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Aminosäure Arginin

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19.05.2011
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Aminosäure Arginin

Durch die geöffnete Balkontür höre ich meinen Nachbarn von oben Geige spielen. Das macht er jetzt schon so seit 3 oder 4 Monaten. Er ist besser geworden. Er übt. Der Klang seiner Geige schwebt über den Innenhof des 5-stöckigen Gebäudes. Gegenüber decken sie den Tisch, ich höre Geschirr klimpern und leise Stimmen. Aus der Ferne kommt das Rauschen des Zuges. Er wird langsam so laut, dass ich noch nicht mal mehr meine eigene Stimme verstehen kann, wenn ich darüber fluche. Eine Schallmauer ist erst Planung. Am Schlimmsten ist, wenn einer dieser rostigen und schäbigen Güterzüge bis zum Stillstand bremst. Das Quietschen und Keifen jagt durch meinen Gehörgang direkt ins Knochenmark und erschreckt dort ein paar pluripotente Stammzellen zu Tode. Darum schaffe es nicht mich zu konzentrieren. Dieser Lärm ist der Wecker meiner Procrastination. Das heißt eigentlich sollte ich die Zusammenfassungen der letzten Vorlesungsmaterialien durchlesen. Stattdessen fange ich an mein Zimmer aufzuräumen. Statt des Aufräumens, wasche ich lieber die dreckigen Klamotten. Vor der Wäsche, spiele ich noch kurz Gitarre. Da eine Seite fehlt, gehe ich in die Küche und will etwas kochen. Mein Mitbewohner sitzt dort und trinkt Bier. Ich setz` mich zu ihm und rauche eine Zigarette. Willkommen am Ende des Anfangs.


Es sind nur noch 2 Wochen bis zur Klausur über anorganische Chemie. Ich zwinge mich zu lernen, und muss dieselbe Zeile mehrmals lesen. Ich flüstere, Arginin Aminosäure, Arginin Aminosäure, Arginin Aminosäure, bis wieder ein Zug vorbeirauscht. Verdammt. Nochmal, Arginin Aminosäure, Arginin Aminosäure, Arginin Aminosäure: Essentiell, Metabolit von Harnstoff, Vorstufe für Stickstoffmonoxid. Ich werde hibbelig. Mein Kopf platzt gleich, aber es muss weitergehen. Es fehlen noch 20 weitere Aminosäuren, die ich lernen muss. Darunter Glycin, Histidin, Leucin. Sie klingen wie Nationalspieler. Wenn es doch nur eine gute Zusammenfassung der Highlights gäbe, eine Art Sportschau für Biochemiker, das würde eine Menge Zeit sparen. Ich blättere durch das dicke Buch auf der Suche nach Kompromissen. Keine Chance.


Ich habe wie immer viel zu spät angefangen. Zu lang procrastiniert. Die Zeit läuft mir davon. Ich schwitze wie ein Bombenentschärfer. Es muss losgehen, es muss endlich losgehen. Fakten, Fakten, Fakten. Was sagen die anderen, wie weit sind sie. Von der Front gibt es keine Neuigkeiten. Ich bewaffne mich mit allem, was ich finden kann. Aufklärungsflugzeuge fotografieren systematisch die Landschaft und grenzen den Spielraum des Feindes ein. Jetzt muss ich taktisch vorgehen. Ich springe aus meiner Deckung und sprinte bis zur nächsten. Hinter mir bricht der Boden zusammen. Nur mit einem weiten Satz schaffe ich es noch bis zum Rand des sich auftuenden Abgrundes. Ein Kamerad hilft und zieht mich hoch. Er war schon vorher hier. Wohin jetzt? Neben uns explodiert die Bombe. Wir bekommen Nachricht, dass unser Kommandant erschossen worden ist. Der Kamerad rennt davon. Ich bin auf mich allein gestellt.


Später, an der Front, sitzen wir alle zusammen in der Deckung. Der Feind schleicht um uns herum. Ob er mich sieht weiß ich nicht. Ich verhalte mich unauffällig. Keine zu schnellen Bewegungen, keinen Augenkontakt. Er ist hinter mir, ich spüre seine Kälte. Aus den Lautsprechern spricht die Propaganda, dröhnen Parolen: Freiwillige Selbstkontrolle, Überprüfung der Personalien. Sie nehmen jeden unter die Lupe. Ich werde nicht aufgeben. Ich werde niemanden verraten. Ein Signal ertönt. Alle zucken zusammen und laden ihre Waffen. Plötzlich wird geschossen. Kreuzfeuer. Stille. Habe ich getroffen, gibt es Tote in den eigenen Reihen? Ich schaue mich vorsichtig um. Volltreffer. Jetzt heißt es abwarten, bloß nicht die Nerven verlieren. Und wieder Schüsse. Jemand schreit um Hilfe. Die Geier kreisen schon. Das war`s Junge. Der Feind sperrt ihn in Isolationshaft. Hier ist jeder auf sich allein gestellt. Wir können nichts mehr für dich tun.

 

Hallo Malte!

Deine nette Begrüßung kommt eigentlich in einen gesonderten Kommentar, also raus aus dem Feld, dass der Geschichte gehört.

ob euch der Plot klar ist
Wenn ich das richtig verstanden habe, schilderst du das Studium als einen Kampf, die Uni als Militär usw. In solchen Gleichnissen.
Teilweise fand ich, haben deine Vergleiche aber ein bissschen gehinkt, und ich fand sie nicht so gut übertragbar.

Wir bekommen Nachricht das unser Kommandant erschossen worden ist
Das müsste erstens "Wir bekommen Nachricht, dass unser Kommandant..." heißen und zweitens (kenn mich mit dem Militär nicht aus, hab das nicht mitgemacht) ist ein Kommandant doch das Oberhaupt. Müsste der dann nicht im Übetragenen für den Prof stehen? Und der kommt ja nicht ins Straucheln. Oder meinst du, es ist der beste aus einer Lerngruppe?
Also, du siehst, deine Sache lässt sich nicht so leicht (jedenfalls für mich) "übersetzen". Da geht einem schnell der Spaß verloren. Außerdem habe ich das Gefühl gehabt, es geht gar nicht weiter. Es passiert nichts. Die Anfangsidee nutzt sich über solche Längen sehr schnell ab.
Ich finde auch, dass sich eine KG nicht gut dafür eignet, ein ganzes Studium zu schildern. Am Anfang dachte ich: Wow, interessant, er hat krasse Probleme mitzukommen, mal schauen, wie er über diese Phase hinwegkommt, und das löst. Dieser eine Konflikt wäre genug für eine KG. Konzentrier dich doch auf den. Die sprachlichen Mittel scheinst du allemal zu haben.
Aber so hast du einfach zu viel reingepackt, ich habe Stellen nur überfolgen, weil sie eben wie (sprachlich gute) Tagebucheinträge wirkten.

So viel von mir: Timo

 

Malte Stevens schreibt:

Guten Tag alle miteinander,

ich bin neu hier und würde gerne einen Text präsentieren, den ich in den letzten Tagen geschrieben habe. Ich habe noch viele mehr, aber mich interessiert speziell zu diesem eure Meinung, da ich versucht habe möglichst ungefiltert zu schreiben. Meine Fragen wären, ob euch der Plot klar ist und ob ihr euch amüsiert habt beim Lesen. Aber gerne könnt ihr auch einfach irgendetwas dazu sagen. Mir hilft jeder Kommentar weiter. Außerdem werde ich so auch auf euch aufmerksam, und wir können uns gegenseitig austauschen. Also dann.
Ahso, der Text handelt von meinem realen Wahrnehmungen aus dem alltäglichen Leben, daher dachte ich er sei am besten hier aufgehoben. Falls ihr anderer Meinung seit, bitte schreibt sie mir. So jetzt geht`s los.

Derlei bitte in ein separates Posting.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Timo,

vielen Dank für deinen Kommentar, ich habe den von dir angemerkten schriftlichen Fehler behoben.
Mit dem Kommandanten wollte ich einen Verbündeten beschreiben, der weiss wie man im Gefecht überlebt. Also einen Prof, von dem bekannt ist, was er in der Klausur abfragen wird oder meinetwegen auch der beste aus der Gruppe. Ich will bewusst nichts konkret definieren, sondern dir als Leser eigene Assoziationen offen lassen.
Der Konflikt zieht sich schon bis an das Ende, als das Blut aus dem Gral getrunken wird, sozusagen als Höhepunkt löst er sich damit von selbst.
Zwischendurch werden einige Alltagsszenen beschrieben, vielleicht bringt das dem Leser die Person des Erzählers näher oder versucht unterhaltsam vom eigentlichen Gemetzel abzulenken? Ist es so nicht bei dir angekommen?
Ich glaube ich verstehe, was du mit den Tagebucheinträgen meinst. Du hast diesen Eindruck, weil dir die einzelnen Texte so wahllos erscheinen und dir nicht ein linearer Zusammenhang klar ist, oder? Dir fehlt eben das Geschichte aus Kurzgeschichte. Fehlt das den anderen Lesern auch? Ich würde gerne mehr Meinungen dazu haben, was überhaupt eine Kurzgeschichte ausmacht und ob mein Text überhaupt eine Kurzgeschichte darstellt. Vielleicht habt ihr ja schon so einen Thread, den ich bis jetzt noch nicht entdeckt habe und jemand wäre so nett und postet für mich nochmal den Link hier.

Gruss

Malte

 

Hallo Pardus,

beim nächsten mal werde ich es richtig machen. Durch dein Zitat stehen ja jetzt diese Sätze an dem dafür vorgesehen Platz. Ich hatte jedoch gehofft, ich könnte durch diese Einleitung den Leser auf eine gewisse Spur bringen. Schade:-)

Gruss

Alex

P.S.: Natürlich bitte ich dich auch um deine Meinung zu dem Text. Oder bist du hier nur für Recht und Ordnung zuständig?

 

Hey Malte,

was überhaupt eine Kurzgeschichte ausmacht
So eine Diskussion gab/gibt es hier bereits.
Findet sich unter Arbeitsgruppen-Kritiker-Was macht eine Kurgeschichte wirklich gut
Link: http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=41028
ob mein Text überhaupt eine Kurzgeschichte darstellt
Na ja, in allen mehr oder weniger künstlerischen Ausdrucksformen gibt es nie ganz fest gefasste "Rezepte" oder Definitionen.

Aber eine KG zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie sich (aufgrund ihrer Länge) intensiv mit einem Hauptpunkt beschäftigt, und diesen genau formuliert und aushandelt.
Bei dir fehlt einfach die Konzentration. Das geht so in alle Richtungen, und so verliert man den Leser recht schnell. Der hat ja auch nur ein Gehirn. :)

Timo

 

Vielen Dank für den Link. Wie passend, dass du Konzentration sagst, denn sie ist ja genau das, worum es geht und woran der Erzähler leidet:-). Die Konzentrationsschwäche findet sich in jedem Abschnitt. Sie wird in vielen verschiedenen Dimensionen geschildert. Vielleicht wird das nicht so ganz klar? Oder meinst du das die KG vom Umfang her zuviel verlangt?

Gruss

Malte

 

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