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Am Kreuze...

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12.12.2001
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Am Kreuze...

... - dieses aber tötet uns.
Das wäre unsre Rettung: nicht mehr sein -
Traurige Rettung! Denn wer wollte gar,
Wenn auch gepeinigt sehr, dies geistig Wesen,
Das denkend Ewigkeiten sich durchmißt,
Verlieren, um vollauf zu Grund zu gehen,
Verschluckt und aufgelöst im weiten Schoß
Der unerschaffnen Nacht, beraubt des Sinns
Und Lebens?
-Fürst Belial; aus: John Milton, Das Verlorene Paradies, Buch II, 181-189


...befreit in Tod und Tränen.
Ich hänge in unendlicher Leere und weine blutige Tränen, die mein Leben nach außen tragen, meine Seele entsorgen und meine Glieder als nutzlose Hüllen zurücklassen. Und dann fallen die Tränen in einen bodenlosen Abgrund der sich zu meinen Füßen wie ein gieriger Schlund einer durch und durch bösen, schwarzen Bestie auftut. Dort geht er hin, dort fließt er hin, mein großer Geist, flieht in ein fernes Reich fernab von Zeit und Raum, auf der anderen Seite des Hier und Jetzt, mit dem Rücken zum Hier, mit den Augen vom Jetzt. Wie flüssige Feuerflammen fließen die Tränen meine erkaltenden Backen entlang und zerfurschen mein Gesicht, zerlegen es bis zur Unkenntlichkeit. Sie verwischen meine Identität, sie zerstören meine Persönlichkeit, indem sie mich verlassen und das Antlitz ihrer selbst verbrennen. Daß tote Augen weinen können, erstaunt ihn, den fliehenden Verstand.
Der Rost nagt an meinen Händen und zerbeißt meine Füße. Denn es ist, als sei das Metall in ihnen schon seit Jahren nur mit Blut und Wasser in Berührung. Mit Blut und Tränen, ja! Aber seit Jahren? Längst schmerzt es nicht mehr, mein Körper scheint tot, und doch rinnt das Blut aus den kleinen Wunden an Füßen und Händen. Die Füße bluten vom Tanzen, zuviel getanzt haben sie, zuviel getanzt! Sich an dem Ballsaalboden vergangen an langen Abenden voll Heiterkeit, voll froher Ausgelassenheit. Die Hände bluten vom Klatschen und vom Flöten, sich an Luft und Tönen vergangen, sich in den Tode musiziert. Und - Hip Hurra! - mein Herz, es blutet! Daß totes Fleisch bluten kann, erschreckt ihn, den tränenden Verstand.
So hänge ich im Nichts an Gottes Gnade geschlagen, und das Holz treibt Späne und Splitter in meine Haut, für jede Sünde einen. Was hält man Toten Sünden vor, wo sie doch nicht büßen können? Was foltert man längst gestorbnes Fleisch, was quält man Leichen, für was die Tortur, für was die Reinigung, für was die Buße, wenn die Augen immer weinen, man selbst jedoch nicht weinen kann? Tot! Und doch schmerzt es.

Am Kreuze häng' ich, wo sie mich gehangen, die Toren!, die Narren!, die Ängstlichen, die mich gefangen und getragen, hier auf den Hügel, auf meinen Golgotha. Ich hänge hier noch einen halben Tag, dann bricht die Last meines eigenen Körpers mir das Genick, doch sie, die mich erhängten, sind schon gebrochen. Die Furcht brach ihr Genick, beugte ihren Nacken bis zu ihren eigenen Füßen, die sie küßten! Sie segneten sich selbst und opferten mich. Die Verdammten, diese willenlosen Lämmer! Die Siegel sollte ich brechen. Ihnen steht mein Leid zu, nicht mir, sie sind die Verräter, ich der Verratene.
Ha, da! Dort hinten! Wolken am Horizont, Schwarze und Graue, mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf dem Wege zum stummen Zeugen der Menschen Verruchtheit. Schreien sollt' ich! Schreien! So hatte ich Recht, ich hatte Recht! Gottes Zorn kommt, mich zu rächen, Vergeltung zu üben an meinen Mördern, den grausamen Lakaien ihrer Lüste und Triebe. Ihrer Angst! Ha, ihrer unbeschreiblichen Angst vor sich selbst; die sich nicht im Spiegel von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und ansehen können, ihrem eigenen tödlichen Blicke nicht standhalten! Weil sie in ihm den sündigen Blick eines gottlosen Verräters erblicken und erkennen würden! Das Blut würden sie an ihren Händen kleben sehen, den Dolch noch in der Hand! Den blutigen Dolch, den Amorpfeil ihres Antigottes, dieses hinterlistigen Dämons! Gottes Rache kommt und bestürmt ihre sicher geglaubten Zinnen, und reißt sie hernieder, auf daß ihr falscher Stolz fallen möge, in sich zusammenstürze wie eine morsche Arche! Ja! Blut für Blut! Ihr Genick ist gebrochen, nun brich es, Gott!
Sie ziehen näher, die Wolken, die düsteren Vorboten der ehernen Gerechtigkeit. Justitia, in Stein gemeißelt, sammelt ihre Worte und schärft ihre Klinge. Und schon tobt er los, der Sturm, die feuerlosen Flammen der Zerstörung. Und der Regen fällt, ganz plötzlich öffnen sich die Wolken und entlassen ihre Fracht, und es schüttet in Strömen, Tod und Verderbnis. Keine drei Ellen reicht meine Sicht und doch bin ich mir sicher, daß weit dort drüben, am Fuße des Hügels, hinter dieser Mauer aus Wasser, die ihre Strafe erhalten, die sie verdienen. Ich höre Schreie, die sich schwach in das Strömen des Regens, in das Tosen des peitschenden Windes mischen, und ich kann nicht erkennen, woher, doch ich weiß es - hinter diesem Wall der Macht Gottes! Ja, die Stimme, diese Stimme! Jetzt schreit er, der Tyrann! Ha, kläglicher, elender Bastard! Nun bezahlst du mit deiner Seele für deine gnadenlose Herrschaft! Du hast es verdient, du Schinder, du Sklaventreiber. Jetzt wird die Seele des Seelenverkäufers verkauft. Ihr habt eure Füße geküßt, ihr habt euch verkauft!
Und um mich herum, die Welt beginnt zu zerfließen. Alles fließt vorbei an mir. Da!, der Baum, er stand dort hinten, nun ist er flüssig und strömt unter meinen Füßen entlang hinab in die Fluten! Der Hügel selbst beginnt zu Wasser zu werden. Das Gras und die Büsche, die Insekten und die Erde, sie verlieren ihre Farbe! Das Grün weicht, das Braun, es flieht hinfort, fort von mir! Und unten, wo die Wellen über die See tanzen, da schwimmen nun auch Teile der Menschen, meiner Verräter, flüssig geworden, mit der Sintflut vereint. Ha!, das ihre Strafe! Blitze durchschneiden die Nacht und lassen das Holz meines Kreuzes splittern. Es zischt wie von Teufelszungen, wenn der göttliche Regen die Flammen löscht, und doch, es riecht verbrannt, die Sünder, sie schmoren, der Tyrann in der Hölle, sie verkohlen zu Asche, zu nasser, energieloser Asche! Ha, das habt ihr verdient!
Und ich hänge zwischen den wilden Fluten und dem zornigen Himmel, allein in ihrer Mitte am Kreuz. Das ist mein Tod, doch bin ich gerächt. Doch tot, oh Gott, tot! Und ist es nicht weise, trotzdem zu lachen, doch wer hat die Kraft, so weise zu sein...?

Es ist ein stürmischer Abend, das Dorf versammelt im Wirtshaus, und an dem Tisch, der des Henkers ist, sitzt niemand, sein Krug bleibt trocken heute abend, sein Teller bleibt leer, sie wollten ihn nicht. Und auch sein Bett wird leer bleiben, denn er ist auf dem Weg zum Hügel vor den Toren des kleinen Städtchens. Flüche und Zauber, Schimpf und Gebet speit er hinaus in die Welt, die ihn so zum Narren hält. Schwer atmend stapft er durch den Matsch, den Dreck und den Schlamm. Er ist nackt, kein Fetzen Stoff hält ihn warm, denn an diesem Abend hat er seine Henkerskleidung in der Truhe gelassen. Sie sollen ihn nicht erkennen, und er will bar vor den Rächer treten. Heut' Nacht soll er sterben, der Tyrann, der in seinem Kopfe tobt, der ihn quält und der ihn nicht schlafen läßt. Naßgeschwitzt und zitternd vor Furcht im Bett zu liegen ist das Schicksal, das er ihm aufgezwungen, der Spaß, mit dem er ihn peinigt. Doch heut' wird er sterben, niedergestreckt. Niedergestreckt von Gottes Hand, das schwört der Mann, der einsam und verlassen von den Lichtern sich entfernt. Der Gebrochene, dessen glasige Augen seit Monden keine Träne mehr weinen konnten, dessen Herzen noch schlägt, und doch keine Wärme mehr spendet, kein Leben, kein Hauch von Leben. Er muß sterben! Er weiß, daß er stirbt! Und auf seinem geschundenen Rücken trägt er tapfer und gebeugt sein eigenes Kreuz.

 

Hi Falk!

Surreal ist sie gewiß, Deine Geschichte - nur konnte der Sinn noch nicht so ganz bis zu mir durchdringen. Was aber nicht unbedingt an Deiner Geschichte liegen muß, ich hab auch grad nicht wirklich die nötige Ruhe dazu...

Aber mit ein paar Fehlerkorrekturen kann ich Dir jedenfalls helfen:

"durchfurschen mein Gesicht" - meintest Du vielleicht "zerfurchen"? "durchfurschen" kenn ich nicht...

"Das tote Augen weinen können erstaunt ihn,..." - Dass tote Augen weinen können, erstaunt ihn,...

"Das totes Fleisch bluten kann erschreckt ihn,..." - Dass totes Fleisch bluten kann,...

"Armorpfeil" - Amorpfeil

"auf das ihr falscher Stolz fallen möge" - auf dass...

"Ihr Genick ist gebrochen, nun brich es, Gott!" - äh, hm?

Alles liebe
Susi

 
Zuletzt bearbeitet:

Oh, danke, Häferl! Hab' alles verbessert, außer dem letzten Punkt, der stimmt schon so. :)
Ich weiß gar nicht, wie ich es in letzter Zeit immer hinkriege so dämliche Fehler zu machen. In meinen Schulaufsätzen hatte ich sonst auf 10 Seiten keinen Rechtschreibfehler - vielleicht ist doch was dran, daß man sich morgens besser konzentrieren kann, als spät nachts? :)

Ach ja: Hab' den Titel von "Befreit in Tränen und Tod" in "Befreit in Tod und Tränen" geändert. Hätt' ich auch früher drauf kommen können *seufz*

 

Hi falk!

Was macht es für einen Unterschied, ob es "Tränen und Tod" oder "Tod und Tränen" heißt? *angestrengtnachdenkundnichtdraufkomm*

Alles liebe
Susi

 

Die Melodie ist schöner! Sprich es mal laut, dann merkst du es vielleicht eher.

Schau auf die Betonung:
beFREIT in TOD und TRÄnen
beFREIT in TRÄnen UND tod

 

Damit der Titel aber auch wirklich geändert ist, also auch in der Übersicht als "Befreit in Tod und Tränen" erscheint, müßtest Du das am besten Fred schreiben... (Oder er sieht es jetzt...);)

 

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