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Ambitionen

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23.07.2017
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Ambitionen

Ein erhöhtes Stück PVC-Boden, das als Bühne qualifizieren soll, ganz hinten in der Ecke. Besteckgeklacker, Geschnacke, Gemampfe, der Geruch von generischer brauner Soße Nummer Zweiundzwanzig: eine Uni-Mensa. An diesem Ort beginnt die große Karriere des aufstrebenden Hobbyslammers Max Michel. Seine Eltern betiteln ihn als besonders talentiert, Mama konnte kaum mit dem Klatschen aufhören, als sie zum ersten Mal seine Zeilen beim letzten großen Familientreffen hören durfte. Die eigene Sippe gilt bekanntermaßen als nicht allzu großer Gradmesser, immerhin wird Max von allen Michels geliebt.
Er steht da mit verkrampften Armen, die angezogen sind, als würde er zwei Waffeln Eis in seinen Händen halten. Das Gefühl von innerer Leere, das Hirn arbeitet nicht mehr, die Zahnräder stehen, die Maschine pustet ihren letzten Hauch Leben aus - ist das das berühmte Lampenfieber, von dem man überall liest? Sein Mikrofonständer will sich nicht richtig einstellen lassen, erhebt sich und rutscht wieder runter wie das Spielzeugschwert seines kleinen Cousins, wenn er es in seinen weiten Khakishorts fallen lässt; eine Bewegung, regelmäßigt von Vetter Ferdl geübt im Kampf gegen die unsichtbaren Drachen, die geschwungene Hörner wie Nussschnecken hatten.
Zurück zu Max: er hat sich entschlossen, das Mikro in die Hand zu nehmen und lässt den Ständer in seiner Unentschlossenheit über die eigene Körpergröße zurück. Ein paar Schwinger mit dem rechten Arm, das Mikrofonkabel soll ja nicht zur Stolperfalle in die artistische Irrelevanz werden; perfekt. Heute will Max eine kleine Standup-Routine darbieten. Bisschen mehr Witz als das sonstige emotional-liebliche Beziehungsgeschmachte, mit dem er die gescheiterte Liebe zu Clara verarbeiten wollte. Verarbeiten ... welch euphemistische Äußerung für das Gefühl, abgelehnt worden zu sein, die verbale Ohrfeige, die noch Tage später im Kopf wie die Nachwirkung eines Knalltraumas dröhnt. Max wurde abserviert nach zwei - für ihn - sehr schönen Wochen voller Sex und gemeinsamen Frühstücks/Mittagessens/Vespers/Kaffee und Kuchens/Abendessens und ist nun verbittert. Was fällt Clara ein, jetzt mit diesem Surferschnösel Ron zu gehen? Was hat er so tolles an sich, außer eine gewellte blonde Mähne und ein Zahnpastalächeln?
Die Welt ist ungerecht und Max wollte der Welt in all ihrer Ungerechtigkeit in den Hintern treten, der unausgeglichenen Waage ihre Balance zurückgeben, indem er einmal draufhaut. Diese Comedy-Show soll ihm neues Leben einhauchen, ein Richtungswechsel: Wenn das Navi im Auto "Rechts" sagt, fahr links, und so. Zwei Klopfer auf das Mikrofon, ein erwürgtes "Test Test", so leitet Max seine Vorstellung ein, die sich verstörenderweise mehr wie eine unerwartete Vorladung im Gericht anfühlt, nur, dass die Anwesenden essen und die meisten ihn nicht beachten. An den Tischen ganz vorne schauen einige zu ihm, er kennt diese Leute nicht. Allgemein kennt Max erschreckend wenig Menschen an dieser Uni, sieht man von den paar Zweckfreundschaften ab, die von gemeinsamen Referaten dominiert sind. Einmal tief durchatmen, los gehts, die Eröffnung muss sitzen:

"Hey, wie gehts euch? Mein Name ist Max Michel und ich studiere hier an der Uni Medienwissenschaften. Es sind ja ganz schön viele erschienen. Auf den Tafeln draußen stand "Heute: Semmelknödel in Curry-Geschnetzeltem" Meine Werbung hat wohl gewirkt, hehe."

Das Besteckgeklacker hält an, als wäre das hier ein Sweatshop für Gastronomiebedarf. Keine Reaktion. Kam das "Hehe?" zu schwächlich rüber, wie eine verzweifelte Suche nach externer Bestätigung?

Endlich. Ein dickbebrilltes, kleines, brünettes Mädchen mit Pagenschnitt kichert verstohlen. In ihren Händen ein Sandwich, das vom Druck ihres Griffs die Mayonnaise rausquetschen muss.

"Puh, ihr seid ja ein ganz schön hartes Publikum. Eigentlich wollte ich die Show heute in die Bibliothek verlegen, doch irgendjemand hat meinen Platz mit seinen Büchern besetzt ..."

An der Ausgabe zerklirrt ein Teller. Das Monster der Nonreaktion terrorisiert weiterhin dieses Gebiet. "Halt endlich die Fresse!", brüllt eine unbekannte Arschlochstimme aus der Ferne. Ein paar Mampfende quittieren diesen Ruf mit Gelächter. Diese Gleichgültigkeit unter den Kommilitonen zerfrisst Max in all seinem Ehrgeiz. Ist das wirklich der erste Schritt ins Showgeschäft? Fangen alle so an? In einer Essenshalle in einer Hunderttausend-Einwohner-Stadt? All die tagelange Grübelei, nur um sich Profanitäten an den Kopf werfen zu lassen? Für was mache ich diese Kacke hier eigentlich?! Mama hat doch recht, Ingenieur sollte ich werden. Wieder erklingt ein einsames kleines Kichern, als würde die kleinste Triangel der Welt die Stimmbänder dieses Menschens ersetzen. Scheiß drauf, ich zieh das jetzt durch.

"Hui, da ist aber jemand schlecht gelaunt. Du hast wohl auch keinen Platz in der Bib bekommen. Ich bin seit diesem Semester übrigens Narkoleptiker - schlafkrank - wollte zumindest mein Arzt mir weismachen. 'Haben sie in letzter Zeit vielleicht besonderen Stress oder so, Herr Michel? Hat sich irgendwas in ihrem Leben schlagartig verändert?', fragte er mich. Ich antwortete: 'Nein, abgesehen vom neuen Analyseseminar bei Herrn Ross.' Und daraufhin sagte er: 'Ach da haben sie ihre Antwort!'"

"Haaaha!", lärmt es sarkastisch aus der Arschlochstimme. Die Studenten an der Salatbar interessieren sich mehr für das Gewicht ihres Schälchens als für die geistigen Ergüsse eines Möchtegernkomödianten. Doch der kleine Pagenkopf kichert wieder ...

 

Hallihallo,
Nach einer kleinen beruflich bedingten Pause bin ich mit einem kleinen Text zurück. Er behandelt unter anderem die Motive Arbeit und Entschlossenheit im Leben. Über etwas Feedback freue ich mich wie immer sehr :)

 
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Hey Grayson,
an Deinem Text gefallen mir:
- Die nervige Geschwätzigkeit
- Die originellen Bilder
Sehr schön, obwohl ich "dieses Menschen" nicht so passend finde; warum nicht einfach ein Possessivpronomen: seine.

als würde die kleinste Triangel der Welt die Stimmbänder dieses Menschens ersetzen
als würde er zwei Waffeln Eis in seinen Händen halten.
Eine echt schöne Sauerei:
In ihren Händen ein Sandwich, das vom Druck ihres Griffs die Mayonnaise rausquetschen muss.
Und über die "Arschlochstimme" habe ich herzhaft gelacht.
- Das Thema: Eine schöne Persiflage über sich abstrampelnde Comedians, wie sie krampfhaft lustig und lärmend in Scharen durch die Lande und über die Kleinkunstbühnen ziehen
Das zusammen lese ich gern und erheitert und, wie gesagt bei Arschlochstimme lache ich auch.

Was ich nicht so gelungen finde:
- Der erste Satz ist für mich nicht gewitzt genug, um adäquat in den Tonfall der Geschichte zu führen.
Das finde ich nur geschwätzig, nicht originell und elegant, sondern umständlich und mit dem Verb "qualifizieren" auch irreführend.

Ein erhöhtes Stück PVC-Boden, das als Bühne qualifizieren soll, ganz hinten in der Ecke. Besteckgeklacker, Geschnacke, Gemampfe, der Geruch von generischer brauner Soße Nummer Zweiundzwanzig:
- Manche Bilder, die zu unklar sind und zu vage, um lusitg zu sein. Das hier zum Beispiel:
Da kenn ich mich wirklich nicht aus. Mag auch an der Zeichensetzung liegen.
eine Bewegung, die Vetter Ferdl regelmäßig im Kampf gegen die unsichtbaren Drachen, die geschwungene Hörner wie Nussschnecken hatten, geübt hat.
- Der Aufbau könnte meiner Meinung nach stärker auf eine richtig krachende Antipointe zulaufen. Den Witz mit dem Analyseseminar finde ich zu gut. Der sollte viel schlechter sein, so schlecht, dass man sich einfach nur noch krampfhaft auf die Schenkel haut, so grottig. Das fände ich gut, um ihn als Comedian so richtig zu verraten.
Den Schluss finde ich dann wieder gelungen. Das versöhnliche, und doch demütigende kleine Kichern der Dickbebrillten. Sehr schön.
Beste Grüße
rieger

 

Hi rieger ,

Danke für deine Rückmeldung. Ja, bei meinem Anfang fehlt mir ein Haken, der den Leser direkt packt. "Qualifizieren" ist stilistisch auch ungelenk, seh ich ein. Da hätte mir ein passenderer Ausdruck oder gar ein anderes einleitendes Motiv einfallen können. Bei den Bildern bin ich gerade am üben, da haben andere Schriftsteller herrliche Vergleiche, bei denen man sich in seinen mental vorgefertigten Bildern sofort verstanden fühlt. Aufregendes Handwerk :)

 

Hallo Grayson,

guter Sound, sprachlich modern, ein wenig schräg, wörter- und konstruktionsverbiegend. Klar, die Geschichte könnte etwas ausgewogener erzählt sein, an manchen Stellen machst du zu viel und an anderen könnte das Feuerwerk etwas absurder sein. Schließlich bietet die Rede in der Unikantine reichlich Slapstick-Chancen. Insgesamt ist der Text eher zu kurz und würde seine Wirkung besser entfalten, wenn du die Szene ausweitest. Aber ich freue mich wirklich auf weitere Texte von dir!

Textstellen:

die angezogen sind, als würde er zwei Waffeln Eis in seinen Händen halten.
gutes Bild

regelmäßigt von Vetter Ferdl geübt im Kampf gegen die unsichtbaren Drachen, die geschwungene Hörner wie Nussschnecken hatten.
regelmäßig; das hatten könntest du streichen: mit geschwungenen … würde reichen.

Semmelknödel in Curry-Geschnetzeltem
klingt gourmetmäßig

In einer Essenshalle in einer Hunderttausend-Einwohner-Stadt?
Essenshalle, bisschen unbeholfen.

Hat sich irgendwas in ihrem Leben schlagartig verändert?', fragte er mich. Ich antwortete: 'Nein, abgesehen vom neuen Analyseseminar bei Herrn Ross.' Und daraufhin sagte er: 'Ach da haben sie ihre Antwort!'"
:D

viele Grüße
Isegrims

 

Hi Isegrims,

Danke für deine Eindrücke, dachte der Text geht hier völlig in der Schrifthölle unter :D An den Details werde ich in meinen Geschichten noch arbeiten. Ich hab die Angewohnheit, die Texte nicht genug zu schleifen. Das wird noch.

 

Hallo Grayson,
also ich habe den Eindruck, dass es sich hier nur um den Anfang einer Geschichte handelt.
Irgendwie mittendrin abgebrochen. So mehr, wie eine etwas humoristisch gewürzte Beschreibung, ohne Hochpunkte.

Nicht mein Ding.

Schönen Gruß
Kellerkind

 

Hey Kellerkind ,
Auch dir einen großen Dank für deine Eindrücke. Nicht alles wird von jedem gemocht. Oder so.

Liebe Grüße,
Grayson

 

Vielen Dank TreVitch,

Deine Tipps sind sehr gut, völlig egal, ob du erst seit kurzem hier bist oder nicht. In deinen Punkten habe ich die konkreten Mängel in meiner Arbeit wiedererkannt. Danke dafür :)

 
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Hi Bas,

Danke für deine weitestgehend positive Kritik. Stilistisch versuche ich, jedes Wort in meinen Texten treffen zu lassen. Alles an seinem bestimmten Platz. Nicht nur Schilderung, sondern Leben durch Wörter.
Ich selber respektiere den Mut von Leuten, die sich auf eine Bühne schmeißen und jene durchschnittlichen Texte vortragen. Ist auch Teil der Kunst, Dinge zu wagen und den Kugelhagel an Kritik zu fangen. Sag ich als Poetry-Slam-Hasser. Einen Slam habe ich auch mal besucht und ja, qualitativ kann man dort an einigen Stellschrauben drehen, aber anfangen muss man irgendwo.
Die Geschichte von mir dient als Schilderung eines Moments, ein möglichst authentischer Einblick in die Arbeit eines solchen Kleinkünstlers. Auch etwas Satire ist drin, versuchen immerhin so viele Leute den Sprung ins Showbiz mit ihrer Halbwitzigkeit. Weiterspinnen könnte man es, werde ich in ferner Zukunft auch, wenn mir entsprechend witzige Ideen kommen.

Mich freut übrigens, dass du (Deutsch-)Rap hörst. Zu oft wird Musik in ihrem lyrischen Schaffen nicht geschätzt oder gar ignoriert.

Liebe Grüße,
Grayson

 

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