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Am Ende des Regenbogens -2: Der junge Kreissägenfahrer
Eine Geschichte aus der Zeit des jungen Kreissägenfahrers.
Crice Sage war ein ganz normaler Junge. Zu der Zeit, von der diese Geschichte erzählt, war er zwölf Jahre alt. Er wohnte auf dem Planeten Mankius zusammen mit seiner Familie, seinen Freunden und den anderen Bewohnern dieses Planeten.
Eines Tages, kurz vor Crices Geburtstag, versetzte ein einzelner Mann Crices ganzes Dorf in Angst und Schrecken. Es war der Kettensägenmann, der gefürchtetste Auftragskiller in allen Multiversen.
Jeder im Dorf fragte sich, was seine Mitbewohner Schlimmes getan hatten, dass jemand den Kettensägenmann gedungen hatte. Denn dass man selber ja nichts getan hatte, war ja klar. Es konnte nur die Anderen Schuld daran sein.
Das Dorf war wie ausgestorben (eine pikante Wortwahl, bedenkt man die Situation), als der Kettensägenmann es durchschritt.
Man sollte etwas Allgemeines zum Multiversum sagen: Untereinander sind sich alle Universen in manchen Dingen gleich. Und so erforderte es auch hier die Situation, dass eine einzelne Windhexe, vom Wind getrieben, den Weg des Kettensägenmannes kreuzte.
Dieser blickte nur kurz hin, berechnete Ausholwinkel und Zuschlagskraft seiner Kettensäge, um die Windhexe in 47 gleichgroße Teile zu zersägen, und ließ es dann sein. Manchmal musste man sich mit Rechnungen zufrieden geben.
Er ging weiter, bis er vor ein Haus kam, in dem zufälligerweise ebenjener Crice Sage mit seiner Familie hauste.
Der Kettensägenmann klopfte einmal.
Er klopfte ein zweites Mal.
Zögernd wurde die Tür geöffnet. Von Crice Sage persönlich. Kein Erwachsener tritt dem Kettensägenmann gegenüber, wenn er nicht in dessen Terminkalender erwähnt wird.
Der Kettensägenmann sah lange auf Crice hinab. Dann fragte er:
„Crais Säitsch?“
„Äh, nun, eigentlich spricht man es – “
„Komm mit.“
Der Kettensägenmann drehte sich um und schritt den Weg zurück, den er gekommen war.
Crice konnte sein Glück kaum fassen, dass er entkommen war und drehte sich um, um wieder ins Haus zu gehen, wurde jedoch von seinen Eltern hinausgeschubst.
„Den Kettensägenmann lässt man nicht warten.“
Da stand er nun, allein auf weiter Flur.
Und so folgte er dem ominösen Mann.
Dieser ging solange weiter, bis er den Fuß eines Hügels erreicht hatte. Dann drehte er sich um.
„Ah, ich sehe, du bist mir gefolgt. Andernfalls hätte ich dein ganzes Dorf niedergemetzelt."
„Wer hätte das bezahlt?“ Crice wusste, was ein Auftragskiller war.
„Wäre aufs Haus gegangen.“
„Hätten Sie das wirklich gemacht?“, fragte Crice entsetzt.
Der Kettensägenmann seufzte schwer und schwieg lange. Crice überlegte sich schon, ob er seine Frage wiederholen sollte, da antwortete der Mann:
„Nein. Und das ist auch der Grund dafür, warum du mir bis hierher folgen musstest. Ich werde alt. Ich brauche einen Nachfolger. Gewiss, das ganze Multiversum zittert, wenn der Name ‚Kettensägenmann’ fällt, aber hättest du Angst vor jemandem, der nur noch Haferbrei zu sich nehmen kann, und allenthalben seinen eigenen Namen vergisst?“
„Nun, um ehrlich zu sein – “
„Schon gut, es war eine rhetorische Frage.“
„Aber Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass Sie manchmal vergessen, dass Sie der Kettensägenmann sind?“
„Nein. Ich sprach vom meinem eigenen Namen. Diesen hier habe ich nur deshalb angenommen, weil man ihn mir gab. Außerdem ist eine Drohung der Art ‚Ich werde dir den Kettensägenmann auf den Hals hetzen’ wirksamer als ‚Ich werde dir den Giselher Metz auf den Hals hetzen’.“
Crice musste gegen das Lachen ankämpfen. Schließlich konnte er es nicht mehr:
„Ha, ha, ha, ha, ich kann nicht mehr, ha, ha, ha, ‚auf den Hals hetzen’, ha, ha, ha.“
„Wie dem auch sei. Das Multiversum braucht eine Nummer eins in Sachen Auftragskiller.“
„Sie sind die Nummer eins.“
„Noch. Aber wie gesagt, ich werde alt. Ich brauche einen Nachfolger.“
„Was ist mit dem Dreifach-geklonten-wurstessenden-Bäuchler? Er ist doch im Moment die Nummer zwei. Wieso wird er dann nicht zur Nummer eins?“
„Ha, ha, ha, der Bäuchler? Ha, der Bäuchler ist fett, plump, faul und dumm. Und das in dreifacher Ausfertigung. Er könnte nicht mal eine Kuh töten, die sich zwei Meter vor ihm befindet! Aber jetzt mal Scherz beiseite, Junge. Du wirst mein Nachfolger, keine Widerrede. Ich werde dich alles lehren, was ich weiß, solange ich noch Zeit dazu habe.“
„Aber warum ich?“
Der Kettensägenmann seufzte wieder.
„Als ich damals auf die gleiche Weise ausgewählt wurde, vom Großen Zipfelschreck, habe ich ihn das auch gefragt. Und er antwortete mir, was sein Entdecker ihm antwortete und was auch ich dir jetzt sagen werde: Wenn die Reihe an dir ist, jemanden zu erwählen, wirst du es verstehen.“
„Und verstehen Sie es jetzt?“
„Ja. Und ich wünsche dir, dass du es auch verstehst. Es wird dir gefallen.“
Die Beiden schritten den Hügel hinauf. An seiner Spitze befand sich das Raumschiff des Kettensägenmannes. Die Beiden stiegen ein und flogen zu seinem Planeten.
Es folgte eine lange Zeit der Ausbildung, in der der Kettensägenmann Crice alles beibrachte, was er über subtiles Töten bis hin zum Massaker wusste.
Vier Jahre waren vergangen. Heute würde Crice seine Meisterprüfung ablegen müssen.
Der Kettensägenmann hatte ihm ein Motorrad geschenkt, mit dem man sich auch zwischen Planeten bewegen konnte, wenn es sein musste.
„Bist du bereit für Die Prüfung?“
„Ja, das bin ich.“
„Morgen, wenn die Sonne untergeht, darf ich nicht mehr leben. Schaffst du das, wirst du mein Nachfolger. Schaffst du es nicht, werde ich dich gehen lassen. Aber irgendwann, wenn du es am wenigsten erwartest, werde ich kommen und dich auslöschen.“
„Ja.“
In dieser Nacht modifizierte Crice sein Motorrad. Er brauchte ein schnelles Gefährt, wenn er den Kettensägenmann kriegen wollte.
Am nächsten Tag begann die Jagd auf den Kettensägenmann. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.