Am Tag nach meinem achten Geburtstag
Am Tag nach meinem achten Geburtstag sagte mein Papa mir, dass wir gehen müssten. Nicht einfach irgendwo hingehen, sondern richtig weggehen, weit weg, auch nicht bloß zu Oma und Opa oder einer Cousine meiner Mutter, nein, weg. Im ersten Moment hatte ich mich gefreut, daran kann ich mich bis heute erinnern, denn ich bin durch unsere ganze Wohnung gehüpft und erwartete ein Abenteuer. Mama aber hat den ganzen Vormittag geweint und ließ sich durch nichts beruhigen, auch nicht durch heißen Tee mit Honig. Außerdem bestand sie darauf, neben den Fotoalben, die mein Papa eilig in unsere Reisetasche steckte, auch das Schuhputzzeug mitzunehmen, was ich sehr merkwürdig fand, aber sie ließ sich nicht mehr davon abbringen. Ich hingegen grübelte lange, ob ich mein Lieblingskuscheltier, einen grünen Stoffhasen mit gelben Öhrchen, zu Hause lassen sollte oder nicht, und entschied mich letztendlich dagegen. Ich sei ja schließlich nun stattliche acht Jahre alt, sagte ich mir, da könnte ich auch ohne mein Kuscheltier verreisen. Mein Papa aber hat meine Pläne durchkreuzt und meinen Hasen doch eingesteckt, irgendwo zwischen die Fotoalben und das Schuhputzzeug. Nie war ich ihm dankbarer für etwas. An warme Kleidung oder solides Schuhwerk hatte jedoch keiner von uns gedacht, was Mama zwei Zehen kostete, doch ein solcher Verlust scheint mir aus heutiger Sicht gering im Vergleich zu den grausamen Schicksalen, die andere Familien ereilten. Damals habe ich nichts von alledem verstanden und die Gründe für die tiefen Schatten in den Gesichtern meiner Eltern nicht begreifen können, wusste nicht, was uns von Ost nach West trieb durch Schnee und über Eis, im Zug oder zu Fuß. Ich war doch erst acht friedliche Kinderjahre und einen einzige Tag alt.