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- Anmerkungen zum Text
Hallo Leute,
ich schreibe oft noch zu nüchtern und übe mich daher in sinnlichem Schreiben (im Sinne von sensitiv, obwohl es auch ein wenig erotisch geworden ist ).
Wie kommt das hier an? Ist das zu viel oder zu wenig?
Was kann ich verbessern?
Ich wäre für euren Rat dankbar.
Am Strand
Anne hatte das Fenster auf der Beifahrerseite heruntergedreht und lauschte in freudiger Erwartung. Die Reifen, die über Sand und Steine knirschten, übertönten alle anderen Geräusche. Endlich kam der Wagen zum Stehen, kurz darauf verstummte der Motor, die Scheinwerfer verlöschten. Ihr Wagen war heute Abend der einzige auf dem Parkplatz. Stille kehrte ein und sie hörte durch das offene Fenster das gemächliche, rhythmische Rauschen der Brandung.
Tom behielt eine Hand am Lenkrad, die andere am Schlüssel, als ob er jeden Moment wieder starten wolle, wandte den Kopf und sah Anne mit ausdruckslosen Augen an. »Und weiter?« Sein Tonfall klang betont nörgelig.
Wie leicht man mit zwei Worten die Stimmung verderben konnte. Anne hatte diese ewige Miesmacherei so satt. Sie beschloss, den aufkommenden Missmut tief in sich zu vergraben. »Jetzt warte doch mal ab, das wird dir gefallen.« Sie öffnete die Beifahrertür des alten Opels.
Ein lauer Windhauch fuhr ihr ins Gesicht, der einen Duft nach Jod, Algen und Feuchtigkeit mit sich führte. Wie sie diesen Geruch liebte! Sie spürte einen salzigen Geschmack auf der Zunge und schnalzte genüsslich. Eilig schlüpfte sie aus den Sandalen und warf sie in den Fußraum. Das Erlebnis heute würde, so ihre Hoffnung, Toms Lebensfreude neu entfachen. »Komm, steig aus.«
Es war mittlerweile fast dunkel, der Mond stand schon am Himmel. Tom öffnete die Fahrertür, nestelte an seinen Schnürsenkeln, während er etwas Unverständliches vor sich hin brummelte, zog die Halbschuhe von den Füßen, fuhr mit den Fingern in den Bund seiner Socken, damit sie beim Ausziehen nicht auf links zu liegen kamen. Dann schob er die Socken in die Schuhe und stellte sie ordentlich nebeneinander vor das Bremspedal.
Wenn er diese Pedanterie bei allem, was er tat, an den Tag legen würde, wäre es ja in Ordnung, aber es betraf immer nur seine eigene Person, seine eigenen Belange. Seine Fingernägel, seine Haare, seine Hemden, seine Schuhe. Wenn es um gemeinsame Pflichten ging oder gar um Annes Belange, dann war sein Interesse verflogen. Neulich hatte er ihren Geburtstag vergessen. Ob er sie überhaupt noch liebte? Sie betrachtete ihn kritisch. Liebte sie ihn noch?
Er war immer schon ein sehr ambivalenter Charakter gewesen, euphorisch überdreht, charmant und unterhaltsam in Gesellschaft, dagegen melancholisch, wenn er mit ihr alleine war. Als hätte der Auftritt in der Öffentlichkeit ihm alle Kraft geraubt.
»Nachher ist hier alles voller Sand«, nörgelte Tom.
»Das mache ich wieder sauber.« Er würde es ja sowieso nicht machen. Anne versuchte, die Verbitterung von sich zu schieben.
Tom betrachtete kritisch den steinigen Boden und kam barfuß mit staksigen Schritten auf sie zu, als liefe er auf glühenden Kohlen. »Wir hätten Strandschuhe mitnehmen sollen.«
Anne bemühte sich um ein Lächeln und griff nach Toms Hand. »Versuch doch einfach mal, die Atmosphäre hier auf dich wirken zu lassen. Diese unglaubliche Schönheit.« Energisch zog sie ihn durch den mit kleinen Pflöcken markierten Durchgang über die Dünen. Der Strandhafer bog sich im Abendwind und blies ihr den langen Rock gegen die Beine. Die nackten Füße sanken ein, Gräser pieksten in die Fußsohlen.
»Ich kann überhaupt nicht sehen, wo ich hintrete in dem diffusen Licht, es ist ja schon gleich dunkel«, fluchte Tom leise. Anne beschloss, nicht zu antworten.
Endlich lag das Meer vor ihnen. Sie blieben stehen, Anne ließ das Bild auf sich wirken und genoss den Moment. Das behäbige Rauschen der Brandung wirkte beruhigend und aufwühlend zugleich, glättete die Wogen ihrer Seele und besänftigte die Verzweiflung, die sie tief in sich verschloss. Es hatte keinen Sinn, darüber zu sprechen. Das hatte noch nie etwas geändert und es würde auch in Zukunft nichts ändern.
Sie suchte mit den Augen den Strand ab. Sogar die Möwen waren bereits schlafen gegangen. »Weit und breit kein Mensch. Also, traust du dich?«
Tom presste die Lippen zusammen und schaute sich unschlüssig um. »Ob man jetzt tagsüber baden geht oder nachts, was macht das schon für einen Unterschied?«
»Kannst du das Genörgel nicht einmal bleiben lassen?« Anne warf die Tüte mit den Handtüchern in den Sand und begann, das Shirt über den Kopf zu ziehen, den Rock abzustreifen und warf beides auf den Sand, jetzt löste sie den BH, schlüpfte aus dem Slip.
Eilig lief sie über den Strand, bis der Sand unter ihr feuchter und kompakter wurde und sich beim Gehen sanft an die Fußsohlen schmiegte. Es war ein besonderes Gefühl, so in der freien Natur zu stehen, am ganzen Körper zu spüren, wie der Wind die Haut streichelte. Gedankenverloren drehte sie sich um und schaute zurück. Ihre Schritte hinterließen deutliche Spuren auf der glatt gespülten Sandfläche. Bald schon wären auch diese Zeugen ihrer Anwesenheit verschwunden und nichts würde an diese Nacht erinnern. Irgendwann wären die Spuren ihrer beider Leben verwischt, und nichts wäre mehr von Bedeutung. War es denn so wichtig, ob Tom glücklich war? War es wichtig, ob sie glücklich war? Warum war sie noch bei ihm?
Anne betrachtete die Wellen, die sich aufwölbten, während sie sich dem Strand näherten, höher und höher, wie der Wellenkamm überkippte und mit lautem Rauschen und Brodeln in sich zusammenfiel
Tom hatte sich endlich ausgezogen und folgte ihr. Nervös sah er sich um. Sie mochte seine Erscheinung. Die schmalen, fast schlaksigen Beine, der große, kräftige Brustkorb, die dunklen Haare. Sein Kopf war gesenkt, die Schultern nach vorne gezogen. Da war sie schon wieder, diese allgegenwärtige Traurigkeit, die sie nicht verstand.
»Na, wie fühlst du dich?«, fragte sie aufmunternd.
»Ja, schon ganz gut. Aber was bringt das schon?«
Anne seufzte und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Meer zu. Ihre Füße suchten den Punkt, den die Wellen gerade noch erreichten, und ließ das Meerwasser vorsichtig durch ihre Zehen schwappen. Das war kalt!
Jetzt war Tom neben ihr und fasste überraschend schüchtern nach ihrer Hand, die Anne ergriff und zärtlich drückte. Sie liebte ihn - trotz allem. Wie gerne wäre sie mit ihm zusammen glücklich, fröhlich. Das würde niemals so sein!
Nebeneinander schoben sie die Beine gegen den Wasserwiderstand nach vorne, den Wellen entgegen. Mit jedem Schritt schwappten die ankommenden Wogen höher und nahmen Anne den Atem. Sie hob den Arm und zog Tom mit, während das Wasser an ihren Schenkeln emporstieg. Als die Kälte den Bauch erreichte, krampfte sich ihr Brustkorb zusammen und machte das Atmen für einen Moment unmöglich. Es war so schön, das alles empfinden zu können. Annes Anspannung ließ endlich nach. Weiter, immer weiter!
Sie streckte die Arme nach vorne und ließ sich ins Wasser gleiten. So weit vom Strand entfernt wurde das Meer ruhiger, sie spürte nur noch die rhythmische Strömung unter der Wasseroberfläche. Während sie schwamm, schweifte ihr Blick hinaus in die offene See. Es war mittlerweile dunkel. Auf der Wasserfläche spiegelte sich das sanfte Licht des Vollmondes, dessen Bild immer wieder von den Wellen zerteilt und neu zusammengefügt wurde. Er war ungewöhnlich groß in dieser Nacht. Deutlich konnte Anne die Schatten auf seiner Oberfläche erkennen.
Hier gab es nichts außer ihnen selbst, um sie das Wasser und über ihr die Sterne. Sie war ein Teil des Universums, nicht mehr, aber auch nicht weniger. In diesem Moment war nichts mehr von Bedeutung. Ihre Ehe, ihre Sorgen, nichts, absolut nichts. Existieren, das war alles, was die Welt von ihr verlangte. Und sie erfüllte diese Forderung mit Freude. Lachend sah sie in Toms Augen. In ihrem Leuchten konnte sie erkennen, dass er dasselbe empfand. Hoffnung keimte in ihrem Herzen auf.
Er nickte ihr zu und wandte sich Richtung Strand, Anne folgte ihm.
Während sie sich dem Strand näherte, wurden die Wellen stärker, hoben sie in die Höhe und senkten sie sanft wieder ab, bis sie die Stelle erreichte, an der der Wellenkamm regelmäßig brach. Das sprudelnde Wasser gurgelte über ihren Kopf. Sie tauchte ab und schwamm ein paar Meter gegen den Rückstrom. Endlich spürte sie wieder Boden unter den Füßen, schob die Beine gegen die Wassermassen nach vorne. Das Meer gab sie nur ungern frei. Ihr Körper fühlte sich unendlich schwer an, während er sich aus dem Wasser erhob.
Sie waren zurück in der Wirklichkeit. Erschöpft und schwer atmend blieben beide nur wenig außerhalb auf dem nassen Sand stehen. Anne suchte in Toms Augen nach dieser Freude, die sie gerade eben noch wahrgenommen hatte. Sie versuchte, keine Enttäuschung aufkommen zu lassen und lächelte.
Er bemerkte ihren Blick. »Ich weiß ja, dass du es gut meinst.« Er zog sie an sich, spreizte die Hände und verschränkte seine Finger zart mit den ihren.
Alles würde gut werden. Bestimmt!