Am nächsten Morgen (eine kriegskritische Kurzgeschichte)
Der nächste Morgen
(Richard Müller)
Man sah ihn. Man sah ihn in den ersten Strahlen, die durch den Staub der Schuttwüste hervorkamen. Man sah ihn auf uns zukommen. Er setzte sich bei uns, zu den Resten der Mauer. Dorthin kamen viele, ja viele.
Wo ist die Nordstraße? , fragte er in die Runde. Ist sie nicht gleich um die Ecke?
Er holte ein halb zerrissenes Foto heraus und sagte, ich komme gleich. Es dauert nicht mehr lange. Eine aus der Runde antwortete ihm, sie müssen gerade aus gehen und dann die zweite nach rechts. Danke, antwortete er.
Am nächsten Morgen kam er wieder. Es regnete. Wieder setzte er sich zu uns und sagte, sie sind schon gekommen. Ich dachte sie kommen erst noch. Ja ich glaubte, dass sie erst noch kommen. Naja nun ist alles weg.Jemand fragte ihn, was ist alles weg, was meinen sie damit? Der Mann antwortete, mein Haus, meine Freunde, meine Bekannten. Ach ja auch noch meine Elten, er grinste dabei. Eins habe ich aber noch, meinte er, ich fand noch ein Buch ein altes Buch. Daraus las immer meine Mutter mir vor, es war immer so herrlich. Und jedes Mal wenn sie fertig war, sagte sie:Bis Morgen mein Schatz. Jaja sie sagte nicht so was, wie gute Nacht, sondern immer nur:Bis Morgen mein Schatz. Dies war alles wie im Paradies bis auf die Tatsache, dass mein Vater im 1.Weltkrieg, wie ein Kegel gefallen ist.Es ist wie in einem grausigen Spiel. Er nahm wieder sein Foto heraus. Diesmal erkannte ich was darauf zu sehen war. Es war seine Mutter und sein Vater. Nun fragte ich ihn, wo wollen sie nun bleiben? Er erwiderte nur kurz, ich weiß nicht, keiner weiß es, wo.Danach murmelte er noch halb laut:Bis Morgen.
Am nächsten Tag wartete und wartete ich auf ihn. Doch er kam nicht. Eine Wolke schob sich vor die Sonne, es wurde dunkler. Danach dachte ich nur noch an die Worte:Bis Morgen.