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An der Zapfsäule
Ich bin kein Mann großer Worte; keiner dieser Literaten, die Wein trinken, während sie fehlerfrei auf einer antiquierten, aber reibungslos arbeitenden Schreibmaschine große Dinge zu Papier bringen, die Menschen bewegen und zu Tränen rühren. Was ich hier schreibe, kritzle ich auf einen linierten Block mit Orinco – Reklame.
Ich bin Tankwart.
Erotik – oder gar Sex - kommt mir bei meiner Tätigkeit nicht unter, sieht man einmal von den mehr oder weniger gut verschweißten Wichsheftchen ab, die mir die Verlage schicken, und die fast ausschließlich von Durchreisenden gekauft werden.
Aber letzten Sommer änderte sich das.
Letzten Sommer kam die Göttin der Liebe an meine Tankstelle.
Ich wienerte gerade über eine der beiden Zapfsäulen; der Staub der Straße setzte sich stets auf den Säulen ab, und wenn man zu lange wartete, vermischte er sich mit den feinen Film aus Fett und Benzin, und dann war es mit einfachem Wischen nicht mehr getan.
Ab und zu schielte ich ins klimatisierte Innere meiner Tankstelle, während mir der Schweiß durch meinen Overall rann. Das war schon ein verdammt heißer Sommer – die höllischste Hitze, an die ich mich in den zweiundvierzig Jahren meines Lebens erinnern kann, die Ferienlager oben in Wisconsin, als ich noch ein Junge war, eingerechnet.
Bill hatte ich freigegeben, weil seine Verlobte Geburtstag hatte – und offengestanden auch, weil er bei diesem Wetter schwitzte wie ein Schwein.
Wir sind hier nicht das Hilton, aber der gute William war bereits morgens um elf derartig verquollen und unappetitlich nass, dass viele Kunden ihr Geld nur mit den Fingerspitzen rüber reichten.
Also war es an mir, zu putzen, Scheiben zu reinigen und den Bauarbeitern von der Grube am Ende der Straße Kaffee und Bier zu verkaufen.
Ich hörte das Geräusch eines Motors; fünfzehn Jahre im Dienst der Straße lassen mich jedes Fahrzeug an seinem ureigensten Sound erkennen, und was da durch die flirrende Hitze heranrollte, war ein Buick Sedan, dessen Motor das typische, irgendwie hungrig klingende Grollen produzierte.
Noch mehr Arbeit, dachte ich mir. Sehr schön.
Ich kann meine Gedanken disziplinieren, mehr, als viele andere das können.
Das ist sozusagen das Geheimnis meines Erfolges, sieht man einmal davon ab, dass die meisten Kunden gezwungen sind, mein kleines Etablissement anzusteuern.
Sagt die Tanknadel »emty«, bist du mein Mann.
In diesem Falle allerdings war es eine junge Frau.
Das erste, was ich von ihr sah, war ein nacktes Bein, dessen Fuß in einem flachen Slipper steckte; es war ein Bein wie das einer Revuetänzerin, und was folgen würde konnte nicht schlechter sein: wenn man einen Regenbogen sieht, geht man auch nicht davon aus, dass es anschließend Pferdescheiße regnet, oder?
Ich wurde nicht enttäuscht.
Ihr Gesicht rötete sich, als sie sich kurz in der Mittagshitze reckte; ihr Haar war wie flüssige Seide, ihr Mund wie eine exotische Frucht, von der man naschen wollte, bis der Tod eintrat; sie trug ein besticktes Kleid, das gut mit ihrem Haar harmonierte, aber nicht mit meiner Beherrschung.
Die Disziplin meiner Gedanken verflüchtigte sich wie Äther, und während sie sich nochmals streckte (ich sah die Muskeln in ihren Schenkeln arbeiten, bei Gott) regte sich etwas in mir, das ich seit Jahren erfolgreich verdrängt hatte.
»Guten Tag.«
Ihre Stimme war rauchig, und mir lief ein sanfter Schauer über den Nacken.
»Tag«, sagte ich, »kein Benzin mehr?«
Sie lächelte, und ich weiß bis heute nicht, ob sie es wegen meiner tankwartstypischen Hellsichtigkeit oder aus purer Gewohnheit tat.
»Ja. Und ich wollte etwas ausruhen, und mich frisch machen.«
»Wir haben einen Waschraum«, sagte ich.»Soll ich Ihnen den Schlüssel holen?«
»Das wäre zauberhaft«, nickte sie.
Sie sagte wirklich »zauberhaft«, nicht »nett« oder »fein«.
Ich trottete hinter meiner Erektion her, die man gottlob nicht sah, und holte den Schlüssel, an dessem Ende an einer kurzen Kette eine Billardkugel baumelte.
Als ich zurück auf das Gelände trat, hatte sie die Träger ihres Kleids abgestreift und ließ Evian aus der Flasche über ihre Arme rinnen.
Ich sah den Ansatz ihrer Brüste – nicht mehr – und meine heile Benzinverkäuferwelt schmolz, um einem anderen, wilderen Universum Platz zu schaffen.
Anders kann ich es nicht sagen: der Ansatz ihrer Brüste und die Gänsehaut auf ihren Armen, die weiß wie der Hals eines Schwans waren, reichte, um mich aus der Fassung zu bringen.
Sie stand nicht mehr auf dem Beton meiner Tankstelle; um sie herum war leerer Raum- sie streifte ihr Kleid ab, wobei der Stoff ihre Brüste kurz andrückte, bevor es scheinbar erleichtert tiefer glitt und den Blick auf den Busen der schönsten Frau frei gab, die ich jemals gesehen hatte.
Ich hatte den gewaltigsten Ständer in der Geschichte der Erektion; Mein Blut und mein Verstand vermischten sich, um in meinen Schwanz zu strömen, mein Verstand wohl wissend, das er nirgends anders gebraucht wurde.
Ich war wieder jung, starrte ihre Titten an, deren Nippel durch die Kälte des schwarzen Separees, das mein Hirn produziert hatte, hart wie Kiesel waren und ging auf sie zu.
Ihr Kleid war bis auf ihre Knöchel gerutscht, und eine geschmeidige Bewegung ihres fohlengleichen Beins beförderte es aus dem Weg.
Wir mussten nicht reden.
Ich kniete vor ihr, küsste ihren Bauchnabel und genoss den feinen Strom Energie, der ihren Körper durchlief, als sie sich bewegte.
Dann fuhr ich mit der Zunge des Mannes, der ich mal war, über die sahnegleiche Haut ihres Venushügels, sog den Duft ein, den sie verströmte, und beschloss, nie wieder auszuatmen.
Nur der Tod würde dieses Aroma meinen Lungen entreißen können, und ich war entschlossen, ewig zu leben, knieend vor ihr.
Dann sprach sie, und in ihrer Stimme klang ein kaltes Feuer voller unbarmherziger Weiblichkeit.
»Da rein.«
Mehr wollte ich nicht hören.
Ich stand auf, nestelte an den Knöpfen meines Overalls, streifte ihn ab, und mein Riemen schnellte hervor.
»DA rein«, wiederholte sie.
»Da...«
»...rein.«
Sie stand an ihrem Wagen, die Träger wieder zurechtgerückt, und wies auf den Tankdeckel ihres Autos.
»Und bitte zügig. Ich muss weiter.«
Ihr Blick war streng – aber auch irgendwie amüsiert, und das brachte mich vollends zurück.
Ich hielt den Stutzen der Zapfsäule in der Hand als wollte ich Kaffee einschenken - und als ich an mir herabsah, bemerkte ich den dunklen Fleck an meinem Overall, der sowohl ungünstig gelegen, als auch in rascher Vergrößerung begriffen war.
Ich hatte am helllichten Tag, vor den Augen einer mir fremden Frau und gefangen in einer mächtigen Fantasie in meinen dunkelblauen Industrieoverall abgespritzt.
Das gehörte definitiv nicht zum Geheimnis meines Erfolges – aber ein Geheimnis bleiben würde es, hoffte ich.
Sie nahm im Wagen Platz, während ich ihn betankte, und nahm die Dollarnoten, ohne sie anzusehen.
Als sie von der Tankstelle rollte, verspürte ich ein schwaches Verlustgefühl, das aber augenblicklich von meiner Scham gefressen wurde. Ich sah ihr nach, vor allem, um zu sehen, ob sie bei der Baustelle hielt, um möglicherweise eine gute Geschichte loszuwerden.
Sie hielt nicht.
Es ist auch diesen Sommer heiß.
Ich starre durch die Scheibe, höre das Sirren der Klimaanlage und beobachte William, wie er sich eifrig im Angesicht genervter Kunden zu Tode schwitzt.
Sein Hemd ist durchnässt, sein Haar tropft wie ein defekter Wasserhahn und sein Kopf scheint gleich tiefrot zu explodieren.
Trotzdem macht er seinen Job bedeutend besser als ich.
Niemals wird er stärker erröten als ich, als ich der Göttin der Liebe gegenüber trat.
Vor allem aber wird er kaum mehr peinliche Nässe produzieren.