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Am Straßenrand
Für Sekunden, im Vorbeifahren, sehe ich eine Jacke auf dem Bürgersteig liegen.
Kaum wahrgenommen, ist sie wieder aus meinem Blickfeld verschwunden. Und doch wirkt das Bild nach, während ich meine Fahrt fortsetze.
Was sie dort machte? Es ist doch ein seltenes Bild.
Sie war braun, erdbraun. Kein Plastik, irgendein Stoff, vielleicht Cord. Ziemlich zusammengeknüllt, lag sie einfach nur so da.
Vielleicht sollte man die Polizei verständigen.
Aber das wäre doch übertrieben, bloß wegen einer Jacke!
Vielleicht gehen und fahren aber auch Dutzende, nein, Hunderte vorbei, obwohl wirklich etwas passiert ist...
Groß war sie ja nicht, wie sie dalag, vielleicht gehörte sie einem Kind oder einem alten Mann-
Alte Frauen tragen schließlich kein hässliches Erdbraun...
Ich werde nichts tun, ich bin immerhin nur vorbeigefahren, auf der Durchreise, es ist nicht einmal meine Stadt. Möglicherweise ist sie auch nur kaputt, weggeschmissen, ein Stück Lumpen... von einem Obdachlosen, wahrscheinlich...
Wer auch immer in ihr gesteckt hat, irgendwie weiß ich das, ich möchte nicht in seiner Haut stecken. Ich bin fast ein klein wenig erleichtert: Es ist nicht meine Jacke.
Wenn aber wirklich etwas Schlimmes passiert ist, dann wird man in Zukunft wegen jeder herumliegenden Jacke die Polizei rufen, das steht fest.
Fest steht auch: Dieses Stück Stoff, tief Braun auf grauem Pflasterstein zwischen Asphalt und Betonmauer, es erzählte mir in zwei, drei Sekunden eine Geschichte.