Ameisen
Sie kniff ein Auge zu und stellte sich vor, mit einer Pistole genau in den sich ständig vor ihren Augen öffnenden Mund zu zielen. Sie wünschte sich, seine Schädeldecke durch den Druck in viele kleine Teile zerlegt und in sekundenschnelle ein bizarres Muster an der Kellerdecke über ihnen hinterlassend. Seine letzten Gedanken – für die Nachwelt erhalten.
Den abgetrennten Schädel würde sie in einen Ameisenhaufen legen. So wie sie es früher mit Hühnerknochen getan hatte. Ein, höchstens zwei Tage, und der Knochen war blank. Die Ameisen hatten dann alles abgenagt. Sie selbst hatte dann den Knochen in ihr Versteck gelegt.
Er hatte damals sehr schnell das Interesse daran verloren, als sie ihn einmal gebeten hatte, die Ameisen bei ihrer Arbeit an einem Knochen zu beobachten. Seine Ungeduld hielt sie ihm immer noch vor.
Mit dem Schädel würde es wohl etwas länger dauern. Aber sie hatte ja Zeit. Sie kannte niemanden, der ihr dabei hätte behilflich sein können. Es sollte allein ihr Werk sein.
Kalkweiß, blitzblank stellte sie sich seinen Schädel auf ihrem Schreibtisch vor, und in den oben offenen Schädel wollte sie ihre Bleistifte stellen.
Mit diesen Bleistiften würde sie versuchen, die Vorstellungen auf das Papier zu bringen, die sie von ihm hatte. Es waren viele. Sie wollte sich lang damit beschäftigen. Zeit hatte sie ja nun genug. Die leeren Augenhöhlen des Schädels würde sie mit Heftpflaster verkleben.
So wie er einmal ihren Mund mit Heftpflaster verklebt hatte - um ihre Schreie nicht hören zu müssen. So würde sie es mit seinen Augen machen. Und zwischen seine Kieferknochen würde sie eine frische Aster legen, die langsam verwelken würde.
Sie würde sie nie berühren. Aber sie würde ihr Leben in seinem Mund zeichnen.
Er erkannte sie.
Er schwieg.
Er schloss den Mund.