Am Lac de Bonlieu
Am Lac de Bonlieu
Der Abstecher zu Fuss zu den Wasserfällen des Hérissons hatte mehr Zeit in Anspruch genommen, als wir gedacht hatten. Die malerischen Ausblicke und das saftige grün des Waldes hatte uns in seinen Bann gezogen. Nicole schüttelte verwundert ihren roten Krauskopf. Es blieb nur noch wenig Zeit bis zum Eindunkeln, und wir wollten für unser kleines Zelt ein lauschiges Plätzchen Natur zum Übernachten finden. Auf der Karte war in der Nähe ein kleiner See eingezeichnet. Die Aussicht auf ein kühles Bad und ein Plätzchen am Seeufer verlieh uns neue Kräfte.
Zum See mussten wir noch eine beträchtliche Steigung bewältigen, und mit unseren schwer beladenen Tourenrädern kamen wir nur langsam vorwärts. Die drückende Hitze zauberte feine Schweissperlen auf Nicoles Nacken.
Der kleine See war auch wirklich schön gelegen, allerdings hatten dies ein gutes Duzend Angler auch erkannt, die sich rund herum verteilt hatten und in ihren Campingstühlen nicht den Eindruck erweckten, als würden sie den Platz innerhalb der nächsten Stunde freigeben. So lange wollten wir aber nicht zuwarten. Als Alternative boten sich die Gärten von ein paar verrammelten Wochenendhäuschen an. Die Häuschen mit ihren wettergebleichten Rollläden und den verwilderten Gärten machten wahrlich keinen bewohnten Eindruck. Daneben vervollständigte eine verrammelte Hotelruine das Bild. Frech wie wir waren, suchten wir uns den schönsten Garten aus, gleich mit Treppe zum Wasser. Ein paar Büsche und das Haus boten ausreichend Deckung vor Passanten.
Unser kleines Zelt stand in Minuten, und auch die Pasta dampfte schon bald verheissungsvoll auf dem Benzinkocher. Darüber das Glas Tomatensauce, und fertig war unser Abendessen. Mit unserem Bärenhunger waren wir nicht sehr wählerisch.
Während des Essens sahen wir mit Genugtuung die Angler nach und nach in ihre Renaults und Peugeots steigen. Auf die Ruhe und Einsamkeit danach freuten wir uns.
Das Summen der Mücken war verstummt, der See lag glatt vor uns, und die Mondsichel war über den Baumkronen aufgegangen. Behände schlüpften wir aus unseren Kleidern, stiegen die Treppe runter und stürzten uns ins Wasser. Nicoles Haut war sehr weiss, besonders dort, wo die Fahrradkleidung sie noch abgedeckt hatte, mit lustigen Sommersprossen an einigen Stellen. Das kühle Nass formte eine feine Hühnerhaut, und ihre kleinen Brustwarzen stellten sich keck auf. Wir streichelten uns sanft, und aus den Berührungen wurde allmählich ein zärtliches Liebesspiel, das erst auf dem Rasen vor dem Zelt ein fulminantes Ende fand. Zufrieden und müde schlüpften wir schlussendlich in unsere Schlafsäcke.
Der süsse Schlaf dauerte aber leider nicht allzu lange : So gegen Mitternacht wurden wir von Motorengeräuschen geweckt. Eine kleine Autokarawane näherte sich dem See und bog in den Zufahrtsweg Richtung Wochenendhäuschen ein. Das erste hielt beim Nachbarhäuschen an, zwei fuhren weiter an « unserem » Häuschen vorbei. Mein Puls erreichte etwa wieder die gleiche Rate wie beim Schlussaufstieg…
Da fuhr auch schon ein Fahrzeug auf den Kiesplatz. Autotüren fielen zu und Kinderstimmen ertönten, ein Hund rannte ums Haus herum, ohne von uns Notiz zu nehmen. Dann gingen überall im Haus die Lichter an hinter den Rollläden. Wir lagen zuerst wie gelähmt auf unseren Campingmatten, begannen dann, unsere Situation zu analysieren. Das Zelt hatten wir gleich vor der Verandatür postiert, es brauchte also nur jemand den Rollladen hochzuziehen, und er konnte in unsere Schlafstätte hineinsehen. Leise Zusammenpacken wäre eine Option gewesen, allerdings eine sehr umständliche und mühsame. Das Kochgeschirr und der Kocher lagen noch verteilt im Rasen, die Wäscheleine hatten wir auch für unsere Zwecke genutzt.
Wir entschieden uns letztlich, beim Haus zu klingeln und unser « Missgeschick » zu gestehen.
Der gute französische Familienvater war zwar sehr überrascht, aber erstaunlich freundlich. Er erlaubte uns, den Garten bis nach dem Frühstück weiter zu benutzen. Ausserdem erfuhren wir von ihm auch, warum plötzlich alle Ferienhäuschen an einem gewöhnlichen Wochentag besetzt waren : Es war der 13. Juli, der letzte Arbeitstag vor dem französischen Nationalfeiertag. Die Familie war am späten Nachmittag in Paris aufgebrochen und deshalb erst jetzt hier angekommen. Beruhigt schlüpften wir wieder ins Zelt, kuschelten uns aneinander und schliefen in Minutenschnelle ein.
[Beitrag editiert von: markus am 06.02.2002 um 23:07]