allem, weils Attribut und nun Stellvertreter der beiden Mädchen ist.

Das Mädchen auf der linken Seite blickt feindselig.
Symbolik von rechts und links. In der christl. sitzet der Sohn "zur rechten des Vaters", aber links schlägt an sich das Herz ... Und die dunkle Seite, die jeder hat, der sich aber nicht jeder unterwirft, hat sich hier einem Modetrend unterworfen, der Morgen schon wieder durch barocke Formen aufgehoben wird ... Ein schönes Bild für den außengeleiteten, heute vorherrschen Menschen, wie ihn David Riesman bereits in The Lonesome Crowd (dt. Die einsame Masse) in den 1950er Jahren beschrieben hat.

Nun, der Dialog gefällt mir und Du hältst "das" Mädchen als sächlich durch (die meisten satteln spätestens nach dem zwoten Satz vom neutr. "es" aufs fem. "sie" um, als wäre damit irgendetwas gewonnen.) Aber hier widerfährt dann doch das Missgeschick gegen Ende des Satzes

Vertraulich legt es dem anderen Mädchen die Hand auf die Schulter und beugt sich zu [seinem, nicht: ihrem] Ohr.
Und dann passiert es doch
Lange Zeit sagt sie nichts.
und weiter unten
Sie beugt sich noch weiter vor.

Dabei ist im Deutschen das "es" das mächtigste Pronomen überhaupt, wird es doch zum Stellvertreter Gottes, buchstäblich, wenn es bei Luther heißt "es werde ..." und es ward ...

„Steh auf.“
Klingt doch nicht nach bloßer Aussage!

Sie wirkt dünn und zerbrechlich, ihre Rippen und Schulterblätter stehen spitz hervor. Sie hat ihre schmalen Arme um sich geschlungen und summt beruhigend vor sich hin, bis sie immer leiser und leiser wird. Schliesslich verstummt sie ganz.

Das "sie" als Kapitulation!
Dort vorm Leben, hier vor der Umgangssprache ...?

Und dann doch die Frage, ohne diskriminierenden Hintergrund, weil Du ja Deine Herkunft mit Weißrussland an anderer Stelle genannt hast,

lenk,

kann es sein, dass Deutsch nicht Deine Muttersprache ist?


Gleichwohl, gern gelesen vom

Friedel,
der noch en schönes Wochenende wünscht!

Mascha Kaleko - für mich der weibl. Pendant zu Heine - hat auch über die Zeit geschrieben, und die ersten Zeilen lauten, nicht viel anders als die vier ersten Gottfried Kellers,

"Die Zeit steht still.
Wir sind es, die vergehen.
..."​

 

Lieber Friedrichard

Danke für dein grosses Interesse an meinen Geschichten :D

Zu deiner Interpretation von Anas Namen muss ich leider zugeben, dass ich diesen nur gewählt habe, da "Ana" eine Abkürzung für Anorexie oder eben auch Magersucht ist. Freut mich aber, dass man hier anscheinend noch viel mehr zwischen den Zeilen lesen kann. Dieses Zusammenspiel von Zeit und Raum war beabsichtigt. Über die Symbolik von rechts und links habe ich mir ehrlich gesagt auch nicht all zu viele Gedanken gemacht, ist in diesem Fall aber natürlich sehr praktisch. :)

Verglichen zu den anderen Geschichten waren da wohl nicht ganz so viele Rechtschreibfehler drin. Hab mir so Mühe gegeben, das Mädchen sächlich durchzuhalten, bin aber wie immer irgendwo im Text daran gescheitert. Das war auch im letzten Abschnitt ein Rechtschreibfehler und keine Absicht. Danke fürs korrigieren! :D

Deine Frage wirft mich dann doch etwas aus dem Konzept, da ich mir bis jetzt eingebildet habe, normale bis gute Deutschkenntnisse zu haben. Deutsch ist meine Muttersprache, ich bin aber zweisprachig aufgewachsen, vielleicht ist da eine von beiden etwas zu kurz gekommen :)

Gruss, lenk

 

Hallo Lenk,

nur mal ein paar Worte zu deiner Geschichte, die mir recht gut gefällt, weil sie in sich stimmig ist, wohl komponiert, wenngleich sie mir zu wenig lebendig erscheint, zu sehr auskomponiert, sodass mir als Leser eine zu große Distanz gelingt und ich mich nicht wirklich mit der bzw. den Protagonistinnen beschäftigen muss.

Ein wenig wie ein Stück von Becket, nur dass es im "Endspiel" oder in "warten auf Godot" gleich um die ganze Welt geht.

Das Mädchen auf der linken Seite steht auf und wendet sich Ana zu. Reglos stehen die beiden voreinander. Sie mustern sich abwartend. Dann gehen sie langsam auf einander zu und umarmen sich. In ihrer Umarmung scheinen sie ineinander zu verschmelzen, ihre Umrisse werden unscharf und verschwimmen schliesslich ganz.
Sehr schön (und hier verlässt du die karge Sprache zuvor :)

viele Grüße
Isegrims

 

Hallo Isegrims

Vielen Dank für deine Kritikpunkte und dein Lob. Ich werde mir beim Überarbeiten Mühe geben, die beiden Charaktere etwas lebendiger zu gestalten.

ein wenig wie ein Stück von Becket, nur dass es im "Endspiel" oder in "warten auf Godot" gleich um die ganze Welt geht

Dieser Kommentar trifft es sehr gut, ich hatte beim Schreiben der Geschichte tatsächlich Beckets "warten auf Godot" im Kopf. Mich hat sein Schreibstil immer sehr beeindruckt und es freut mich, dass man seinen Einfluss wohl ein bisschen in meinem Text spüren kann :)

LG, lenk

 

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