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An der Zapfsäule

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10.09.2003
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An der Zapfsäule

Ich bin kein Mann großer Worte; keiner dieser Literaten, die Wein trinken, während sie fehlerfrei auf einer antiquierten, aber reibungslos arbeitenden Schreibmaschine große Dinge zu Papier bringen, die Menschen bewegen und zu Tränen rühren. Was ich hier schreibe, kritzle ich auf einen linierten Block mit Orinco – Reklame.
Ich bin Tankwart.
Erotik – oder gar Sex - kommt mir bei meiner Tätigkeit nicht unter, sieht man einmal von den mehr oder weniger gut verschweißten Wichsheftchen ab, die mir die Verlage schicken, und die fast ausschließlich von Durchreisenden gekauft werden.

Aber letzten Sommer änderte sich das.
Letzten Sommer kam die Göttin der Liebe an meine Tankstelle.

Ich wienerte gerade über eine der beiden Zapfsäulen; der Staub der Straße setzte sich stets auf den Säulen ab, und wenn man zu lange wartete, vermischte er sich mit den feinen Film aus Fett und Benzin, und dann war es mit einfachem Wischen nicht mehr getan.
Ab und zu schielte ich ins klimatisierte Innere meiner Tankstelle, während mir der Schweiß durch meinen Overall rann. Das war schon ein verdammt heißer Sommer – die höllischste Hitze, an die ich mich in den zweiundvierzig Jahren meines Lebens erinnern kann, die Ferienlager oben in Wisconsin, als ich noch ein Junge war, eingerechnet.

Bill hatte ich freigegeben, weil seine Verlobte Geburtstag hatte – und offengestanden auch, weil er bei diesem Wetter schwitzte wie ein Schwein.
Wir sind hier nicht das Hilton, aber der gute William war bereits morgens um elf derartig verquollen und unappetitlich nass, dass viele Kunden ihr Geld nur mit den Fingerspitzen rüber reichten.
Also war es an mir, zu putzen, Scheiben zu reinigen und den Bauarbeitern von der Grube am Ende der Straße Kaffee und Bier zu verkaufen.
Ich hörte das Geräusch eines Motors; fünfzehn Jahre im Dienst der Straße lassen mich jedes Fahrzeug an seinem ureigensten Sound erkennen, und was da durch die flirrende Hitze heranrollte, war ein Buick Sedan, dessen Motor das typische, irgendwie hungrig klingende Grollen produzierte.
Noch mehr Arbeit, dachte ich mir. Sehr schön.
Ich kann meine Gedanken disziplinieren, mehr, als viele andere das können.
Das ist sozusagen das Geheimnis meines Erfolges, sieht man einmal davon ab, dass die meisten Kunden gezwungen sind, mein kleines Etablissement anzusteuern.
Sagt die Tanknadel »emty«, bist du mein Mann.
In diesem Falle allerdings war es eine junge Frau.

Das erste, was ich von ihr sah, war ein nacktes Bein, dessen Fuß in einem flachen Slipper steckte; es war ein Bein wie das einer Revuetänzerin, und was folgen würde konnte nicht schlechter sein: wenn man einen Regenbogen sieht, geht man auch nicht davon aus, dass es anschließend Pferdescheiße regnet, oder?
Ich wurde nicht enttäuscht.

Ihr Gesicht rötete sich, als sie sich kurz in der Mittagshitze reckte; ihr Haar war wie flüssige Seide, ihr Mund wie eine exotische Frucht, von der man naschen wollte, bis der Tod eintrat; sie trug ein besticktes Kleid, das gut mit ihrem Haar harmonierte, aber nicht mit meiner Beherrschung.
Die Disziplin meiner Gedanken verflüchtigte sich wie Äther, und während sie sich nochmals streckte (ich sah die Muskeln in ihren Schenkeln arbeiten, bei Gott) regte sich etwas in mir, das ich seit Jahren erfolgreich verdrängt hatte.
»Guten Tag.«
Ihre Stimme war rauchig, und mir lief ein sanfter Schauer über den Nacken.
»Tag«, sagte ich, »kein Benzin mehr?«
Sie lächelte, und ich weiß bis heute nicht, ob sie es wegen meiner tankwartstypischen Hellsichtigkeit oder aus purer Gewohnheit tat.
»Ja. Und ich wollte etwas ausruhen, und mich frisch machen.«
»Wir haben einen Waschraum«, sagte ich.»Soll ich Ihnen den Schlüssel holen?«
»Das wäre zauberhaft«, nickte sie.
Sie sagte wirklich »zauberhaft«, nicht »nett« oder »fein«.
Ich trottete hinter meiner Erektion her, die man gottlob nicht sah, und holte den Schlüssel, an dessem Ende an einer kurzen Kette eine Billardkugel baumelte.
Als ich zurück auf das Gelände trat, hatte sie die Träger ihres Kleids abgestreift und ließ Evian aus der Flasche über ihre Arme rinnen.
Ich sah den Ansatz ihrer Brüste – nicht mehr – und meine heile Benzinverkäuferwelt schmolz, um einem anderen, wilderen Universum Platz zu schaffen.
Anders kann ich es nicht sagen: der Ansatz ihrer Brüste und die Gänsehaut auf ihren Armen, die weiß wie der Hals eines Schwans waren, reichte, um mich aus der Fassung zu bringen.
Sie stand nicht mehr auf dem Beton meiner Tankstelle; um sie herum war leerer Raum- sie streifte ihr Kleid ab, wobei der Stoff ihre Brüste kurz andrückte, bevor es scheinbar erleichtert tiefer glitt und den Blick auf den Busen der schönsten Frau frei gab, die ich jemals gesehen hatte.
Ich hatte den gewaltigsten Ständer in der Geschichte der Erektion; Mein Blut und mein Verstand vermischten sich, um in meinen Schwanz zu strömen, mein Verstand wohl wissend, das er nirgends anders gebraucht wurde.

Ich war wieder jung, starrte ihre Titten an, deren Nippel durch die Kälte des schwarzen Separees, das mein Hirn produziert hatte, hart wie Kiesel waren und ging auf sie zu.
Ihr Kleid war bis auf ihre Knöchel gerutscht, und eine geschmeidige Bewegung ihres fohlengleichen Beins beförderte es aus dem Weg.
Wir mussten nicht reden.
Ich kniete vor ihr, küsste ihren Bauchnabel und genoss den feinen Strom Energie, der ihren Körper durchlief, als sie sich bewegte.
Dann fuhr ich mit der Zunge des Mannes, der ich mal war, über die sahnegleiche Haut ihres Venushügels, sog den Duft ein, den sie verströmte, und beschloss, nie wieder auszuatmen.
Nur der Tod würde dieses Aroma meinen Lungen entreißen können, und ich war entschlossen, ewig zu leben, knieend vor ihr.
Dann sprach sie, und in ihrer Stimme klang ein kaltes Feuer voller unbarmherziger Weiblichkeit.
»Da rein.«
Mehr wollte ich nicht hören.
Ich stand auf, nestelte an den Knöpfen meines Overalls, streifte ihn ab, und mein Riemen schnellte hervor.
»DA rein«, wiederholte sie.
»Da...«

»...rein.«
Sie stand an ihrem Wagen, die Träger wieder zurechtgerückt, und wies auf den Tankdeckel ihres Autos.
»Und bitte zügig. Ich muss weiter.«
Ihr Blick war streng – aber auch irgendwie amüsiert, und das brachte mich vollends zurück.
Ich hielt den Stutzen der Zapfsäule in der Hand als wollte ich Kaffee einschenken - und als ich an mir herabsah, bemerkte ich den dunklen Fleck an meinem Overall, der sowohl ungünstig gelegen, als auch in rascher Vergrößerung begriffen war.
Ich hatte am helllichten Tag, vor den Augen einer mir fremden Frau und gefangen in einer mächtigen Fantasie in meinen dunkelblauen Industrieoverall abgespritzt.
Das gehörte definitiv nicht zum Geheimnis meines Erfolges – aber ein Geheimnis bleiben würde es, hoffte ich.
Sie nahm im Wagen Platz, während ich ihn betankte, und nahm die Dollarnoten, ohne sie anzusehen.
Als sie von der Tankstelle rollte, verspürte ich ein schwaches Verlustgefühl, das aber augenblicklich von meiner Scham gefressen wurde. Ich sah ihr nach, vor allem, um zu sehen, ob sie bei der Baustelle hielt, um möglicherweise eine gute Geschichte loszuwerden.
Sie hielt nicht.

Es ist auch diesen Sommer heiß.
Ich starre durch die Scheibe, höre das Sirren der Klimaanlage und beobachte William, wie er sich eifrig im Angesicht genervter Kunden zu Tode schwitzt.
Sein Hemd ist durchnässt, sein Haar tropft wie ein defekter Wasserhahn und sein Kopf scheint gleich tiefrot zu explodieren.
Trotzdem macht er seinen Job bedeutend besser als ich.

Niemals wird er stärker erröten als ich, als ich der Göttin der Liebe gegenüber trat.

Vor allem aber wird er kaum mehr peinliche Nässe produzieren.

 
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Kompliment Damon, diese erotische Geschichte ist dir gelungen und sie gefällt mir ausnehmend gut. :thumbsup:

Ich suche hier seit Tagen vergeblich nach einer rundum gelungenen erotischen Geschichte, leider vergebens, bis eben.

Der Plot ansich (Mann begegnet Objekt seiner Begierde)ist so einfach und schlichtgestrickt wie ein Softporno und doch hab ich an ihm deswegen nichts zu meckern, weil es dir gelingt einen Spannungsbogen zu spannen, der mich gefesselt hat.
Gebannt habe ich mitverfolgt, was deinem Protagonisten nun passiert und wie es weitergeht.

Dein Schreibstil hat die Sache noch gründlichst abgerundet, weil du nicht nur flüssig und mir gefallend formuliert hast, sondern darunter ein paar Sätze standen, die mir ausnehmend gut gefallen haben.

Ohne damit Vollständigkeit signalieren zu wollen,zitiere ich mal diejenigen Sätze, die mir als außergewöhnlich gut formuliert ins Auge sprangen.

und was da durch die flirrende Hitze heranrollte, war ein Buik Sedan, dessen Motor das typische, irgendwie hungrig klingende Grollen produzierte.

Endlich mal jemand dem es gelingt ein Motorengeräusch in Worte zu fassen.
Btw: ich glaube es muß Buick heißen.

sie trug ein besticktes Kleid, das gut mit ihrem Haar harmonierte, aber nicht mit meiner Beherrschung.

Schon spannend wie hier von dir erotische Spannung mit dem letzten Satzteil erzeugt wird. Toll gemacht.


Ich trottete hinter meiner Erektion her, die man gottlob nicht sah,

Einfach passend und schlicht, aber direkt und zutreffend formuliert. Wenn ich mir so anschaue mit welcher spröden Gestelztheit so mancher Autor genau diesen Zustand der Erregung herauswürgt und in Worte preßt, ist dies so schlicht beschrieben wie der Vorgang im wirklichen Leben halt ist, ohne damit an Deutlichkeit zu verlieren.

Als sie von der Tankstelle rollte, verspürte ich ein schwaches Verlustgefühl, das aber augenblicklich von meiner Scham gefressen wurde.
Ein Satz wo manch einer eine halbe Seite benötigte. Super!

Also als Einstand hier auf KG eine für mich absolut gut gelungene Geschichte und fast hätte ich es vergessen: Herzlich willkommen auf KG! :)
Weiter so!


Lieben Gruß
lakita

 

WOW!!! Tausend Dank! was soll ich sagen?
Du hast recht, es heißt BUICK...ich ändere es morgen.
Und nochmal- Dankeschön.

D.B

 

Abend Bradley,

deine Geschichte hat auch mir gut gefallen. Ich hatte ständig diese Tankstelle vor Augen und irgendwie verband ich damit Ruhe und Gelassenheit, hehe.
Dein Stil gefällt mir und wirkt sehr sicher.

Sagt die Tanknadel »emty«, bist du mein Mann.
Vielleicht liegt es daran, dass meine Tanknadel das nicht sagt, aber müsste es nicht "empty" heißen?

Ansonsten aber wie gesagt durchweg gut!
Die Erotische Komponente auch sehr stimmig und fesselnd. Dachte mir zwar, dass dieses Szenario nur seinen Gedanken entspringt, aber so wie du es beendet hast war es auf jeden Fall richtig. Ich fands sogar ziemlich witzig teilweise. Der arme Mann hatte es ja ziemlich nötig, wenn er ohne "Hand anzulegen" nen Orgasmus bekommt :)
Muss wohl wirklich eine Göttin gewesen sein!

Gute Geschichte. Weiter so :thumbsup:

*Christian*

 

Hej Damon!

Großartig! Du schaffst es, Witz und Erotik zu verbinden, Dein lakonischer Stil sprüht nur so vor Humor, und mir ist beim Lesen keine Sekunde langweilig gewesen.
Lakitas Highlights sind auch meine, vor allem die Erektion, der Du folgst, gefällt mir!
Liebe Grüße

chaosqueen :cq:

 

Hi!
Hab mich offenbar in der Kategorie vertan, verkehre hier sonst nicht :D

Nur ganz kurz: Sprachlich schließe ich mich vorbehaltlos an, Du erzählst die Geschichte routiniert und fesselnd. Die mehrfach zitierte Stelle "Ich trottete hinter meiner Erektion her" ist galaktisch, gigantisch, grandios.

Unter dem Strich ist Deine Story durchaus unterhaltsam. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sie inhaltlich kaum banaler sein könnte: Ein Typ sieht eine hübsche Frau, wird geil, die Frau fährt weg. Wenn Du in diesem Stil eine interessantere Geschichte erzählst, darf man höchst gespannt sein.

Fazit: Sprachlich so verdammt gut, dass man gar nicht merkt, dass inhaltlich nicht viel drin ist ;)

Uwe
:cool:

 

Hallo Damon,

habe diese Geschichte gerne gelesen - wie schon gesagt, gefällt auch mir der lakonische stil und der spannungsbogen, den du hälst...

sehr schön trocken auch der anfang - ich mag solche einleitungen, es verbrüdert so schön..*smile*

weniger gefallen hat mir der schluß - nachdem sie nicht an der baustelle hielt, ist eigentlich alles gesagt.. zumindest in den beiden letzten sätzen die "pointen" nochmal zu wiederholen, hätte ich mir gespart..

ansonsten aber eine wirklich anregende geschichte..

viele grüße, streicher

 

Hab mich offenbar in der Kategorie vertan, verkehre hier sonst nicht
Gedankennotiz: Keine romantischen Geschichten für Uwe schreiben, er findet sie eh nicht. :D

Zum Inhalt: Ist nicht genau das auch ein Teil der Kunst an einer Kurzgeschichte - so zu schrieben, dass man Altbekanntes, Banales, Inhaltsleeres so verpackt, dass es den Leser fesselt und unterhält? Für mich eher ein ein weiterer Pluspunkt.

Jack: Gib nicht so an, wir wissen, dass Du gut bist! ;)

chaosqueen :cq:

 
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Na ja...was solls.
Erotik war nie mein Fach; und von daher wollte sich der gute, alte, axtschwingede Jack in mir auch nie damit beschäftigen.
Ich weiss nicht ob jemand den Film gesehen hat, der den Prot Bradley beeinhaltet.

Aber wenn jemand den Schlüsselsatz kennt.....


J.

 

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