Was ist neu

American Hero

Mitglied
Beitritt
29.09.2004
Beiträge
69
Zuletzt bearbeitet:

American Hero

Bagdad. Jetzt.

Der Wind trocknet Talfahs Tränen, als er mit kräftigen Schlägen seiner schwarzen Flügel über Bagdad fliegt. Die Kälte, die sich in ihm ausbreitet, wird dadurch nicht gelindert.

Die Stadt ist erstarrt.

Wo sonst Händler mit heiseren Kehlen ihre Waren anpreisen, streunen nun ein paar herrenlose Hunde über den Markt. Wo sonst Cafes mit Diskussionen angefüllt werden, weht nun der Wind hohl durch die sandfarbenen Gassen. Nur auf den Höfen der Moscheen und in den Vorräumen der Kirchen drängen sich die Menschen zusammen, um sich des Beistands ihres Gottes zu versichern. Talfah zweifelt daran, dass Gott ihnen helfen kann. Gegen die Amerikaner ist auch Gott machtlos.

Bagdad holt Luft, doch Talfah weiß, dass die Stadt ein fragiles Relikt ist. Sie kann sich einer neuen Weltordnung nicht entgegenstellen.

Als Talfah über den Al-Zawrah Park fliegt, verharrt er kurz, schwebt in der Luft wie ein Engel aus biblischen Zeiten. Unter ihm ist das Parlament, das er selber nach Saddams Sturz entworfen hat. Die silberne Kuppel bündelt das Licht und wirft es hundertfach auf ihn zurück. Talfah schließt seine Augen und holt tief Luft. Dann breitet er seine schwarzen Flügel aus und gleitet hinab. Er muss den Widerstand organisieren. Bagdad war schon ein Ort des Wissens und der Kultur als New York noch eine entfernte Möglichkeit weit hinten am Horizont der Zukunft war. Bagdad hat viele Stürme überstanden. Vielleicht wird auch dieser vorüberziehen.

Austin, Texas. 1950.

Diese Nacht war Talfah alles egal. Die Angst in den Augen seines Vaters, als zwei Knochen aus seinen Schulterblättern zu wachsen begannen. Die Schmerzen in den Knien, als er nach acht Stunden immer noch auf dem Gebetsteppich hocken musste, um Allah um Vergebung zu bitten. Denn warum sollte Talfah Flügel haben, schwarz wie der tiefste Schlund der Nacht, wenn er nicht gegen den Willen seines Schöpfers verstoßen hatte?

Diese Nacht war Talfah frei. Der Wind trug ihn immer weiter empor, bis Austin unter ihm nur noch eine chaotische Masse von Lichtern und Bewegungen war. Mit einer plötzlichen Bewegung faltete er seine Flügel zusammen, begab sich in den Sturzflug. Knapp über den Gebäuden breitete er sie wieder aus, spürte die Kraft, mit der jede seiner Federn nach oben strebte. Sanft landete er auf einem Apartmentgebäude und sog die Gerüche der Nacht in sich ein.

Seine Sinne waren immer besser geworden in den letzten Jahren, inzwischen konnte er viele Gegenden in Austin nur anhand des Geruchs identifizieren. Hier: leichter Chlorgeruch einer alten Schwimmhalle, ranziges Fett eines billigen Schnellimbisses, säuerliche Fäulnis zu lange herumliegenden Mülls. Ein armseliger Bezirk. Ein Schrei riss ihn aus den Gedanken. Ein Schrei der Angst. Vorsichtig blickte Talfah über den Rand des Gebäudes. Seine Blicke durchdrangen die Dunkelheit mühelos, hefteten sich an eine junge, blonde Frau. Dann wurde er des Schattens hinter ihr gewahr, keuchend, massiver als sie aber dennoch schneller.

Talfah handelte instinktiv, jede seiner Bewegungen schien einem Plan zu folgen, den er selber nicht vollständig verstand. Mit einem kraftvollen Sprung stieß er sich vom Boden ab, breitete seine Flügel leicht aus, um seinen Fall abzudämpfen und landete sanft auf dem Boden eines Hinterhofes. Der Geruch war fast unerträglich. In der Ferne schrie eine Katze gegen die Leere an. Das Mädchen kam um die Ecke auf ihn zu, stolperte, schlug hart auf dem unebenen Boden auf. Dann erschien der Verfolger, langsamer, keuchend, doch gewiss, seine Beute eingeholt zu haben. Für eine Sekunde flackerte Angst in Talfah auf, als er das Messer sah, das der Mann aus seinem Mantel zutage förderte. Dann sprang er nach vorne, zwischen das Mädchen und ihren Verfolger. Er breitete seine Flügel aus, als würde die Dunkelheit selber sie schützen. Die Augen des Mannes weiteten sich.

„Was… was bist du?“

„Ich bin“, Talfah zögerte. Er war ein anderer Mensch, wenn die Nacht ihn einhüllte und seine Flügel ihn emporhoben. Es schien angemessen, dies zu unterstreichen. Dark Justice? Nightman? Raven? Dann fiel es ihm ein, als hätte der Name schon immer in den Tiefen seines Bewusstseins darauf gewartet, dass er ihn entdeckte. „Ich bin Nightwatcher!“, stieß er zwischen den Zähnen hervor und stieß sich mit aller Kraft vom Boden ab.

Die Wucht des Aufpralls brachte den Verfolger des Mädchens aus dem Gleichgewicht, dennoch schaffte der Mann es, im Fall sein Messer nach vorne zu stoßen. Talfah spürte einen dumpfen Schmerz an der Seite seines Körpers, achtete jedoch nicht darauf, während er ausholte und dem Mann mit aller Kraft in den Brustkorb schlug. Mit einem dumpfen Stöhnen brach der Verfolger zusammen, das Messer fiel klirrend auf den Boden. Triumphierend brach ein Lachen aus Talfah hervor. Er ging einen Schritt nach vorn.

„So, jetzt auf zur nächsten Polizeiwache, du…“, er verstummte. Der Mann, immer noch gekrümmt vor Schmerzen, griff unter seinen Mantel und zog einen Revolver hervor. Talfah erstarrte. Er war nun nicht mehr Nightwatcher, er war nur noch ein Teenager, der mit Dingen konfrontiert war, die er nicht zu kontrollieren vermochte. Der Mann hob die Waffe, sie zeigte direkt auf Talfahs Kopf. Er schloss die Augen, erwartete den Schuss. Das Leben zog nicht an seinen Augen vorbei. Nur dumpfe Traurigkeit pulsierte in ihm, Traurigkeit darüber, dass er nie wieder den Flugwind in seinem Gesicht spüren würde.

Der Schuss fiel nicht. Ein dumpfes Zischen ertönte, dann ein Lichtblitz, der die Dunkelheit verjagte. Ein Schrei ertönte, ein Schrei der reiner, tongewordenenr Schmerz war. Vorsichtig öffnete Talfah seine Augen. Vor ihm kauerte der Verfolger des Mädchens auf dem Boden, ungläubig auf seine Hand starrend, während seinem Mund der animalische Laut verwundeter Tiere entwich. Der Revolver in seiner Hand war geschmolzen, flüssiges, siedendheißes Metall tropfte herab, der Geruch von verbranntem Fleisch erfüllte die Luft. All dies wurde in ein klares, unwirkliches Licht getaucht.

Die Quelle des Lichtes war ein Mann, der neben dem Schreienden schwebte.

Er war in ein rot und weiß gestreiftes Kostüm gekleidet, ein blauer Umhang, besetzt mit weißen Sternen, flatterte im heißen Abendwind. Auf dem Kopf ein Helm, von dem das gleißende Licht ausging. Talfah hatte den Mann in den Nachrichten gesehen. Er war der amerikanische Übermensch, der Retter der freien Welt, der Held des Weltkrieges. Der Mann lächelte.

„Das war nicht schlecht, mein Junge. Ich bin Captain Freedom.“

New York. 1962.

Interview mit den selbsternannten Streitern der Gerechtigkeit (Der Spiegel, 03/1962)

Die Gerechtigkeit in Amerika ist öffentlichkeitsscheu. Viele Jahre lang galt ein vollständiges Presseboykott für die amerikanischen „Superhelden“, die sich unter dem für europäische Ohren leicht befremdlich klingenden Namen „Freedom Force“ zusammengeschlossen haben. Dem Spiegel wurde nun nach jahrelangen Verhandlungen die erste Gelegenheit zuteil, ein Interview mit den zwei wichtigsten Mitgliedern der „Freedom Force“, nämlich den Superhelden namens „Captain Freedom“ und „Nightwatcher“ zu führen.

Als ich den „Freedom Tower“ betrete, wird mir schwindlig. Es ist, als würde man in eine Parallelwelt vordringen, in der andere Regeln gelten als auf der Erde der Normalsterblichen. Von außen betrachtet mögen die kostümierten Superhelden oft lächerlich wirken. An diesem Ort vergeht einem das Lachen. Hochmoderne Technik umgibt den Besucher, der erst eingelassen wird, nachdem seine Identität mit einem Augenscan überprüft wurde. Ich werde in einen Konferenzraum geführt, dessen Ausmaße dem UN-Sicherheitsrat Platz bieten würden.

Schließlich treten die beiden amerikanischen „Helden“ ein. Was immer man über ihre politische Ausrichtung denken mag, aus der Nähe betrachtet sind sie beeindruckende Persönlichkeiten. Captain Freedom ist nicht maskiert, er begrüßt mich in einem maßgeschneiderten Anzug. Er wirkt eher wie ein Geschäftsmann, als er jedoch seine politischen Ansichten darlegt, kann man seiner sonoren Stimme die Autorität entnehmen, die der vermutlich mächtigste Mensch dieser Erde ausstrahlt. Nightwatcher hingegen ist kostümiert, die schwarze Maske verdeckt sein Gesicht vollständig, nur seine dunklen Augen leuchten darunter hervor. Seine Flügel wirken aus der Nähe betrachtet noch beeindruckender als im Fernsehen; als er sie während des Interviews kurz ausbreitet, scheinen sie den halben Saal zu verdunkeln. Er ist deutlich schweigsamer, als Captain Freedom, beide Männer begegnen den Fragen des Spiegels jedoch durchaus freundlich und aufgeschlossen.

Spiegel: Captain Freedom, Nightwatcher, in Europa fragt man sich, wie demokratisch ein Land sein kann, in dem die sogenannte „Freedom Force“ derart viel Macht auf sich vereinigt.

Captain F.: Diese Befürchtungen sind selbstverständlich grundlos. Ich sehe mich selber als Repräsentant und Verteidiger der Demokratie. Ich habe während des zweiten Weltkrieges schmerzlich erfahren müssen, wohin Ungerechtigkeit und Diktatur führen. Die „Freedom Force“ steht für uramerikanische Werte: Freiheit, Gleichheit und, wenn sie so wollen, den amerikanischen Traum.

Spiegel: Dann würden sie auch nie in die Angelegenheiten anderer Länder eingreifen?

Captain F.: In der Regel natürlich nicht. Allerdings werden wir uns entschieden jedem Unrecht in der Welt entgegenstellen.

Spiegel: Wie definieren Sie Unrecht?

Captain F.: Nun, ich denke, dass wir unsere Aufgaben weiter fassen müssen als den Kampf gegen so genannte Superschurken. Manche Probleme dieser Welt entspringen bestimmten Ideologien und gegen diese Probleme wenden wir uns mit aller Entschiedenheit.

Spiegel: Ist das der Grund, aus dem sie sich so entschieden an Senator McCarthy’s Kommunistenjagd beteiligt haben?

Captain F.: Amerika kann es nicht akzeptieren, dass Feinde an den Grundfesten unserer Freiheit rütteln. Humphrey Bogart, Bertold Brecht, sogar Superhelden aus unseren eigenen Reihen, darunter vor allem Dr. Power und Red Lightning, waren Kommunisten und Verräter. Ich habe sie ihrer Gerechtigkeit zugeführt.

Spiegel: Keine Reue?

Captain F.: (lacht) Ich bereue nie.

Spiegel: Nightwatcher, wie stehen sie zu der Rolle der Superhelden in der komplizierten, modernen Welt? Stellen Sie und ihre Kollegen keine Gefahr für den fragilen Frieden mit der Sowjetunion dar?

Nightwatcher: Nun, sehen Sie, ich bin kein politischer Mensch. Ich mache diesen Job, um das Verbrechen zu bekämpfen. Ich bin nicht politisch. Ich will in diese Dinge nicht hineingezogen werden. Sehen Sie, letzte Woche habe ich den Superschurken „Black Hand“ hinter Gittter gebracht. Das ist es was ich tue. Politisch bin ich nicht aktiv.

Spiegel: Wohin geht die Welt in den nächsten Jahren?

Captain F.: (lacht) Es geht aufwärts. Dafür sorgen wir.

Spiegel: Captain Freedom, Nightwatcher, Wir danken Ihnen für dieses Interview.


New York. 12. September 2001.

„Oh Gott. Wie konnte das passieren? Wie konnte das passieren?“. Captain Freedoms Worte hallten durch den Konferenzsaal wie die Stimme eines uralten Gottes. Tränen liefen seine Wangen herab. Talfah registrierte vage, dass das Gesicht seines Freundes sich kaum verändert hatte, seit er ihn vor vielen Jahren in Austin getroffen hatte. Doch es war etwas Neues in seine Augen getreten. An der Oberfläche Traurigkeit, doch darunter eine Wut, die sich Wege nach oben zu bahnen versuchte.

Die anderen Superhelden sahen die Wut auch. Keiner wagte es, Captain Freedom zu unterbrechen. Liberty Lady blickte starr vor sich hin. Talfah hatte erfahren, dass sich ihr Sohn im World Trade Center aufgehalten hatte. Deutlich nahm er Boomerangs Alkoholgeruch wahr. American Shadow war irgendwo in den Straßen von Washington unterwegs, um seine Wut an Kleinkriminellen auszulassen. Jeder versuchte, mit der Situation umzugehen, doch es war, als hätte sich mit den Türmen auch etwas in ihnen aufgelöst. Die Helden hatten versagt, Macht hatte sich in Hilflosigkeit verwandelt. Talfah spürte es. Veränderung lag in der Luft. Er dachte an Captain Freedoms Motto und lächelte bitter. „Es geht aufwärts“, sagte der Captain stets, er hatte es den Soldaten im zweiten Weltkrieg zugerufen und hatte es den Vietcong entgegen geschrieen. Talfah bezweifelte, dass es diesmal aufwärts gehen würde.

„Captain, beruhige dich, wir müssen jetzt vor allem Ruhe…“

„Ruhe sagst du?“, Das Licht, das von Captain Freedom ausging, wurde heller, kälter, als würde es alles Verborgene sichtbar machen wollen. „Vielleicht hast du ja ein wenig zu viel Ruhe bewahrt? Warst du nicht in New York, als die Anschläge geschahen? Warum können Flugzeuge in ein Hochhaus fliegen, während Nightwatcher durch die Stadt schwebt? Oder warst du gar nicht unterwegs? Was hast du gemacht, als es geschah? Deinen Kopf gen Mekka verbeugt?“ „

Talfah stand auf. „Überlege jetzt genau, was du sagst, Captain. Ich bin kein Teenager mehr und werde nicht akzeptieren, dass du mich beschuldigst.“

Captain Freedom starrte Talfah an. „Ich weiß, wer du bist, Nightwatcher. Du hast dich nie ohne Maske gezeigt, aber ich habe es trotzdem herausgefunden. Weißt du, was mich misstrauisch gemacht hat? Deine Besuche im Irak. Was hast du da gemacht, Nightwatcher? Oder sollte ich dich lieber Kairallah Talfah nennen?“

Kalte Wut stieg in Talfah auf. Mit einer plötzlichen Bewegung zog er sich die Maske ab. In den Spiegeln am anderen Ende des Saals konnte er sein dunkles, von Furchen durchzogenes Gesicht ausmachen. „Ich habe eine Familie im Irak. Das Land liegt mir am Herzen. Aber daraus abzuleiten,dass…“

„Das Land liegt ihm am Herzen!“, rief Freedom. Der Captain trug keine Maske, aber schlagartig wurde Talfah klar, dass er in diesem Moment trotzdem eine trug. Der Captain verbarg seine Angst hinter einer Maske aus Wut, seine Trauer hinter Anschuldigungen. „Ich glaube, das ist alles was wir wissen müssen. Freedom Force, nehmt diesen Moslem fest!“

Lady Liberty sprang auf. Ein Funke war in ihre Augen zurückgekehrt, als sie ihr Schwert zog. Auch Boomerang war aufgestanden, jedoch schwankte er. Heute würden Boomerangs Wurfgeschosse nicht treffen. Das war Talfahs Chance. Er warf Captain Freedom einen letzten Blick zu, doch die Augen seines Freundes waren erloschen. Mit einer fließenden Bewegung sprang er auf den Konferenztisch.

„Ihr macht einen großen Fehler“, sagte er leise. Blitzartig breitete er seine Flügel aus und sprang vorwärts. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Boomerang überraschend schnell nach einem Wurfmesser gegriffen hatte. Instinktiv warf Talfah sich zur Seite, das Messer verfehlte ihn knapp und blieb zitternd in der Wand stecken. Zwei weitere Schritte, dann war er am Fenster. Plötzlich verspürte er eine Hand, die sich wie ein Schraubstock um seinen Arm legte. Mit aller Kraft dreht sich Talfah so weit der Griff es ihm erlaubte und schlug mit aller Kraft zu. Er traf Captain Freedoms Brust, so wie er vor vielen Jahren jemand anders getroffen hatte. Der Griff lockerte sich für einen Herzschlag. Das war genug Zeit für Talfah. Er riss sich los, stieß sich vom Boden ab und durchbrach das Fenster. Ein Regen aus kaltem Glas brach in alle Richtungen aus. Für eine Sekunde befand er sich im Sturzflug, dann verspürte er das vertraute Gefühl des Windes in seinen Federn. Während er seinen Körper mit einem kräftigen Flügelschlag nach vorne katapultierte, blickte er sich noch einmal um. Captain Freedom stand am zerbrochenen Fenster und blickte ihm hinterher. Er weinte. Talfah wusste, dass etwas in dem Captain zerbrochen war, dass nicht wieder zusammengesetzt werden konnte.

Bagdad. Jetzt.

Der Widerstand ist organisiert, doch Talfah macht sich keine Illusionen. Seit dem 11. September ist Captain Freedom kein strahlender Superheld im Kampf gegen das Böse, er ist nicht einmal mehr der umstrittene Patriot der 60er.

Er ist eine Waffe.

Afghanistan ist unter seinem Ansturm gefallen wie ein Kartenhaus, die Taliban sind tot, die Weltkarte wird nachtblau und blutrot gefärbt. Es gibt keine Wahrheit mehr, was zählt ist der Sinn, den Captain Freedom und sein Land in das Chaos der Welt hineinlesen. Als Talfah Saddam absetzte, war er deswegen kein Befreier, sondern „nur ein neuer Diktator“. Das Parlament, dass er gebaut hat, ist deswegen nicht der Beginn einer irakischen Demokratie, es ist „eine Fassade“. Talfahs Truppen, die durch unwegsames Terrain ziehen, sind deswegen „nicht auf der Suche nach Osama Bin Laden, sondern selber Terroristen, die Ausschau nach neuen Rekruten halten“. Das ist die neue Wahrheit.

Friss oder stirb.

Mit kräftigen Flügelschlägen schraubt Talfah sich immer höher und blickt auf sein Land herab. Müdigkeit erfasst ihn. Es gab Zeiten, da hatte er gegen das Böse gekämpft. Damals hatte man es leicht erkennen können. Nun ist die Welt groß, kalt und kompliziert geworden, Katzen schreien in der Nacht wie verwundete Babys weil sie längst wissen, was wir an den Rändern unseres Bewusstseins ahnen. Licht und Dunkelheit, Gut und Böse sind Illusionen, Zeichen, die Blinde in hohle Baumstämme ritzen.

In der Ferne sieht Talfah Schatten herannahen. Donner erfüllt die Luft. Flugzeuge kommen und irgendwo unter ihnen wird Captain Freedom fliegen, wie ein wahnsinniger blauroter Adler, der verzweifelt nach Beute sucht.

Talfah spannt die Flügel und fliegt ihm entgegen.

 

Hallo Spectator!

Ich lese schon eine Weile bei KG.de und war schon ein "Fan" deiner Geschichten, bevor ich mich angemeldet habe. Deshalb kommt hier mein erster Beitrag.
Diese Geschichte finde ich wahnsinnig gelungen. Sie macht mich traurig, weil sie so nah an der Realität ist...
Die Charakterisierung von Talfah und Captain Freedom finde ich unheimlich überzeugend, sie wirken nie wie Comicheld-Stereotypen, sondern wie echte Menschen, die eben ungewöhnliche Fähigkeiten haben.
Eine geniale Idee ist das Spiegel-Interview, das trägt für mich sehr dazu bei, diese Welt, in der Superhelden wirklich existieren, real wirken zu lassen. Und als langjährige Spiegel-Leserin kann ich dir auch bescheinigen, dass du den Interviewstil vom Spiegel sehr gut nachempfunden hast :)
Rechtschreibfehler habe ich keine gefunden, aber zwei ganz kleine Sachen, die ich noch verbesserungswürdig finde (nur Vorschläge):

Unter ihm ist das Parlament, das er selber nach Saddams Sturz entworfen hat

Ich würde "selbst" statt "selber" bevorzugen.

Plötzlich verspürte er eine Hand, die sich wie ein Schraubstock um seinen Arm legte.

"Verspürte" passt IMHO nicht. "Fühlte" oder so was wäre besser.

Sonst wie gesagt eine Geschichte, zu der man dir nur gratulieren kann!

 

Hi Perdita,

freut mich sehr, dass Dir die Geschichte gefallen hat; da die Uni mich mit Arbeit bewirft, habe ich gerade nach langer Zeit wieder damit angefangen, einigermaßen regelmäßig zu schreiben und eine so positive Kritik ermuntert mich sehr, damit weiterzumachen.

Deine beiden Anmerkungen zum Ausdruck kann ich gut nachvollziehen und ändere den Text dem entsprechend.

Also, vielen Dank für's Lesen - jetzt muss ich mir nur noch eine Stunde freihalten, in der ich deine laaaange Happy-End-Geschichte lesen kann:)

Mit freundlichen Grüßen und so,

Spec

 

Hallo Spectator,
ich bin erst seit einigen Monaten hier Mitglied, und stöbere auch in älteren Beiträgen.
Ein Geschichte von mir, unter Historik, war bereits zwei Jahre alt, als ich sie kopierte und hier einstellte. Als ich die ersten Kommentare bekam, habe ich sie erst richtig durchgesehen. Ich war überrascht, wie viel ich heute anders schreiben würde, obwohl nur knapp zwei Jahre vergangen waren. Aber ich schreibe in letzter Zeit auch wesentlich mehr als früher. Die Geschichte habe ich dann überarbeitet und sie war runder, als der erste Entwurf.
Ich denke, Du hast verstanden, worauf ich aus bin.
Speziell rege ich an, bei dem zweiten Absatz nach der Überschrift 'Austin, Texas. 1950.' gleich deutlich zu machen, dass inzwischen Jahre zum ersten Absatz vergangen sind. Das erschließt sich nämlich aus dem dritten Absatz: 'Seine Sinne waren immer besser geworden in den letzten Jahren, …'!
So liest es sich zunächst, als sei es noch die selbe Nacht, wie im ersten Absatz.
Ansonsten drücke ich Dir die Daumen für den Uni-Abschluss, falls Du nicht schon längst Deinen Doktorhut auf hast.
Gute Tage wünsche ich Dir!
kinnison

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom